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LEBEN<br />
Dings durch den Wald. Es musste den<br />
Wolf geradezu anlocken, auf dass er<br />
eine List ersinne, um es mit Haut und<br />
Haar zu fressen. Wir wissen längst,<br />
dass dieses ganze Zeug - Lippenstifte,<br />
rote Schuhe und Handtaschen, dunkelrote<br />
Rosen - keine Mode-Accessoires<br />
sind, sondern Blutsignale.<br />
Sobald der Biss erfolgte, ist es mit<br />
Phantasie und Romantik vorbei. Auch<br />
die geheimnisvolle Vampirsaga von<br />
Frau Meyer driftet auf diesen Moment<br />
zu. In einem Artikel konnte man bereits<br />
von der Entstehung eines „Hybrid-<br />
Babys mit dem nervigsten Namen aller<br />
Zeiten“ lesen. Danach kommt offenbar<br />
nix mehr. Der kleine Vampir plärrt die<br />
ganze Nacht, saugt die Mama aus, die<br />
blass in ihrem Sessel hängt, während<br />
Papa Vampir nächtelang auf Nahrungssuche<br />
für seine Blutsverwandtschaft ist.<br />
Und so bleibt es bis(s) in alle Ewigkeit.<br />
Ist es das, was Frauen wirklich wollen?<br />
Die kleinen Exemplare unter unseren<br />
Töchtern können das vielleicht noch<br />
nicht wissen. Höchste Eile ist aber geboten,<br />
wenn unsere eigenen Frauen auf<br />
die Vampirsaga hereinfallen. Bei Facebook<br />
soll es bereits eine Erwachsenen-<br />
Gruppe geben, mit dem Titel: „Seit<br />
ich Twilight gelesen habe, stelle ich<br />
unrealistische Ansprüche an Männer“.<br />
Man sollte schnellstens im Internet<br />
eine Frauensicherung installieren oder<br />
schon mal prophylaktisch zubeißen, sodass<br />
eine sofortige Lähmung eintritt.<br />
Auch ich habe einst die Edward-Strategie<br />
probiert. Es war im Kindergarten.<br />
Das Mädchen war hübsch und trug glitzernde<br />
kleine Ohrringe. Während des<br />
Spiels habe ich sie gebissen, beim Tollen,<br />
aus Übermut. Sie heulte und rannte<br />
zur Erzieherin. Mein Gebiss hatte sich<br />
deutlich in ihrem Oberarm verewigt<br />
und nahm in den Folgetagen alle Farbschattierungen<br />
an: von rot, blau über<br />
grün und gelb.<br />
Ich bekam ordentlich geschimpft und<br />
musste ihr zur Strafe mein Lieblingskuscheltier<br />
- ein Reh - schenken. Eine<br />
leidenschaftliche Vereinigung fand<br />
nicht statt. •<br />
So ein Goethe-Geist<br />
Nowosibirsk erhält ein deutsches Kulturinstitut<br />
In der Mitte von Nowosibirsk, in der<br />
Mitte von ganz Russland also, ist ein<br />
sozialistischer Traum zu Stein geworden.<br />
Eine gigantische graue Masse<br />
steht da, eine Kreuzung von Pantheon<br />
und Reichskanzlei, vor der auch die<br />
klobige schwarze Lenin-Statue mit<br />
ihren Schnee-Epauletten bloß wie ein<br />
Passant wirkt. Es war ein Traum aus<br />
dem Geist der Zwanzigerjahre: Ein<br />
Kunst- und Wissenschaftspalast samt<br />
Schwimmbecken, Planetarium und<br />
Aufmarschrampen für glückliche sibirische<br />
<strong>Arbeit</strong>ermassen. Dann kam die<br />
Stalin-Renaissance, aus dem geplanten<br />
Kulturpalast wurde ein klassisches<br />
Operngebäude, das größte Eurasiens.<br />
Und dann kam der lange Niedergang<br />
des Sozialismus, aus den <strong>Arbeit</strong>ermassen<br />
wurden Einzelne, die sich ihr Glück<br />
selbst suchen. Und dann kam das Goethe-Institut.<br />
Deutschlands Auslandskulturinstitut<br />
