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Grundmuster von Lern- und Übungsfeldern in Bildschirmspielen

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Fehr, Wolfgangl Fritz, Jürgen (1993): Videospiele <strong>in</strong> der Lebenswelt <strong>von</strong> K<strong>in</strong>dern<br />

<strong>und</strong> Jugendlichen. In: Ernst, Tilman: Computerspiele. Bunte Welt im grauen Altag<br />

B<strong>und</strong>eszentrale für politische Bildung. Bonn, S. 48-66.<br />

Computerspiele<br />

Bunte Welt im grauen Alltag<br />

E<strong>in</strong> medien- <strong>und</strong><br />

kulturpädagogisches Arbeitsbuch<br />

- für<br />

B<strong>und</strong>eszentrale<br />

politische Bildung


Inhalt<br />

Vorwort<br />

E<strong>in</strong>leitung<br />

Kapitel A: Lebens- <strong>und</strong> Medienwelten <strong>von</strong> K<strong>in</strong>dern<br />

<strong>und</strong> Jugendlichen<br />

GEORG SEESSLEN<br />

Der S<strong>in</strong>nkrieg i<strong>in</strong>d das Computergame -die ganz alltäglichen<br />

Spielszenarien<br />

HANS-DIETER KÜBLER<br />

Jugendliche Medienwelten: Computerwelten'?<br />

Zur Veralltäglichung der Computernutzung <strong>und</strong> -bewertung<br />

bei K<strong>in</strong>dern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

Kapitel B: Video- <strong>und</strong> Computerspieie: Markt,<br />

Geschichte, Funktion. Spiel<strong>in</strong>halte <strong>und</strong> -nutzung<br />

WOLFG~NG FEHR/JÜRGLN FRITZ<br />

Der Computer-Software-Markt -- Was Sottware-Firmen berichten<br />

W-OLFGANG FEHR/JÜRGEN FRITZ<br />

Videospiele <strong>in</strong> der Lebenswelt <strong>von</strong> K<strong>in</strong>dern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

WOLFGANG FEHR/JÜRGEN FRITZ<br />

Videospiele <strong>und</strong> ihre Typisierung<br />

ANDREAS BEIERWALTES/BETTINA GREB~KLAUS NEU MAN^-BRAUN<br />

Indizierte Computerspiele - Markt <strong>und</strong> Spieler<br />

FRIEDEMANN SCHINDLER<br />

Computerspiele <strong>in</strong> der Hand <strong>von</strong> K<strong>in</strong>dern <strong>und</strong> Jugendlichen.<br />

E<strong>in</strong>e Untersuchung über die Verbreitung <strong>und</strong> den Stellenwert<br />

problematischer Computerspiele<br />

HELMUT KAMPE<br />

Menschenverachtung, Antisemitismus <strong>und</strong> Gewalt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

rechtsextremistisclien Videospiel<br />

Kapitel C: Ansatzpunkte <strong>und</strong> Vorschläge<br />

für die pädagogische Praxis<br />

WOLFGANG FEHR/JÜRGEN FRITZ<br />

Videospiele als medienpädagogische Herausforderung<br />

DIETER GLAAP<br />

Kreativ Arbeiten mit Computern


HANS-JOACHIM LISSMANN<br />

Politische Bildung mit spracharmen Medien - Computerspiele <strong>und</strong><br />

politische Visionen 146<br />

Anhang 155<br />

Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften 157<br />

Autorenverzeichnis 163<br />

Abbildungen 165


WOLFGANG FEHR/JÜRGEN FRITZ<br />

Videospiele <strong>in</strong> der Lebenswelt <strong>von</strong> K<strong>in</strong>dern <strong>und</strong> ~ugendlichenl<br />

1. Lebenswelten im Videospiel entdecken<br />

E<strong>in</strong>e oft genutzte Möglichkeit <strong>von</strong> K<strong>in</strong>dern ~<strong>in</strong>d<br />

Jugencllichen, ihre <strong>und</strong> fremde Lebenswelten<br />

mit Hilfe <strong>von</strong> Medien zu verstehen <strong>und</strong> sicli verfügbar<br />

zu machen, bietet das Bilderbuch: <strong>von</strong><br />

der K<strong>in</strong>derfibel bis zum Comic. Stellen Sie sich<br />

nun e<strong>in</strong> »Bilderbuch. vor. das viele bunte Abbildungen<br />

<strong>und</strong> e<strong>in</strong>e spannende Geschichte enthält.<br />

Mit Hilfe der Computertechnik werden<br />

diese Bilder nun >)lebencligi)THE SE-<br />

CRET C)F MONKEY ISLANDN (Ahl). 1 + 2). Das<br />

Spiel entfiihrt Sie <strong>in</strong> die Welt der Piraten. Ihr<br />

elektronischer Stellvertreter« <strong>in</strong> dieser Piratenwelt<br />

heil3t Guybrush Threepwood. Der<br />

sehnlichste Wunsch dieses jungen Mannes ist,<br />

Pirat zu werden. Dazu muß er drei Prüfungsaufsahen<br />

lösen: Fechten, Stehlen, Schatzsuchen.<br />

S<strong>in</strong>cl cliese Aufgaben gelöst, nluß er sich<br />

auf die Suche nach der entführten Gouverne~ir<strong>in</strong><br />

begeben. die sich auf ~Monkey Island« br-<br />

f<strong>in</strong>den soll. Zu guter Letzt gilt es. den Bösewicht<br />

EI Chuck zu besiegen, um danach das<br />

L<br />

Glück mit der Gouverneur<strong>in</strong> genießen zu können.<br />

Bis dah<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d es unendlich viele kle<strong>in</strong>e<br />

