Weiter so - Deutschland ?
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Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft<br />
Kreisverbände Aurich, Emden, Jever, Norden, Wilhelmshaven und Wittmund<br />
LEUCHTTURM<br />
Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft in Ost-Friesland<br />
Nr. 116<br />
2. September 2013<br />
35. Jhrg.<br />
<strong>Weiter</strong> <strong>so</strong> -<br />
<strong>Deutschland</strong> ?
LEUCHTTURM<br />
Die GEW Norden feiert<br />
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,<br />
wir laden Euch herzlich ein<br />
zur GEW-Fete 2013<br />
am Freitag, dem 20. September 2013,<br />
Hotel zur Post, Norden,<br />
ab 19.30 Uhr<br />
Wir feiern in geselliger Runde,<br />
- mit netten Kolleginnen, Kollegen und Partnern,<br />
- mit guten Gesprächen,<br />
2<br />
- guter Musik von den Teachers (Irish Folk)<br />
- und einem kleinen Imbiss Wir freuen uns auf Euch<br />
Der Kreisvorstand<br />
Redaktion Leuchtturm Redaktionsschluss: 25.08.2013<br />
KV Wittmund www.gew-wittmund.de<br />
Ronald Wilts Lüdstede 3 26487 Neuschoo Tel. 04975 - 366 Ronald.Wilts@t-online.de<br />
Jürgen Kramm Wangeroogestr. 8 26409 Wittmund Tel. 04462 - 6102 Juergen.Kramm.WTM@t-online.de<br />
KV Jever www.gewweserems.de/kv-fg/jever/jevindex.htm<br />
Fridolin Haars Fliederweg 16 26434 Wangerland Tel. 04461 - 5123 frimawa@gmx.de<br />
Klaus Blume-Wenten Javenloch 5 26434 Wangerland Tel. 04464 - 8150 k.blume-wenten@t-online.de<br />
KV Aurich www.gew-aurich.de<br />
Ralf Dittmer Oldeborger Str. 81 26624 Südbrookmerland Tel./Fax 04942 - 3938 radidodo@web.de<br />
Franz Kampers Hinter Eschen 16F 26607 Aurich Tel. 04941 - 6988012 mail@gew-aurich.de<br />
KV Norden<br />
Herbert Czekir Reithammer Weg 29 26529 OsteelTel. 04934 - 6766 herbert.czekir@ewetel.net<br />
Anette Hillen Im Dullert 30 26524 Hage Tel. 04931 - 7 4474 anette-hillen@web.de<br />
KV Emden www.gew-emd.de<br />
Dr. Josef Kaufhold Herm.-Hesse-Str. 4 26721 Emden Tel. 04921 - 45266 JosefKaufhold@web.de<br />
Hans-Gerd dc Beer Graf-Edzard-Str. 20 26721 Emden Tel. 04921-29778 hans-gerd-de-beer@t-online.de<br />
KV Wilhelmshaven<br />
Friedrich Fischer Fedderwarder Str. 124 26388 Wilhelmshaven Tel.04421 - 502119 magfish@gmx.de<br />
Wolfgang Niemann-Fuhlbohm Güstrower Str. 3c 26388 Wilhelmshaven Tel.04421 - 87117 wolfgang.nif@gmx.de<br />
Impressum: GEW-LEUCHTTURM Nr. 116 / 35. Jahrgang vom 02.09.2013<br />
LehrerInnenzeitung für die Kreisverbände Aurich, Emden, Jever, Norden, Wilhelmshaven, Wittmund<br />
Herausgeber: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft im DGB/Kreisverband Wittmund<br />
verantwortl.: Ronald Wilts (1. Vors.), Lüdstede 3, 26487 Neuschoo, 04975/366<br />
Internet: www.gewweserems.de - dort auch Informationen aus den Kreisverbänden<br />
Druck: www.janssendruck.de, Finkenburgstr. 47, 26409 Wittmund
3 LEUCHTTURM<br />
Käpt’n Blaubär und die Männerquote<br />
ein Sketch zur Bildungsrepublik <strong>Deutschland</strong><br />
Käpt’n Blaubär und die drei Gummibärchen treten auf.<br />
Blaubär: Kinners, ihr dürft mir<br />
gratulieren.<br />
Enkel 1: Aber, du hast doch gar<br />
nicht Geburtstag, Opa.<br />
Blaubär: Ihr <strong>so</strong>llt mir ja auch<br />
nicht zum Geburtstag gratulieren,<br />
ihr kleinen Dösköppe,<br />
<strong>so</strong>ndern dazu, dass ich Spitzenkandidat<br />
für die AfD werden<br />
<strong>so</strong>ll.<br />
Enkel 2:<br />
sein?<br />
AfD, was <strong>so</strong>ll das denn<br />
Blaubär: Na, ihr bekommt aber<br />
auch wieder rein gar nichts mit.<br />
Habt ihr denn noch nichts von<br />
der „Alternative für <strong>Deutschland</strong>“<br />
gehört?<br />
Enkel 3: „Alte Naive für<br />
<strong>Deutschland</strong>“? Da bist du<br />
Mitglied?<br />
Blaubär: Doch nicht „alte Naive“,<br />
<strong>so</strong>ndern „Alternative“.<br />
Enkel 1: Und was <strong>so</strong>ll das<br />
heißen, „Alternative“?<br />
Blaubär: Fremdwörter behandelt<br />
ihr wohl gar nicht mehr in<br />
der Schule! Das bedeutet, dass<br />
man einen Gegenvorschlag für<br />
irgendwas macht.<br />
Enkel 2:<br />
<strong>so</strong> vor?<br />
Und was schlagt ihr da<br />
Blaubär: Al<strong>so</strong>, erstmal <strong>so</strong>ll der<br />
Euro wieder abgeschafft werden.<br />
Und dann <strong>so</strong>ll das Bildungssystem<br />
verbessert werden, indem<br />
man eine Männerquote an den<br />
Grundschulen einführt.<br />
Enkel 3:<br />
Eine Männerquote?<br />
Blaubär: Ja, eine Männerquote.<br />
Ihr wisst doch selber nur zu gut,<br />
dass an den Grundschulen viel<br />
zu wenig Lehrer arbeiten. Ihr<br />
habt doch bis auf den Schulleiter<br />
auch nur Lehrerinnen an eurer<br />
Schule.<br />
Enkel 1:<br />
recht.<br />
Da hast du allerdings<br />
Blaubär: Seht ihr! Und da<br />
bekannt ist, dass vor allem Jungs<br />
viel besser lernen können, wenn<br />
sie von Männern betreut<br />
werden, wollen wir eben die<br />
Männerquote einführen.<br />
Enkel 2: Und was <strong>so</strong>ll das<br />
genau sein, eine Männerquote?<br />
Blaubär: Eine Männerquote bedeutet,<br />
dass die Hälfte aller<br />
Lehrkräfte Männer sein <strong>so</strong>llen.<br />
Enkel 3: Aber Opa, wo <strong>so</strong>llen<br />
die denn alle herkommen? Die<br />
meisten Männer haben doch gar<br />
keine Lust, sich mit kleinen<br />
Kindern abzugeben.<br />
Blaubär: Ihr habt eben überhaupt<br />
gar keine Ahnung, äh, ich<br />
meine, euch fehlt einfach noch<br />
ein bisschen die Lebenserfahrung.<br />
Man muss den Männern<br />
nur etwas mehr Geld als den<br />
Frauen anbieten, dann bekommen<br />
die auch Lust mit kleinen<br />
Kindern rumzutüdeln.<br />
Enkel 3: Aber Opa, das ist doch<br />
total ungerecht!<br />
Blaubär: Wie<strong>so</strong> das denn? In<br />
unserem Land ist es in vielen<br />
Berufen üblich, dass die Männer<br />
mehr als die Frauen bezahlt<br />
kriegen, und zwar aus gutem<br />
Grund.<br />
Enkel 1:<br />
Und der wäre?<br />
Blaubär: Männer sind nun<br />
einmal viel leistungsfähiger als<br />
Frauen. Die werden z. B. nicht<br />
schwanger und gehen dann<br />
wochen- und monatelang in den<br />
Mutterschutz und anschließend<br />
noch jahrelang in die Elternzeit.<br />
Enkel 2: Aber es gibt doch auch<br />
Männer, die Elternzeit nehmen.<br />
Blaubär: Das ist doch nur eine<br />
kleine, radikale Minderheit!<br />
Enkel 3: Stimmt. Viele machen<br />
das nicht.<br />
Blaubär: Sag ich doch. Und mit<br />
der Männerquote an den<br />
Grundschulen werden wir von<br />
der AfD die nächste Bundestagswahl<br />
mit Sicherheit gewinnen<br />
und endlich die Bildungsrepublik<br />
<strong>Deutschland</strong> bekommen, die<br />
unsere Kanzlerin schon vor<br />
vielen Jahren versprochen hat.<br />
Und außerdem wird dann alles<br />
wieder billiger, weil wir den Euro<br />
abschaffen und unsere gute alte<br />
D-Mark zurückbekommen werden.<br />
Hein Blöd: Käpt’n, da ist schon<br />
wieder <strong>so</strong> ein Brief für Sie aus<br />
Berlin.<br />
Blaubär: So langsam gewöhne<br />
ich mich dran. Dann lies mal<br />
vor.<br />
Heinrich<br />
Herlyn<br />
Hein Blöd: Sehr geehrter Käpt’n Blaubär! Mein<br />
Parteifreund, Horst Seehofer, hat Ihnen vor einiger<br />
Zeit das Amt des Bundesfamilienministers<br />
angeboten. Sie wissen aber sicherlich, dass laut<br />
Verfassung das Vorschlagsrecht für Ministerämter<br />
beim Bundeskanzler bzw. der Bundeskanzlerin<br />
liegt. Ich habe nun beschlossen, dass Frau Schröder<br />
weiterhin Bundesfamilienministerin bleiben <strong>so</strong>ll.<br />
Ihnen möchte ich hingegen im Falles eines<br />
Wahlsieges bei der kommenden Bundestagswahl<br />
das Amt des Bundesbildungsministers offerieren.<br />
Im Zuge der von mir angestrebten Bildungsrepublik<br />
<strong>Deutschland</strong> erscheint mir das von Ihnen<br />
entwickelte Konzept einer Männerquote im<br />
Grundschulbereich im Gegensatz zu der<br />
Frauenquote im Management als äußerst<br />
zukunftsfähig und nachhaltig. Sie <strong>so</strong>llten sich<br />
deshalb Ihre Kandidatur für die AfD noch einmal<br />
gründlich überlegen. Ihre Angela Merkel<br />
Bundeskanzlerin
LEUCHTTURM<br />
GEW-KollegInnen besuchten die<br />
Gedenkstätte in Esterwegen<br />
Anette Hillen<br />
Anfang März fuhr eine kleine<br />
Gruppe GEWlerInnen ab<br />
Großheide in Richtung Emsland.<br />
Ein kalter, lausiger Tag mit<br />
Wind und Schnee war es, als es<br />
an einem Samstag Morgen los<br />
ging.<br />
In Esterwegen an der Gedenkstätte<br />
„Hinterm Busch“ angekommen,<br />
wurden wir von Kurt<br />
Buck und seiner Frau Marianne<br />
Kösters begrüßt. Schon der<br />
große weite Eingang imponierte<br />
uns sehr. Während wir eine Tasse<br />
Kaffee bzw. Tee tranken, erfuhren<br />
wir schon einiges über die<br />
neue Gedenkstätte, über die<br />
Besucherzahlen seit Eröffnung<br />
und über aktuelle Veranstaltungen.<br />
Zur Zeit besuchten viele<br />
Gute Schule<br />
Finnlands Erfolge ....<br />
von Philippe Descamps<br />
in: Le Monde diplomatique; April 2013; Dt. Ausgabe, Seite 20<br />
AbiturientInnen die Gedenkstätte,<br />
um sich auf ihre Abiturthemen<br />
im Fach Politik/Geschichte<br />
vorzubereiten.<br />
Die Geschichte der Emslandlager<br />
1933-1945 war das Thema<br />
des anschließenden Vortrags mit<br />
informativem Bildmaterial. Kurt<br />
Buck verstand es, die Informationen<br />
über die 15 Emslandlager<br />
anschaulich vorzustellen, Fragen<br />
und ein anschließendes Gespräch<br />
rundeten den Vortrag ab.<br />
Eine kurze Führung über das<br />
Gelände des ehemaligen Lagers<br />
Esterwegen beeindruckte uns<br />
sehr. Nicht nur die Weite des<br />
Geländes, <strong>so</strong>ndern auch die gut<br />
durchdachte Planung und Architektur<br />
führte dazu, dass wir uns<br />
uns ein realistisches Bild von<br />
4<br />
den Ausmaßen des Lagers<br />
machen konnten. Ein kalter<br />
Wind und Regen trugen dazu<br />
bei, uns die fürchterlichen<br />
Bedingungen, unter denen die<br />
Häftlinge hier Tag für Tag im<br />
Moor arbeiten mussten, vorzustellen.<br />
Ein individueller Rundgang<br />
in Begleitung von Kurt Buck<br />
durch die Hauptausstellung<br />
schloss sich am Nachmittag an:<br />
„Die Hauptausstellung dokumentiert<br />
die Geschichte der<br />
Emslandlager und stellt das<br />
Geschehen chronologisch im<br />
Kontext der Geschichte des<br />
„Dritten Reiches“ einschließlich<br />
der regionalen Bezüge dar. Im<br />
Mittelpunkt stehen die Erfahrungen<br />
der Häftlinge bei der<br />
Arbeit im Moor, <strong>so</strong>wie ihr Leben<br />
und Leiden in den Lagern.“<br />
Viele Zeitzeugen berichten per<br />
Videoband über ihre furchtbare<br />
Zeit im Lager.<br />
„Die Nebenausstellung behandelt<br />
die Nachgeschichte der<br />
Emslandlager, die als komplexer,<br />
verschiedene Phasen durchlaufender<br />
und bis heute andauernder<br />
Prozess zu begreifen ist.“<br />
Auf eine anschließende geplante<br />
Fahrt zum 7km entfernten<br />
Lagerfriedhof verzichteten<br />
wir aufgrund der Wetterlage.<br />
Nach diesem informativen<br />
Tag fuhren wir durch Regen,<br />
Schnee und Kälte wieder in<br />
Richtung Ostfriesland.<br />
<strong>Weiter</strong>e Informationen und Veranstaltungstermine<br />
findet ihr auf der<br />
Internetseite:<br />
www.gedenkstätte-esterwegen.de<br />
„... ... Eero Väätäinen, ..., bringt auf den Punkt, was sicher die meisten Lehrer in Finnland unterschreiben würden: „Wir<br />
müssen im Kopf behalten, dass die Schüler nicht in der Schule sind, um Tests zu ab<strong>so</strong>lvieren. Sie kommen, um leben zu<br />
lernen und ihren eigenen Weg zu finden. Wie <strong>so</strong>ll man das denn messen?““
5 LEUCHTTURM<br />
Bildung und Politik – Die Schule der Demokratie<br />
Die BildungsGEWerkschaft hat das Wort<br />
Den Tag der Arbeit nimmt<br />
der Oberbürgermeister der<br />
Stadt Emden traditionell zum<br />
Anlass, die Gewerkschaften und<br />
Interessenvertretungen zu einem<br />
Gedankenaustausch einzuladen.<br />
Eine der Organisationen der<br />
Stadt erhält jeweils das Wort. In<br />
diesem Jahr ging es um die<br />
Bildungspolitik.<br />
Die BildungsGEWerkschaft<br />
hatte das Wort.<br />
Die Rede im Rummel des<br />
alten Rathauses der Stadt Emden<br />
am 29.4.2013 hielt unser<br />
Kollege Dr. J. Kaufhold, Referat<br />
Bildungpolitik, GEW KV Emden:<br />
><br />
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,<br />
sehr geehrte Damen<br />
und Herren, Kolleginnen und<br />
Kollegen,<br />
vorab möchte ich Dank sagen.<br />
Dank dafür, dass zum Thema<br />
Bildungspolitik gerade heute<br />
gesprochen werden darf.<br />
Dank auch dafür, dass die<br />
Bildungsgewerkschaft heute zu<br />
Worte kommt.<br />
Bildungspolitik in einem<br />
Zusammenhang, der der kritischen<br />
Betrachtung wert ist.<br />
Das Zusammenwirken von<br />
Bildung und Politik.<br />
Doch das nicht ohne vorab<br />
den Blick in unsere Geschichte,<br />
nicht ohne Blick auf die<br />
Zerschlagung der Gewerkschaften<br />
vor 80 Jahren.<br />
Eine Diktatur zerschlägt Gewerkschaften<br />
oder instrumentalisiert<br />
sie.<br />
Zur Demokratie gehören<br />
Gewerkschaften, unverzichtbar<br />
und prägend. Sie sind Bestandteil<br />
der Kultur der Mitwirkung,<br />
Gewerkschaften mahnen und<br />
gestalten, setzen Rechte durch,<br />
gleichen aus.<br />
Die Zerschlagung 1933 ist ein<br />
bitteres Kapitel der Geschichte<br />
der Interessenvertretung. Vor<br />
allem auch wegen der Tatsache,<br />
dass aktive Gewerkschafter willkürlich<br />
festgenommen, der Frei-<br />
heit beraubt, gequält, ja ermordet<br />
wurden.<br />
Das „Nie wieder“ begleitet uns<br />
seither und stärkt das Selbstverständnis<br />
in der Demokratie.<br />
Und das ist der entscheidende,<br />
kritische Punkt.<br />
Heute stellt sich mehr denn je<br />
die Frage, inwieweit unsere<br />
Demokratie noch in der Lage ist,<br />
ihre ursprünglichen Werte, ihre<br />
Beteiligungsstrukturen, ihre Teilhabefunktionen<br />
zu vermitteln.<br />
Die Gesellschaft, die Bevölkerungsschichtungen,<br />
die Wirtschaftsstrukturen<br />
ändern sich,<br />
wandeln sich, verändern ihren<br />
Einfluss auf die Politik.<br />
Namhafte Wissenschaftler bezweifeln<br />
in der Zwischenzeit,<br />
dass die Demokratie im Fokus<br />
der <strong>so</strong> genannten realpolitischen<br />
Praxis noch existiert, sprechen<br />
von der Form der „Postdemokratie“,<br />
einer Demokratie, die nur<br />
noch formal existiert (Crouch,<br />
Colin: Postdemokratie. Suhrkamp:<br />
Frankfurt a.M. 2008).<br />
Deutlich erkennbar: Die Politik<br />
gibt die Entscheidungsgewalt<br />
aus der Hand, folgt immer mehr<br />
den massiven Einwirkungen der<br />
Mächtigen z.B. aus der Wirtschaft.<br />
Die Öffentlichkeit spürt<br />
die Auswirkungen, registriert die<br />
Veränderungen, fühlt Machtlosigkeit.<br />
Sie reagiert mit, wie es<br />
verschleiernd heißt, Politikverdrossenheit.<br />
Bei genauer Betrachtung eine<br />
verhängnisvolle Verharmlosung.<br />
Denn Tatsache ist, dass die<br />
Demokratie ohne die Zustimmung<br />
der Öffentlichkeit, sprich<br />
„des Volkes“, ihre Basis, den<br />
Kern ihrer Existenz verliert. Sie<br />
stirbt.<br />
Politikerinnen und Politiker<br />
wehren sich gegen <strong>so</strong>lche<br />
Aussagen. Natürlich.<br />
Gibt es ein Gegensteuern? Ein<br />
Beispiel.<br />
Als es um die Rettung der<br />
Banken ging, fand die Politik<br />
plötzlich erneut zu den Theorien<br />
des Wirtschaftswissenschaftlers<br />
John Maynard Keynes<br />
zurück.<br />
Es wirkte.<br />
Ein Grundlagenwerk, das die<br />
Demokratie als politisch-<strong>so</strong>ziale<br />
Grundordnung umfassend beschreibt,<br />
veröffentlichte der<br />
Profes<strong>so</strong>r der Philo<strong>so</strong>phie John<br />
Rawls 1975 (Rawls, John: Eine<br />
Theorie der Gerechtigkeit. Suhrkamp,<br />
Frankfurt a.M. 1979). Als<br />
das Werk erschien, <strong>so</strong> kurz nach<br />
der achtundsechziger Revolution,<br />
wurde es bewusst wahrgenommen,<br />
wurde für viele<br />
Politikerinnen und Politiker<br />
anerkannte Richtlinie des eigenen<br />
Handelns. Heute vergessen?<br />
Heute notwendiger denn je.<br />
So jedenfalls sieht es der<br />
Nachfolger des deutschen Philo<strong>so</strong>phen<br />
Horkheimer, Axel Honneth.<br />
Seine Arbeiten zur<br />
Wahrnehmung von Gerechtigkeit<br />
und Freiheit, und - <strong>so</strong> der<br />
Titel eines Werkes – der<br />
zerrissenen „Welt des Sozialen“<br />
(Honneth, Axel: Die zerrissene<br />
Welt des Sozialen. Suhrkamp,<br />
Frankfurt a.M. 1980), sprechen<br />
deutliche Worte. Wir benötigen<br />
in unserer Gesellschaft mehr<br />
Konsens, mehr Mitsprache,<br />
mehr Mitwirkung, mehr Gemeinschaft.<br />
Und das bedeutet<br />
neues Lernen von Grund auf,<br />
