Grundmuster von Lern- und Ãbungsfeldern in Bildschirmspielen
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e)<br />
Spielgeschichten, deren Thematik sich auf die<br />
Gründung <strong>und</strong> Erweiterung <strong>von</strong> »Sternenreichen«<br />
bezieht, trifft man auf dieses <strong>Gr<strong>und</strong>muster</strong>.<br />
Spiele dieser Art spiegeln etwas <strong>von</strong><br />
dem eigenen »Territorialitä.tsverhalten«: sich<br />
Wohnraum zu erkämpfen, Macht <strong>und</strong> E<strong>in</strong>fluß <strong>in</strong><br />
Firmen <strong>und</strong> Verwaltungen zu vergrößern - bis<br />
h<strong>in</strong>ab zu Techniken der Körpersprache, das<br />
eigene »Revier« im Raum oder am Tisch abzustecken,<br />
zu verteidigen <strong>und</strong> zu vergrößern.<br />
Beim Videospiel »CIVILIZATION« (Abb. 5 + 6)<br />
geht es beispielsweise darum, e<strong>in</strong> eigenes Reich<br />
zu bilden <strong>und</strong> gegen den Widerstand verschiedener<br />
»Nachbarn« auszudehnen. Wer es weniger<br />
kriegerisch möchte, kann bei »RAILROAD<br />
TYcOON« se<strong>in</strong>e Ausdehnungswünsche bei der<br />
Entwicklung e<strong>in</strong>er Eisenbahngesellschaft ausdrücken.<br />
4. Weltweit <strong>in</strong> Regelbeispielen verbreitet ist das<br />
<strong>Gr<strong>und</strong>muster</strong> Ordnung. Der Spieler bemüht<br />
sich, die <strong>von</strong> den Regeln her geforderten Ordnungsvorstellungen<br />
zu verwirklichen, wie z. B.<br />
beim Puzzle, dessen E<strong>in</strong>zelteile er zu e<strong>in</strong>er vorgegebenen<br />
Struktur zusammenfügen muß. Bei<br />
Videospielen taucht »Ordnung« <strong>in</strong>sbesondere<br />
bei abstrakt wirkenden Spielen auf. Die Spielaufgabe<br />
besteht meist dar<strong>in</strong>, E<strong>in</strong>zelteile nach<br />
ausgeklügelten Regeln zu bestimmten Ordnungen<br />
zusammenzufügen, z. B. vorgegebene Modelle<br />
<strong>von</strong> Molekülen durch geschicktes Verschieben<br />
<strong>von</strong> )}Atomen« zu bilden (wie »ATO<br />
MIX« (Abb. 7 + 8) <strong>und</strong> )}ATOMINO«).<br />
In diesem seit Jahrtausenden bekannten<br />
<strong>Gr<strong>und</strong>muster</strong> spiegelt sich das Bemühen der<br />
Menschen, Ordnungsvorstellungen zu entwikke<strong>in</strong>,<br />
danach zu leben <strong>und</strong> sie gegen Widerstände<br />
<strong>und</strong> Schwierigkeiten durchzusetzen. Die<br />
Ordnungsvorstellungen der Menschheit reichen<br />
<strong>in</strong> alle Bereiche h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> (auch <strong>und</strong> gerade <strong>in</strong> den<br />
Bereich des Computers). Ohne dieses <strong>Gr<strong>und</strong>muster</strong>,<br />
das nicht nur <strong>in</strong> Spielen, sondern auch<br />
<strong>in</strong> Mythologien <strong>und</strong> Märchen auftaucht, wäre<br />
menschliche Kultur nicht mögliCh gewesen.<br />
Ordnung hat etwas damit zu tun, sich e<strong>in</strong>e<br />
komplexe Wirklichkeit verfügbar zu machen.<br />
Entlang des gesellschaftlichen Vorgaben entstehen<br />
dabei recht unterschiedliche Muster. die<br />
vielfach starr, aber häufig auch ziemlich <strong>in</strong>dividuell<br />
auf die e<strong>in</strong>zelnen Menschen <strong>und</strong> ihre Bedürfnisse<br />
zugeschnitten se<strong>in</strong> können.<br />
Im Videospiel geht es darum, e<strong>in</strong>e vorgegebene<br />
OrdnungsvoTStellung (z. B. die Bauweise<br />
<strong>von</strong> Atomen) durch geschicktes Verhalten, d. h.<br />
durch Zusammenfügen e<strong>in</strong>zelner Moleküle, zu<br />
bilden. Es geht also nicht darum, eigene Ordnungsvorstellungen<br />
zu entwickeln, sondern effektive<br />
Wege zu f<strong>in</strong>den. die feststehenden Ordnungsmuster<br />
zu erreichen. Von e<strong>in</strong>er solchen<br />
spielerischen Aufgabe fühlen sich viele K<strong>in</strong>der<br />