Schritte, die getan. <strong>und</strong> Kenntnisse, die erworben<br />

werden müssen: <strong>von</strong> treffenden Beleidigungen<br />

iiber den richtigen Umgang mit H<strong>und</strong>en.<br />

dem Anheuern e<strong>in</strong>er Mannschaft, dem<br />

Brauen e<strong>in</strong>er geheimnisvollen Suppe, de<strong>in</strong> Abfeuern<br />

e<strong>in</strong>er Kanone. der Fütterung e<strong>in</strong>es Affens,<br />

der Ause<strong>in</strong>andersetzung mit Kanibalen<br />

bis zu Abente~iern auf e<strong>in</strong>em Geisterschiff -<br />

um nur e<strong>in</strong>ige dieser vielen Schritte zu nennen'.<br />

Soweit die Spielgeschichte! Von se<strong>in</strong>er äuße-<br />

ren Form her ist D. . . MONKE'~ ISL,AND,Grafik-Adventurec>Text-Adventures« setzt diese<br />

Kontaktaufnahme ke<strong>in</strong>e langwierig zu tippenden<br />

Texte<strong>in</strong>gaben voraus. Mit Hilfe der ,>Maus>Mauszeigere: e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Pfeil) kann man<br />

1 Diesei- Artikel ist e<strong>in</strong>e weseiitlicli erweiterte <strong>und</strong> unif.<br />

,isscnd .. überarbeitete Fassung vom Kapitel ),Marclieii.<br />

Mythen <strong>und</strong> Traume i<strong>in</strong> Videospiel',Spezial Power Playt.. Tips & Tricks, Soiiderheft 1.<br />

Verlag Markt S Tccliriik. hliiricheii 1091. Inzwisclien<br />

gibt es aucli Büclier, iii denen <strong>in</strong>an H<strong>in</strong>weise für das<br />

Bestellen solclier Aheiitcuer f<strong>in</strong>den kann. E<strong>in</strong>e ganze<br />

Reihe dieser >>Logbiicher fiir Viileoiiaiitei<strong>in</strong> gibt der<br />

Sybcv Verlag <strong>in</strong> Diisseldorf heraus. Im nlucasfilm<br />

Games Ruch« (voii Kairicr Babiel UI-.d Patrick<br />

tal) tiiidet man i1.a. aucli wertvolle Bcdireilwiigeii.<br />

um iii der Welt <strong>von</strong> nhloiikey Isl:iiid,~ ~iireclirziikommen.


1<br />

e<strong>in</strong>en bcliebigen Gegenstand anwählen <strong>und</strong> erhält<br />

sofort e<strong>in</strong>e Auswahl an Hancilungsmöglichkeitcn,<br />

die man auf diesen Gegenstand anwenden<br />

könnte. Wählt man z.B. e<strong>in</strong>e Tür. ersche<strong>in</strong>t<br />

e<strong>in</strong> Auswahlmenii, auf dem das Verb »öffnen«<br />

hervorgelioben wird. Will man mit Personen <strong>in</strong>s<br />

Gespräch kommen, kann rnan mit Hilfe <strong>von</strong> anzuklickenden<br />

Ausu.ahlantworten unterschieciliche<br />

Dialoge führen. Nutzt der Spieler diese E<strong>in</strong>gabemöglichkeiten,<br />

erwacht das )>Bilderbuch(<<br />

zum Leben, e<strong>in</strong>em ,>LebenWelt« sich entfaltet, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Comp~iterprogramm festgelegt. In )).. . MONKEI.<br />

ISLAND>Erledigung«: „Bereicherung-,<br />

)>Prüfung <strong>und</strong> Bewährung.