ein Neubesinnen auf die Werte<br />
der Demokratie, das ist Bildungspolitik<br />
pur.<br />
Bildung und Politik.<br />
Vermittelt die Gesellschaft<br />
über ihre Einrichtungen der<br />
Bildung - von der frühkindlichen<br />
Erziehung bis hin zum<br />
Hochschulabschluss - den Kindern<br />
und Heranwachsenden die<br />
Überzeugung, dass sie in der<br />
Gesellschaft mitreden, mitbestimmen<br />
und regeln können, <strong>so</strong><br />
vermittelt sie, dass die zukünftigen<br />
Gestalter und Entscheider<br />
unserer Gesellschaft, einen Platz<br />
in unserer Gemeinschaft, Anerkennung<br />
und Auskommen in<br />
unserer Gesellschaft haben.<br />
Vermittelt die Gesellschaft,<br />
J. Kaufhold
LEUCHTTURM<br />
dass Gerechtigkeit und Gleichheit<br />
vor dem Gesetz für alle ein<br />
Selbstverständnis ist; vermittelt<br />
sie, dass jedem Menschen das<br />
Streben nach Glück und die<br />
Menschenwürde gegeben sind,<br />
dann gewinnt unsere Gesellschaft<br />
an Stabilität, Zuverlässigkeit,<br />
Sicherheit. Es gewinnt die<br />
Demokratie.<br />
Menschen, die im Heranwachsen<br />
positive <strong>so</strong>ziale Erfahrungen<br />
machen, werden zur<br />
Gesellschaft und zur Demokratie<br />
stehen, werden Gesetze achten,<br />
werden ihren Beitrag leisten.<br />
Wir brauchen die Schule der<br />
Demokratie.<br />
Solange es an demokratischen<br />
Überzeugungen mangelt, wird es<br />
Randgebiete in Großstädten<br />
geben, in die kaum ein Polizist<br />
den Fuß setzen kann.<br />
Solange es Verzerrungen in<br />
den Einkommensverhältnissen<br />
gibt, die an Raubrittertum<br />
erinnern — <strong>so</strong> die Steigerungen<br />
der Durchschnittseinkommen<br />
der Chefs im Finanzwesen USA;<br />
ihr Verdienst umfasste 1980,<br />
damals heftig kritisiert, das<br />
42fache eines durchschnittlichen<br />
Arbeiters, unvorstellbar. Aber im<br />
Jahr 2007 erhielten die Chefs, <strong>so</strong><br />
eine Studie (Francis, David R.:<br />
Should CEO Pay Restrictions<br />
Spread to All Corporations? In<br />
Christian Science Monitor,<br />
09.03.2009) , im Durchschnitt<br />
das 344fache! —, <strong>so</strong>lange dieses<br />
Greifzu-Verhalten akzeptiert<br />
wird, wird es Auswüchse in der<br />
Bedienmentalität geben, denen<br />
die Vergleichbarkeit fehlt.<br />
Solange es Geschäfte mit<br />
Staaten gibt, deren Umgang mit<br />
Menschenrechten tiefes Grauen<br />
einflößt – — <strong>so</strong> das Vorgehen in<br />
einem boomenden asiatischen<br />
Land, in dem Gefangene auf<br />
Bestellung hingerichtet, ihre<br />
Organe entnommen und wie<br />
Ware gehandelt werden (Keller,<br />
Martina: Herz auf Bestellung.<br />
Die Zeit. 07.03.2013), die<br />
Bundesrepublik <strong>Deutschland</strong><br />
aber vom neuen Markt profitiert!<br />
—, <strong>so</strong>lange wird Gleichgültigkeit<br />
den Kältegrad unserer Gesellschaft<br />
bestimmen.<br />
Solange es Deals mit Staatsanwaltschaften<br />
gibt, die gegen<br />
Straftäter nach Zahlung von<br />
barer Münze Milde walten<br />
lassen, wird das Wort von der<br />
Gleichheit vor dem Gesetz nur<br />
ein Kopfschütteln auslösen.<br />
Die Reihe der Beispiele ist<br />
länger, sicherlich.<br />
Aber Erfahrungen machen<br />
nicht nur Erwachsene.<br />
Heranwachsende nehmen sie<br />
sehr intensiv wahr – auch wenn<br />
sie die Auswirkungen nicht<br />
kennen. Sie reagieren auf etwas,<br />
das unser aller Leben berührt,<br />
ohne dass sie über ein anderes<br />
Handeln, über das demokratische<br />
Miteinander nachdenken.<br />
Das erledigt sich nicht von<br />
selbst.<br />
Wir sind auf die Schule der<br />
Demokratie angewiesen. Politik<br />
und Bildung müssen einander<br />
neu wahrnehmen. Anders als es<br />
bislang erfolgt.<br />
Politik spricht oft über<br />
Bildung, verabschiedet Gesetze,<br />
registriert aber die Folgen der<br />
Umsetzungen nicht. Genauer<br />
gesagt: Politikerinnen und Politiker<br />
halten an papierenen<br />
Ergebnissen fest, wollen nicht<br />
wahrnehmen, was in Schieflage<br />
gerät.<br />
Die Verantwortlichen in der<br />
Politik müssen das Hinschauen<br />
üben – Hinschauen auf das, was<br />
im Bildungswesen wirklich passiert.<br />
Die Gesetzeslage verlangt<br />
Kindertagesstätten, Horte in<br />
ausreichender Zahl. Ein durch<br />
die Politik zugesicherter Anspruch.<br />
Einmal abgesehen von<br />
den Einrichtungen an sich -<br />
Erzieherinnen und Erzieher<br />
fehlen. Nur die berufliche<br />
Anerkennung und ein sicheres<br />
Auskommen derjenigen, die<br />
diese Bildungsarbeit leisten<br />
müssen, kann zur Absicherung<br />
beitragen. Das aber scheint die<br />
Politik vergessen zu haben.<br />
Die neue Kindheit, die<br />
Probleme einer zunehmenden<br />
Zahl Kinder im Heranwachsen –<br />
verlangt nach Schul<strong>so</strong>zialarbeit.<br />
Allseits unbestritten. Doch es<br />
schieben die Länder und<br />
Kommunen die Zuständigkeiten<br />
hin und her. Schul<strong>so</strong>zialarbeit<br />
6<br />
muss in den meisten Schulformen<br />
von der Kommune<br />
gesichert werden. Doch die<br />
Kommunen wehren sich, Per<strong>so</strong>nalkosten<br />
sind zu intensiv. Die<br />
Landespolitik finanziert nur<br />
unter umrissenen Bedingungen<br />
zu. Kinder im heranwachsenden<br />
Alter werden dabei nicht<br />
erreicht. Spektakuläre Berichte<br />
über Jugendämter, die, <strong>so</strong> die<br />
Vorwürfe, ihrer Verantwortung<br />
nicht mehr gerecht werden<br />
können, bleiben scheinbar folgenlos.<br />
Per<strong>so</strong>nalmangel herrscht<br />
vor. Der effektivere Weg wird<br />
verschwiegen. Sozialpädagoginnen<br />
und -pädagogen werden<br />
nicht angemessen bezahlt, die<br />
Ausbildung stagniert. Das ist nur<br />
zu ändern, wenn die Wertschätzung<br />
dieser Berufsgruppe sich<br />
wandelt.<br />
Ist die Politik noch bereit,<br />
reale Verantwortung zu übernehmen?<br />
Da gibt es Pädagogische<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
in den Schulen. Was als<br />
Nebenjob geplant war, gerät zum<br />
ausufernden Markt prekärer<br />
Arbeitsverhältnisse. Die Zahl der<br />
prekären Arbeitsverhältnisse im<br />
Öffentlichen Dienst, wohlgemerkt<br />
- in der Verantwortung des<br />
Landes, wächst rasant.<br />
War das politisch gewollt?<br />
Das Bildungs- und Teilhabepaket,<br />
gefeierte Hilfe für Benachteiligte,<br />
gerät zum erstickenden<br />
Papierdschungel, Verfahrensmängel<br />
ohne Ende. Ist das<br />
verantwortliche Politik?<br />
<strong>Deutschland</strong> feiert die Eigenverantwortliche<br />
Schule.<br />
Die Landespolitik überhäuft<br />
die Schulleitungen mit Aufgaben,<br />
die selbst der kleine<br />
Unternehmer an Steuerberater<br />
abgibt, Schulleitungen aber<br />
lahmlegen. Niemand will <strong>so</strong><br />
arbeiten. War das politische<br />
Absicht?<br />
Niedersachsen setzt in diesem<br />
Jahr die Europäische Forderung<br />
nach barrierefreier Teilhabe aller<br />
Kinder an Schule und Ausbildung<br />
um. Kinder mit Einschränkungen,<br />
mit Handicap müssen<br />
nicht mehr in Fördereinrichtungen<br />
beschult werden. Das wird
7 LEUCHTTURM<br />
der Ausnahmefall sein. Kinder<br />
erhalten die Förderungen dort,<br />
wo sie sich befinden. Ein großer<br />
und begrüßenswerter Schritt.<br />
Doch wer schaut hin, wie die<br />
Förderung aussehen wird. Es<br />
fehlt an Förderschullehrkräften,<br />
die diese Aufgaben übernehmen<br />
können. Da sind Lücken, die es<br />
zu schließen gilt. Hier muss die<br />
Politik hinsehen, genau und mit<br />
dem Willen der Vereinbarung<br />
Gültigkeit zu verschaffen.<br />
Vom demographischen Wandel<br />
wird viel geredet, er <strong>so</strong>ll<br />
genutzt werden, die SchülerInnenzahlen<br />
in den Klassen zu<br />
senken, mehr Lehrkräfte für<br />
weniger Kinder.<br />
Verabschiedung von Friedel Fischer -<br />
KV Wilhelmshaven<br />
Doch die Realität zeigt, dass<br />
das nicht leistbar sein wird. Es<br />
gibt zu wenig junge Lehrkräfte,<br />
die Ausbildung gleicht den<br />
Mangel, der durch die bekannte<br />
Altersstruktur des Lehrkörpers<br />
entsteht, nicht mehr aus. Die<br />
öffentliche Haltung den Lehrerinnen<br />
und Lehrern gegenüber,<br />
das kommt dazu, ändert sich<br />
zusehends. Die Öffentlichkeit<br />
nimmt wahr, dass diese Aufgabe<br />
eine be<strong>so</strong>ndere Herausforderung,<br />
ja eine Belastung darstellt. Der<br />
Lehrberuf wird unattraktiv. Die<br />
Politik kann regulieren, dazu<br />
aber muss sie die Bedeutung der<br />
Bildungseinrichtungen mehr<br />
wert schätzen. Wird sie das tun?<br />
Nach seiner Pensionierung<br />
und dem endgültigen Aus<br />
in der Schule wurde Friedrich<br />
Fischer (im Foto links) jetzt auch<br />
vom Kreisvorstand der GEW<br />
Wilhelmshaven verabschiedet.<br />
Dass „Friedel“ damit eine<br />
nahezu exakt 30-jährige aktive<br />
Vorstandsarbeit hinter sich hat,<br />
und die überwiegend als<br />
Vorsitzender des Kreisverbands,<br />
war dann auch anerkennende<br />
Dankesworte des amtierenden<br />
Kreisvorsitzenden Wolfgang<br />
Niemann-Fuhlbohm wert.<br />
Wie schnell es geht, dass<br />
Schule, Bildungsstruktur und<br />
<strong>so</strong>gar Fragen und Tendenzen in<br />
der Schulpolitik im Denken der<br />
Kollegen, die aus dem Schuldienst<br />
raus sind, nach hinten<br />
rücken, hat auch Friedel Fischer<br />
schnell registriert. Wenn einem<br />
<strong>so</strong>lchen Pensionär die brennenden<br />
Fragen und Probleme der<br />
Kolleginnen und Kollegen im<br />
Schulalltag nicht mehr <strong>so</strong><br />
elementar wichtig erscheinen, ist<br />
das eigene Problembewusstsein<br />
von der Alltagsrealität und der<br />
aktuellen Kultuspolitik zu weit<br />
entfernt, um sich sinnvoll und<br />
zielführend einzumischen. Konsequent<br />
und logisch ist es dann<br />
in jedem Fall, einen Generationswechsel<br />
am Arbeitsplatz und<br />
auch in der Gewerkschaft zu<br />
vollziehen. Auch wenn dies<br />
nicht immer klappt: die Älteren<br />
<strong>so</strong>llten für Junge das Feld<br />
räumen, damit die Lücken<br />
wieder gefüllt werden können.<br />
Die Dinge jedenfalls, die am<br />
Berufsanfang der Generation<br />
Friedel Fischers wichtig waren,<br />
wie etwa Lehrerarbeitslosigkeit,<br />
Berufsverbot, Nachrüstung,<br />
Maulkorberlass etc., können<br />
heute allenfalls noch als nostalgische<br />
Sentimentalität für eine<br />
Unterhaltung im kleinen Kreis<br />
herhalten. Für junge Kolleginnen<br />
und Kollegen halt „Schnee<br />
von gestern“. Schließlich, es<br />
stehen heute Dinge auf der<br />
schulpolitischen Agenda, die<br />
junge Kolleginnen und Kollegen<br />
zu lösen haben werden, wie die<br />
Realisierung der Inklusion, die<br />
Vergleichbarkeit und die Vereinheitlichung<br />
der Schulabschlüsse<br />
und auch des „Zentral“-Abiturs.<br />
Jede Zeit hat ihre eigenen<br />
Problemstellungen, die es beruflich<br />
und gewerkschaftlich zu<br />
bewältigen gilt. Es macht Sinn,<br />
junge Kolleginnen und Kollegen<br />
von aktiver Partizipation zu<br />
überzeugen und zu begeistern.<br />
Für Friedel Fischer ist das<br />
Politik und Bildung.<br />
Es gilt, die Schule der<br />
Demokratie zu gestalten, zu dem<br />
zu machen, was unsere Gesellschaft<br />
im Kern erhält. Bildung<br />
gibt der Gesellschaft Stabilität<br />
und Entwicklung, vermittelt die<br />
Erfahrung gegenseitiger Anerkennung<br />
und Wertschätzung.<br />
Gefordert ist eine stärkere<br />
Sensibilität gegenüber all denen,<br />
die pädagogisch wirken, die sich<br />
dem Aufwachsen, der Erziehung<br />
und Bildung von Kindern und<br />
Jugendlichen widmen - im<br />
Interesse einer lebendigen, lebensnahen<br />
und lebenswerten<br />
Demokratie.<br />
Ausscheiden aus der aktiven<br />
Vorstandstätigkeit in der GEW<br />
kein Abschied, <strong>so</strong>ndern eine<br />
notwendige Konsequenz, die<br />
den Raum für engagierte, junge<br />
Aktivität bietet. Aktiv in der<br />
GEW nützt jedem Kollegen und<br />
jeder Kollegin und hilft allen im<br />
Schuldienst.<br />
Wolfgang<br />
Niemann-Fuhlbohm
LEUCHTTURM<br />
Oberschule Jever nach Elisa Kauffeld<br />
benannt<br />
Klaus<br />
Blume-Wenten<br />
Seit Juni letzten Jahres hat sie<br />
einen Namen: zeitgleich mit<br />
der Einführung der Schulform<br />
„Oberschule“ heißt die ehemalige<br />
Haupt- und Realschule Jever<br />
jetzt Elisa-Kauffeld-Oberschule.<br />
Von der Idee bis zur tatsächlichen<br />
Namensgebung dauerte es<br />
zweieinhalb Jahre.<br />
45 Jahre lang war die Schule<br />
ohne einen Namen ausgekommen.<br />
Bis 1966 gab es noch die<br />
Volksschule, die in Jever aber in<br />
eine Stadtknaben- und eine<br />
Stadtmädchenschule aufgeteilt<br />
war. Daraus wurde in den<br />
sechziger Jahren die Hauptschule<br />
Jever, die in den siebziger Jahren<br />
um die Orientierungsstufe ergänzt<br />
wurde. Sie befand sich in<br />
unmittelbarer Nachbarschaft zur<br />
Realschule Jever. Mit der<br />
Selbständigkeit dieser beiden<br />
Schulen war es 2004 vorbei,<br />
Die Schülerinnen der Projektgruppe „Elisa Kauffeld“<br />
10bR mit der Namensgeberin im März 2012<br />
nachdem die<br />
Orientierungsstufen<br />
landesweit<br />
aufgelöst<br />
wurden. Der<br />
Landkreis<br />
Friesland als<br />
Schulträger beschloss,<br />
beide<br />
Schulen zu einer<br />
zusammengefassten<br />
Haupt- und<br />
Realschule unter<br />
Begrüßung der Gäste<br />
einem Dach zu fusionieren.<br />
In 2010 gab es erste Überlegungen:<br />
vorschläge zusammen, die allerdings<br />
nicht alle den genannten<br />
Die „No name“-Schule Anforderungskriterien genügten.<br />
<strong>so</strong>llte einen Namen erhalten, das<br />
war schließlich Konsens aller in<br />
der Schule Tätigen. Unverwechselbar<br />
<strong>so</strong>llte er sein und drei<br />
Der Schulvorstand zog nach<br />
langen Beratungen sechs von<br />
diesen Vorschlägen in die engere<br />
Wahl:<br />
Anforderungen erfüllen: Der 1. Oswald Andrae (1926-1997),<br />
Namensgeber musste sich für<br />
Werte wie Frieden, Freiheit und<br />
Demokratie eingesetzt und damit<br />
jeverscher Schriftsteller, der sich,<br />
politisch engagiert, für Umweltschutz<br />
und Abrüstung und nicht<br />
Vorbildcharakter für die zuletzt für eine kritische Ausein-<br />
Schülerinnen und Schüler haben<br />
und er musste aus der Region<br />
andersetzung mit der deutschen<br />
Geschichte einsetzte.<br />
kommen. Der Schulträger signalisierte<br />
2. Hermann Gröschler (1880-<br />
Zustimmung zu diesem<br />
Vorhaben.<br />
Die Schule begab sich auf den<br />
1944), Vorsteher der jüdischen<br />
Synagogengemeinde in Jever<br />
3. Elisa Kauffeld (geb. 1913),<br />
Weg der Namenssuche. Schülerinnen<br />
Friedensaktivistin und Atom-<br />
und Schüler, Eltern, kraftgegnerin aus Sillenstede<br />
Kolleginnen und Kollegen gaben<br />
4. Fritz Levy (1901-1982), NSund<br />
ihre Vorschläge ab<br />
auch die örtliche<br />
Presse, das „Jeversche<br />
Wochenblatt“, konnte<br />
für diesen Prozess<br />
gewonnen werden,<br />
denn man wollte die<br />
Namensfindung auf<br />
möglichst breite Füße<br />
stellen und die Bevölkerung<br />
Jevers einbinden.<br />
Schließlich ging<br />
es um eine „ihrer“ Ingrid Donk, langjährige Wegbegleiterin<br />
SEK-I-Schule in Jever.<br />
Anfang 2011 rief die Zeitung<br />
ihre Leserschaft auf, sich an der<br />
Suche zu beteiligen. Auf diese<br />
Weise kamen insgesamt mehr als<br />
Verfolgter, letzter überlebender<br />
jüdischer Einwohner der Stadt,<br />
jeversches Original und zuletzt<br />
Ratsherr<br />
30 ernst zu nehmende Namens-<br />
5. Johann Lünemann sen.<br />
8
9 LEUCHTTURM<br />
(1888-1967), hisste 1945 die<br />
weiße Fahne auf dem jeverschen<br />
Schloss, war später Vorsitzender<br />
des Bürgervereins<br />
6. Heinrich Ommen (1874-<br />
1959), Lehrer am Mariengymnasium<br />
Jever, NS-Gegner, Liberaler,<br />
Oldenburgischer Landtagsabgeordneter.<br />
In einer Projektwoche im<br />
Oktober 2011 befasste sich die<br />
Klasse 10bR mit ihrer Klassenlehrerin<br />
Katja Minssen in sechs<br />
Gruppen mit Recherchen zu<br />
diesen sechs Per<strong>so</strong>nen, befragte<br />
dazu auch viele Jeveraner (als<br />
einziger noch lebender potentieller<br />
Namensgeber konnte Elisa<br />
Kauffeld dabei persönlich befragt<br />
werden), bereitete Präsentationen<br />
vor und gab dadurch Argumentations-<br />
und Entscheidungshilfen<br />
für den bevorstehenden<br />
Abstimmungsprozess in der<br />
Schule.<br />
Der begann mit verschiedenen<br />
Informationsveranstaltungen<br />
einen Monat später. Souverän<br />
präsentierten die Projektgruppen<br />
die Ergebnisse ihrer<br />
Recherchen in einer Gesamtkonferenz,<br />
allen Schülern in drei<br />
