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Bericht zur Weiterentwicklung der Integrationspolitik des Bundes

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5.3 Möglichkeiten und Grenzen <strong>der</strong> staatlichen Eingriffskompetenz<br />

In jüngster Zeit haben im Zusammenhang mit Integration Interessenabwägungen mit<br />

grundrechtlich geschützten Positionen zu diskutieren gegeben.<br />

Je nachdem, in welchem Bereich sich die Menschen bewegen, wird die Interessenabwägung<br />

an<strong>der</strong>s ausfallen. Im staatlichen Bereich sind Menschen direkt <strong>der</strong> staatlichen<br />

Hoheitsgewalt ausgesetzt. Hier ist <strong>der</strong> Staat zu weitgehen<strong>der</strong> Gleichbehandlung<br />

verpflichtet. Um indirekte Diskriminierung zu verhin<strong>der</strong>n, muss <strong>der</strong> Staat Raum für<br />

den kulturellen Eigenwillen von Privaten gewähren. Im öffentlichen Raum, wo sich<br />

die meisten sozialen Aktivitäten abspielen und <strong>der</strong> Staat als Anbieter von Dienstleistungen<br />

auftritt, ist <strong>der</strong> Ausgleich zwischen konkurrierenden Interessen nötig. In <strong>der</strong><br />

privaten Sphäre schliesslich soll <strong>der</strong> Staat die Autonomie respektieren und nur als<br />

Schutzorgan einschreiten, wenn Individuen gruppenintern in ihrer physischen und<br />

psychischen Integrität verletzt werden. 22<br />

Weiter trägt <strong>der</strong> fö<strong>der</strong>alistische Aufbau <strong>des</strong> Staates dazu bei, dass konkrete Lösungen<br />

vor Ort gefunden werden können. Die Regeln <strong>des</strong> Zusammenlebens, die im<br />

Spannungsverhältnis von Gleichheit und Freiheit gefunden werden müssen, sind im<br />

konkreten Fall und vor Ort zu suchen. Rechtliche Vorgaben durch die Bun<strong>des</strong>ebene<br />

haben sich auf ein Min<strong>des</strong>tmass zu beschränken und an die fö<strong>der</strong>ale Kompetenzordnung<br />

zu halten.<br />

Im Integrationsbericht, welcher <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>rat am 30. August 2006 <strong>zur</strong> Kenntnis<br />

genommen hat, sind eine Reihe solcher Fragen, die in <strong>der</strong> Öffentlichkeit zu Diskussionen<br />

Anlass gegeben haben, dargestellt worden: 23<br />

Religiöse Bekleidungsvorschriften (namentlich Kopftuch, Verschleierung): Gemäss<br />

<strong>der</strong> Unterscheidung in die drei Sphären <strong>des</strong> Privaten, <strong>des</strong> Öffentlichen und <strong>des</strong><br />

Staatlichen ist festzuhalten, dass das Tragen <strong>des</strong> Kopftuches in <strong>der</strong> privaten Sphäre<br />

zum Bereich <strong>der</strong> Autonomie zählt, in den sich <strong>der</strong> Staat nicht einzumischen hat. Im<br />

öffentlichen Raum sind unter Abwägung <strong>der</strong> verschiedenen tangierten Interessen<br />

situationsbezogene Lösungen zu suchen. Im staatlichen Bereich hat das Bun<strong>des</strong>gericht<br />

in einem Leitentscheid ein Urteil bestätigt, welches das Tragen eines Kopftuches<br />

durch eine Lehrerin an einer öffentlichen Schule verbot. 24<br />

Teilnahme am Unterricht <strong>der</strong> öffentlichen Schule (Schwimm- und Turnunterricht,<br />

Schullager, bestimmte Fächer): Das Bun<strong>des</strong>gericht hat im Oktober 2008 einen<br />

Leitentscheid von 1993 <strong>zur</strong> Dispensation vom Schwimmunterricht neu überdacht:<br />

Im Gegensatz zu seinem früheren Entscheid hat es darin das Integrationsanliegen<br />

über religiöse Verhaltensgebote gestellt und festgestellt, dass im konkreten Fall das<br />

Obligatorium <strong>zur</strong> Teilnahme am Schwimmunterricht verbunden mit flankierenden<br />

Massnahmen auch für muslimische Kin<strong>der</strong> keinen unzulässigen Eingriff in die<br />

Religionsfreiheit darstellt. 25<br />

Sakralräume und Friedhöfe: Mit Ausnahme <strong>der</strong> Errichtung von Minaretten fallen<br />

Fragen <strong>der</strong> Nutzung von Räumlichkeiten o<strong>der</strong> Flächen zu religiösen o<strong>der</strong> kulturellen<br />

22 Kälin, Walter: Grundrechte im Kulturkonflikt: Freiheit und Gleichheit in <strong>der</strong> Einwan<strong>der</strong>ungsgesellschaft.<br />

Zürich, 2000.<br />

23 Integrationsbericht 2006, S. 86ff.<br />

24 BGE 123 I 296.<br />

25 BGE 119 I a 178 sowie BGE 135 I 79.<br />

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