Der Schlüssel - Ausgabe 3/2010 - Kath. Pfarrei St. Peter Heppenheim
Der Schlüssel - Ausgabe 3/2010 - Kath. Pfarrei St. Peter Heppenheim
Der Schlüssel - Ausgabe 3/2010 - Kath. Pfarrei St. Peter Heppenheim
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Interview Frank Meessen<br />
Sind Sie mit ihren Angeboten Vorreiter für einen Wandel<br />
hin zu einer offeneren, teils selbstkritischen Kirche?<br />
Dr. Meessen: Zumindest möchte ich es versuchen. Die<br />
entscheidende Frage ist für mich immer: Was brauchen<br />
Menschen jetzt in einer Situation, auf die wir als Bildungsträger<br />
reagieren können. Das kann ein Meditationsseminar<br />
sein, ein Kurs zur Entdeckung eigener<br />
praktischer Talente oder ein Seminar zur Bewältigung<br />
persönlicher Krisen.<br />
Kommen zu Ihnen auch Leute, die sonntags nicht in<br />
den Gottesdienst gehen?<br />
Dr. Meessen: Ich bin geneigt, die Frage mal rumzudrehen<br />
und zu sagen, dass wir auch Teilnehmende haben,<br />
die sonntags den Gottesdienst besuchen.<br />
Sie wollen bewusst auch Menschen erreichen, die mit<br />
ihrer Kirche hadern und ganz nahe am Austritt sind.<br />
Wie bringen Sie diesen Leuten Kirche wieder näher?<br />
Dr. Meessen: Wichtig ist für mich, dass ich erst mal<br />
akzeptiere und verstehe, wenn Distanzierungen und Entfremdungen<br />
einsetzen. Das Verstehen ist für mich überhaupt<br />
etwas Grundlegendes, vermutlich bin ich deshalb<br />
auch bei der Erwachsenenbildung gelandet. Ansonsten<br />
bemühe ich mich, wie gesagt, um ein sinnvolles, redliches<br />
Angebot. Aber eine absichtsvolle, gar geheime <strong>St</strong>rategie<br />
steckt nicht dahinter.<br />
Die <strong>Pfarrei</strong>en machen selbst auch Bildungsarbeit.<br />
Sie stehen den ehrenamtlichen Bildungsbeauftragten<br />
dabei beratend zur Seite. Wie beurteilen Sie das<br />
Bildungsangebot der Gemeinde Sankt <strong>Peter</strong>?<br />
Dr. Meessen: Die Gemeinde Sankt <strong>Peter</strong> ist ein leuchtendes<br />
Beispiel für Kontinuität und Bandbreite der örtlichen<br />
Bildungsarbeit. In den letzten 25 Jahren waren es<br />
gerade mal drei Bildungsbeauftragte. Das spricht für stabile<br />
Verhältnisse und eine hohe Wertschätzung der Erwachsenenbildung<br />
in der Gemeinde. Und weil das „Geschäft“<br />
nicht einfacher wird, immer das passende Angebot<br />
zu machen, kann ich Barbara Balke als der derzeitigen<br />
Bildungsbeauftragten nur meine höchste Anerkennung<br />
aussprechen und natürlich auch meinen Dank für<br />
immerhin jetzt schon fast 14 Jahre.<br />
Als <strong>Kath</strong>olisches Bildungswerk arbeiten Sie an der<br />
Schnittstelle von Kirche und Welt. Verschwindet das<br />
Bekenntnis zu christlichen Werten immer mehr aus<br />
unserem Alltag?<br />
Dr. Meessen: Teils-teils. Bei der Trauerkultur ist der<br />
Rückgang deutlich zu erkennen, auch bei der Zahl der<br />
Kindertaufen oder der kirchlichen Eheschließungen.<br />
Andererseits prägen unsere Kirchen nach wie vor das<br />
Bild einer <strong>St</strong>adt. Es gibt großflächige Plakate, die für<br />
Fairness und Mitmenschlichkeit in der Gesellschaft aufrufen<br />
oder die Welt-Läden für ein nachhaltiges<br />