Jahrgangsversammlungen und in<br />
einer Elternvollversammlung.<br />
Zeitnah fanden daraufhin im<br />
Lehrerkollegium, in allen Klassen<br />
und in der Elternschaft<br />
getrennt voneinander die Abstimmungen<br />
über die zur Wahl<br />
stehenden sechs Per<strong>so</strong>nen statt.<br />
Das Ergebnis war eindeutig: mit<br />
deutlicher Mehrheit in allen drei<br />
an der Schule beteiligten<br />
Gruppen wurde Elisa Kauffeld<br />
als Namensgeberin für die neue<br />
Oberschule in Jever gewählt.<br />
Elisa Kauffeld<br />
„Wenn du den Frieden willst,<br />
musst du den Frieden vorbereiten“,<br />
schrieb sie damals auf eine der<br />
Ausstellungstafeln. Sie selbst hatte<br />
bis an körperliche und psychische<br />
Belastungsgrenzen dafür gearbeitet.<br />
Die Fotos von ihr als weißhaarige<br />
Frau, die bei einer Sitzblockade von<br />
Polizisten weggetragen wird und<br />
sich später vor Gericht wegen<br />
Nötigung verantworten muss, gingen<br />
bundesweit durch die Medien.<br />
Geboren am 17. Oktober 1913 in<br />
London verbrachte sie ihre ersten<br />
Lebensjahre im Schwarzwald und<br />
erinnerte sich noch immer an die<br />
Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg,<br />
die am Esszimmerfenster vorbeimarschierten.<br />
Die Familie zog nach<br />
Bremen, wo Elisa zur Schule ging<br />
und mit fünf Geschwistern aufwuchs.<br />
Sie lebte als Au-pair mehrere<br />
Jahre in der Schweiz und in<br />
England, bevor die Lufthansa sie als<br />
erste Stewardess einstellte. Dort<br />
lernte sie ihren Mann kennen;<br />
inzwischen war der Zweite Weltkrieg<br />
ausgebrochen. Mitten im<br />
Bombenalarm brachte sie 1940 ihr<br />
Baby zur Welt. 1942 stürzte ihr<br />
Mann mit dem Flugzeug ab. Voller<br />
Trauer um ihn und voller Sorge um<br />
den kleinen Sohn kämpfte die junge<br />
Frau täglich<br />
ums Überleben<br />
im Krieg.<br />
Sie heiratete<br />
ein zweites<br />
Mal, bekam<br />
zwei weitere<br />
Kinder.<br />
Die Brutalität<br />
der<br />
Kriege, die<br />
damit verbundenen<br />
Todesängste<br />
hatten sich<br />
Elisa Kauffeld<br />
unauslöschlich<br />
eingebrannt.<br />
Ende der<br />
70er Jahre, als ihre Kinder<br />
erwachsen waren und sie von ihrem<br />
zweiten Mann getrennt, begann sie<br />
sich als Pazifistin zu engagieren.<br />
Aufgrund des Nato-Doppelbeschlusses,<br />
bei dem es um die<br />
Aufstellung US-amerikanischer<br />
Atomraketen in Westeuropa und<br />
auch in der Bundesrepublik ging,<br />
bildete sich auch die Friedensinitiative<br />
Jever-Schortens. Elisa Kauffeld<br />
war Mitbegründerin, später der<br />
Motor.<br />
Frei von beruflichen und familiären<br />
Verpflichtungen machte sich die<br />
zierliche Rentnerin an die Arbeit,<br />
die künftig ihr Leben bestimmen<br />
<strong>so</strong>llte. Sie lud zur Teilnahme an<br />
Ostermärschen ein, organisierte<br />
Infostände, entfachte politische Diskussionen<br />
in der Presse und machte<br />
Befragung der Projektgruppe<br />
in der Öffentlichkeit als „Demo-<br />
Oma“ Furore. In ihrem kompromisslosen<br />
Wirken für eine Welt ohne<br />
Waffen polarisierte Elisa Kauffeld.<br />
Die Menschen bewunderten, belächelten,<br />
beschimpften, drohten Elisa<br />
Kauffeld. „Das war nicht immer<br />
leicht auszuhalten“, gab sie einmal<br />
zu. Dennoch hat sie ihre Überzeugung<br />
nie geleugnet. Im April 86,<br />
zwei Tage nach dem Super-Gau in<br />
Tschernobyl, nahm sie an einer<br />
Seniorenblockade in Mutlangen<br />
teil, wo Nato-Atomraketen lagerten.<br />
Von da an blockierte sie mindestens<br />
einmal im Jahr die Zufahrten zu<br />
Massenvernichtungslagern, in Ludwigswinkel<br />
gegen Giftgas, in Bonn<br />
vor den Botschaften der Atombombentestländer,<br />
in Büchel gegen USamerikanische<br />
Atombomben. Als sie<br />
sich in Gorleben Protesten gegen<br />
Atomtransporte anschloss, traten<br />
Polizisten mit Füßen nach ihr.<br />
Mehrfach stand sie wegen zivilen<br />
Ungehorsams vor Gericht, wurde zu<br />
Geldstrafen und gemeinnütziger<br />
Arbeit verurteilt. Die verheerenden<br />
Wirkungen der Atomwaffen auf<br />
menschliches Leben hätten ihr keine<br />
andere Wahl gelassen, als nach<br />
Ausschöpfung anderer Mittel zivil<br />
ungehorsam zu werden, formulierte<br />
sie einmal vor Gericht. Wie viele<br />
ihrer Mitstreiter riskierte sie immer<br />
wieder Gefängnis. Doch die Initiativen<br />
der Friedensgruppen waren<br />
erfolgreich. Nach politischen Vereinbarungen<br />
Ende der 80er Jahre<br />
wurden die Atomraketen abgezogen<br />
und verschrottet, auch die in
LEUCHTTURM<br />
Mutlangen. „Eine gewisse Befriedigung“<br />
habe sie damals empfunden,<br />
Freude nach den Jahren des<br />
Widerstands. (Sitzblockaden sind<br />
seit 1995 übrigens straffrei …)<br />
Es folgte jetzt der offizielle<br />
Antrag der Schule an den<br />
Schulträger, eine der Abstimmung<br />
entsprechende Namensgebung<br />
zu beschließen. Im Februar<br />
2012 stimmte der Schulausschuss<br />
des Landkreises Friesland<br />
einstimmig zu, wenig später<br />
auch der Kreistag bei Enthaltung<br />
der CDU-Fraktion. Somit war<br />
der Weg frei für die Benennung<br />
zur „Elisa-Kauffeld-Oberschule“.<br />
In Angriff genommen wurde<br />
jetzt die Planung einer Veranstaltung<br />
zur Namensgebung am 14.<br />
Juni, in die auch Elisa Kauffeld<br />
selbst, die ihre Wahl übrigens<br />
mit sehr großer Freude aufgenommen<br />
hatte („Womit hab‘ ich<br />
das bloß verdient?“), und ihre<br />
Tochter mit eingebunden wurden.<br />
Eine Arbeitsgruppe des<br />
Kollegiums half tatkräftig mit,<br />
das Programm zu planen und<br />
Wegbegleiter <strong>so</strong>wie Gäste aus<br />
Politik und Verwaltung einzuladen.<br />
Leider war es Elisa Kauffeld<br />
nicht mehr vergönnt, an der<br />
Feier zur Namensgebung „ihrer“<br />
Schule teilzunehmen. 98-jährig<br />
verstarb sie am 16. Mai in ihrem<br />
Haus in Sillenstede. An der<br />
bewegenden Trauerfeier in der<br />
St. Florian-Kirche nahmen Delegationen<br />
der Schüler- und<br />
Elternschaft <strong>so</strong>wie des Kollegiums<br />
der Schule teil.<br />
Mit dem Einverständnis der<br />
10<br />
Hinterbliebenen wurde am 14. unwürdigste Form zwischenmenschlicher<br />
Juni als Termin für die<br />
Konfliktlösung,<br />
Namensgebung festgehalten. führte Gisela Janssen aus, „der<br />
Und es wurde eine würdevolle<br />
Veranstaltung. Rund 200 Menschen<br />
waren gekommen, darunter<br />
enge Freunde, Weggefährten<br />
Einsatz für den Frieden ist ein<br />
Weg, den es sich für junge<br />
Menschen zu gehen lohnt.“ Sie<br />
sei ein Vorbild aus der Region,<br />
und die Familie der Verstorbenen.<br />
<strong>so</strong> Wolfgang Niemann-Fuhl-<br />
Erinnerungen an Elisa bohm, und dürfe als Per<strong>so</strong>n<br />
Kauffeld waren es denn auch, die<br />
sich wie ein roter Faden durch<br />
nicht in Vergessenheit geraten.<br />
Die Schule wolle auch konzeptionell<br />
die gesamte zweistündige Feierstunde<br />
an die Ideale ihrer<br />
zogen. Jeder hatte sie auf Namenspatin anknüpfen und<br />
seine Weise gekannt – Landrat habe deswegen ein Leitbild<br />
Sven Ambrosy genau<strong>so</strong> wie der<br />
„Laway“-Sänger Gerd „Ballou“<br />
erarbeitet und beschlossen. „Ein<br />
bloßes Anhängen eines Etiketts<br />
Brandt, die<br />
Tochter Gisela<br />
Janssen<br />
eben<strong>so</strong> wie<br />
die Friedensaktivistin<br />
und<br />
Wegbegleiterin<br />
Ingrid<br />
Donk und<br />
Schulleiter<br />
Wolfgang<br />
Niemann-<br />
Fuhlbohm.<br />
Elisa Kauffeld<br />
habe sich<br />
in ihrem Engagement<br />
Start der 98 Luftballons als Gruß an Elisa Kauffeld<br />
um die Menschenrech-<br />
reicht uns nicht.“ Sehr persönli-<br />
te immer im Spannungsfeld che Erinnerungen kamen bei<br />
zwischen gesetzlichen Rechtsnormen<br />
Ingrid Donk hoch: „Sie hat<br />
und Gerechtigkeitsnor-<br />
immer um die Wahrheit<br />
men, denen sie sich ihrem gestritten und ihren Teil zum<br />
Gewissen gegenüber verpflichtet großen Frieden dazugegeben. Es<br />
fühlte, befunden. „Und sie hat war ihre Aufgabe, das zu<br />
sich für ihr Gewissen entschieden“,<br />
verkünden, was nicht mehr<br />
sagte Regierungsschulde-<br />
geschehen darf.“ Die Schule sei<br />
zernent Dr. Ralf Drabent. nun in der Verpflichtung, die<br />
Beeindruckt von den Gesprächen,<br />
die sie im Zuge ihrer<br />
Recherchen in der Projektgruppe<br />
mit Elisa Kauffeld geführt<br />
Ideale von Elisa Kauffeld weiter<br />
zu thematisieren und in ihrem<br />
Sinne zu handeln.<br />
Umrahmt wurden die Rede-<br />
hatten, zeigten beiträge von musikalischen Bei-<br />
sich die Schülerinnen<br />
Marina Babatz, Annika<br />
Kaehler, Hilke Ihmels<br />
und Kira Patelt. Sie sei<br />
eine kluge, internationale,<br />
durchsetzungsstarke<br />
Frau gewesen, meinte<br />
Sven Ambrosy, die ihre<br />
Meinung mit starken<br />
trägen der Gruppe „Laway“ und<br />
Schülerinnen und Schülern des<br />
WPK Musik der Schule. Zum<br />
Schluss des offiziellen Festakts<br />
wurden 98 blaue Luftballons mit<br />
der weißen Friedenstaube darauf<br />
als „Gruß an Elisa Kauffeld“ in<br />
den Himmel geschickt.<br />
Im Herbst diesen Jahres will<br />
Argumenten immer man an der Elisa-Kauffeldund<br />
überall vertreten Oberschule einen be<strong>so</strong>nderen<br />
habe. „Es war oft schwer, Gedenktag begehen: am 13.<br />
ihr etwas entgegenzusetzen.“<br />
Oktober wäre Elisa Kauffeld 100<br />
Krieg sei die Jahre alt geworden<br />
…
11 LEUCHTTURM<br />
Das nervöse Zeitalter<br />
Von den Auswirkungen des modernen Lebens<br />
Lehrerinnen und Lehrer dachten<br />
zu allen Zeiten vorrangig<br />
über Schülerinnen und Schüler<br />
nach, über deren Verhalten,<br />
deren Leben, deren Lernen.<br />
Der Pädagoge, Autor und<br />
Herausgeber vieler pädagogischer<br />
Schriften A. Rude verdeutlichte<br />
im Band „Schulpraxis“<br />
Erkrankungen, die die Arbeit in<br />
der Schule beeinträchtigen konnten:<br />
„G. Nervenkrankheiten. Wir<br />
verhandeln hier nur Nervenkrankheiten:<br />
a) Kopfschmerz, b)<br />
Nervosität, c) Veitstanz d)<br />
Epilepsie e) Hysterie.<br />
Den damit verwandten Geistesstörungen<br />
und Sprachstörungen<br />
widmen wir be<strong>so</strong>ndere<br />
Kapitel. Die Nervenkrankheiten<br />
entnehmen erfahrungsgemäß<br />
immer mehr zu, <strong>so</strong> daß man<br />
unser Zeitalter geradezu das<br />
‘nervöse’ nennt. ‘Die ganze<br />
Gesellschaft ist durch das Ringen<br />
nach verfeinerten Genüssen und<br />
größerem Wohlleben in einen<br />
Kampf um das materielle Dasein<br />
verwickelt, welcher die Kräfte des<br />
Nervensystems zu erschöpfen<br />
droht, und die große Konkurrenz,<br />
die der Einzelne auf allen<br />
Gebieten des Wissens und der<br />
Kunst, des Handels und der<br />
Industrie zu bestehen hat, die<br />
allgemeine Jagd nach irdischem<br />
Glück, Reichtum und Genuss<br />
stellen Ansprüche an die<br />
geistigen Kräfte, welchen das<br />
häufig genug durch andere<br />
Einflüsse leistungsunfähiger gewordene<br />
Gehirn nicht zu<br />
genügen vermag. Um dasselbe<br />
künstlich anzuregen, wird es<br />
durch Genussmittel aller Art<br />
gereizt, und die vorübergehende<br />
Steigerung der Hirntätigkeit,<br />
Welche denselben durch Kaffee,<br />
Tee, Tabak und Alkohol zugeführt<br />
wird, ist von einer um<strong>so</strong><br />
größeren Erschlaffung der Nervenkraft<br />
gefolgt’ (Engelhorn).“<br />
(Rude, A.: Schulpraxis. Osterwiek<br />
u. Zickfeld: Leipzig 1915,<br />
4. Aufl.)<br />
Rudes „Schulpraxis“ erschien<br />
1911, al<strong>so</strong> vor über 100 Jahren.<br />
Das Zitat ist einem Fundstück<br />
aus dem Schulmuseum entnommen;<br />
einem Buch, das auch<br />
heute noch lesenswert ist. Das<br />
Werk wurde in der Reihe<br />
„Bücherschatz des Lehrers“ aufgelegt.<br />
Die Bücher mit dem<br />
rotbraunen Einband gehörten in<br />
jede pädagogische Bibliothek des<br />
beginnenden 20. Jahrhunderts.<br />
Wer heute Einblick nehmen<br />
will, wer die Schule der<br />
Kaiserzeit kennenlernen möchte:<br />
Ein Besuch im Schulmuseum<br />
Folmhusen lohnt sich.<br />
Übrigens – und nicht nur am<br />
Rande: Rude entnahm die<br />
Erörterungen der Folgen modernen<br />
Gesellschaftslebens einem<br />
Band zur Schulgesundheitspflege<br />
des Mediziners Ernst Engelhorn.<br />
Der Oberarzt aus Göppingen<br />
veröffentlichte seine Beobachtungen<br />
vor genau 125<br />
Jahren: (Engelhorn, E.: Schulgesundheitspflege.<br />
Zum Gebrauche<br />
für Schulvorstände, Lehrer und<br />
Eltern. Stuttgart: Krabbe 1888.)<br />
Josef Kaufhold<br />
In Erinnerung an Dieter Mahnke<br />
Bereits als Junglehrer trat<br />
Dieter dem Ortsverband<br />
„Konferenz Marsch“ bei - ein<br />
Zusammenschluss von Gewerkschaftsmitgliedern<br />
aus dem<br />
Marschbereich rund um Norden.<br />
Dank der Mitwirkung von<br />
Dieter hat der OV Marsch als<br />
einziger Ortsverband bis heute<br />
„überlebt“. Als Schatzmeister<br />
gehörte er lange Zeit dem<br />
Vorstand des OV an.<br />
Seine finanzielle Kompetenz<br />
nutzte später auch der GEW-<br />
Kreisverband, dem er viele Jahre<br />
als Kreisschatzmeister diente.<br />
Schließlich verwaltete er auch<br />
die Kasse des Ostfriesischen<br />
Lehrervereins, der in den 60er<br />
Jahren in die GEW überging.<br />
Seine gewerkschaftliche Karriere<br />
beendete er als stellvertretender<br />
Vorsitzender des Bezirksverbandes.<br />
In dieser Funktion hat er<br />
dem Verband viel Arbeitszeit<br />
geopfert. So war er u.a. für die<br />
Herausgabe des Informationsblattes<br />
für die ostfriesischen<br />
GEW-Kollegen zuständig, die er<br />
in einer Auflage von mehr als<br />
1000 Exemplaren druckte, eintütete<br />
und versandte.<br />
Doch nicht nur innergewerkschaftlich<br />
hatte Dieter das<br />
Vertrauen der Lehrerinnen und<br />
Lehrer im Kreis und in<br />
Ostfriesland. Er war für viele<br />
Jahre Vorsitzender des Kreislehrerper<strong>so</strong>nalrates<br />
und eben<strong>so</strong><br />
lange Mitglied des Lehrerbezirksper<strong>so</strong>nalrates.<br />
Dieter war 61 Jahre Mitglied<br />
der GEW. Er verstarb nach langer<br />
Krankheit im Alter von 83<br />
Jahren. Er wird uns fehlen.<br />
Herbert Czekir
LEUCHTTURM<br />
20 Jahre Umweltbildung in historischer<br />
Parkanlage - das RUZ in Schortens<br />
Udo Borkenstein<br />
Das im August 1993 gegrün<br />
dete Regionale Umweltzentrum<br />
Schortens liegt in einer<br />
weitläufigen alten Parkanlage auf<br />
einem Sporn des oldenburgischostfriesischen<br />
Geestrückens. Mitten<br />
im Klosterpark findet man<br />
noch Reste des großen Wehrturms<br />
der Klosterkirche. Im<br />
Jahre 785 wurde das Benediktinerkloster<br />
Oestringfelde gegründet.<br />
1323 erfolgte die Grundsteinlegung<br />
für den Wehrturm<br />
des Klosters. 1577 kam das<br />
Kloster in den Besitz des Grafen<br />
Johann von Oldenburg. Im<br />
Jahre 1609 ließ Graf Anton<br />
Günther die Klosterkirche abbrechen.<br />
Im Jahre 1839 erwarb<br />
Hofrat Ehrentraut das Gut. Er<br />
ließ das Gelände des ehemaligen<br />
Klosters aufräumen und für<br />
Anpflanzungen herrichten. Ihm<br />
verdanken wir den heutigen<br />
Klosterpark, der im „englischen<br />
Stil“ angelegt ist, das heißt: Die<br />
Wege werden durch Tieferlegen<br />
versteckt und spielen mit langen<br />
freien Sichtachsen einen wesentlich<br />
größeren Park vor.<br />
1862 wurde das Gutshaus<br />
errichtet, in dem jetzt das RUZ<br />
arbeitet. 1920 ging der Park mit<br />
seinen Anlagen in den Besitz<br />
der Gemeinde Schortens über<br />
und 1985 wurde sie als<br />
Landschaftsschutzgebiet eingetragen.<br />
Seit 20 Jahren entwickeln<br />
die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
des Regionale Umweltzentrums<br />
Schortens Umweltbildungsangebote<br />
für Schulklassen,<br />
Lehrkräfte und andere interessierte<br />
Bürger der Region.<br />
Das Projekt „Natur für alle –<br />
der barrierefreie Garten“ unter<br />
der Trägerschaft des RUZ hat die<br />
Umgestaltung des bereits 1995<br />
auf einer Fläche von ca. 2500 m<br />
angelegten Klostergartens zum<br />
Ziel. Er ist neben den vom RUZ<br />
genutzten Gebäuden im Klosterpark<br />
angesiedelt und steht<br />
interessierten Besuchern jederzeit<br />
offen.<br />
Mit der Erarbeitung der<br />
„Planungshilfen für Barrierefreiheit<br />
– Natur für alle“ als<br />
Gemeinschaftsprojekt der Lebenshilfe<br />
WTM e.V. und dem<br />
RUZ Schortens sind die theoretischen<br />
Grundlagen zur Durchführung<br />
bereits in den vergangenen<br />
Jahren gelegt worden und<br />
werden nun in die Praxis<br />
umgesetzt. Hier <strong>so</strong>llen laut der<br />
Anfang August fand im Bürgerhaus Schortens die 20 Jahre Feier statt: v.l. Pädqagogische Leiterin<br />
