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Gaby Weber: Daimler Benz und die Argentinien-Connection Von ...

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Dass sein Vater nicht 1952 gestorben ist, sondern aus Buenos Aires weggezogen ist, hätte er durch eine<br />

formlose Anfrage beim Zivilregister erfahren können. Ich habe <strong>die</strong>s im Rahmen meiner Recherche getan <strong>und</strong><br />

<strong>die</strong> späteren Adressen von Gustav Müller erfahren. Zuletzt wohnte er in der Provinz Córdoba, ganz in der Nähe<br />

von Villa General Belgrano, wo sich <strong>die</strong> Matrosen des 1939 im Rio de la Plata versenkten deutschen<br />

Panzerkreuzers »Graf Spee« niedergelassen haben. Müller hat dort wieder eine Siebzehnjährige kennen gelernt,<br />

<strong>die</strong> nicht viel fragt, <strong>und</strong> sie – ohne sich vorher scheiden zu lassen – geheiratet. Mit ihr setzt er weitere acht<br />

Kinder in <strong>die</strong> Welt <strong>und</strong> stirbt 1993. Seine (letzte) Witwe <strong>und</strong> <strong>die</strong> Kinder wollen Verwandte in Deutschland von<br />

seinem Ableben benachrichtigen, aber sie haben sie nie kennen gelernt. Obwohl laut Ausweis Argentinier<br />

sprach er Spanisch mit einem leicht deutschen Akzent. Auf seine Familie habe er »verzichtet«, hatte Gustav<br />

Müller einmal den Seinen gesagt. Gemalt habe er, mehrere Sprachen gesprochen, von der deutschen<br />

Industrieproduktion geschwärmt.<br />

Im Telefonbuch von Córdoba finde ich <strong>die</strong> Adresse seiner (zweiten) Ehefrau. Gerne darf ich sie besuchen, sie<br />

erhofft sich Auskunft über <strong>die</strong> Identität ihres Mannes. Die Müllers lebten in sehr bescheidenen Verhältnissen,<br />

manchmal hatten sie nichts zu essen, erinnert sich <strong>die</strong> Witwe. Ihr Mann sei Ingenieur gewesen, aber konnte<br />

nicht als Ingenieur arbeiten, weil er kein Diplom vorweisen konnte. Das sei wohl in Deutschland geblieben.<br />

Seine letzte Anstellung bei der Stadtverwaltung in Córdoba habe er einem Fre<strong>und</strong> zu verdanken.<br />

Ihr Vater sei ein friedliebender Mensch gewesen, habe nie <strong>die</strong> Hand gegen sie erhoben, nie über Politik<br />

gesprochen, so <strong>die</strong> Töchter. Ob er antisemitische Bemerkungen gemacht habe? Das Wort »antisemitisch«<br />

verstehen sie nicht. Ob er sich abfällig über Juden geäußert habe? Nein, um Gottes willen. Nie. Wie er reagiert<br />

habe, als <strong>die</strong> Israelis Adolf Eichmann entführten? Sie erinnern sich nicht.<br />

Beim Namen »Eichmann« droht das anfangs fre<strong>und</strong>liche Gespräch umzukippen. Will ich behaupten, dass ihr<br />

Vater etwas mit dem Kriegsverbrecher Eichmann zu tun gehabt habe? Die jüngste Tochter schreit mich an, will<br />

mich rauswerfen. Ob sie nicht an der Wahrheit interessiert sei? Nein, sei sie nicht. Jedenfalls nicht an so einer<br />

Wahrheit. Wollen sie <strong>und</strong> ihre Geschwister nicht <strong>die</strong> wahre Identität des Vaters erfahren, <strong>die</strong> seiner Familie?<br />

Und vielleicht mit echten Papieren <strong>die</strong> deutsche Staatsbürgerschaft erwerben?<br />

Die jüngste Tochter will nicht antworten, sie geht. Die anderen wollen in Ruhe nachdenken. Sie haben davon<br />

gehört, dass in der Provinz Anfang der fünfziger Jahre Nazis untergetaucht sind. »Viele der hier lebenden<br />

Deutschen mussten auf Verlangen Peróns ihren Namen ändern«, sagt <strong>die</strong> Witwe. Aber sie hat ihren Mann nie<br />

nach seiner Vergangenheit gefragt. Sie würde gerne <strong>die</strong> Verwandten in Deutschland kennen lernen, aber von<br />

seiner politischen Vergangenheit will sie nichts wissen. Man bittet mich, bei einer Veröffentlichung seinen<br />

Namen zu ändern.<br />

Dass Gustavo bei Mercedes <strong>Benz</strong> Argentina gearbeitet hat, wusste sie bisher nicht. Ob <strong>die</strong> Firma<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler ihre Personalakten öffnet <strong>und</strong> den richtigen Namen Gustavs preisgibt? Ich bekomme eines der<br />

wenigen Fotos, das es von Müller gibt. Ich schicke es Heinrich Metz, der in Hessen lebt. Zuerst will er ihn nicht<br />

kennen, später sagt er Firmenangehörigen gegenüber, dass Müller bei der SS gewesen sei.<br />

6. Die Methode: 1951 bis 1953<br />

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