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SANIEREN UND SPAREN - Sparkassenzeitung

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PERSPEKTIVEN 43<br />

der normaler Geldpolitiker zu werden,<br />

statt immer weiter in die Kapitänsrolle<br />

auf einem Rettungsboot zu rutschen“,<br />

sagt ein Beobachter der Notenbank.<br />

Überhaupt dürften dem seit 2003 in<br />

Frankfurt amtierenden 69-jährigen EZB-<br />

Chef, der im Oktober an den Italiener<br />

Mario Draghi übergeben wird, dieser Tage<br />

die Lehrsätze lupenreiner Notenbanktheorie<br />

durch den Kopf gehen. Etwa der, dass<br />

Haushaltspolitik auf keinen Fall Aufgabe<br />

einer Zentralbank sein darf, die lediglich<br />

über die richtige Zinspolitik, die Teuerungsrate<br />

einer Währung zu steuern hat.<br />

Doch der gelernte Bergbauingenieur<br />

aus Lyon hat, wenn auch widerwillig, zugestimmt,<br />

als es vor gut einem Jahr daran<br />

ging der EZB zu erlauben, die riskanten<br />

Staatspapiere der überschuldeten Euromitglieder<br />

en masse aufzukaufen. Der<br />

einstige Mitarbeiter im Pariser Finanzministerium<br />

hat sogar zugelassen, dass<br />

die Regel aufgeweicht wird, wonach<br />

die EZB Kredite an Banken in Finanzierungsnöten<br />

ausgeben darf, dafür aber<br />

ausschließlich erstklassige Sicherheiten,<br />

etwa deutsche Staatsanleihen akzeptiert.<br />

Allerhand Papiere dubioser Bonität unterhalb<br />

der Best-Note „AAA“ hortet Frankfurt<br />

seither. Wie und an wen die EZB die<br />

Bonds und mit allerhand diffusen Werten<br />

unterlegten Verbriefungs-Papiere,<br />

deren künftiger Wert heute kaum feststellbar<br />

ist, wieder los wird, steht noch in<br />

den Sternen.<br />

Und ein Ende des umstrittenen Krisenmanagements<br />

aus Frankfurt ist nicht<br />

abzusehen. Denn der Bedarf der Banken<br />

an täglichem Kredit aus Frankfurt ist<br />

nach wie vor spektakulär. Jeden Montag<br />

vergibt die Notenbank über sogenannte<br />

Repo-Transaktionen ihre kurzfristigen<br />

Notfallmittel an den Bankensektor – derzeit<br />

zum Zins von 1,25 Prozent. Momentan<br />

greifen hier wöchentlich rund 230<br />

Institute bei der sogenannten Emergency<br />

Liquidity Assistance zu – ein Gesamtvolumen<br />

von zuletzt rund 116 Mrd. Euro.<br />

Selbst während den dramatischsten Tagen<br />

der Bankenkrise, als die Institute aus<br />

Angst vor faulen Immobilienpapieren<br />

Konkurrenten kein Geld mehr ausliehen,<br />

gab es kaum mehr Anfragen bei der EZB.<br />

„Das bedeutet aber, dass etwa ein Drittel<br />

aller Banken der Eurozone derzeit sich<br />

so stark gegenseitig misstrauen, dass sie<br />

sich nicht, wie in normalen Zeiten, mit<br />

kurzfristigen Kreditlinien aushelfen“,<br />

schlussfolgert Ted Scott, Ökonom des<br />

Vermögensverwalters Foreign & Colonial.<br />

Papiere mit dubioser Bonität<br />

Völlig überraschend ist das nicht. In der<br />

Branche ist bekannt, dass mehr als 40<br />

Prozent der Staatspapiere Griechenlands,<br />

Irlands und Portugals bei französischen,<br />

britischen und deutschen Banken lagern.<br />

Unter den deutschen Instituten haben<br />

vor allem die Hypo Real Estate mit knapp<br />

acht Mrd. Euro sowie die Commerzbank<br />

Hilft nur noch beten? EZB-Präsident<br />

Jean-Claude Trichet sorgt sich um sein<br />

Institut.<br />

FOTOS: DPA<br />

mit drei Mrd. Euro griechischen Staatsanleihen<br />

an Bord. Und angesichts der tiefgehenden<br />

Einbindung der EZB in das laufende<br />

Krisenmanagement – griechische<br />

Institute wie National Bank of Greece,<br />

ABG oder Piräus Bank stehen bei ihr inzwischen<br />

mit über 90 Mrd. Euro in der<br />

Kreide – gerät auch der bilanzielle Unterbau<br />

der Frankfurter Notenbank immer<br />

stärker in den sorgenvollen Blick von Experten.<br />

Von der größten „Bad Bank“ der<br />

Welt ist bei Skeptikern inzwischen angesichts<br />

der massiven Schuldenrisiken der<br />

Frankfurter die Rede. Anders als etwa die<br />