Ina Rosemeyer, RUZ-Lehrer Bernd-Uwe Janssen, Kultusministerin Frauke Heiligenstadt,<br />
Beiratsvorsitzende Karin Evers-Meyer, Ruz-Leiter Udo Borkenstein<br />
12<br />
Grundidee naturnahe und für<br />
den eigenen Bedarf umsetzbare<br />
Anbau- und Gestaltungsmöglichkeiten<br />
aufgezeigt werden. Die<br />
Beete sind z.T. bereits als<br />
Themenbeete (Duftpflanzen,<br />
Tastbereiche, Naschen erwünscht<br />
usw.) angelegt, was im Hinblick<br />
auf sinnansprechende Bepflanzung<br />
über den ganzen Kernbereich<br />
des Gartens auszuweiten<br />
ist. Auch Beetanordnungen auf<br />
mehr als einer Ebene (Hochbeete,<br />
Aufschüttungen) für in der<br />
Bewegungsfähigkeit eingeschränkte<br />
Per<strong>so</strong>nen sind berücksichtigt<br />
worden.<br />
Darüber hinaus liegt ein<br />
weiterer Schwerpunkt in der<br />
pädagogischen Arbeit mit Kindern<br />
und Jugendlichen, die in<br />
Projekten und Lehrveranstaltungen<br />
verstärkt für die Belange von<br />
Natur und Umwelt sensibilisiert<br />
werden <strong>so</strong>llen. Auf dem Gelände<br />
kann Natur und Umweltschutz<br />
hautnah erlebt, erfühlt und mit<br />
allen Sinnen wahrgenommen<br />
werden. Neben Kindergärten,<br />
Vorschulen und Klassen jeglicher<br />
Altersstufe und Schulform,<br />
die Unterricht <strong>so</strong> einmal ganz<br />
anders erleben, können Kinder<br />
und Jugendliche hier zudem in<br />
ihrer Freizeit oder im Rahmen<br />
der Umweltwochen und des<br />
Ferienpasses diverse Angebote<br />
nutzen.<br />
Im Jahr 1997 baute eine<br />
Klasse der Berufsbildenden<br />
Schule Jever einen Steinbackofen<br />
nach historischem Vorbild an<br />
ein kleines Klinkergebäude auf<br />
dem RUZ-Gelände im Klosterpark.<br />
Seit 1998 wird mit<br />
Schulklassen regelmäßig Brot<br />
gebacken. Es ist spannend für die<br />
Schülerinnen und Schüler zu<br />
erleben wie früher gebacken<br />
wurde. Das Vogelbeobachtungshaus,<br />
auch „Vogelkieker“ genannt,<br />
bietet Kleingruppen die<br />
Möglichkeit, Vögel beim Brutgeschäft<br />
zu beobachten. Die<br />
aufgehängten Nistkästen sind
13 LEUCHTTURM<br />
von innen mit einer Glasscheibe<br />
versehen, <strong>so</strong> dass der Einblick<br />
ins Nest frei ist. Da die Scheibe<br />
entspiegelt ist und kaum Licht<br />
ins Innere des Häuschens fällt,<br />
werden die Vögel nur geringfügig<br />
gestört. Im Innenbereich ist<br />
ein Rundgang angebracht, um<br />
auch kleineren Kindern einen<br />
Blick in die Nistkästen zu<br />
ermöglichen. Die Einfluglöcher<br />
haben unterschiedliche Durchmesser,<br />
dadurch können verschiedene<br />
Vogelarten angelockt<br />
werden. Die Revierabgrenzung<br />
der brütenden Vögel wird durch<br />
die Sechseckform und die<br />
unterschiedlichen Anflugöffnungen<br />
begünstigt. Der „Vogelkieker“<br />
von der Jugendwerkstatt<br />
der Gemeinde Schortens gebaut<br />
und durch das Friesische<br />
Brauhaus Jever finanziert.<br />
An dem nahe gelegenen<br />
Huntsteertgelände arbeiten regelmäßig<br />
Oberstufenkurse vom<br />
Mariengymnasium Jever und der<br />
IGS Wilhelmshaven am Thema<br />
ökologische Gewässeruntersuchungen.<br />
Da wird gekeschert<br />
und anschließend werden im<br />
RUZ mit den Binokularen Arten<br />
bestimmt und das Teichwasser<br />
auf chemische Parameter untersucht.<br />
In den letzten Jahren haben<br />
die pädagogische Leiterin des<br />
RUZ, Ina Rosemeyer, Bernd-<br />
Uwe Janssen als abgeordneter<br />
Lehrer vom Mariengymnasium<br />
und Udo Borkenstein, abgeordneter<br />
Lehrer von der IGS<br />
Wilhelmshaven, diverse Klimaschutzprojekte<br />
entwickelt und<br />
ins Angebot übernommen. Da<br />
wären die EnergiesparKids für<br />
Kindertagesstätten und für<br />
Grundschulen. Das RUZ Schortens<br />
möchte mit diesen Projekten<br />
einen Beitrag zur Bildung<br />
für nachhaltige Entwicklung an<br />
Schulen leisten. Durch die<br />
kompetenzorientierte Ausbildung<br />
der Schülerinnen und<br />
Schülern zu Energiesheriffs, die<br />
auch das weltweite Klima im<br />
Blick haben, kann in Schule und<br />
privatem Umfeld ein aktiver<br />
Beitrag zum Klimaschutz geleistet<br />
werden. Die Kinder vertreten<br />
als Multikplikatoren einen bewussteren<br />
Umgang mit Energie<br />
und ein verändertes Ernährungsund<br />
Verbraucherverhalten mit<br />
Blick auf die globalen Zusammenhänge.<br />
Das Energiesparprojekt<br />
des Regionalen Umweltzentrums<br />
Schortens wurde in<br />
Hannover im Rahmen des<br />
RUZ Gebäude im Klosterpark Oestringfelde<br />
niedersächsischen Klimaschutzwettbewerbs<br />
„Klima Kommunal<br />
2010“ ausgezeichnet. Beim Klimafrühstück<br />
versuchen die<br />
Umweltpädagogen den Zusammenhang<br />
zwischen Ernährung<br />
und Klimaschutz anhand eines<br />
gemeinsamen Frühstücks aufzuzeigen.<br />
Hier können mittlerweile<br />
erweiterte und überarbeitete<br />
Klimafrühstückskoffer für die<br />
Kindertagesstätte, die Grundschule<br />
und die Sekundarstufe I<br />
ausgeliehen bzw. ein entsprechender<br />
Leitfaden erworben<br />
werden. Der bundesweite Trend<br />
zu Ganztagsschulen ist ungebremst.<br />
Die aktuellen gesellschaftlichen<br />
Rahmenbedingungen<br />
mit veränderten Lebensund<br />
Arbeitsrhytmen führen<br />
dazu, dass immer mehr Kinder<br />
immer früher Ganztagseinrichtungen<br />
besuchen. Sie verbringen<br />
bis zu neun Stunden pro Tag in<br />
Schulen und nehmen dort<br />
mehrere Mahlzeiten ein. Alltagskompetenzen<br />
wie Mahlzeitengestaltung<br />
und- zubereitung können<br />
in den Familien immer<br />
seltener vermittelt werden. Der<br />
Einfluss von Bildungseinrichtungen<br />
auf die Essgewohnheiten<br />
nimmt zu und verlagert sich<br />
zunehmend von der Familie in<br />
die Schule. Das Essen ist al<strong>so</strong> zu<br />
einem unverzichtbaren Bestandteil<br />
schulischen Lebens geworden<br />
und bietet die Chance, beim<br />
täglichen Verpflegungsangebot<br />
und bei der Ausgestaltung<br />
pädagogischer Konzepte, Theorie<br />
und Praxis der Ernährungsbildung<br />
zu verknüpfen. Hier<br />
setzt das Projekt Regional ist 1.<br />
Wahl des Regionalen Umweltzentrums<br />
Schortens an. Adressaten<br />
sind die Entscheidungsträger:<br />
Kommunen, Schulleitung<br />
und Schulträger, Catering Unternehmen,<br />
regionale Erzeuger und<br />
nicht zuletzt die Schülerinnen<br />
und Schüler. Kinder und<br />
Jugendliche haben zwar keinen<br />
direkten Einfluss auf die tägliche<br />
Schulverpflegung, aber die Möglichkeit<br />
als bewusste und<br />
kompetente Verbraucher durch<br />
Nachfrage oder Beteiligung das<br />
Angebot entscheidend mitzubestimmen.<br />
Damit sie die Lebensmittelauswahl<br />
ausreichend bewerten<br />
können, müssen vielfältige<br />
Kompetenzen erworben werden.<br />
Die dafür notwendigen<br />
altersspezifischen Bildungsmodule<br />
entwickelt das Umweltzentrum<br />
Schortens in Zusammenarbeit<br />
mit Lehrkräften und erprobt<br />
sie in beteiligten Pilotschulen.<br />
Das von der Arbeitsgemeinschaft<br />
der Volksbanken Raiffeisenbanken<br />
in Weser-Ems, der<br />
Molkerei Ammerland eG und<br />
der Raiffeisen-Warengenossenschaft<br />
Ammerland-Friesland eG
LEUCHTTURM<br />
Grundschulkinder beim Apfelsaft pressen<br />
Schülerinnen und Schüler der IGS Friesland bei der<br />
Anlage eines Steingartens<br />
für zwei Jahre geförderte Projekt<br />
des Regionalen Umweltzentrums<br />
Schortens richtete sich im ersten<br />
Jahr an Ganztagsschulen in den<br />
Landkreisen Friesland und Wittmund<br />
und in Wilhelmshaven.<br />
Die in dieser Zeit erzielten<br />
Ergebnisse wurden im zweiten<br />
Jahr dem gesamten Gebiet<br />
Weser-Ems zur Verfügung gestellt<br />
und anschließend in ganz<br />
Niedersachsen bekannt gemacht.<br />
Der Parlamentarische Staatssekretär<br />
im Bundeslandwirtschaftsministerium,<br />
Dr. Gerd Müller,<br />
zeichnete in Vertretung für die<br />
Schirmfrau Ministerin Ilse Aigner<br />
auf der Grünen Woche in<br />
Berlin dieses Projekt im Rahmen<br />
eines Wettbewerbes des Aktionsbündnisses<br />
Tag der Regionen<br />
und des Bundesverbandes der<br />
Regionalbewegungen aus.<br />
KlimaContest an Schulen, es<br />
Energieprojekt für weiterführende<br />
Schulen in Friesland.<br />
Nachdem schon seit fünf Jahren<br />
im Landkreis Friesland durch<br />
das Projekt EnergiesparKids des<br />
Regionalen Umweltzentrums<br />
Schortens das Energiebewusstsein<br />
im Elementar- und Primarbereich<br />
gestärkt wird, gibt es<br />
nun mit KlimaContest eine<br />
logische Fortsetzung des Klimaschutzgedankens<br />
an allen weiterführenden<br />
Schulen. Jede Schule<br />
kann teilnehmen. KlimaContest<br />
ist ein vom Bundesumweltministerium<br />
geförderter Wettbewerb<br />
des Landkreises Friesland und<br />
des Regionalen Umweltzentrums<br />
Schortens. Ziel ist es, durch<br />
Veränderungen des Bewusstseins<br />
und des Nutzerverhaltens, Energie<br />
(Strom/Erdgas) und Trinkwasser<br />
zu sparen.<br />
Schon seit längerem bietet das<br />
RUZ das Projekt Naturwissenschaftliche<br />
Grundbildung an.<br />
Das RUZ Schortens hat gemeinsam<br />
mit Erzieherinnen und<br />
Erziehern und Grundschullehrkräften<br />
aus der Region Friesland,<br />
Ammerland, Wittmund und<br />
Wilhelmshaven Methoden und<br />
Materialien zur Naturwissenschaftlichen<br />
Grundbildung entwickelt.<br />
Diese wurden an drei<br />
verschiedenen Aktion<strong>so</strong>rten erprobt<br />
und werden fortlaufend<br />
weiterentwickelt: 1. Lernort<br />
Klassenraum (Grundschule) bzw.<br />
Lernort Gruppenraum (Kindertagesstätte),<br />
2. Lernort Labor (in<br />
einer nahe gelegenen weiterführenden<br />
Schule: Gymnasium/<br />
Realschule / Gesamtschule), 3.<br />
Lernort RUZ (Freigelände).<br />
Ein wesentliches Element der<br />
Projektarbeit ist die Partizipation<br />
von Kindern. Schülerinnen und<br />
14<br />
Schüler werden an der Evaluation<br />
und <strong>Weiter</strong>entwicklung der<br />
Experimente und Materialien<br />
beteiligt. Am Lernort Labor<br />
übernehmen ältere Schülerinnen<br />
und Schüler die Betreuung der<br />
Grundschüler beim Experimentieren<br />
(Lernen durch Lehren).<br />
Grundschüler einer 4. Klasse<br />
betreuen Kindergartenkinder<br />
beim Experimentieren im Unterrichtsraum<br />
der Grundschule<br />
(Lernen durch Lehren). Das<br />
RUZ Schortens organisierte und<br />
moderierte zwei landesweite<br />
Fachtagungen, auf denen die<br />
Ergebnisse und Erfahrungen aus<br />
dem Projekt mit Mitarbeitern<br />
aller niedersächsischen Umweltzentren<br />
und mit Fachdidaktikern<br />
diskutiert wurden. Angeregt<br />
durch Impulse aus den Fachtagungen<br />
haben zahlreiche Regionale<br />
Umweltzentren die naturwissenschaftliche<br />
Grundbildung<br />
in ihrer Arbeit etabliert.<br />
Mit dem Studienseminar<br />
Aurich kooperieren die Schortenser<br />
seit Jahren und alle<br />
Lehramtsanwärterinnen und<br />
Lehramtsanwärter aus dem Studienseminar<br />
besuchen während<br />
ihrer Ausbildungsphase mindestens<br />
einmal das RUZ.<br />
Kontakt:<br />
04461 / 891652<br />
www.ruz-schortens.de<br />
email: u.borkenstein@ruzschortens.de
15 <strong>Weiter</strong> <strong>so</strong> – <strong>Deutschland</strong>?<br />
LEUCHTTURM<br />
Womit haben wir das verdient?<br />
„Lehrer müssen nachsitzen“<br />
... <strong>so</strong> lautete die Überschrift<br />
auf Seite 1 der Ostfriesenzeitung<br />
am 21.8.2013. Wie<strong>so</strong><br />
das??? Sind dieses Jahr be<strong>so</strong>nders<br />
viele sitzengeblieben,<br />
durchs Abi gerasselt oder ist<br />
die Quote der SchülerInnen<br />
be<strong>so</strong>nders hoch, die ohne<br />
jeglichen Abschluss die Bildungsanstalten<br />
verlassen haben?<br />
Al<strong>so</strong> schlechte Arbeit der<br />
Lehrkräfte, die geahndet werden<br />
muss?<br />
Nichts davon gehört und<br />
gelesen! Al<strong>so</strong> eine Zeitungsente?<br />
Leider nein, nur eine<br />
„schräge“ Journalisten-Formulierung<br />
für die Tatsache, dass<br />
Lehrerinnen und Lehrer zum<br />
wiederholten Male durch Verlängerung<br />
ihrer Arbeitszeit<br />
und Verschlechterung der Arbeitsbedingungen<br />
den (notwendigen)<br />
bildungspolitischen<br />
Fortschritt mitbezahlen müssen.<br />
Al<strong>so</strong> gehören doch<br />
eigentlich die Finanz-Politiker<br />
an den Pranger und nicht die<br />
PädagogInnen?!?<br />
Nun hat es Rot-Grün in<br />
Niedersachsen innerhalb kürzester<br />
Zeit geschafft, nicht nur<br />
viele richtige Schritte, die auch<br />
von den meisten Kolleginnen<br />
und Kollegen herbeigesehnt<br />
werden, auf vielen Feldern der<br />
Bildungspolitik in Angriff zu<br />
nehmen, <strong>so</strong>ndern durch die<br />
Verlängerung der Arbeitszeit<br />
für viele Gymnasiallehrerinnen<br />
und –lehrer und die<br />
Verweigerung der zugesagten<br />
Altersermäßigungen für alle<br />
Lehrkräfte ihre guten Absichten<br />
konterkariert.<br />
Die Folge: Viele sind<br />
berechtigter Weise sauer und<br />
demonstrierten machtvoll in<br />
Hannover ihren Unmut. Wir<br />
werden weiter Einfluss nehmen;<br />
das Ding ist noch nicht<br />
durch.<br />
Und am 22. September?<br />
Dann die Abstrafung per<br />
Stimmzettel oder gleich zu<br />
Hause bleiben?<br />
Das wäre zu kurz gedacht<br />
und könnte sich als fataler<br />
Fehler herausstellen! Denn die<br />
Nöte der derzeitigen Landesregierung<br />
resultieren u.a. daher,<br />
dass das Bildungssystem in<br />
<strong>Deutschland</strong> chronisch unterfinanziert<br />
ist, wie auch viele<br />
Vergleiche mit anderen Staaten<br />
immer wieder zeigen. Statt nur<br />
auf die Schuldenbremse zu<br />
starren wie Schwarz-Gelb,<br />
muss mehr Geld ins System,<br />
z.B. durch die von der SPD<br />
und den Grünen geplanten<br />
Steuererhöhungen bei den<br />
Best-Verdienern. Oder nur<br />
durch Umschichtungen, wenn<br />
man denn will: Vor 10 Jahren<br />
legte die rot-grüne Bundesregierung<br />
ein vier Milliarden<br />
schweres Ganztagschulprogramm<br />
auf – und schaffte<br />
jedenfalls den Einstieg in die<br />
flächendeckende Ganztagsbeschulung.<br />
Nun planen sie nach<br />
der Wahl, das <strong>so</strong>genannte<br />
Kooperationsverbot abzuschaffen<br />
und acht Milliarden<br />
Euro in echte Ganztagsschulen<br />
zu investieren... Es geht al<strong>so</strong><br />
am 22. September um viel,<br />
nicht nur in der Bildungspolitik.<br />
<strong>Weiter</strong> <strong>so</strong> – <strong>Deutschland</strong>?<br />
Das kann es wohl nicht sein!<br />
Wie der DGB <strong>so</strong> richtig sagt:<br />
Ein Politikwechsel muss her!<br />
Siehe dazu auch die weiteren<br />
Artikel in dieser Ausgabe auf den<br />
Seiten 16 bis 25 und S. 32.<br />
Ein Leidartikel<br />
von<br />
Jürgen Kramm<br />
Container + Bildung<br />
Zwei Dinge, die eigentlich<br />
wenig miteinander zu tun<br />
haben <strong>so</strong>llten – aber die Zeiten<br />
sind nicht <strong>so</strong>: Im Jade-Weser-<br />
Port werden sie herbeigesehnt,<br />
und in Wittmund bei der KGS<br />
stehen sie herum – wenn auch,<br />
zugegebernermaßen, etwas komfortablere<br />
mit PVC-Fußboden,<br />
Heizung, zu öffnenden Fenstern<br />
und Jalousien, in verschiedenen<br />
Klassenraumgrößen bis hin zu<br />
einem riesigen Lehrerzimmer,<br />
mit überdachten Gängen – al<strong>so</strong><br />
kurz die Bildungs-Mall von<br />
Wittmund, wie ein Kollege<br />
spottete.<br />
Nun kann die Schule von<br />
Glück sagen, dass sie nach dem<br />
schlimmen Brand in <strong>so</strong> kurzer<br />
Zeit eine <strong>so</strong> große Zahl<br />
abbekommen hat – denn die<br />
Ware „Container“ ist in diesem<br />
Sommer heiß begehrt: Eine<br />
einzige Firma hat laut SPIEGEL<br />
fast 1000 allein in die<br />
Bundesländer Hessen, Baden-<br />
Württemberg und Bayern geliefert,<br />
wofür wohl? Als Kita-<br />
Ersatz! Der Rechtsanspruch ab<br />
1.8. hat etliche Kommunen aus<br />
Angst vor Klagen der Eltern zu<br />
dieser Tat getrieben – neben dem<br />
Umbau von Schlecker-Märkten,<br />
Eisdielen, Lagerhallen, Kinos<br />
und Autowerkstätten! Nun hat<br />
man Kristina Schröder in letzter<br />
Zeit öfter in einer neu<br />
eingerichteten Kita auf dem<br />
Boden sitzen sehen – aber eine<br />
Container-Kita war nicht dabei.<br />
Dabei hätte sie in ihrer Wahl-<br />
Heimat gar nicht weit fahren<br />
müssen. Aber sie fürchtete wohl<br />
den Spott der Journalisten –<br />
irgendeinem wäre sicherlich<br />
„Container-Mutti“ einfallen!<br />
Jürgen Kramm
LEUCHTTURM<br />
<strong>Weiter</strong> <strong>so</strong> – <strong>Deutschland</strong>?<br />
Die Checkliste für den 22. September<br />
Eine Übersicht der Wahlversprechen der Parteien im Bundestag<br />
16
