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SANIEREN UND SPAREN - Sparkassenzeitung

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44<br />

PERSPEKTIVEN<br />

US-HYPOTHEKENKRISE<br />

Hybris und Nemesis<br />

Staatsanwälte in den Vereinigten Staaten gehen immer energischer gegen Banken vor. Vordergründig<br />

geht es darum, mögliche Straftaten im Vorfeld der Finanzkrise aufzudecken. Zudem<br />

sollen medienwirksame Auftritte den Chefermittlern den Weg zu politischen Karrieren bahnen.<br />

n VON RICHARD HAIMANN<br />

Die Summe scheint akzeptabel, das<br />

Renditepotenzial verlockend: Im Juli<br />

2006 verkündet die Deutsche Bank die<br />

bevorstehende Übernahme des börsennotierten<br />

Real Estate Trusts Mortgage-IT.<br />

429 Mio. US-Dollar zahlten die Frankfurter<br />

für den großen Hypothekenkreditgeber,<br />

der zu dieser Zeit kräftig am<br />

boomenden Eigenheimmarkt in den Vereinigten<br />

Staaten verdient. Immobiliendarlehen<br />

im Gesamtwert von 29,2 Mrd.<br />

US-Dollar hatte die Holding im Jahr zuvor<br />

ausgereicht.<br />

Risiken gab es scheinbar keine: Schließlich<br />

garantiert die US-Regierung über eigene<br />

Behörden für sämtliche Kredite von<br />

Mortgage-IT. „Wir glauben, dass große<br />

Chancen bestehen, am US-Hypothekenmarkt<br />

weitere Produkte und Dienstleistungen<br />

anzubieten.“ Mit diesen Worten<br />

feierte Anshu Jain, Leiter der Investmentsparte<br />

der Deutschen Bank und Mitglied<br />

ihres Group Executive Committees, damals<br />

den Zukauf.<br />

Forderung von 386 Mio. Dollar<br />

Heute freut sich in den Frankfurter Doppeltürmen<br />

des Instituts niemand mehr<br />

über den Deal. Auf Schadenersatz in Höhe<br />

von rund einer Mrd. US-Dollar verklagt<br />

Manhattans Staatsanwalt Preet Bharara<br />

die Bank. Der Vorwurf: Mortgage-IT<br />

habe auch Kredite an Immobilienkäufer<br />

geringer Bonität vergeben – obwohl der<br />

Hypothekenfinanzierer gewusst habe,<br />

dass die se Subprime-Kunden mittelfristig<br />

nicht in der Lage gewesen seien, die<br />

Darlehen zu bedienen.<br />

Die damit erschlichenen Garantien hätten<br />

die amerikanischen Regierung seit<br />

Beginn des Zusammenbruchs am Eigenheimmarkt<br />

386 Mio. US-Dollar gekostet.<br />

„Hunderte weitere Millionen Dollar“, argumentieren<br />

die Anklagevertreter, dürften<br />

hinzukommen. Den Schaden – plus<br />

einer Strafzahlung – müsse die Deutsche<br />

Bank begleichen.<br />

Der Frankfurter Konzern und seine<br />

Tochter, so diktierte Bharara Journalisten<br />

in den Stenoblock, „haben die schlimmsten<br />

der üblen Kreditvergabepraktiken<br />

der Branche vorgenommen“. Zwar gab<br />

sich Vorstandschef Josef Ackermann bei<br />

der Hauptversammlung im Mai kämpferisch:<br />

Das Institut würde von den US-<br />

Behörden „zu Unrecht angegriffen“ und<br />

werde sich „mit allen gebotenen Mitteln<br />

zur Wehr setzen“. Fast sämtliche fraglichen<br />

Kredite, argumentieren Vertreter<br />

der Bank in Hintergrundgesprächen,<br />

seien von Mortgage-IT vergeben worden,<br />

bevor die Holding im Jahr 2007<br />

endgültig an das Frankfurter<br />

Bankhaus ging. Gleich nach<br />

der Übernahme seien derartige<br />

Vergabepraktiken unterbunden<br />

worden.<br />

Doch damit wäre die Deutsche<br />

Bank lediglich moralisch für die<br />

Vorfälle nicht verantwortlich.<br />

Strafrechtlich sehe das ganz<br />

anders aus, sagt eine Sprecherin<br />

der Staatsanwaltschaft in<br />

