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P.T. MAGAZIN 01/2009

Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung

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20 38<br />

September I Oktober<br />

Gesellschaft<br />

Regional<br />

Unverkäuflich –<br />

Unbezahlbar<br />

Stolz präsentiert Bürgermeister Magnus Staehler das von<br />

Steuerzahler-Präsident Dr. Karl Heinz Däke überreichte Schild<br />

(Foto: Stadt Langenfeld)<br />

Während sich die Stadt Langenfeld im Rheinland<br />

schuldenfrei sparte, verschleuderten Kommunen<br />

in ganz Deutschland ihr Tafelsilber in Cross-<br />

Border-Leasingverträgen<br />

22 Jahre hat es gedauert. Und: Nein,<br />

es war nicht einfach. Während sich<br />

Stadtkämmerer landauf, landab die<br />

Köpfe über schlüssige Finanzkonzepte<br />

zerbrechen, um Gestaltungsfreiheit<br />

für ihre Kommunen zurückzugewinnen,<br />

machte sich die heute<br />

knapp 60 000 Einwohner zählende<br />

Stadt Langenfeld im Rheinland schon<br />

vor mehr als zwei Jahrzehnten auf<br />

den langen und steinigen Weg in die<br />

(Schulden-)Freiheit.<br />

Das Maß ist voll<br />

Begonnen hatte alles im Jahr 1985<br />

mit einer Brandrede des Stadtkämmerers.<br />

Der errechnete damals ein<br />

Ansteigen des ohnehin schon beträchtlichen<br />

Schuldenberges von<br />

rund 74 auf knapp 90 Mio. DM innerhalb<br />

der nächsten vier Jahre, sofern<br />

alle geplanten Ausgaben wie vorgesehen<br />

getätigt würden. Zu viel für<br />

die Verantwortlichen. Deshalb wurde<br />

1986 der Beschluss gefasst: Ab sofort<br />

keine neuen Schulden mehr!<br />

Aber wie setzt man das um?<br />

Schließlich hatte auch die Stadt im<br />

Rheinland laufende Kosten zu bewältigen,<br />

und die Zinsen für bestehende<br />

Schulden lösten sich ja auch<br />

nicht in Rauch auf. Mit dem Beschluss<br />

war es also nicht getan – es<br />

musste gehandelt werden. Zunächst<br />

setzte man klare Prioritäten auf der<br />

Ausgabenseite. Der Minimalismus<br />

hielt Einzug in Langenfeld.<br />

Auf in den Kampf!<br />

Langenfelder Programm<br />

„Im Grundsatz wurde der Spargedanke<br />

unter der damaligen Verwaltungsführung<br />

geboren“, beschreibt<br />

Magnus Staehler die Anfänge des<br />

Sanierungsprogramms in seinem<br />

Buch „1-2-3 Schuldenfrei“.<br />

Im Oktober 1995 beschloss die Stadt Langenfeld im Rheinland ihr Programm zur dauerhaften<br />

Sanierung ihres Haushalts. Hier die wesentlichen Eckdaten:<br />

Sparen hat höchste Priorität<br />

Kürzung der freiwilligen Leistungen um 25%<br />

Bei Kindern und Jugendlichen wird nicht gekürzt<br />

Gebühren orientieren sich am Bedarf und werden jährlich überprüft<br />

Hallennutzungsgebühren für Erwachsene bei Sportvereinen<br />

Moratorium zur Ausgabenbeschränkung wird über das laufende Jahr hinaus fortgesetzt<br />

Verwaltung legt detailliertes Sparprogramm vor<br />

Verwaltung spart 500.000 DM Personalkosten<br />

Privatisierungsmöglichkeiten sind aufzuzeigen<br />

Sparmöglichkeiten des Rates und der Fraktionen werden überprüft<br />

Neue Finanzierungswege (z. B. Sponsoring) erschließen<br />

Schritte zur mittelfristigen Konsolidierung des Haushalts werden festgeschrieben<br />

Seit 1989 begleitete Staehler die<br />

Umsetzung des ehrgeizigen Ziels als<br />

Mitglied im Stadtrat, 1994 wurde er<br />

Bürgermeister. Und stand vor großen<br />

Schwierigkeiten: „Weil sich die<br />

Gewerbesteuer in dieser Zeit überhaupt<br />

nicht so entwickelte, wie wir<br />

es uns vorstellten, ja sogar massiv<br />

eingebrochen war, standen wir in<br />

Langenfeld vor einem Haushaltsloch<br />

von letztlich 4,5 Mio. DM.“<br />

Sparen war angesagt. Und das tat<br />

weh, vor allem im Rathaus.<br />

Denn jetzt wurden die Personalkosten<br />

gründlich unter die Lupe<br />

genommen: in der Verwaltung, den<br />

städtischen Kindergärten, in Schulen,<br />

dem Stadtbad und der Bücherei.<br />

Von einer „Horrorliste“ war in den<br />

Zeitungen die Rede.<br />

„Die größten Diskussionen innerhalb<br />

der Stadt löste aber die Absicht aus,<br />

die freiwilligen Leistungen Langenfelds<br />

an Vereine und Verbände drastisch<br />

einzuschränken“, so Staehler.<br />

Bürger-Demokratie<br />

In dieser mit Sicherheit auch für ihn<br />

persönlich unangenehmen Lage tat<br />

der frischgebackene Bürgermeister<br />

genau das Richtige: „Noch in meiner<br />

ehrenamtlichen Situation holte<br />

ich damals die Bürger mit ins Boot,<br />

um die allgemeine Verstimmung<br />

in Grenzen zu halten und für Verständnis<br />

zu werben. Zum ersten Mal<br />

wurden sie bei öffentlichen Veranstaltungen<br />

über die Finanzlage der<br />

Stadt und die geplanten Lösungen<br />

informiert.“<br />

Nochmal in aller Klarheit: Hier ist<br />

nicht von direkter Demokratie in<br />

einem 50-Seelen-Dorf die Rede, sondern<br />

von einer Stadt mit über 50 000<br />

Einwohnern. Möge sich also kein Politiker<br />

mehr herausreden mit Allgemeinplätzen<br />

wie „zu kompliziert“, „zu<br />

umständlich“, „zu viele verschiedene<br />

Interessen“ oder „dauert zu lange“!<br />

P.T. <strong>MAGAZIN</strong> 1/<strong>2009</strong>

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