17 <strong>Weiter</strong> <strong>so</strong> – <strong>Deutschland</strong>?<br />
LEUCHTTURM
LEUCHTTURM<br />
<strong>Weiter</strong> <strong>so</strong> – <strong>Deutschland</strong>?<br />
Eine neue Ordnung der Arbeit<br />
Die Gewerkschaften erwarten von der neuen Bundesregierung, dass sie für Ordnung auf dem Arbeitsmarkt <strong>so</strong>rgt. Von Mindestlohn bis<br />
sachgrundlose Befristung: was die Parteien zu den Forderungen des DGB in ihren Wahlprogrammen sagen.<br />
18<br />
Bündnis 90 / Die<br />
Grünen wollen einen<br />
einheitlichen,<br />
flächendeckenden<br />
gesetzlichen Mindestlohn von<br />
mindestens 8,50 Euro einführen.<br />
Die Grünen wollen die sachgrundlose<br />
Beschäftigung abschaffen.<br />
Leiharbeitskräfte <strong>so</strong>llen<br />
mindestens gleich wie Stammbeschäftigte<br />
entlohnt werden und<br />
zusätzlich einen Flexibilitätsbonus<br />
erhalten. Die Mitbestimmung der<br />
Betriebsräte bei Leiharbeit und<br />
Werkverträgen <strong>so</strong>ll verbessert<br />
werden. Die Grünen planen, in<br />
einem ersten Schritt die Zahl der<br />
Minijobber zu begrenzen, etwa<br />
durch Begrenzung der Arbeitsstunden<br />
und der Anzahl der<br />
Minijobber pro Betrieb. Außerdem<br />
<strong>so</strong>ll ihre <strong>so</strong>zialrechtliche Absicherung<br />
verbessert werden. In einem<br />
zweiten Schritt will die Partei den<br />
Niedriglohnsektor umfassend reformieren<br />
und Minijobs durch<br />
<strong>so</strong>zialversicherte Beschäftigung ersetzen.<br />
Um wieder Ordnung auf dem<br />
Arbeitsmarkt zu schaffen, braucht<br />
es mehr unbefristete, <strong>so</strong>zial<br />
abgesicherte Arbeitsverhältnisse<br />
mit einer Entlohnung, die<br />
zumindest zum Leben reicht –<br />
statt Niedriglöhnen und prekärer<br />
Beschäftigung. Dazu fordert der<br />
DGB u. a. die Stärkung der<br />
Tarifautonomie, einen einheitlichen,<br />
flächendeckenden gesetzlichen<br />
Mindestlohn von mindestens<br />
8,50 Euro, die Abschaffung<br />
der sachgrundlosen Befristung,<br />
<strong>so</strong>wie die Eindämmung des<br />
Missbrauchs von Leiharbeit und<br />
Werkverträgen. Leiharbeitskräfte<br />
müssen genau<strong>so</strong> entlohnt und<br />
behandelt werden wie die Stammbelegschaften,<br />
das Synchronisationsverbot<br />
abgeschafft, die Verleihdauer<br />
begrenzt und die Mitbestimmung<br />
bei Leiharbeit und<br />
Werkverträgen ausgeweitet werden.<br />
Alle Arbeitsverhältnisse, al<strong>so</strong><br />
auch Minijobs, <strong>so</strong>llen <strong>so</strong>zialversicherungspflichtig<br />
werden.<br />
Die Union lehnt eine Lohnfestsetzung<br />
durch die Politik und<br />
einen einheitlichen Mindestlohn<br />
ab. Die Tarifparteien <strong>so</strong>llen<br />
verpflichtet werden, in einer<br />
gemeinsamen Kommission verbindliche<br />
Lohnuntergrenzen<br />
festzulegen, die je nach Branche<br />
und Region variieren können.<br />
Die Union sieht die Festanstellung<br />
als Regelfall, hält aber<br />
befristete Beschäftigung für<br />
geeignet, um Auftragsspitzen<br />
aufzufangen. Gleiches gilt für<br />
Leiharbeit, die Union will die<br />
Tarifparteien aber dabei unterstützen,<br />
das Prinzip „Gleicher<br />
Lohn für gleiche Arbeit am<br />
gleichen Ort“ unter Berücksichtigung<br />
von Einarbeitungszeiten<br />
betrieblich umzusetzen. Werkverträge<br />
sind für CDU/CSU<br />
ein wichtiges Arbeitsmarktinstrument.<br />
Mit den Sozialpartnern<br />
sei sicherzustellen, dass<br />
kein Missbrauch stattfindet. Die<br />
Union will am Sonderstatus der<br />
Minijobs festhalten.<br />
Die SPD will einen<br />
einheitlichen, flächendeckenden<br />
gesetzlichen<br />
Mindestlohn<br />
von mindestens 8,50 Euro<br />
einführen. Sie plant, die<br />
sachgrundlose befristete Beschäftigung<br />
abzuschaffen. Die<br />
SPD setzt sich für gleichen Lohn<br />
für gleiche und gleichwertige<br />
Arbeit ein und will bei der<br />
Leiharbeit unter anderem das<br />
Synchronisationsverbot wieder<br />
einführen und die Mitbestimmung<br />
der Betriebsräte ausweiten.<br />
Um den Missbrauch von<br />
Werkverträgen zu verhindern,<br />
will die SPD Scheinselbstständigkeit<br />
klarer definieren. Um die<br />
Beschäftigten mit Minijobs<br />
besser zu stellen, sieht die SPD<br />
vor, die Umgehung des Arbeitsrechtes<br />
bei diesen Jobs auszuschließen<br />
und die <strong>so</strong>ziale<br />
Absicherung zu verbessern.<br />
Die FDP lehnt einen<br />
allgemeinen, flächendeckenden<br />
Mindestlohn strikt<br />
ab. Die FDP will das Vorbeschäftigungsverbot<br />
bei befristeter<br />
Beschäftigung lockern. Die<br />
FDP sieht keinen Handlungsbedarf<br />
gegen den Missbrauch von<br />
Leiharbeit und Werkverträgen.<br />
Die FDP hält an den<br />
Minijobs in ihrer derzeitigen<br />
Form fest und will die Grenze<br />
für Minijobs von zurzeit 450<br />
Euro künftig entsprechend der<br />
Lohnentwicklung anpassen.<br />
Die Linke will einen einheitlichen,<br />
flächendeckenden gesetzlichen<br />
Mindestlohn von mindestens<br />
10 Euro einführen. Bis<br />
Ende der Wahlperiode <strong>so</strong>ll er<br />
mindestens 60 Prozent des<br />
Durchschnittslohns betragen.<br />
Das sind zurzeit 12 Euro. Die<br />
Linke will Kettenbefristungen<br />
und sachgrundlose Befristung<br />
abschaffen. Sie fordert langfristig<br />
ein Verbot der Leiharbeit. Bis<br />
dahin <strong>so</strong>ll Equal Pay und das<br />
Synchronisationsverbot gelten,<br />
eine Flexibilitätszulage von zehn<br />
Prozent eingeführt und die<br />
Verleihdauer auf wenige Monate<br />
begrenzt werden. Der Missbrauch<br />
von Werkverträgen <strong>so</strong>ll<br />
verhindert werden, und sie<br />
<strong>so</strong>llen mitbestimmungspflichtig<br />
sein. Für Minijobs will die<br />
Linke die Sozialversicherungspflicht<br />
„ab der ersten Stunde“.
19 <strong>Weiter</strong> <strong>so</strong> – <strong>Deutschland</strong>?<br />
LEUCHTTURM<br />
Altersarmut verhindern<br />
Das DGB-Modell zeigt: Gute Renten für alle sind <strong>so</strong>lidarisch finanzierbar. Im Vergleich: die Reformvorschläge der Parteien für die<br />
Rente.<br />
Der DGB fordert, das<br />
Rentenniveau zu stabilisieren<br />
und die Erwerbsminderungsrenten<br />
zu erhöhen.<br />
Die Rente mit 67 <strong>so</strong>ll<br />
zumindest ausgesetzt und<br />
flexible Übergangsmodelle<br />
<strong>so</strong>llen ermöglicht werden.<br />
Mit Hlife einer moderaten<br />
Erhöhung des Rentenbeitrags<br />
<strong>so</strong>ll eine Demografiereserve<br />
angespart werden.<br />
Die betriebliche Altersver<strong>so</strong>rgung<br />
ist auszubauen.<br />
Das Wahlprogramm der Union<br />
sagt zur Stabilisierung des<br />
Rentenniveaus nichts. Sie will<br />
Erwerbsminderungsrenten<br />
verbessern, die Rente mit 67<br />
<strong>so</strong>ll ohne Änderungen umgesetzt<br />
werden. Ohne Finanzierungskonzept:<br />
Mütter von<br />
Kindern, die vor 1992 geboren<br />
sind, <strong>so</strong>llen einen zusätzlichen<br />
Rentenpunkt erhalten. Private<br />
und betriebliche Vor<strong>so</strong>rge<br />
<strong>so</strong>llen gestärkt werden. Wer<br />
mehr als 40 Jahre rentenversichert<br />
war und zusätzlich privat<br />
vorge<strong>so</strong>rgt hat, <strong>so</strong>ll mindestens<br />
850 Euro erhalten. Die Union<br />
will eine Vor<strong>so</strong>rgepflicht für<br />
Selbstständige, pflegende Angehörige<br />
<strong>so</strong>llen abgesichert, Hinzuverdienstregelungen<br />
bei vorgezogenem<br />
Ruhestand verbessert<br />
werden.<br />
Die SPD will das heutige<br />
Rentenniveau bis 2020 stabilisieren,<br />
Abschläge bei der<br />
Erwerbsminderungsrente <strong>so</strong>l-<br />
len abgeschafft werden. Die<br />
Rente mit 67 <strong>so</strong>ll erst realisiert<br />
werden, wenn mindestens die<br />
Hälfte der 60- bis 64-Jährigen<br />
<strong>so</strong>zialversichert beschäftigt sind.<br />
Die SPD fordert flexible<br />
Übergangsmodelle <strong>so</strong>wie einen<br />
abschlagsfreien Rentenzugang<br />
mit 63 nach 45<br />
Versicherungsjahren. Die Teilrente<br />
ab 60 <strong>so</strong>ll eingeführt<br />
werden, vereinfachte Zusatzbeiträge<br />
zur Rentenversicherung<br />
<strong>so</strong>llen den flexibleren Renteneintritt<br />
ermöglichen. Selbstständige<br />
<strong>so</strong>llen rentenversicherungspflichtig<br />
werden. Familienbedingte<br />
Erwerbsverläufe sind<br />
angemessen zu berücksichtigen,<br />
die SPD plant eine Solidarrente<br />
in Höhe von 850 Euro. Bis 2020<br />
<strong>so</strong>ll die einheitliche Ost-West-<br />
Rente umgesetzt werden.<br />
Die FDP sieht keinen Bedarf,<br />
bisherige Rentenkürzungen zurückzunehmen.<br />
Die Stabilisierung<br />
des Rentenniveaus ist für<br />
sie kein Thema, eben<strong>so</strong> wie<br />
Erwerbsminderungsrenten.<br />
Wer künftig trotz Abschlägen<br />
über der Grundsicherung liegt,<br />
<strong>so</strong>ll den Renteneintritt frei<br />
wählen können – oder aber auch<br />
länger arbeiten. Die FDP will<br />
Zuverdienstgrenzen komplett<br />
aufheben, die Rentenhöhe orientiert<br />
sich ausschließlich an<br />
eingezahlten Beiträgen. Einkommen<br />
aus privater und betrieblicher<br />
Vor<strong>so</strong>rge <strong>so</strong>llen nur zum<br />
Teil auf die Grundsicherung im<br />
Alter angerechnet werden. Eine<br />
Rentenversicherungspflicht für<br />
Selbstständige wird abgelehnt –<br />
aber Selbstständige <strong>so</strong>llen „riestern“<br />
dürfen. Die Liberalen<br />
wollen wie die anderen Parteien<br />
eine einheitliche Ost-West-Rente.<br />
Die Linke will Kürzungsfaktoren<br />
aus der Rentenformel streichen,<br />
die zur Senkung des Leistungsniveaus<br />
führen. Abschläge bei<br />
Erwerbsminderungsrenten<br />
<strong>so</strong>llen gestrichen werden. Zurück<br />
zur Rente mit 65: Nach 40<br />
Beitragsjahren <strong>so</strong>ll jeder und jede<br />
abschlagsfrei in Rente gehen<br />
können. Drei Jahre Kindererziehungszeiten<br />
<strong>so</strong>llen für alle<br />
angerechnet, Riester-Ansprüche<br />
auf die gesetzliche Rente<br />
übertragbar werden. Selbstständige,<br />
BeamtInnen und PolitikerInnen<br />
<strong>so</strong>llen in die gesetzliche<br />
Rente einzahlen. Die Linke<br />
fordert, dass die Kosten der<br />
Alterssicherung wieder paritätisch<br />
finanziert werden. Eine<br />
„<strong>so</strong>lidarische Mindestrente“ <strong>so</strong>ll<br />
1050 Euro betragen.<br />
Bündnis 90/Die Grünen sprechen<br />
sich nicht für eine<br />
Stabilisierung des Rentenniveaus<br />
aus, sie bleiben bei der<br />
Rente mit 67. Die Grünen<br />
wollen eine abschlagsfreie Erwerbsminderungsrente<br />
und<br />
flexible Teilrentenmodelle<br />
schaffen. Eine steuerfinanzierte<br />
Garantierente <strong>so</strong>ll nach mindestens<br />
30 Versicherungsjahren<br />
mindestens 850 Euro betragen.<br />
Private und betriebliche Alterssicherung<br />
sind wichtig für die<br />
Sicherung des Lebensstandards,<br />
auch darum sei die Riester-Rente<br />
zu vereinfachen. Für die Absicherung<br />
von Frauen <strong>so</strong>ll<br />
Rentensplitting in der Ehe<br />
obligatorisch werden. Arbeitslose<br />
zahlen Mindestrentenbeiträge,<br />
Minijobs und Selbstständige<br />
werden in vollem Umfang in die<br />
Rentenversicherung einbezogen.
LEUCHTTURM<br />
<strong>Weiter</strong> <strong>so</strong> – <strong>Deutschland</strong>?<br />
Mehr Demokratie wagen<br />
Eine neue Bundesregierung hat die Chance, die Idee Europa neu zu beleben.<br />
20<br />
Der DGB setzt auf ein<br />
demokratisches <strong>so</strong>ziales<br />
Europa, in dem der<br />
wirtschaftliche Erfolg an<br />
hoher Beschäftigung und<br />
mehr Wohlstand für alle<br />
gemessen wird. Europa<br />
braucht neue Strategien<br />
gegen die Jugendarbeitslosigkeit.<br />
Deshalb fordert der<br />
DGB einen Marshallplan<br />
für Europa: kein Spardiktat,<br />
<strong>so</strong>ndern gute Arbeit und<br />
eine starke Sozialpartnerschaft.<br />
Sozialen Schutz und<br />
Tarifautonomie, statt Arbeitslosigkeit<br />
und Armut.<br />
Die europäischen Finanzmärkte<br />
müssen wirksam<br />
reguliert werden. Der DGB<br />
will ein prosperierendes und<br />
<strong>so</strong>ziales Europa.<br />
Mit der von der EU beschlossenen<br />
<strong>so</strong> genannten „Jugendgarantie“,<br />
die Zusicherung auf<br />
einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz,<br />
will die Union die<br />
Jugendarbeitslosigkeit verringern.<br />
Fördermittel <strong>so</strong>llen stärker<br />
projektbezogen ausgegeben werden,<br />
um die Wettbewerbsfähigkeit<br />
der Unternehmen zu<br />
steigern. Die Union lehnt<br />
Eurobonds ab. Eine Bankenaufsicht<br />
<strong>so</strong>ll unter dem Dach<br />
der EZB etabliert, die Unternehmenssteuern<br />
angeglichen<br />
werden. Europäische Beschlüsse<br />
<strong>so</strong>llen künftig für die BürgerInnen<br />
besser zugänglich sein.<br />
Die SPD will die Sozialpartnerschaft<br />
stärken. Dazu gehören<br />
mehr Rechte für Euro-<br />
Betriebsräte, erweiterte Spielräume<br />
für Mitbestimmung und<br />
ein existenzsichernder Mindestlohn<br />
in allen EU-Staaten.<br />
Zudem <strong>so</strong>ll es konkrete Zielvorgaben<br />
für eine europäische<br />
Wachstumsstrategie geben.<br />
Die SPD will eine <strong>so</strong>ziale<br />
Fortschrittsklausel. Eine gerechte<br />
Besteuerung der Finanzmärkte<br />
und Vermögen <strong>so</strong>wie eine<br />
harmonisierte Arbeits-, Wirtschafts-,<br />
Finanz-, Steuer- und<br />
Investitionspolitik stehen im<br />
Programm. Zu einer umfassenden<br />
Finanzmarktregulierung<br />
gehört für die SPD die<br />
Aufwertung der EZB zu einer<br />
europäischen Investitionsbank.<br />
Zudem spricht sie sich für<br />
einen Schuldentilgungsfonds<br />
aus. Mit Mitteln, unter anderem<br />
aus der Finanztransaktionssteuer,<br />
will die SPD Investitionen in<br />
Bildung, Infrastrukturnetze und<br />
ein Sofortprogramm gegen die<br />
Jugendarbeitslosigkeit finanzieren.<br />
Die Rechte des Europa-<br />
Parlaments <strong>so</strong>llen gestärkt, der<br />
Kommissionspräsident künftig<br />
vom Parlament gewählt werden.<br />
Die Reformen <strong>so</strong>llen in einem<br />
Konvent erarbeitet werden.<br />
Arbeitsmarkt und Sozialpartnerschaft<br />
werden im Programm<br />
nicht erwähnt. Die „Jugendgarantie“<br />
halten die Liberalen für<br />
einen ordnungspolitischen Fehler.<br />
Sie wollen eine unabhängige<br />
EZB und eine „sinnvolle“<br />
Regulierung des Bankensektors.<br />
Die Bankenaufsicht <strong>so</strong>ll<br />
verbessert werden, aber unabhängig<br />
von der EZB agieren.<br />
Eurobonds lehnt die FDP ab.<br />
In den Krisenländern <strong>so</strong>ll der<br />
Reformdruck erhalten bleiben<br />
und keine falschen Anreize<br />
gesetzt werden. Für einen<br />
Konvent sind auch die<br />
Liberalen. Zudem <strong>so</strong>ll die<br />
Kommission verkleinert und das<br />
Europaparlament zum Vollparlament<br />
ausgebaut werden.<br />
Es <strong>so</strong>ll Mindestregeln für eine<br />
europäisches Tarif- und Sozialsystem<br />
geben. Darüber hinaus<br />
will die Linke europaweit das<br />
Recht auf politische Streiks<br />
festschreiben. Eine <strong>so</strong>ziale<br />
Fortschrittsklausel wird gefordert.<br />
Die Linke setzt sich für<br />
<strong>so</strong>ziale und steuerliche Mindeststandards<br />
und eine Bankenabgabe<br />
ein. Die Banken <strong>so</strong>llen<br />
stärker reguliert und Schattenbanken<br />
aufgelöst werden. Die<br />
Rechte des EU-Parlaments stärken<br />
und basisdemokratische<br />
Elemente ausbauen, ist das Ziel<br />
der Linken. Verbindliche Volksentscheide<br />
<strong>so</strong>llen möglich<br />
werden. Die Rechte der Euro-<br />
Betriebsräte <strong>so</strong>llen gestärkt<br />
werden.<br />
Die grenzüberschreitende<br />
Mitbestimmung<br />
wollen<br />
die Grünen zum „Kernstück“ des<br />
europäischen Sozialmodells machen.<br />
Einen Mindestlohn <strong>so</strong>ll<br />
es künftig europaweit geben.<br />
Eine <strong>so</strong>ziale Fortschrittsklausel<br />
steht eben<strong>so</strong> im Programm.<br />
Ein europäischer Steuerpakt<br />
gegen Steuerdumping, -flucht<br />
und -vermeidung ist das Ziel der<br />
Grünen. Eurobonds <strong>so</strong>llen<br />
eingeführt, der Schattenbankensektor<br />
reguliert und ein Trennbankensystem<br />
etabliert werden.<br />
Auch die Grünen wollen einen<br />
öffentlichen Konvent, um<br />
Reformen zu erarbeiten. Außerdem<br />
wollen sie das Wahlrecht<br />
für EUBürgerInnen erweitern.<br />
Das Parlament <strong>so</strong>ll Gesetzesinitiativen<br />
vorschlagen können<br />
und den Kommissionspräsidenten<br />
wählen.
