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SANIEREN UND SPAREN - Sparkassenzeitung

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MÄRKTE & K<strong>UND</strong>EN 17<br />

HANDWERK III – STATEGIE<br />

Nur kein Mittelmaß<br />

Manche Unternehmer im Handwerk versuchen, in die Luxusklasse vorzudringen. Doch reicht es<br />

nicht aus, als Schneider- oder Schustermeister gute Qualität zu bieten. Das Produkt muss eine<br />

anspruchsvolle Klientel faszinieren und emotional befriedigen.<br />

n VON PETRA-ANNA HERHOFFER<br />

Selbstständig zu arbeiten, heißt selber<br />

ständig zu arbeiten, nicht wahr?“<br />

Bianca Röddiger lacht und nimmt den<br />

Anruf eines Kunden entgegen: „Ja, ihr<br />

Anzug ist zur Abholung bereit.“ Röddiger<br />

betreibt mit ihrem Mann Stefan Sicking<br />

im Münchner Lehel ein Schneideratelier.<br />

Der Verleger Hubert Burda gehört zu den<br />

Kunden, ebenso wie Dirigent Christian<br />

Thielemann.<br />

Schneidermeister Sicking bezeichnet<br />

seine handgefertigten Produkte selbstbewusst<br />

als Luxus. „Wir waren uns immer<br />

einig darüber, dass wir beste Qualität<br />

und Design zu attraktiver Kleidung für<br />

Männer und Frauen verdichten wollen.<br />

Mit Mode hat das nichts zu tun, vielmehr<br />

mit dem Wunsch unserer Kunden etwas<br />

Einzigartiges, Persönliches tragen zu<br />

wollen“, erläutert der Unternehmer.<br />

Gerade eröffnet Sicking einen Showroom<br />

in der Residenzpassage, um dem<br />

Publikum ein Schaufenster zu bieten –<br />

vor allem den in München zahlreichen<br />

Edeltouristen aus Russland und den<br />

arabischen Ländern. „Statt Geld für Werbung<br />

auszugeben, investieren wir in diesen<br />

Raum, bei 5000 Euro Miete und in<br />

dieser Lage, allerdings mit einem Jahr<br />

Sonderkündigungsrecht“, sagt Sicking,<br />

gewandet in einen eleganten Dreiteiler<br />

aus eigener Produktion.<br />

In so einem Anzug stecken etwa 75 Arbeitsstunden.<br />

Inklusive Vollmaß und Anproben<br />

würde er etwa 4000 Euro kosten.<br />

Das Geschäft in diesem Segment sei ein<br />

Kampf geblieben, bekennen Sicking und<br />

Röddiger. Die beiden wollen daher künftig<br />

stärker auf Maßkonfektion setzen.<br />

„So können wir mehr und günstiger verkaufen<br />

und eine junge, noch nicht so etablierte<br />

Klientel ansprechen, ohne unser<br />

Kerngeschäft zu schädigen oder unsere<br />

Ideale zu verraten“, erklärt Röddiger.<br />

Kein Kredit in der Startphase<br />

Der exklusive Handwerksbetrieb bildet<br />

aus Kostengründen nicht aus. Schneider,<br />

die den Qualitätsansprüchen genügen<br />

könnten, gibt es kaum. Auf Banken ist<br />

das Unternehmerpaar schlecht zu sprechen,<br />

seit verschiedene Geldinstitute in<br />

den ersten schwierigen Jahren Kredite<br />

verweigerten und schließlich nur nach<br />

Luxus ist menschlich<br />

Die Liebhaber/innen luxuriöser Güter wie etwa<br />

feiner Schuhe mögen das Besondere und haben<br />

ein Bedürfnis nach sozialer Abgrenzung.<br />

Darauf beruht die Strategie im Luxussgement.<br />

Die Produkte sind langlebig, sie erfüllen ein<br />

Bedürfnis nach Substanz und Werten. Viele<br />

Handwerksbetriebe erzeugen zwar beste<br />

Qualität, vermögen es jedoch nicht, ihre Produkte<br />

von der Herstellung bis zur Verpackung<br />

emotional so aufzuwerten, dass Kunden mehr<br />

dafür bezahlen. Dabei gäbe es genügend<br />

Abnehmer: Auch wer nur über begrenzte<br />