<strong>und</strong> Jugendliche nicht angesprochen. Spiele dieser<br />
Art s<strong>in</strong>d ihnen zu anstrengend <strong>und</strong> bieten, da<br />
sie meist recht abstrakt s<strong>in</strong>d, wenig Anknüpfungspunkte<br />
für ihre medialen <strong>und</strong> außennedialen<br />
Erfahrungen. Andere K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Jugendliche<br />
(häufig s<strong>in</strong>d es Mädchen) bevorzugen Spiele<br />
dieser Art, weil sie ihrem Wunsch nach e<strong>in</strong>er erreichbaren<br />
Ordnung entsprechen <strong>und</strong> sie<br />
dadurch e<strong>in</strong> Gefühl <strong>von</strong> Sicherheit erfahren<br />
können.<br />
5. Das <strong>Gr<strong>und</strong>muster</strong> des Ziel/aufs, das wir <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em Spiel wie )}MENSCH-ÄRGERE-DICH-NIClIT«<br />
unschwer ausmachen können, hat über die<br />
Jahrtausende nichts an se<strong>in</strong>er Bedeutung e<strong>in</strong>gebüßt<br />
<strong>und</strong> f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> vielen Videospielen wieder.<br />
Man denke nur an Auto- <strong>und</strong> Motorradrennen<br />
<strong>und</strong> an zahlreiche Comic-Adventures, bei<br />
denen man rechtzeitig ans Ziel kommen muß.<br />
»Ziellauf« bedeutet, se<strong>in</strong>e Spielfigur über alle<br />
Gefahren <strong>und</strong> H<strong>in</strong>dernisse h<strong>in</strong>weg (<strong>und</strong> schneller<br />
als die Konkurrenten) <strong>in</strong>s Ziel zu br<strong>in</strong>gen.<br />
Zielläufe s<strong>in</strong>d typische Handlungsmuster <strong>von</strong><br />
Menschen <strong>in</strong> allen Zeiten ihrer Entwicklung.<br />
Man setzt sich Ziele <strong>und</strong> bemüht sich, sie zu erreichen:<br />
zu e<strong>in</strong>em bestimmten Ort zu gelangen,<br />
e<strong>in</strong>en Gegenstand zu bekommen, e<strong>in</strong>en Vertragsabschluß<br />
zuwege zu br<strong>in</strong>gen oder e<strong>in</strong>e Position<br />
zu erlangen <strong>und</strong> andere dar<strong>in</strong> zu überr<strong>und</strong>en<br />
- dies s<strong>in</strong>d nach wie vor wesentliche Muster<br />
menschlichen Hanuelns.<br />
Im Videospiel steigt der Spieler zwar <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />
Symbolstruktur e<strong>in</strong>, die sich deutlich <strong>von</strong> der<br />
se<strong>in</strong>es täglichen Lebens unterscheidet~ <strong>in</strong> der<br />
Dynamik gleichen sich jedoch Spiel <strong>und</strong> außermediales<br />
Leben: Beide s<strong>in</strong>d vom Handlungsmuster<br />
bestimmt, rasch ans Ziel zu kommen <strong>und</strong><br />
dabei schneller zu se<strong>in</strong> als andere.<br />
6. Um Bereicherung geht es <strong>in</strong> fast allen Videospielen.<br />
Überall kann man etwas »ergattern«:<br />
Punkte, Extraleben, Sonderausrfistungen, ausgesuchte<br />
Fähigkeiten <strong>und</strong> viel, viel Geld. Damit<br />
spiegeln Videospiele etwas <strong>von</strong> dem wider, was<br />
beherrschendes Pr<strong>in</strong>zip unserer Gesellschaft geworden<br />
ist: sich an Menschen. Gütern <strong>und</strong> der<br />
Natur rücksichtslos <strong>und</strong> ohne Skrupel zu bereichern<br />
<strong>und</strong> alles Handeln unter e<strong>in</strong>er Kosten<br />
Nutzen-Rechnung zu kalkulieren. Während <strong>in</strong><br />
Mythen <strong>und</strong> Märchen die Bereicherung häufig<br />
e<strong>in</strong>en negativen Beigeschmack erhält oder <strong>in</strong><br />
kritischer Absicht bloßgestellt wird, lassen Videospiele<br />
dies vennissen: »Bereicherung ohne<br />
Reue« ist zu e<strong>in</strong>em besonderen »Genuß« bei<br />
Videospielen geworden. Die Spiele spiegeln <strong>in</strong><br />
der ungebrochenen Inszenierung dieses Gr<strong>und</strong>-<br />
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