21 <strong>Weiter</strong> <strong>so</strong> – <strong>Deutschland</strong>?<br />
LEUCHTTURM<br />
Belastung gerecht verteilen<br />
Ein gutes und sicheres Leben braucht einen handlungsfähigen Staat. Für Investitionen in Bildung, <strong>so</strong>zialen Wohnungsbau oder<br />
Verkehrsinfrastruktur sind <strong>so</strong>lide finanzierte öffentliche Haushalte notwendig.<br />
Der DGB will Reichtum neu<br />
verteilen, damit zum Beispiel die<br />
Kommunen ihre Haushalte <strong>so</strong>lide<br />
finanzieren können und handlungsfähig<br />
bleiben. Deshalb <strong>so</strong>ll die<br />
Vermögenssteuer wiedereingeführt,<br />
Erbschaften und Gewinne<br />
höher besteuert und die Finanztransaktionssteuer<br />
umgesetzt werden.<br />
Der Körperschaftssteuersatz<br />
<strong>so</strong>ll erhöht, Investitionen im Betrieb<br />
aber besser abgeschrieben werden<br />
können. Die Abgeltungssteuer<br />
<strong>so</strong>ll gestrichen, alle Einkommensarten<br />
mit dem persönlichen Einkommensteuersatz<br />
besteuert werden.<br />
Die gesenkte Mehrwertsteuer für<br />
Hoteliers <strong>so</strong>ll zurückgenommen<br />
werden. Riesigen Investitionsbedarf<br />
sieht der DGB etwa im<br />
Bildungsbereich. So <strong>so</strong>llen Kitas,<br />
Schulen, Berufsschulen und<br />
Hochschulen finanziell besser<br />
ausgestattet werden. Der DGB<br />
fordert, die öffentliche und<br />
<strong>so</strong>ziale Infrastruktur zu stärken.<br />
Der öffentliche Dienst (ÖD)<br />
muss über ausreichend Per<strong>so</strong>nal<br />
zen, unter anderem mit einer<br />
„Qualität<strong>so</strong>ffensive Lehrerbildung“<br />
– ausgestattet mit 500<br />
Millionen Euro.<br />
Die SPD will die<br />
Vermögenssteuer<br />
„angemessen“ ausgestalten.<br />
Der Spitzensteuersatz<br />
<strong>so</strong>ll von 42<br />
Prozent bzw. 45 Prozent auf 49<br />
Prozent für Einkommen über 100<br />
000 Euro bzw. 200 000 bei<br />
Ehepaaren angehoben werden. Die<br />
SPD will die Erbschaftssteuer<br />
anpassen und Unternehmenserbschaften<br />
stärker an Arbeitsplätze<br />
koppeln. Das SPD-Programm sieht<br />
vor, das Ehegattensplitting durch<br />
einen Partnerschaftstarif für Ehegatten<br />
abzulösen. Die Steuerprivilegien<br />
für Hoteliers und Erben<br />
<strong>so</strong>llen zurückgenommen, die Abgeltungssteuer<br />
von 25 auf 32<br />
Prozent steigen. Für Steuerbetrug<br />
sieht die SPD härtere Strafen vor.<br />
Steueroasen <strong>so</strong>llen bekämpft werden,<br />
Spekulationen, z.B. auf<br />
Nahrungsmittel, unterbunden werden.<br />
Die SPD plant, 20 Milliarden<br />
Euro mehr für Bildung pro Jahr<br />
auszugeben, unter anderem will sie<br />
Ganztagsschulen und Schul<strong>so</strong>zial-<br />
Die Linke will eine einmalige<br />
Vermögensabgabe in <strong>Deutschland</strong><br />
und allen EU-Staaten. Ab<br />
einem Freibetrag von einer Million<br />
Euro <strong>so</strong>llen zehn Prozent gezahlt<br />
werden, 20 Prozent ab zehn<br />
Millionen Euro und 30 Prozent ab<br />
100 Millionen Euro. Vermögensund<br />
Erbschaftssteuer <strong>so</strong>llen<br />
reformiert werden. Der Spitzensteuersatz<br />
<strong>so</strong>ll ab 65 000 Euro auf<br />
53 Prozent erhöht werden. Einkommen<br />
aus Kapitalerträgen <strong>so</strong>ll<br />
nach dem Einkommenssteuersatz<br />
erhoben, die Abgeltungssteuer<br />
abgeschafft werden. Die Linke will<br />
das Ehegattensplitting abschaffen.<br />
Die Linke plant, die „Hotelsteuer“<br />
zurückzunehmen, eine<br />
Kerosinsteuer einzuführen und<br />
Ausnahmeregeln für die Industrie<br />
bei der Ökosteuer abzuschaffen.<br />
Eine Bundesfinanzpolizei <strong>so</strong>ll<br />
geschaffen, der Steuervollzug verbessert<br />
werden. Das Programm der<br />
Linken sieht mehr Ganztagsschulen<br />
und Kitas vor. Bildung<br />
bleibt öffentlich ohne privaten<br />
oder kommerziellen Einfluss. Die<br />
Linke will in die öffentliche<br />
Daseinsvor<strong>so</strong>rge investieren.<br />
verfügen.<br />
arbeit ausbauen.<br />
Bündnis 90 /<br />
Steuererhöhungen<br />
Die Grünen wollen<br />
lehnt die FDP ab.<br />
den Anteil<br />
Stattdessen <strong>so</strong>ll eine<br />
der Einnahmen<br />
CDU/CSU lehnen Steuererhöhungen<br />
„Steuerbremse“ ein-<br />
aus Umweltsteuern am Gesamtgenssteuer<br />
ab. Es <strong>so</strong>ll keine Vermögeführt<br />
werden. Die FDP will den steueraufkommen erhöhen. Die<br />
geben, die Erbschaftssteuer<br />
„Schuldenberg“ weiter abbauen. Einnahmen der Erbschaftssteuer<br />
nicht erhöht wer-<br />
Die Steuer- und Abgabenlast <strong>so</strong>llen verdoppelt werden. Der<br />
den. Die Union hält an ihrem Ziel <strong>so</strong>ll gesenkt, Beihilfen und Spitzensteuersatz <strong>so</strong>ll auf 45<br />
fest, in der kommenden Wahlperiode<br />
Subventionen <strong>so</strong>llen gekürzt Prozent bei 60 000 Euro, bei 80 000<br />
keine neuen Schulden zu werden. Freibeträge für Kapitaler-<br />
auf 49 Prozent steigen. Eine zeitlich<br />
machen. Die „kalte Progression“ träge will sie erhöhen, die befristete Vermögensabgabe ist<br />
<strong>so</strong>ll abgemildert, das Ehegattensplitting<br />
Erbschaftssteuer <strong>so</strong>ll „aufkom-<br />
geplant. Kapitalerträge <strong>so</strong>llen wie<br />
beibehalten werden. mensneutral“ weiterentwickelt und alle anderen Einkommen besteuert<br />
Betriebsübergänge <strong>so</strong>llen steuerlich vereinfacht, das Ehegattensplitting werden. Die Grünen wollen<br />
nicht zu hoch belastet werden. Das beibehalten werden. Die FDP öffentliche Institutionen stärken<br />
Programm sieht eine dritte Föderalismuskommission<br />
vor, um über<br />
den Länderfinanzausgleich zu beraten.<br />
plant, das BAföG zu „entbürokratisieren“<br />
und elternunabhängig zu<br />
gestalten. „Nachlaufende“ Studi-<br />
<strong>so</strong>wie Kitas und Ganztagsschulen<br />
ausbauen. Ein Studierendenzuschuss<br />
<strong>so</strong>ll für alle eingeführt,<br />
Die Union will die „Bildungsengebühren<br />
<strong>so</strong>llen eingesetzt Studiengebühren abgeschafft<br />
republik <strong>Deutschland</strong>“ fortset- werden.<br />
werden.
LEUCHTTURM<br />
Hässliche Flecken<br />
Der unbefristete Arbeitsvertrag ist längst Geschichte. Leiharbeit und Werkverträge senken die Kosten<br />
der Unternehmen um Milliarden. Und die Politik macht mit<br />
Maria Kniesburges<br />
ver.di-publik<br />
Arbeitgeberpräsident<br />
Dieter<br />
Hundt will sie partout nicht<br />
sehen. Aber es gibt sie, die<br />
großen hässlichen Flecken auf<br />
dem bundesdeutschen Arbeitsmarkt.<br />
Wo dank Lohndumpings<br />
der Niedriglohn grassiert, wo<br />
Minijobs und Teilzeitarbeit<br />
schon die Regel sind, wo der<br />
unbefristete Arbeitsvertrag längst<br />
Geschichte ist. Und wo Leiharbeit<br />
und Scheinwerkvertrag auf<br />
das einträglichste die Per<strong>so</strong>nalkosten<br />
der Unternehmen senken.<br />
1,5 Milliarden Euro pro Jahr<br />
zahlt der Staat an Hilfen für<br />
Beschäftigte allein im Einzelhandel,<br />
deren Lohn zum Leben<br />
nicht reicht. Das hat die<br />
Bundesregierung Ende Mai auf<br />
eine Anfrage der Partei Die<br />
Linke im Bundestag mitgeteilt.<br />
1,5 Milliarden aus Steuergeldern,<br />
quasi als regelmäßig<br />
sprudelnde Subvention für die<br />
notleidenden Handels-Imperien.<br />
Nur ein Beispiel aus der Realität<br />
am bundesdeutschen Arbeitsmarkt.<br />
Für Arbeitgeberpräsident<br />
Hundt alles blanker Unsinn. „In<br />
zahlreichen Kommentaren der<br />
Medien und Gewerkschaft<strong>so</strong>rgane“,<br />
schreibt er, werde „das<br />
Zerrbild einer von Zukunfts<strong>so</strong>rgen<br />
und schlechten Arbeitsbedingungen<br />
geprägten Gesellschaft<br />
gezeichnet.“ Dem hat die<br />
Bundesvereinigung der Deutschen<br />
Arbeitgeberverbände nun<br />
eine Art Basta-Broschüre entgegengesetzt.<br />
Titel: „Die Realität<br />
am deutschen Arbeitsmarkt -<br />
Fakten statt Zerrbilder“. Teilzeitarbeit,<br />
heißt es da, „ist fast<br />
immer aus privaten Gründen<br />
gewollt“. Leiharbeit wird als<br />
„vollwertiges Arbeitsverhältnis“<br />
hochgejubelt, das - versteht sich -<br />
„Beschäftigung schafft“. Und -<br />
Jugend aufgepasst - „Befristungen<br />
erleichtern den Einstieg ins<br />
Berufsleben und münden überwiegend<br />
in unbefristete Beschäftigungsverhältnisse“.<br />
Schleichweg Werkvertrag<br />
Der Scheinwerkvertrag taucht<br />
in dieser schönen heilen<br />
Arbeitswelt, die uns die Bundesvereinigung<br />
der Deutschen Arbeitgeberverbände<br />
da präsentiert,<br />
STEUERPOLITIK<br />
Jetzt läuten die Alarmglocken<br />
Arbeitgeber und ihre Denkfabriken reden die <strong>so</strong>ziale Lage schön<br />
<strong>Weiter</strong> <strong>so</strong> – <strong>Deutschland</strong>?<br />
22<br />
gar nicht erst auf. Obwohl der<br />
Werkvertrag von einer findigen<br />
Unternehmerschaft längst als der<br />
geeignete Schleichweg entdeckt<br />
wurde, auf dem <strong>so</strong>gar noch die<br />
Bedingungen in der Leiharbeit<br />
unterlaufen werden können.<br />
Entdeckt just zu dem Zeitpunkt,<br />
als die Gewerkschaften bessere<br />
Regelungen und Bezahlung für<br />
die Leiharbeit durchsetzen konnten.<br />
Seither beauftragen etwa<br />
Handelsketten, aber längst nicht<br />
nur die, Fremdfirmen mit einem<br />
„Werk“ wie „Regale einräumen“,<br />
und vollbracht wird das „Werk“<br />
von deren Per<strong>so</strong>nal zum<br />
Billiglohn - außerhalb jeder<br />
Tarifgeltung. Realität am bundesdeutschen<br />
Arbeitsmarkt.<br />
Die SPD, Die Linke und die<br />
Grünen haben Gesetzesentwürfe<br />
gegen den Missbrauch von<br />
Werkverträgen vorgelegt. Doch<br />
Schwarz-Gelb hat sie Mitte Juni<br />
im Ausschuss für Arbeit und<br />
Soziales allesamt abgelehnt.<br />
Sozusagen erwartungsgemäß. Es<br />
steht ja nicht weniger als die<br />
unternehmerische Freiheit auf<br />
dem Spiel.<br />
Dierk Hirschel<br />
leitet bei ver.di<br />
den Bereich<br />
Wirtschaftspolitik<br />
Die <strong>so</strong>ziale Frage beherrscht<br />
den Bundestagswahlkampf.<br />
Arbeitende Arme, klamme Familien<br />
und Altersarmut zwingen<br />
die Politik zum Handeln. Selbst<br />
Angela Merkel kündigt inzwischen<br />
milliardenschwere Wohltaten<br />
an. Mehr Sozialstaat gibt es<br />
aber nicht um<strong>so</strong>nst. Und<br />
deswegen droht der bisherigen<br />
Reichenpflege das Aus. Der<br />
Wahltag könnte für Spitzenverdiener,<br />
Vermögende und Erben<br />
zum Zahltag werden. SPD,<br />
Grüne und Linke wollen große<br />
Einkommen und Vermögen<br />
stärker besteuern, um mehr Geld<br />
für Bildung, Infrastruktur und<br />
Soziales zu haben. Nach<br />
aktuellen Umfragen hält die<br />
Mehrheit der Deutschen das für<br />
richtig.<br />
In den Arbeitgeberverbänden<br />
und neoliberalen Denkfabriken<br />
läuten die Alarmglocken. Jetzt<br />
versuchen sie, die Deutungshoheit<br />
zurückzugewinnen. Die<br />
vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall<br />
finanzierte „Initiative<br />
Neue Soziale Marktwirtschaft“<br />
(INSM) startete eine große<br />
Medienkampagne. Unter dem<br />
Motto „Ist das gerecht?“ wird der<br />
Gerechtigkeitsbegriff neoliberal<br />
umgedeutet: Umverteilung ist<br />
nicht nötig. Gerecht ist, wenn<br />
alle gleiche Chancen haben,<br />
heißt es da. Unterstützung<br />
kommt vom ebenfalls arbeitgeberfinanzierten<br />
Institut der<br />
Deutschen Wirtschaft (IW). Die<br />
Kölner Ideologiefabrik veröf-
23 <strong>Weiter</strong> <strong>so</strong> – <strong>Deutschland</strong>?<br />
LEUCHTTURM<br />
fentlichte eine Gerechtigkeitsstudie<br />
mit dem überraschenden<br />
Ergebnis: <strong>Deutschland</strong> wird<br />
immer gerechter.<br />
Vor diesem Hintergrund<br />
brandmarken der Bundesverband<br />
der Deutschen Industrie,<br />
die Bundesvereinigung der Deutschen<br />
Arbeitgeberverbände, der<br />
Deutsche Industrie- und Handelskammertag<br />
& Co Reichensteuern<br />
als <strong>so</strong>zial ungerecht und<br />
ökonomisch schädlich. Die oppositionellen<br />
Steuerpläne<br />
schröpfen angeblich die Mittelschicht,<br />
vertreiben die Leistungsträger<br />
und vernichten Arbeitsplätze.<br />
Und das alles nur, damit<br />
der teure Schwächling Staat noch<br />
mehr Geld verschwendet.<br />
Der langfristige Trend zu<br />
mehr Ungleichheit bleibt aber<br />
ungebrochen<br />
Inhaltlich laufen die Angriffe<br />
ins Leere. Zwar ist die Kluft<br />
zwischen Arm und Reich in den<br />
letzten Jahren wegen des<br />
Aufschwungs und guter Tarifabschlüsse<br />
nicht mehr größer<br />
geworden. Der langfristige Trend<br />
zu mehr Ungleichheit bleibt<br />
aber ungebrochen. Während der<br />
Niedriglohnsektor weiter wächst,<br />
kletterten die Geldvermögen auf<br />
ein neues Rekordniveau. Zudem<br />
funktioniert der <strong>so</strong>ziale Ausgleich<br />
über Steuern und Transfers<br />
immer schlechter. Folglich<br />
sinken die Aufstiegschancen und<br />
die Abstiegsrisiken nehmen zu.<br />
Eine Politik, die allein auf<br />
Chancengerechtigkeit setzt, löst<br />
aber das Problem nicht. Der<br />
Gleichheit beim Start entzieht<br />
die wachsende Ungleichheit den<br />
Boden. Aus diesem Grund führt<br />
kein Weg an mehr Verteilungsund<br />
Steuergerechtigkeit vorbei.<br />
Reichensteuern sind gerechte<br />
Steuern. Sie belasten weder<br />
Facharbeiter/innen noch das<br />
kleine Sparbuch oder Omas<br />
Häuschen. Wenn etwa die<br />
grünen Steuerpläne Wirklichkeit<br />
werden, dann wird es für Singles<br />
mit über 70.000 Euro brutto<br />
teurer. Nach dem SPD-Steuerkonzept<br />
werden nur diejenigen<br />
weniger im Geldbeutel haben,<br />
die mehr als 78.000 Euro<br />
verdienen. Der höhere Spitzensteuersatz<br />
trifft <strong>so</strong>mit weniger als<br />
fünf Prozent der Einkommenssteuerpflichtigen.<br />
Ein ähnliches<br />
Bild ergibt sich bei der<br />
Vermögensbesteuerung. Die Oppositionsparteien<br />
wollen Vermögen<br />
oberhalb eines millionenschweren<br />
Freibetrags mit einem<br />
Prozent besteuern. Grüne und<br />
Linke planen darüber hinaus<br />
eine einmalige Vermögensabgabe.<br />
Die geplante Vermögensbesteuerung<br />
träfe weniger als ein<br />
Prozent der Bevölkerung. Gleiches<br />
gilt für höhere Steuern auf<br />
Kapitalerträge und Erbschaften.<br />
Die rot-rot-grünen Steuerpläne<br />
sind alles andere als ein<br />
Verarmungsprogramm für den<br />
Mittelstand. Als Reaktion auf<br />
eine ähnliche Angstkampagne<br />
im Bundestagswahlkampf 1972<br />
titelte Klaus Staeck, seinerzeit<br />
Politkünstler: „Deutsche Arbeiter!<br />
Die SPD will euch eure<br />
Villen im Tessin wegnehmen!“<br />
Auch von einer Reichenjagd<br />
kann keine Rede sein. Im letzten<br />
Jahrzehnt wurden Topverdiener,<br />
Unternehmer, Vermögende und<br />
reiche Erben entlastet. Multimillionäre<br />
haben heute erheblich<br />
mehr Netto vom Brutto. Sie<br />
führen weniger als 30 Prozent<br />
ihres Bruttoeinkommens an den<br />
Fiskus ab. Vor der Jahrtausendwende<br />
war es noch fast die<br />
Hälfte. Die tatsächliche Steuerbelastung<br />
von Unternehmer- und<br />
Kapitaleinkommen liegt aktuell<br />
bei 20 Prozent. Reichensteuern<br />
gefährden weder Wachstum noch<br />
Jobs. Hohe Freibeträge auf<br />
Betriebsvermögen schonen den<br />
Großteil der Unternehmen.<br />
Doch selbst in den besteuerten<br />
Betrieben droht kein Per<strong>so</strong>nalabbau.<br />
Geringere Nettogewinne<br />
drosseln keine Investitionen.<br />
Letztere sind stark abhängig vom<br />
erwarteten Absatz und dem<br />
technischen Fortschritt. So wird<br />
trotz der Steuergeschenke der<br />
Schröder- und Merkel-Regierung<br />
heute weniger investiert als in<br />
den 70er Jahren.<br />
Die Arbeitgeberverbände und<br />
ihre Denkfabriken kämpfen mit<br />
allen Mittel gegen eine umverteilende<br />
Politik. Dafür stellen sie<br />
die Lebenswirklichkeit auf den<br />
Kopf. ver.di wird gemeinsam mit<br />
seinen Bündnispartnern dazu<br />
Gift-Mais aus Brake <strong>so</strong>ll in die USA<br />
„Brake/Bremen/DPA – Der seit<br />
Monaten im Hafen Brake<br />
gelagerte mit dem Schimmelgift<br />
Aflatoxin B 1 verseuchte Mais<br />
aus Serbien <strong>so</strong>ll in die USA<br />
exportiert werden..... Die zuständige<br />
US-Stelle hat bereits<br />
zugestimmt, weil es dort höhere<br />
Grenzwerte gibt. <strong>Weiter</strong>er Giftmais,<br />
der bislang in Bremen<br />
gelagert wird, hat bereits vom<br />
Laves eine Ausfuhrgenehmigung<br />
bekommen. „Wir bedauern diesen<br />
Schritt außerordentlich“,<br />
teilte Niedersachsens Landwirtschaftsminister<br />
Christian Meyer<br />
(Grüne) mit. Er trat dafür ein,<br />
den Mais zu vernichten. Für eine<br />
Ablehnung der Ausfuhr habe es<br />
aber „keinen rechtlichen Ermessensspielraum“<br />
gegeben. Laut<br />
Landwirtschaftsministerium<br />
zeigt Aflatoxin B 1 eine starke<br />
krebserzeugende Wirkung. Meyer<br />
hält den Export daher für<br />
unverantwortlich.“ (NWZ,<br />
11.07.2013)<br />
Nach der NSA-Affäre ist wohl<br />
klar: Genau <strong>so</strong> wenig, wie sich die<br />
USA die Ausspähung ihrer<br />
„Freunde“ nehmen lassen, werden<br />
sie bei dem angestrebten Freihandelabkommen<br />
durchsetzen, dass geklontes,<br />
hormonell behandeltes und/oder<br />
genetisch verändertes, mit Schimmelgift<br />
verseuchtem Mais aufgepäppeltes<br />
Fleisch auf deutschen Tellern<br />
landet.<br />
Frage: Fällt das dann bei unserer<br />
Bundeskanzlerin auch wieder unter<br />
„Neuland“???
