seitenbühne 03.04 - Staatsoper Hannover
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18. 19 ORCHESTER<br />
DOROTHEE HARPAIN<br />
REINGEHÖRT!<br />
Mit der Solo-Fagottistin Wiebke Husemann<br />
»Mit anderen Musik zu machen, hat etwas<br />
sehr Verbindendes und Bereicherndes, etwas,<br />
das man in der Form sonst im Leben<br />
nicht findet«, meint Wiebke Husemann und<br />
erzählt im gleichen Atemzug mit leuchtenden<br />
Augen von den Konzertreisen des Musikschulorchesters<br />
in ihrer Jugendzeit. Dabei<br />
hätte ihr die ehrgeizige Klavierlehrerin<br />
als Kind fast die Freude an der Musik verdorben,<br />
»damals war ich sieben Jahre alt<br />
und hab das dann ziemlich schnell verweigert.<br />
Außerdem wollte ich viel lieber mit anderen<br />
zusammen musizieren.«<br />
Deshalb faszinierten die Gymnasiastin besonders<br />
die Auftritte des Schulorchesters.<br />
Den Ausschlag gab die Aufführung der Oper<br />
Abu Hassan von Carl Maria von Weber anlässlich<br />
der 100-Jahr-Feier ihres Gymnasiums.<br />
»Ich wollte unbedingt im Orchester<br />
mitspielen. Das war mir ganz wichtig«, erinnert<br />
sich die gebürtige Braunschweigerin.<br />
Also fragte sie den Musiklehrer, was sie tun<br />
müsse, um mitmachen zu können. Seine<br />
Antwort: »Fagott ist ein ganz schönes Instrument.<br />
Das kann man recht schnell lernen<br />
und außerdem fehlt es uns noch.« Husemann<br />
lacht, wenn sie sich an diesen entscheidenden<br />
Tag erinnert: »Ich wusste ja<br />
gar nicht, wie ein Fagott aussieht. Also ging<br />
ich nach Hause, schlug ein Lexikon auf und<br />
lachte mich erstmal kaputt, weil das Instrument<br />
so komisch aussah.« Innerhalb kürzester<br />
Zeit studierte sie die Fagottstimme für<br />
die Opernaufführung – »bei den schnellen<br />
Stücken musste ich jede zweite Note streichen,<br />
weil ich noch nicht so schnell greifen<br />
konnte« –, doch die Begeisterung der<br />
17-Jährigen und der Wunsch, sich mit diesem<br />
»merkwürdigen« Instrument weiter<br />
auseinanderzusetzen, waren geweckt.<br />
Nach dem Abitur studierte sie Fagott bei<br />
Klaus Thunemann an der Hochschule für<br />
Musik, Theater und Medien in <strong>Hannover</strong>.<br />
Nach mehreren Aushilfsstellen während des<br />
Studiums, u.a. bei den Bamberger Symphonikern,<br />
erhielt sie eine Stelle im Niedersächsischen<br />
Staatsorchester <strong>Hannover</strong>. »Als ich<br />
1994 angefangen habe, war ich die erste<br />
Frau im Orchester, die eine Solo-Stelle bekam«,<br />
erklärt Wiebke Husemann lächelnd.<br />
Damals war es noch ungewöhnlich, als Frau<br />
Fagott zu spielen, galten doch die Blasinstrumente<br />
lange Zeit als Männerdomäne. So<br />
habe sie einmal nach einem erfolgreichen<br />
Probespiel die Stelle nicht bekommen, nur<br />
weil sie eine Frau war. »Das hat mich damals<br />
natürlich furchtbar geärgert. Aber die Zeiten<br />
haben sich geändert, inzwischen gibt es<br />
mehrere weibliche Kolleginnen hier und<br />
jetzt ist es fast so, dass wir uns eher freuen,<br />
wenn mal wieder ein Mann engagiert wird.«<br />
Ein besonderes Highlight in dieser Spielzeit<br />
war das große Solo in Schostakowitschs 9.<br />
Sinfonie im Rahmen des 4. Sinfoniekonzerts.<br />
»Es gibt ja nicht viele Soli für Fagott,<br />
daher war das schon eher ein Ausnahmefall<br />
und sehr aufregend für mich. Normalerweise<br />
nimmt man als Zuhörer die Fagottstimme<br />
gar nicht so sehr wahr, denn zum Beispiel in<br />
Mozarts Così fan tutte liegt sie meist eine<br />
Oktave unter den Geigen oder unterstützt<br />
die Oboe oder die Flöte in den Arien. Die<br />
Hauptaufgabe des Fagotts besteht eigentlich<br />
darin, mit den anderen schön zusammenzuspielen.«<br />
Wiebke Husemann vergleicht es<br />
mit dem Tango tanzen – eines ihrer Hobbys<br />
neben Segeln und Skifahren: »Tango tanzen<br />
hat viel mit Kommunikation ohne Worte zu<br />
tun. Wie beim Musikmachen muss man spüren,<br />
wo der andere ist und was er vorhat,<br />
um aufeinander reagieren zu können. Erst<br />
dann wird die Musik lebendig.«<br />
EMPFEHLUNGEN<br />
+ R. Schumann Dichterliebe, Fritz Wunderlich,<br />
Hubert Giesen, 1997<br />
+ W. A. Mozart Klavierkonzert A-Dur KV<br />
448, Mitsuko Uchida, Cleveland Orchestra,<br />
1987<br />
+ R. Schumann/J. Brahms Klavierquintett,<br />
Artemis Quintett, Leif Ove Andsnes, 2007