Mittel verfügt, möchte sich gelegentlich ein<br />

teures Produkt leisten und eine emotionale<br />

Verbindung mit ihm eingehen. FOTO: DPA<br />

einer Depoteröffnung gewährten. Heute<br />

setzen die beiden auf ihre eigene Kraft<br />

und organisches Wachstum.<br />

Auch Schumachermeister Benjamin<br />

Klemann hat sich im Luxussegment und<br />

einem alten Hamburger Stadthaus eingerichtet.<br />

Er fand ein Geldinstitut, das<br />

in der schwierigen Anfangszeit Ende der<br />

80er-Jahre einen Kredit von 28.000 Mark<br />

bewilligte. Heute seien seine Auftragsbücher<br />

„randvoll“, sagt der Schuster. Ein<br />

Paar Schuhe kosten hier 1800 Euro und<br />

mehr, die Wartezeit beträgt etwa sieben<br />

Monate. Doch wissen Klemanns Kunden<br />

handwerkliche Qualität, individuelle<br />

Passformen und den diskreten Umgang<br />

offenbar ebenso zu schätzen wie den Service:<br />

Kunden können jeden in der Werkstatt<br />

gefertigten Schuh jederzeit zur Aufarbeitung<br />

zurückschicken.<br />

Klemann hat sein Handwerk bei einem<br />

ungarischen Meister gelernt und bildet<br />

auch selbst Gesellen aus. Diese werden<br />

oft mit Preisen ausgezeichnet und gehören<br />

„zur Bundesliga deutscher Schuhmacher“,<br />

sagt der Schuster nicht ohne Stolz.<br />

Einmal im Monat reist er nach Berlin und<br />

Düsseldorf, um seine Geschäftspartner –<br />

vor allem edle Boutiquen und Schneiderateliers<br />

– zu beliefern.<br />

Luxusleder aus dem Schiffswrack<br />

Als einer von nur drei Maßschuhmachern<br />

weltweit wird er vom Duke of Cornwall<br />

mit seltenem russischen Juchtenleder<br />

beliefert. Es stammt aus dem Wrack<br />

der vor 38 Jahren vor Plymouth geborgenen<br />

S.S. Metta Katharina und hat mehr<br />

als 180 Jahre im Salzwasser unbeschadet<br />

überstanden. Ein Nischenprodukt aus so<br />

exklusivem und mit einer spannenden<br />

Geschichte verbundenem Material – Marketingprofis<br />

sprechen von Storytelling –<br />

lässt sich besonders teuer verkaufen.<br />

Einer, von dem man ebenfalls lernen<br />

kann, wie Kunden zu Fans werden, ist<br />

Gerd-Rüdiger Lang, Gründer und Eigentümer<br />

der Münchener Uhrenmanufaktur<br />

Chronoswiss. Die Unternehmensgeschichte<br />

ist in einem leinengebundenen<br />

Buch nachzulesen, der Titel: „Zeitzeichen<br />

– Das Buch mit dem Tick“: Der Siegeszug<br />

der Quarzuhr machte den Uhrmachermeister<br />

zunächst arbeitslos. Zum erfolgreichen<br />

Unternehmer wurde Lang dank<br />

seines damals noch mutigen Festhaltens<br />

an traditioneller Uhrmacherkunst. Mit<br />

dem Modell „Régulateur“, einer Armbanduhr<br />

mit getrennten Anzeigen für<br />

Stunde, Minute und Sekunde, schuf Lang<br />

eine vielfach kopierte Produktikone. Die<br />

Banken verwehrten ihm Startkapital, „zu<br />

Recht“ wie Lang heute selbstkritisch sagt.<br />

„Wir verkaufen kein Produkt über den<br />

Preis, wir verkaufen einen Wert“, erklärt<br />

Lang – genau das richtige Motto für<br />

Handwerksbetriebe, die das Mittelmaß<br />

überwinden und das Wesen des Luxus<br />

verstehen wollen, um daraus eine Geschäftsstrategie<br />

zu entwickeln. <br />

<br />

Die Autorin führt das Inlux Institut für Luxus in<br />

München und unterrichtet das Fach Luxury<br />

Management an der Munich Business School.<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1

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