LEUCHTTURM<br />
INTERVIEW<br />
„Gerecht geht!“<br />
<strong>Weiter</strong> <strong>so</strong> – <strong>Deutschland</strong>?<br />
24<br />
Detlef Ahting, ver.di-Landesleiter in Niedersachen/Bremen über die ver.di-Forderungen zur Bundestagswahl<br />
Agenda 2010 und Hartz-Gesetze haben auch in Niedersachsen zu gravierenden Einschnitten in der <strong>so</strong>zialen Sicherung<br />
geführt: Prekäre Beschäftigung, ein durchlöcherter Kündigungsschutz und ein Niedriglohnsektor sind entstanden.<br />
„Gerecht geht anders!“, sagt ver.di-Landesleiter Detlef Ahting und formuliert zentrale gewerkschaftliche Forderungen an<br />
die Parteien im Bundestagswahlkampf.<br />
ver.di PUBLIK | Erleben wir<br />
gerade eine Entwürdigung der<br />
Menschen?<br />
Detlef Ahting | Ja, der<br />
Arbeitsmarkt ist <strong>so</strong> tief gespalten<br />
wie noch nie, und die<br />
Arbeitsarmut nimmt stark zu.<br />
Immer mehr Menschen arbeiten<br />
zu immer schlechteren Löhnen<br />
und unter immer schlechteren<br />
Bedingungen. Seit 2005 hat die<br />
Allgemeinheit mehr als 50<br />
Milliarden Euro aufgewendet,<br />
um Hungerlöhne aufzustocken.<br />
Allein in Niedersachsen zahlen<br />
wir jährlich eine Milliarde Euro<br />
an Aufstocker-Leistungen. Das<br />
ist genau die Summe, die die<br />
neue Landesregierung braucht,<br />
um ihr Koalitionsprogramm für<br />
mehr Bildung, neue Kitas,<br />
bessere Gesundheitsleistungen<br />
und die Energiewende umzusetzen.<br />
ver.di PUBLIK | Was müssen die<br />
Parteien beim Thema Arbeit ändern?<br />
Ahting | Wir brauchen eine<br />
Neuordnung auf dem Arbeitsmarkt,<br />
al<strong>so</strong> einen allgemeinen<br />
gesetzlichen Mindestlohn von<br />
mindestens 8,50 Euro, der zügig<br />
auf zehn Euro ansteigen muss.<br />
Leiharbeiter erhalten 40 Prozent<br />
weniger Lohn und haben selten<br />
die gleichen Sozialleistungen.<br />
Deshalb fordern wir: Gleicher<br />
Lohn für gleiche Arbeit am<br />
gleichen Ort! Und Leiharbeit<br />
nur, wenn Betriebs- und<br />
Per<strong>so</strong>nalräte wirksam mitbestimmen<br />
können. Auch Minijobber<br />
müssen <strong>so</strong>fort <strong>so</strong>zialversichert<br />
sein, Lohnfortzahlung im<br />
Krankheitsfall <strong>so</strong>wie Urlaubsgeld<br />
erhalten. Nur gute Arbeit und<br />
sichere Renten schaffen ein<br />
<strong>so</strong>ziales Europa. Der Widerstand<br />
unserer europäischen Kollegen<br />
verdient unsere Solidarität:<br />
Denn wenn die Arbeitskosten in<br />
Spanien oder Griechenland<br />
sinken, dann ist es nur noch eine<br />
Frage der Zeit, bis der<br />
Lohndruck auch hier bei uns<br />
steigt.<br />
ver.di PUBLIK | Bis zur Rente<br />
arbeiten die Deutschen in Europa<br />
am längsten.<br />
Ahting | Und die Jugend<br />
bekommt keine faire Chance auf<br />
eine gute Arbeit, das gehört<br />
zusammen. Die Rente mit 67 ist<br />
ein Programm zur Rentenkürzung.<br />
Darum muss sie weg. Und<br />
wir müssen Erwerbsarmut bekämpfen,<br />
damit wir Altersarmut<br />
eindämmen. Dazu gehört auch<br />
Busse zur Demo am 7. September 2013 in Hannover<br />
Oldenburg-Wilhelmshaven und Ostfriesland-Nördliches Emsland (Auswahl)<br />
Wilhelmshaven, ZOB - 7:00 Uhr<br />
Sande, Twister - 7:15 Uhr<br />
Varel, Alte AOK - 7:30 Uhr<br />
Wittmund, Markt - 7:00 Uhr<br />
Jever, OBI - 7:15 Uhr<br />
Schortens, Gewerbegebiet (Ruma) - 7:25 Uhr<br />
Oldenburg, Weser-Ems-Halle - 7:30 Uhr<br />
Emden, Parkplatz Nordseewerke - 6:15 Uhr<br />
Norden, Marktplatz - 5:45 Uhr<br />
Marienhafe, Alte Molkerei - 6:00 Uhr<br />
Georgsheil, ZOB - 6:15 Uhr<br />
Infos und Kontakt:<br />
http://oldenburg-wilhelmshaven.dgb.de/-/jvi<br />
http://ostfriesland-noerdliches-emsland.dgb.de/-/jhY<br />
ein Sofortprogramm gegen Jugendarbeitslosigkeit<br />
- europaweit.<br />
Mit hunderten von<br />
Milliarden an Steuergeldern und<br />
Bürgschaften wurden die Banken<br />
gerettet, den erwerbslosen Bürgerinnen<br />
und Bürgern hilft<br />
neoliberale Logik nichts - im<br />
Gegenteil. Daher brauchen wir<br />
einen Kurswechsel - für ein<br />
demokratisches und <strong>so</strong>ziales<br />
<strong>Deutschland</strong> und Europa!<br />
ver.di PUBLIK | Und wie <strong>so</strong>ll das<br />
Ganze finanziert werden?<br />
Ahting | Wir wollen den großen<br />
Reichtum stärker besteuern und<br />
fordern eine Millionärsabgabe,<br />
die locker aus dem Vermögen<br />
bezahlt werden kann. Denn der<br />
Fall des FC-Bayern-Managers<br />
Ulli Hoeneß ist ja nur die Spitze<br />
des Eisbergs von insgesamt<br />
130.000 Reichen, die ihr<br />
Vermögen am Fiskus vorbei ins<br />
Ausland geschafft haben. Geld<br />
ist genug da. Es ist nur ungerecht<br />
verteilt. Wir müssen hart gegen<br />
Steuerflucht und Steuerhinterziehung<br />
vorgehen und wollen<br />
die Vermögenssteuer und Vermögensabgabe.<br />
Das sind die<br />
zentralen ver.di-Forderungen an<br />
die Parteien im Bundestagswahlkampf.<br />
Aurich, ZOB - 5:45 Uhr<br />
Hesel, Autobahn Parkplatz - 6:15 Uhr<br />
Leer, DGB Haus - 6:30 Uhr<br />
Leer, Emspark - 6:45 Uhr
25 <strong>Weiter</strong> <strong>so</strong> – <strong>Deutschland</strong>?<br />
LEUCHTTURM<br />
„Bildungsgerechtigkeit - <strong>Deutschland</strong> im<br />
Vergleich“<br />
Gedanken zum Thema. Veranstaltung vom 18.04.2013 im Forum der Ostfriesischen Landschaft<br />
Referenten: H. von Meyer (Leiter der OECD Berlin Centre und H. Funke vom Netzwerk „Allen Kindern<br />
Zukunft geben“)<br />
Zusammenfassend<br />
kommen<br />
beide Referenten zu dem<br />
Fazit, dass die Bildungsgerechtigkeit<br />
in <strong>Deutschland</strong> ein<br />
<strong>so</strong>zialer Skandal ist, weil der<br />
Teufelskreis aus <strong>so</strong>zialer Benachteiligung<br />
und mangelnden Bildungschancen<br />
<strong>so</strong> nicht durchbrochen<br />
werden kann.<br />
„Ach ja!“, könnte man<br />
meinen. Nichts wird unter den<br />
Experten der Bildung offenbar<br />
intensiver diskutiert wie diese<br />
Ungleichbehandlung unserer<br />
Kinder. Nur - mit welchem<br />
Ergebnis? Die einen setzen<br />
unverfroren auf die Dreigliedrigkeit<br />
unseres Schulsystems, das<br />
ihren Vorstellungen gemäß<br />
idealiter den unterschiedlichen<br />
Begabungen entspricht, die<br />
nächsten wollen die Integration,<br />
wieder andere eine Förderung<br />
der Familien. So weit, <strong>so</strong> - gut?<br />
Nun, überall lesen wir,<br />
<strong>Deutschland</strong> zahle zu wenig für<br />
die Bildung, und das bezieht<br />
sich, wenn auch unterschiedlich,<br />
auf alle Bildungsstufen. Aber<br />
reicht ein Mehr an Bildungsausgaben<br />
in einem System, das - im<br />
Vergleich zu wirklichen europäischen<br />
Konkurrenten - hoffnungslos<br />
veraltet ist, weil es<br />
tradierte Verhältnisse weiter und<br />
weiter verfestigt? Wann hat<br />
Bildungspolitik endlich den<br />
Mut, diesem „Muff’ entgegen zu<br />
treten, z. B. durch eine intensive<br />
Frühförderung mit einhergehenden<br />
Forderungen? Und - reicht<br />
es, eine Veränderung im Sinne<br />
der derzeit häufig gebrauchten<br />
Begrifflichkeit „lnklusion“ herbeizuführen?<br />
Schauen wir uns<br />
eine der Absichten dieses<br />
Verfahrens an! So <strong>so</strong>ll den Eltern<br />
- und das ist gut <strong>so</strong>! - das Recht<br />
eingeräumt werden, ihre Kinder<br />
in ein System ihrer Wahl<br />
einzuschulen. Möglicherweise<br />
vorhandene Schwächen <strong>so</strong>llen<br />
dann per Inklusion aufgearbeitet<br />
werden. Ein hehres Ziel.<br />
Schauen wir uns das bitte<br />
genau an! Nach den bisher<br />
bekannten Vorstellungen <strong>so</strong>llen<br />
diese SchülerInnen durch eine<br />
<strong>so</strong>nderpäd. Fachkraft mit 2<br />
Stunden in der Woche gefördert<br />
werden, um nicht frühzeitig<br />
selektiert zu werden. 2 Stunden -<br />
Donnerwetter!<br />
Für mich beinhaltet Bildungsgerechtigkeit<br />
allerdings ganz<br />
erheblich mehr, z. B. durch eine<br />
Intensivierung flächendeckender<br />
fachkompetenter Frühförderung,<br />
z. B. durch eine Differenzierung<br />
ohne schon früh beginnende<br />
Festlegung auf einen Abschluss,<br />
z. B. durch konsequente Hilfestellung<br />
<strong>so</strong>zial benachteiligter<br />
Familien durch zu vernetzende<br />
Organisationen mit entsprechenden<br />
Strategien (z. B.<br />
Der neue Ständestaat<br />
„<strong>Deutschland</strong> nähert sich<br />
einer Drei-Klassen-Gesellschaft:<br />
An der Spitze stehen<br />
Manager mit Millionengehältern,<br />
Freiberufler mit gut<br />
gehenden Kanzleien oder<br />
Büros, erfolgreiche Selbständige.<br />
Es folgt die Masse<br />
gutausgebildeter Angestellter<br />
und Facharbeiter mit<br />
hohen oder durchschnittlichen<br />
Löhnen. Das untere<br />
Drittel der Geringqualifizierten<br />
und Ausgesteuerten<br />
Stadtteilarbeit, deren Erfolge in<br />
Osnabrück Herr Funke anschaulich<br />
erläuterte, Einbeziehung<br />
kommunaler Stellen etc.). Ganz<br />
bestimmt ließe sich hier noch<br />
eine Menge an fundierten<br />
Vorschlägen finden.<br />
Warum nur hören wir dazu<br />
nahezu nichts von den politisch<br />
Verantwortlichen gleich welcher<br />
Parteienzugehörigkeit. Ich höre<br />
nur immer wieder dieses<br />
Kostenargument - und nicht nur<br />
eigentlich kann ich es nicht<br />
mehr hören. Wenn es denn ernst<br />
gemeint ist, dass Kinder unsere<br />
Zukunft sind, dann ist genau<br />
dieses Argument nichtig. Ja sage<br />
ich zu intensiv zu steigernden<br />
Bildungsausgaben, aber bitte in<br />
einem Umfeld, das dieses<br />
Ausgaben-Mehr auch zielführend<br />
verwenden kann, Mit dem<br />
tradierten Bildungssystem geht<br />
das m. E. nicht, und das schließt<br />
Retuschen daran - s. Oberschule<br />
mit ein.<br />
Der Ostfriesischen Landschaft<br />
und der Arbeitsstelle für<br />
Religionspädagogik Ostfriesland<br />
sei Dank ausgesprochen für die<br />
Veranstaltung mit den oben<br />
genannten Referenten, aber wo<br />
bleibt die Re<strong>so</strong>nanz bei den<br />
BildungspolitikerInnen und welche<br />
Konsequenzen werden daraus<br />
gezogen? Oder ist es<br />
einfacher zu fragen, welche<br />
werden nicht daraus gezogen?<br />
aber hat kaum Aussicht auf<br />
Aufstieg.“<br />
Überschrift und Text aus<br />
SPIEGEL 12.08.2013, Serie<br />
zur Bundestagswahl, Teil 2:<br />
Soziale Gerechtigkeit<br />
Catharina<br />
Hinrichs-Blessmann
LEUCHTTURM<br />
MV des KV Wittmund am 16.04.2013<br />
Rolf Meyer und<br />
Klaus-Jürgen<br />
Richter<br />
Nach einem zügigen Abarbeiten<br />
der Tage<strong>so</strong>rdnung und<br />
der fälligen Wahlen, die den<br />
Kreisvorstand im Wesentlichen<br />
in den Ämtern bestätigte (siehe<br />
www.gew-wittmund.de), warf<br />
Stefan Störmer, Vorsitzender des<br />
Bezirks Weser-Ems der GEW aus<br />
Leer, einen präzisen und<br />
nüchternen Blick auf die<br />
bildungspolitische Situation in<br />
Niedersachsen nach der Wahl. Er<br />
bezeichnet es als für die GEW<br />
problematisch, die ihr politisch<br />
nahestehende Koalition aus SPD<br />
und Grünen zu kritisieren. Die<br />
Zusammenarbeit sei sehr positiv.<br />
Eine Reihe von GEW-Forderungen,<br />
deren Erfüllung nahezu<br />
kostenneutral möglich ist wie die<br />
Einführung von vierzügigen, im<br />
Ausnahmefall <strong>so</strong>gar dreizügigen<br />
Gesamtschulen und die Rückkehr<br />
zum G9 werden umgesetzt.<br />
Inzwischen würden <strong>so</strong>gar die<br />
Philologen das G9 favorisieren,<br />
weil Eltern mehrheitlich Schultypen<br />
mit G9 bevorzugen.<br />
Stefan führt aus, dass die<br />
Koalition regionale Schulentwicklungspläne<br />
anstrebt um<br />
„Schule im ländlichen Raum neu<br />
zu denken“. Kostenintensivere<br />
Ziele der Landesregierung sind<br />
- eine Ganztagsschule mit qualifiziertem<br />
Per<strong>so</strong>nal<br />
- eine flächendeckende Schul<strong>so</strong>zialarbeit<br />
- das Absenken der Klassenfrequenzen<br />
- die Abschaffung des Sitzenbleibens<br />
bei optimaler Förderung.<br />
Die Umsetzung aller Reformen<br />
wird von ihrer Finanzierbarkeit<br />
abhängen. Diese wird<br />
erschwert durch die von der<br />
letzten Landesregierung verursachten<br />
Altlasten wie die<br />
Nachzahlungen in die Rentenversicherung<br />
der Honorarkräfte<br />
(ca. 20 Mill.€), die vom<br />
Bundesarbeitsgericht mit Urteil<br />
vom 12.03.13 verfügte Übernahme<br />
der Schulbuchkosten für<br />
Lehrkräfte durch das Land<br />
Niedersachsen, die Abschaffung<br />
der Studiengebühren (120 Mill.)<br />
<strong>so</strong>wie die Tariferhöhung, die<br />
höher als geplant ausgefallen<br />
Stefan Störmer (2. von links) ehrte Jürgen Kramm (40 Jahre Mitglied)(links) und Marga<br />
Kleihauer, Christian Hallensleben, Christel Hallensleben, Wilfried Hess, Sieglinde Janssen (alle<br />
30 Jahre Mitglied)<br />
26<br />
war. In allen Fällen habe die<br />
vorherige schwarz-gelbe Landesregierung<br />
es versäumt, Vor<strong>so</strong>rge<br />
zu treffen und kostenträchtige<br />
Baustellen hinterlassen. Abzuwarten<br />
ist laut Stefan die nächste<br />
Steuerschätzung im Mai. Ihr<br />
wird im Juni eine Haushaltsklausur<br />
folgen, wobei heute schon<br />
abzusehen ist, dass etliche<br />
Projekte nicht zu realisieren sein<br />
werden. So sei es denkbar, dass<br />
die Ganztagsschule nicht flächendeckend<br />
eingeführt werden<br />
kann, oder dass nicht alle frei<br />
werdenden Stellen besetzt werden<br />
können. Auch die anstehende<br />
Inklusion sei nicht ausreichend<br />
durchgeplant und die<br />
Bedingungen und die Kosten<br />
nach wie vor unklar. Laut Stefan<br />
besteht eine Hoffnung in einem<br />
Regierungswechsel auf Bundesebene<br />
verbunden mit einer von<br />
SPD und Grünen angestrebten<br />
Vermögenssteuer, von der auch<br />
die Länder profitieren müssten.<br />
Laut Udo Köneke erscheint die<br />
neue Landesregierung ratlos wie<br />
die alte. Die GEW <strong>so</strong>llte es nicht<br />
sein und z.B. Kernforderungen<br />
zur Inklusion formulieren.<br />
Hauptaspekt: Was wird die<br />
rot-grüne Koalition von ihren<br />
begrüßenswerten Zielvorstellungen<br />
im Bildungsbereich umsetzen<br />
können, nachdem sich über<br />
Jahre nicht nur zäher Mehltau<br />
über Schul- und Hochschulpolitik<br />
gelegt hat, <strong>so</strong>ndern auch<br />
kostenträchtige Verpflichtungen<br />
in die Zukunft verlagert wurden.<br />
Eine bessere Ausstattung des<br />
Landeshaushalts durch den<br />
Bund sei unverzichtbar, um die<br />
selbst gesetzten Ziele erreichen<br />
zu können. Hier müsse die GEW<br />
aufmerksam die Entwicklung in<br />
den nächsten Jahren verfolgen.<br />
Zur diesjährigen Mitgliederversammlung<br />
hatte der Kreisvorstand<br />
ferner Mitglieder mit<br />
„runden“ Jubiläen als Gewerkschaftsmitglied<br />
eingeladen und<br />
für eine Ehrung und ein Präsent<br />
ge<strong>so</strong>rgt. Jürgen Kramm nahm<br />
den Bezirksvorsitzenden in die
27 LEUCHTTURM<br />
Pflicht, die Ehrungen vorzunehmen.<br />
Wilhelm Engelken (2. v. l.) und Elsbeth Degner (r.) wurden für eine 50jährige<br />
Mitgliedschaft geehrt<br />
Einen runden Abschluss der<br />
Versammlung lieferte GEW-<br />
Mitglied Wilhelm Engelken,<br />
indem er zwei seiner plattdeutschen<br />