Manhattan: „Nach US-Recht haftet<br />

der Aufkäufer einer börsennotierten<br />

Gesellschaft auch für<br />

all ihre früheren Gesetzesverstöße.“<br />

Und Bhararas Anklage ist<br />

nicht das einzige Problem der<br />

Deutschen Bank in den USA.<br />

Inzwischen ist sie auch in das<br />

Fadenkreuz der Ermittlungen des New<br />

Yorker Generalstaatsanwalts Eric Schneiderman<br />

geraten – ebenso wie etliche<br />

andere große Geldhäuser, darunter die<br />

Bank of America, Goldman Sachs, Morgan<br />

Stanley und weitere ausländische<br />

Institute wie die Royal Bank of Scotland<br />

und die Schweizer UBS.<br />

Im Jahr drei nach Ausbruch der Finanzkrise<br />

sind die USA für Banken zum<br />

heißen Pflaster geworden. Die Strafverfolgungsbehörden<br />

stellen die Institute an<br />

den Pranger. „In Umfragen genießen Gebrauchtwagenhändler<br />

mehr Ansehen als<br />

wir“, stöhnt ein führender Manager einer<br />

europäischen Bank hinter vorgehaltener<br />

Hand. „Wäre dies eine kleine Volkswirtschaft<br />

– wir hätten uns längst aus den<br />

USA zurückgezogen.“ Doch im<br />

wichtigsten Finanzmarkt der<br />

Welt sei Präsenz gefragt – koste<br />

es an Imageproblemen und Vergleichszahlungen,<br />

was es wolle.<br />

Bei Schneidermans Untersuchungen<br />

geht es jetzt um die<br />

Verbriefungen von Hypothekendarlehen<br />

in der Zeit des<br />

Immobilienbooms und um<br />

fragwürdige Wetten auf dessen<br />

Ende. Kurz: „Um die Hybris und<br />

die Nemesis der Banken in der<br />

US-Hypothekenkrise“, wie es im<br />

Büro des Generalstaatsanwalts<br />

heißt. Für die Anmaßung hätten<br />

die Banken gesorgt, als sie<br />

in den Jahren vor der Finanzkrise<br />

Hypothekendarlehen verbrieft<br />

und aus ihnen derivative<br />

Instrumente geschaffen hätten,<br />

ohne deren Inves toren über die tatsächlichen<br />

Risiken der Produkte zu informieren.<br />

Die Rolle der Göttin des gerechten<br />

Zorns aus der griechischen Mythologie<br />

wollen die Ermittler nun selbst einnehmen.<br />

Zum Synonym all ihrer Vorwürfe ist<br />

Abacus 2007-AC1 geworden – ein Immobilienkreditderivat,<br />

das die Investmentbank<br />

Goldman Sachs vor rund<br />

Vergleiche mit den Justizbehörden sind kein Schutz<br />

Vergleiche mit den US-Justizbehörden schützen<br />

Banken nicht vor weiteren Zivilprozessen.<br />

In den Vergangenheit haben Aktionäre in<br />

ähnlichen Fällen wiederholt Sammelklagen<br />

gegen die Finanzinstitute angestrengt, um<br />

Schadenersatzzahlungen für erlittene Einbußen<br />

durch Aktienkursverluste oder reduzierte<br />

Dividenden einzufordern. „Diese Gefahr<br />

besteht auch bei den derzeitigen Ermittlungen<br />

der Staatsanwälte wegen der Immobilienkrise“,<br />

Forcierte im Jahr<br />

2006 den Kauf des<br />

US-Hypothekenkreditgebers<br />

Mortgage-IT:<br />

Anshu Jain, Leiter<br />

der Investmentsparte<br />

der<br />

Deutschen Bank<br />

sagt der auf internationales Kapitalanlagerecht<br />

spezialisierte Jurist Andreas Tilp. Neben<br />

den Banken selbst könnten theoretisch auch<br />

Vermittler verklagt werden, die ihren Kunden<br />

Aktien der Finanzinstitute zur Anlage empfohlen<br />

haben. Deutsche Sparkassen dürften<br />

dabei jedoch nicht gefährdet sein. Denn nach<br />

dem US-Kapitalmarktrecht sind Sammelklagen<br />

nur zulässig, wenn die Aktien an US-Börsen<br />

erworben wurden.<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1

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