Bank of England oder das US-Gegenstück<br />

Fed achtet die EZB durch entsprechende<br />

Verkäufe streng darauf, dass ihre Wertpapierkäufe<br />

nicht die Geldbasis der Eurozone<br />

vergrößern, was die Inflation anheizen<br />

würde – auch wenn diese Praxis erst<br />

recht zur raschen Ansammlung gefährlicher<br />

Bilanzposten führt.<br />

Doch wie belastbar ist die EZB, wie lange<br />

kann sie die Krise durchstehen? Einer<br />

soeben veröffentlichten Studie des Forschungsinstituts<br />

Open Europe zufolge<br />

bleibt den Zentralbankern um Trichet<br />

inzwischen nur noch beängstigend wenig<br />

Spielraum. So verfügt die EZB derzeit<br />

über gut 81 Mrd. Euro an Kapital, das von<br />

den Mitgliedsländern der Eurozone eingezahlt<br />

wurde. Dem stehen, so rechnet<br />

die Studie vor, 1895 Mrd. an riskanten<br />

Vermögenspositionen in der Bilanz gegenüber.<br />

„Die Bank hat damit derzeit also<br />

das 23-fache Risiko gemessen an ihrer<br />

Kapitalbasis. Zum Vergleich: Eine Notenbank<br />

wie die der Schweiz liegt bei diesem<br />

Verhältnis etwa beim Sechsfachen. Selbst<br />

für ihre Risikofreude bekannte Hedgefonds<br />

sind nicht stärker als um den Faktor<br />

fünf verschuldet“, erläutert Mats Pers -<br />

son, Autor des Stress Tests für die EZB.<br />

Die Sorgen, die sich mittlerweile viele<br />

Beobachter um die Notenbank machen,<br />

werden greifbar, wenn man annimmt,<br />

dass Griechenland auch nur die Hälfte<br />

seiner Verbindlichkeiten umschulden<br />

müsste. Dies könnte bei der EZB einen<br />

Verlust von gut 65 Mrd. Euro aus lösen, so<br />

Ökonom Persson. „Ein Loch dieser Größenordnung<br />

würde wohl die effektive Insolvenz<br />

der EZB herbeiführen“, vermutet<br />

der Experte. Auch wenn Verluste dieser<br />

Größenordnung nicht das gesamte Kapital<br />

der Bank aufbrauchen, so würde das<br />

Risiko gemessen an der stark dezimierten<br />

Basis auf das bis zu 123-fache steigen. „In<br />

diesem Zustand wird man wohl jedes<br />

Geschäft als zahlungsunfähig ansehen.<br />

Man darf nicht vergessen, dass Lehman<br />

Brothers eine Schuldenquote von 30 hatte<br />

als die Bank unterging“, schreibt der<br />

Think Tank Open Europe.<br />

Im Notfall wird nachgeschossen<br />

Doch die EZB ist andererseits nicht irgendeine<br />

beliebige privatwirtschaftliche<br />

Bank. Eine drastische Wertberichtigung<br />

in ihren Büchern würde nicht direkt zum<br />

Kollaps führen. Die Notenbank müsste –<br />

will sie ihr Kapitalproblem nicht à la longue<br />

durch Inflation des Euro lösen – vielmehr<br />

in großem Umfang frisches Kapital<br />

von den Mitgliedsländern der Eurozone<br />

anfordern. Diese sind qua Euro-Vertrag<br />

zum Nachschuss der benötigten Mittel<br />

verpflichtet. Deutschland als größter Teilhaber<br />

des Euro-Systems müsste ein knappes<br />

Drittel der benötigten Mittel liefern.<br />

Zwischen zwölf und 18 Mrd. Euro besagt<br />

das Rechenexempel von Open Europe<br />

könnte auf den deutschen Fiskus zukommen<br />

– zusätzlich zu den bereits beschlossenen<br />

Multimilliarden-Rettungspaketen.<br />

Trichets befürchtetes Waterloo wäre mit<br />

dem EZB-Nachschuss perfekt. Welchen<br />

Respekt hätte eine Notenbank noch, die<br />

selbst zum Intensivpatienten ihrer eigenen<br />

Strategie geworden ist? Hatte die<br />

Bank nicht erst im vergangenen Jahr in<br />

einem Arbeitspapier formuliert: „Wie finanziell<br />

robust eine Notenbank im Markt<br />

wahrgenommen wird, hat größten Einfluss<br />

darauf, wie glaubhaft sie dort agieren<br />

kann.“<br />

n<br />

Griechische Staatsschulden<br />

Bei europäischen Banken in Mrd. Euro<br />

19,4 National Bank of Greece<br />

10,0 ABG<br />

8,4 Piräus Bank<br />

7,9 Hypo Real Estate<br />

7,5 EFG Eurobank<br />

5,4 GPSB<br />

5,0 BNP Paribas<br />

4,6 Alpha Bank<br />

3,5 Dexia<br />

3,0 Commerzbank<br />

26,0 Sonstige<br />

101,1 Total<br />

Quelle: Foreign & Colonial Investments<br />

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