Schulgeschichten – natürlich<br />
auch „op platt“ – vortrug.<br />
Gespannte Aufmerksamkeit<br />
herrschte im Versammlungsraum<br />
…<br />
… bis die Schlusspointe in<br />
ein freundliches Schmunzeln<br />
überleitete.<br />
Neuer Vorstand im GEW KV Aurich<br />
Auf der Jahreshauptversammlung<br />
im April 2013 gab<br />
Laura Pooth, stellvertretende<br />
Landesvorsitzende, eine erste<br />
grobe Einschätzung zur Bildungspolitik<br />
der neuen Landesregierung:<br />
„Alles was zusätzliche<br />
Finanzmittel benötigt, wird erst<br />
einmal nicht angepackt.“<br />
Dabei drängten die Gewerkschaften<br />
darauf, dass die Landesregierung<br />
über ihre bundespolitischen<br />
Einflussmöglichkeiten<br />
versuche, in der Wirtschafts- und<br />
Steuerpolitik umzusteuern; insbe<strong>so</strong>ndere<br />
die <strong>so</strong>g. „Schuldenbremse“<br />
müsse bekämpft werden<br />
und die Besteuerung großer<br />
Vermögen wieder eingeführt<br />
werden.<br />
Aktuell habe die neue<br />
Landesregierung ein paar positive<br />
bildungspolitische Weichenstellungen<br />
vorgenommen, <strong>so</strong> z.<br />
B. die Abschaffung des Turbo-<br />
Abis an IGSn, die Ermöglichung<br />
der Neugründung auch von<br />
4zügigen IGSn, ...<br />
Laura Pooth betonte, dass<br />
jetzt und in den nächsten Jahren<br />
alle freiwerdenden Stellen wieder<br />
besetzt werden müssten; wenn<br />
diese per<strong>so</strong>nelle Mindestforderung<br />
nicht erfüllt werde, werde<br />
die GEW massiv dagegen<br />
mobilisieren. Darüber hinaus<br />
seien die wichtigsten Themen,<br />
die die GEW als von der neuen<br />
Regierung zu bearbeitende erwarte:<br />
- Inklusive Schule (inhaltliche<br />
und per<strong>so</strong>nelle Fragen),<br />
- Abschaffung der Studienge-<br />
Laura Pooth
LEUCHTTURM<br />
28<br />
Im Herbst 2012 startete der Kreisvorstand Aurich die Mitgliederwerbeaktion<br />
“Wir werden 600!”. Diese Zahl konnte im Februar 2013 erreicht werden!!<br />
Das neue Mitglied Marion Geiken und der werbende Björn Dumkow erhielten<br />
die ausgelobten Preise.<br />
bühren,<br />
- Reform der LE-Ausbildung,<br />
- Reduzierung der Klassengrößen,<br />
- Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung<br />
der LE (in<br />
einem ersten Schritt = 25,5<br />
für GHS),<br />
- Fort- und <strong>Weiter</strong>bildung, ...<br />
(Laura Pooth konnte im April ja<br />
nicht ahnen, dass demgegenüber<br />
nun eine Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung<br />
für die gymnasialen<br />
Lehrkräfte und eine Abschaffung<br />
der Altersermäßigung durch ROT-<br />
GRÜN auf die Tage<strong>so</strong>rdnung<br />
gesetzt werden.)<br />
Die Diskussion bezog sich<br />
insbe<strong>so</strong>ndere auf folgende Themen:<br />
· Ganztagsschulausstattung und<br />
–struktur<br />
· Abschaffung der Noten zunächst<br />
in der GS<br />
· IGS-Entwicklung in Niedersachsen<br />
· Rückgang der Zahl der<br />
SchülerInnen; wie klein dürfen<br />
Schulen sein, damit noch<br />
ein umfassendes Bildungsangebot<br />
möglich wird?<br />
Auch für die nächsten 2 Jahre<br />
wählte die Jahreshauptversammlung<br />
wieder ein Vorstands-Team,<br />
das seine Aufgaben gemeinsam<br />
und arbeitsteilig bewältigt:<br />
Hans-Gerd de Beer, Nicole<br />
Bones, Melanie Diehl, Ralf<br />
Dittmer, Karl Hoops, Franz<br />
Kampers, Helmut Roscher, Christian<br />
Philipp Storm, Dorothea<br />
Teckemeyer, Annette Weßling-<br />
Brandt.<br />
Oben v.l.: Franz Kampers, Dorothea Teckemeyer, Melanie Diehl, Nicole Bones, Annette Weßling-Brandt,<br />
Hans Hermann Harms<br />
Unten v.l.: Karl Hoops, Christian Philipp Storm, Helmut Roscher, Hans-Gerd de Beer, Ralf Dittmer<br />
Die Übertragung des Tarifabschlusses<br />
auf die BeamtInnen ist<br />
zwar für 2013 veranlasst, aber für<br />
2014 noch nicht „in trockenen<br />
Tüchern“. Weitsichtig beschloss<br />
deshalb die Jahreshauptversammlung<br />
im April folgende<br />
Re<strong>so</strong>lution an die niedersächsische<br />
Landesregierung: „Keine<br />
„Bremer Lösung“ für Niedersachsen:<br />
Die Mitgliederversammlung<br />
der<br />
GEW Kreisverband Aurich<br />
fordert die niedersächsische<br />
Landesregierung<br />
auf, den Tarifabschluss<br />
für die Beschäftigten<br />
im öffentlichen<br />
Dienst der Länder<br />
uneingeschränkt und<br />
ohne Zeitverzögerung<br />
auf die nds. Beamtinnen<br />
und Beamten zu<br />
übertragen.“<br />
Einstimmig wurde<br />
außerdem beschlossen:<br />
„Der Landesvorstand<br />
der GEW Niedersachsen<br />
wird aufgefordert,<br />
sich verstärkt für einen<br />
gesetzlichen Mindestlohn<br />
im Bildungssektor<br />
einzusetzen.“ (Anlass<br />
ist u. a. die prekäre<br />
Beschäftigung von pädagogischen<br />
Mitarbeiter-<br />
Innen an Grundschulen.)
29 LEUCHTTURM<br />
„Kein gutes Signal an Lehrer“<br />
Ausbau der Ganztagsschulen – Chaos bei Inklusion<br />
WITTMUND|<br />
WJA<br />
Veröffentlicht: 14.08.2013 im „Anzeiger für Harlingerland“<br />
Kommt es zu einem Wechsel<br />
in der Landesregierung, geht<br />
damit häufig eine 180-Grad-<br />
Wende in der Bildungspolitik<br />
einher. Doch davon kann in<br />
Niedersachsen keine Rede sein,<br />
plant doch auch rot-grün, die<br />
Ganztagsschulen auszubauen<br />
und den eingeschlagenen Weg<br />
der Inklusion weiterzugehen.<br />
Diese Projekte wurden bereits zu<br />
Zeiten der CDU/FDP-Landesregierung<br />
gestartet und <strong>so</strong>llen nun<br />
in einer veränderten Form<br />
fortgeführt werden. Frei nach<br />
einem SPD-Slogan aus dem<br />
Bundestagswahlkampf 1998:<br />
„Wir wollen nicht alles anders,<br />
aber vieles besser machen.“<br />
So könnte auch das Fazit der<br />
Ausführungen von MdL Ina<br />
Korter, bildungspolitische Sprecherin<br />
der Grünen-Landtagsfraktion,<br />
Dienstagabend in einer<br />
Gesprächsrunde in der „Residenz“<br />
lauten. Eingeladen hatte<br />
der Kreisverband der Wittmunder<br />
Grünen, gekommen waren<br />
etwa 30 Elternvertreter und<br />
Lehrer. Doch gerade die Letztgenannten,<br />
eigentlich klassisches<br />
Wählerklientel von Rot-Grün,<br />
zeigten sich sehr erbost über die<br />
Umsetzung der Inklusion. Laut<br />
den Pädagogen erhielten die<br />
Grundschulen und weiterführenden<br />
Schulen zu wenig <strong>so</strong>nderpädagogische<br />
Förderstunden.<br />
„Al<strong>so</strong> müssen wir uns alleine mit<br />
diesen lernbehinderten Kindern<br />
auseinandersetzen, wofür wir<br />
aber gar nicht ausgebildet sind“,<br />
sagte Reinhard Rommel, Rektor<br />
der Wittmunder Grundschule.<br />
Und die angebotenen Fortbildungen<br />
zur Inklusion seien<br />
wenig hilfreich. Umgekehrt<br />
klagte Matthias Regner als Leiter<br />
der Esenser Förderschule: „Wir<br />
haben nicht ausreichend Lehrer<br />
für uns selbst und <strong>so</strong>llen nun<br />
auch noch Stunden an andere<br />
Schulen abgeben.“<br />
Dem konnte Korter nur<br />
entgegnen, dass es ein Verdienst<br />
von Rot-Grün sei, dass trotz<br />
sinkender Schülerzahlen keine<br />
weiteren Lehrerstellen gestrichen<br />
worden seien. Außerdem kündigte<br />
sie das Ende der<br />
Förderschule „Lernen“ an. Bekanntlich<br />
gab es dort mit Beginn<br />
dieses Schuljahrs keine Einschulungen<br />
mehr, ab 2014 ist dann<br />
auch ein Wechsel in die fünfte<br />
Klasse einer Förderschule Lernen<br />
nicht mehr möglich.<br />
Immerhin verwies Korter auf<br />
eine bessere Finanzausstattung<br />
und einen Ausbau der Ganztagsschulen,<br />
die neue Landesregierung<br />
halte hierfür zusätzlich 350<br />
Millionen Euro bereit. Damit<br />
<strong>so</strong>lle endgültig Schluss sein mit<br />
den prekären Beschäftigungsverhältnissen,<br />
die noch unter<br />
Schwarz-Gelb üblich gewesen<br />
wären. Neu ist auch, dass<br />
gebundene, teil-gebundene und<br />
offene Ganztagsschulen gleichrangig<br />
gefördert werden. In einer<br />
offenen Aussprache wiesen die<br />
Lehrer darauf hin, dass ihr<br />
Schulalltag von immer mehr<br />
Bürokratie bei schwieriger werdenden<br />
Schüler geprägt sei. Jeder<br />
vierte Pädagoge erreiche heute<br />
nicht mehr die reguläre Pensionsgrenze.<br />
Vor diesem Hintergrund<br />
sei das Aussetzen der<br />
Altersermäßigung und das Anheben<br />
der Unterrichtsverpflichtung<br />
für Gymnasiallehrer um<br />
eine Wochenstunde ein Unding.<br />
„Das ist kein gutes Signal an die<br />
Lehrer“, <strong>so</strong> der Rektor der<br />
Esenser Realschule, Peter Sörnsen.<br />
Zu einer ernsten Aussprache trafen sich Elternvertreter und Lehrer mit Ina Korter (rechts),<br />
Bild: Wilko Janssen
LEUCHTTURM<br />
Info-Veranstaltung „Vor<strong>so</strong>rge und<br />
Ver<strong>so</strong>rgung“ überfüllt<br />
Herbert Czekir<br />
Anfang Juni trafen sich mehr<br />
als 100 - vorwiegend aktive -<br />
Kolleginnen und Kollegen zum<br />
Thema „Vor<strong>so</strong>rge und Ver<strong>so</strong>rgung“<br />
in Westerstede und<br />
Bersenbrück. Der ungewöhnlich<br />
große Andrang stellte die<br />
organisierende Fachgruppe Se-<br />
niorInnen vor vielfältige Probleme.<br />
Schon im Vorfeld der<br />
Veranstaltung deutete sich das<br />
Interesse an dem Thema an, als<br />
Anfragen aus ganz Niedersachsen<br />
die Organisatoren überschwemmten.<br />
Als Referentin konnte die<br />
Rechtsschutzsekretärin Heidemarie<br />
Schuldt (ehemals Kralle)<br />
gewonnen werden, die kurze<br />
Einführungen in Themen wie<br />
Arten der Pensionierung, ruhegehaltsfähige<br />
Dienstzeiten, Ver<strong>so</strong>rgungsabschläge,<br />
Hinterbliebenenver<strong>so</strong>rgung<br />
u. a. gab und<br />
dabei die neuesten Gesetze und<br />
Rechtsprechungen vorstellte. Danach<br />
bestimmten die Fragen der<br />
TeilnehmerInnen den Verlauf<br />
der Veranstaltung, <strong>so</strong>dass der<br />
Vormittag wie im Fluge verging.<br />
Die Verschiedenheit und<br />
Komplexität der Fragen machte<br />
allen klar, dass bei unklaren<br />
Situationen unbedingt die<br />
Rechtschutzstelle - inzwischen<br />
mit einer zweiten Kollegin<br />
besetzt - eingeschaltet werden<br />
<strong>so</strong>llte.<br />
30<br />
Vorgestellt wurden zwei neue<br />
Broschüren.<br />
Hilfen gibt zunächst die neue<br />
Broschüre „Die Pension der<br />
Beamtinnen und Beamten in<br />
Niedersachsen“, die vielfältige<br />
Antworten auf die Fragen der<br />
Pensionierung und Ver<strong>so</strong>rgung<br />
gibt.<br />
Hilfen auch für jüngere<br />
Kolleginnen und Kollegen bietet<br />
die druckfrische Broschüre „Vor<strong>so</strong>rge<br />
ist sicherer“. Sie ersetzt die<br />
Broschüre „Hilfen für den<br />
Ernstfall“ und bietet u.a.<br />
Informationen zu Vor<strong>so</strong>rgevollmacht,<br />
Patientenverfügung, Ver<strong>so</strong>rgung<br />
von Hinterbliebenen<br />
und Testament. Checklisten und<br />
Musterschreiben erleichtern dabei<br />
den Einstieg in ein Thema,<br />
das zwar außerordentlich wichtig<br />
ist, aber oftmals verdrängt wird.<br />
Beide Broschüren sind über<br />
alle Gliederungen erhältlich.<br />
Der Nachmittag der Veranstaltung<br />
stand im Zeichen allgemeiner<br />
gewerkschaftlicher Fragen.<br />
Im Zuge sich ständig verschlechternder<br />
Arbeits- und Be<strong>so</strong>ldungsbedingungen,<br />
erhält gewerkschaftliche<br />
Solidarität eine<br />
immer größere<br />
Bedeutung. Den<br />
Teilnehmern war<br />
am Ende sehr<br />
bewusst, dass das<br />
Motto GEW-<br />
Gemeinsam Erfolgreich<br />
Wirken<br />
auch unter einer<br />
rot-grünen Landesregierung<br />
seine<br />
Gültigkeit behält.
31 LEUCHTTURM<br />
Foto: Detlef Kiesé (Anzeiger für Harlingerland)<br />
Die GEW informiert<br />
Kavernen in Etzel – Fluch oder Segen?<br />
Donnerstag, d. 12. September 2013<br />
Kavernen-Informationszentrum Etzel,<br />
Beim Postweg 2<br />
26446 Friedeburg<br />
- Um 16:00 Uhr informiert uns ein IVG-Ansprechpartner ca. eine Stunde in Wort und Bild und beantwortet<br />
Fragen.<br />
- Um 17.15 Uhr machen wir mit einem Bus eine geführte Tour über das Gelände.<br />
- Gegen 18.00 Uhr wird uns in einem Lokal Theo Hinrichs, Friedeburger Lokalpolitiker und leid tragender<br />
„Anrainer“, wichtige Hintergrundinformationen zu dem Themenkomplex aus seinem reichhaltigen<br />
Wissensfundus liefern.<br />
(Bei Interesse könnte man dann auch noch über geplante Ölbohrungen im Watt (Anzeiger v. 2.8.) und das geplante<br />
Fracking im <strong>so</strong>g. „Wittmunder Feld“ (NWZ Jever 25.05.13) sprechen.<br />
ACHTUNG: Nur 25 Plätze verfügbar!<br />
Deshalb umgehend anmelden bei Juergen.Kramm.Wtm@t-online.de<br />
oder unter 04462-6102
LEUCHTTURM<br />
<strong>Weiter</strong> <strong>so</strong> – <strong>Deutschland</strong>?<br />
32<br />
GUTE ARBEIT. SICHERE RENTE.<br />
SOZIALES EUROPA. AKTIVER STAAT.<br />
Für Verteilungsgerechtigkeit bundesweit.<br />
Für einen konsequenten Politikwechsel.<br />
Kommt zur Demo!<br />
7. SEPTEMBER 2013<br />
IN HANNOVER<br />
Busabfahrten s. S. 24<br />
Gute Arbeit statt perspektivloser Jobs<br />
Niedriglöhne und prekäre Jobs nehmen immer mehr zu. Menschen brauchen aber gerechte Löhne und<br />
sichere Arbeit. Wir fordern eine neue Ordnung auf dem Arbeitsmarkt: mehr Rechte für die<br />
Beschäftigten, Tarifverträge und einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn nicht unter 8,50<br />
Euro. Gleiches Geld für gleiche Arbeit in der Leiharbeit, <strong>so</strong>zial abgesicherte Beschäftigung statt<br />
Minijobs, Befristungen und Werkverträge <strong>so</strong>wie gleiche Entgelte und Karrierechancen für Männer und<br />
Frauen.<br />
Sichere Rente statt Altersarmut<br />
Die Rente mit 67 bedeutet harte Einschnitte für alle, die es nicht bis zum gesetzlichen Rentenalter<br />
schaffen. Prekäre Jobs führen die Menschen in Altersarmut. Wir fordern Renten, die den<br />
Lebensstandard sichern: durch eine nachhaltige und <strong>so</strong>lidarisch finanzierte Alterssicherung.<br />
Menschen, die das reguläre Rentenalter nicht erreichen können, muss eine Erwerbsminderungsrente<br />
wirksam absichern. Schluss mit den Rentenkürzungen, Schluss mit der Rente mit 67!<br />
Soziales Europa statt Sozialabbau<br />
Radikale Kürzungsprogramme in zahlreichen Ländern der EU <strong>so</strong>rgen für eine Spirale nach unten und<br />
gefährden den <strong>so</strong>zialen Frieden. Das trifft nicht die Verursacher an den Finanzmärkten, <strong>so</strong>ndern die<br />
Opfer der Krise: Beschäftigte, Erwerbslose, Rentnerinnen und Rentner <strong>so</strong>wie die junge Generation.<br />
fordern ein Investitions- und Konjunkturprogramm für ein <strong>so</strong>zial gerechtes, sicheres und demokratisch<br />
legitimiertes Europa.<br />
Aktiver Staat statt Reichtum für wenige<br />
Die Kluft zwischen Arm und Reich wächst. Die Steuerpolitik der letzten Jahre hat die öffentlichen<br />
Haushalte ausgehöhlt. Wir wollen eine gerechte Steuerpolitik, die Finanztransaktionen,<br />
Unternehmensgewinne <strong>so</strong>wie hohe Einkommen und Vermögen stärker heranziehen. Steueroasen<br />
müssen ausgetrocknet, Steuerflucht- und hinterziehung bekämpft werden. Nur <strong>so</strong> entsteht<br />
Verteilungsgerechtigkeit, nur <strong>so</strong> können öffentliche Aufgaben und Investitionen in Bildung, Soziales und<br />
Infrastruktur finanziert werden.