eröffnet seine erste Filiale<br />
in Sibirien, die dritte in Russland.<br />
Das wird im monumentalen Großen<br />
Saal der Oper gefeiert: Grußwort reiht<br />
sich an Grußwort, dann teilt sich der<br />
Vorhang, und über die Leinwand fliegen<br />
Juri Schdanow und Galina Ulanowa<br />
- als Romeo und Julia, im Ballettfilm<br />
Lew Arnschtams von 1954. Unten<br />
dirigiert der Deutsche Frank Strobel,<br />
der die Musik von Sergej Prokofjew<br />
für diesen Film rekonstruiert hat, das<br />
Sinfonieorchester der Nowosibirsker<br />
Oper. Man sieht die Ulanowa, schon<br />
vorgerückten Alters, präzise zu einer<br />
Musik tanzen, die in Wirklichkeit aus<br />
dem Orchestergraben zu ihrem Tanz<br />
erst hinzugefügt wird. Entzückt schaut<br />
das sibirische Publikum auf das frühlingshafte<br />
Verona, wo ein gütiger Himmel<br />
südliche Früchte reifen lässt. Dann<br />
holt es sich an der Garderobe seine<br />
Pelzmäntel und geht durch den Schnee<br />
nach Hause.<br />
So wie die Errichtung der Nowosibirsker<br />
Oper 1931 bis 1945 ein kühner<br />
Akt war, so ist auch die Einrichtung des<br />
Christian Esch<br />
noch winzigen Goethe-Büros gegenüber<br />
der Oper keine Selbstverständlichkeit.<br />
Es ist ja noch nicht so lange her,<br />
da gab es bloß Kürzungen und Filialschließungen<br />
zu berichten. Warum<br />
braucht die Kulturorganisation, die ihr<br />
Geld vom Auswärtigen Amt bekommt<br />
und schon 134 Institute betreibt, ausgerechnet<br />
in Sibirien eines? Deutsch wird<br />
in Russland doch sowieso fleißig gelernt:<br />
Zwei Millionen Schüler lernen es<br />
als ihre erste Fremdsprache, schätzt das<br />
Goethe-Institut, mehr als in jedem anderen<br />
Land der Welt. Und das Deutschlandbild<br />
der Russen ist, wenn man den<br />
Umfragen glaubt, ohnehin seltsam<br />
positiv: Im letzten Sommer, als das<br />
Lewada-Meinungsforschungszentrum<br />
nach Wunschverbündeten fragte, kam<br />
Deutschland an die Spitze, gleichauf<br />
mit Weißrussland. Aber dieser Wert<br />
ist wohl nur die Kehrseite einer Enttäuschung<br />
mit dem Westen insgesamt, die<br />
von Kaukasuskrieg und Gaskonflikt<br />
neu genährt wurde. Deutschland gilt da<br />
noch als am freundlichsten gesonnen.<br />
Solange das so ist, kann es Mittler sein<br />
in einer Zeit, in der Russland sich eher<br />
auf sich selbst zurückzieht.<br />
Klaus-Dieter Lehmann, der Präsident<br />
des Goethe-Instituts, ist zur Eröffnung<br />
angereist und nennt Nowosibirsk einen<br />
„Wunschort“: So jung die Stadt ist - es<br />
gibt sie nur, weil die Transsibirische<br />
Eisenbahn hier den Ob überquert -, so<br />
ist sie doch das kulturelle Zentrum Sibiriens<br />
und mit 1,4 Millionen sogar die<br />
drittgrößte Stadt Russlands. Die Erwartungen<br />
der Menschen an ein deutsches<br />
Kulturinstitut seien hier zweifellos<br />
hoch. In Zweifel stand aber offenbar die<br />
Einwilligung der russischen Seite: „Wir<br />
hatten die Hoffnung schon ziemlich<br />
aufgegeben“, sagt Lehmann. Allen ausländischen<br />
Kulturinstituten steht das<br />
Schicksal des British Council vor Augen,<br />
das zum Opfer des diplomatischen<br />
Konflikts um den Giftmord an Alexander<br />
Litwinenko in London wurde und<br />
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