Verbraucherverhalten. Ich bin der Ansicht, das christliche<br />
Bekenntnis muss erkennbar sein, aber ich trage es nicht<br />
wie eine Fahne vor mir her.<br />
Was lässt sich dem schwierigen Teil der Entwicklung<br />
entgegensetzen?<br />
Dr. Meessen: Also sicher kein Kulturkampf wie im 19.<br />
Jahrhundert. Ich halte viel davon, wenn Kirche sich auch<br />
als Kooperationspartner für andere gesellschaftliche<br />
Akteure versteht, zum Beispiel für soziale, kulturelle oder<br />
ökologische Einrichtungen und Initiativen. Vernetzung sagen<br />
wir heute dazu. Es meint eine Partnerschaft auf Augenhöhe.<br />
Die Kirche muss derzeit aus sehr unterschiedlichen<br />
Gründen ihre Wahrnehmung in der Gesellschaft überdenken.<br />
Haben Sie den Eindruck, dass dies tatsächlich<br />
als Chance zur Modernisierung genutzt wird?<br />
Dr. Meessen: Zumindest kenne ich viele in der Kirche,<br />
die daran mitarbeiten. Im übrigen ist die Kirche, wie<br />
Ulrich Ruh von der Herder Korrespondenz einmal formulierte,<br />
ein langsamer und schwerer Tanker, der seinen<br />
Kurs nicht so schnell ändern kann.<br />
Welche Hoffnung verbinden Sie damit?<br />
Dr. Meessen: Meine Hoffnung ist es, dass wir als Kirche<br />
gerade auch in Krisenzeiten immer wieder in das hineinhören,<br />
was uns das Evangelium mit auf den Weg gibt:<br />
Mut und Kraft, wenn gesellschaftliche Missstände uns<br />
fordern (Jesus und das „Sabbatgebot“); Gelassenheit, wenn<br />
es darum geht, Menschen nicht gleich in Bausch und<br />
Bogen zu verurteilen (Jesus und die „Sünderin“) und<br />
schließlich Vertrauen auf Gottes Nähe, wenn es im Leben<br />
stürmisch wird (Jesus und das „Vater unser“).<br />
Das Leitwort des <strong>Kath</strong>olikentags 2012 stimmt zuversichtlich,<br />
lautet es doch „Einen neuen Aufbruch wagen“.<br />
Die Großveranstaltung ist in Mannheim. Kann davon<br />
ein nachhaltiger Impuls für die Kirche in der Region<br />
ausgehen?<br />
Dr. Meessen: Seit einigen Jahren gibt es die „Kirche in<br />
der Metropolregion Rhein-Neckar“. Das ist eine ganz neue,<br />
wenn auch noch nicht überall bekannte Konstruktion, die<br />
die evangelische und die katholische Kirche über Bistums-<br />
und Landeskirchengrenzen hinweg zu einem gemeinsamen<br />
Auftritt in dieser Region zusammengeführt<br />
hat. Als Vertreter unseres Bistums bin ich an diesem<br />
interessanten Versuch beteiligt und könnte mir vorstelllen,<br />
dass der <strong>Kath</strong>olikentag 2012 auch für die „Kirche in<br />
der Metropolregion Rhein-Neckar“ wertvolle Impulse gibt.<br />
Zum Abschluss: Gibt es ein Seminar, das Sie schon<br />
immer mal gerne anbieten wollten, bisher aber - aus<br />
welchen Gründen auch immer - noch nicht anbieten<br />
konnten?<br />
Dr. Meessen: In der Tat, das gibt es. Das ist ein Seminar<br />
zur Frage der eigenen Schuld und wie wir damit gut<br />
umgehen können. Ich möchte aber keine Altlasten der<br />
Kirche neu beleben. Denn viele Menschen verbinden mit<br />
der Kirche auch heute noch vor allem den moralischen<br />
Zeigefinger und dass sie bessere Menschen werden<br />
müssten. Und in diese Kerbe möchte ich auf jeden Fall<br />
nicht schlagen.<br />
Seite 23