Was kennzeichnet Videospiele ?<br />

Filmartige (oder buchartige) Handlungsfolgen, deren<br />

>>Gesetzmäßigkeiten>Handlungsbevollmächtigten


whmerzhaftes Feedbacks (also den »Bildschirm-Tode)<br />

ist hier bewußt verzichtet worden.<br />

Das .Bildschirm-Leben« selbst ist es. das Feedback<br />

gibt. Die Wirkungen se<strong>in</strong>es Verhaltens erfährt<br />

der Spieler durch die Reaktionen se<strong>in</strong>er<br />

Bildschirm-Umwelt .<br />

I<br />

6. bon der Irahaltlichkeir her beziehen sich Videospiele<br />

auf literarische Stoffe, auf den Film,<br />

auf Comics <strong>und</strong> auf Gesellschaftsspiele. So s<strong>in</strong>d<br />

bei ». . . MONKEY ISLANDC die Anleihen bei Märchen,<br />

Piratengeschichten, entsprechenden Filmen<br />

<strong>und</strong> Comics überdeutlich. Videospiele stehen<br />

<strong>in</strong> ihrer Inhaltlichkeit also nicht isoliert da.<br />

sondern s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>gewoben <strong>in</strong> e<strong>in</strong> massenmediales<br />

System mit festgelegten Mustern <strong>und</strong> Strukturen.<br />

Dies Iäßt sich recht gut a<strong>in</strong> Beispiel <strong>von</strong> der<br />

weitverzweigten Firmengruppe >,LucasArts Enterta<strong>in</strong>ment«<br />

zeigen: die auch das Videospiel<br />

». . . MONKEY ISLAND« entwickelt hat. Diese<br />

Firmengruppe hat <strong>in</strong> den letzten 1.5 Jahren systematisch<br />

die Bild- <strong>und</strong> Inhaltstraditionen, speziell<br />

der westlichen Welt, mit Hilfe neuer technischer<br />

Möglichkeiten <strong>in</strong> massenmediale Pro-<br />

dukte wie SF-Filme (z.B. >>Krieg der Sterne*)<br />

<strong>und</strong> Videospiele wirkungsvoll e<strong>in</strong>bezogen. Das<br />

Beispiel »LucasArts« zeigt, wie die Medien<br />

)5+ielfilm« <strong>und</strong> »Videospiel« immer mehr zu-<br />

sammenrücken <strong>und</strong> sich wechselseitig aufe<strong>in</strong>ander<br />

beziehen (so z. B. bei »INDIAN.A JoNEs,Leben« - wie im Märchen - zu e<strong>in</strong>em „guten<br />

Ende« br<strong>in</strong>gen: um viele »~ebenserfahrungen«,<br />

Kenntnisse <strong>und</strong> Fähigkeiten reicher. Die sieben<br />

Merkmzle <strong>von</strong> Videospielen s<strong>in</strong>d im Schaubild<br />

noch e<strong>in</strong>mal übersichtlich zusammengefaßt.<br />

Wir werden nun detaillierter erörtern, was<br />

sich h<strong>in</strong>ter den Bildern des Videospiels verbirgt,<br />

warum solche Fasz<strong>in</strong>ationskraft da<strong>von</strong> ausgehen<br />

kann <strong>und</strong> was Videospiele mit den Videospielern<br />

<strong>und</strong> ihrem Leben zu tun haben.<br />

Das erste, was man im Kontakt mit e<strong>in</strong>em Videospiel<br />

erlebt, s<strong>in</strong>d die Bilder <strong>und</strong> die Musik.<br />

Man kann sich <strong>von</strong> der Grafik, <strong>von</strong> den Farben,<br />

den e<strong>in</strong>zelnen Figuren, der Landschaft, der<br />

Animation angesprochen oder auch nicht anges~rochen<br />

fühlen. So beziehen sich montane Äii-<br />

Gerungen <strong>von</strong> K<strong>in</strong>dern <strong>und</strong> Jugendlichen zu den<br />

Videospielen zunächst auf den Bilde<strong>in</strong>druck:<br />

„Das Spiel hat e<strong>in</strong>e tolle Grafik; das Scroll<strong>in</strong>g<br />

ist e<strong>in</strong>fach Spitze!« (N., 16 Jahre alt). Die Qualität<br />

der Grafik ist maßgeblich dafür. ob die<br />

Bildwirkung <strong>von</strong> den Spielern als anschaulich,<br />

übersichtlich, orig<strong>in</strong>ell usw. empf<strong>und</strong>en wird.<br />

Der So<strong>und</strong> trägt zum ersten E<strong>in</strong>druck des Spiels<br />

viel bei: Ist die Klangqualität angenehm fürs<br />

Ohr? Paßt der So<strong>und</strong> gut zum Spiel? Ist er <strong>in</strong> der<br />

Lage, das spielerische verhalten angemessen zu<br />

unterstützen? Ist er abwechslungsreich oder<br />

eher monoton'?<br />

Die durch die Elemente Grafik, Animation<br />

<strong>und</strong> So<strong>und</strong> bee<strong>in</strong>flußte Oberflächenstruktur des<br />

Videospiels ist für K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Jugendliche so<br />

etwas wie der „erste E<strong>in</strong>druck«, der zumeist<br />

entscheidend ist, ob das Spiel angenommen wird<br />

oder nicht. Fällt dieser E<strong>in</strong>druck gut aus, besitzt<br />

das Spiel, unabhängig <strong>von</strong> der Spielgeschichte<br />

<strong>und</strong> den beigefügten Anleitungen, e<strong>in</strong>en hohen<br />

(primären) Aufforderungscharakter: Es signalisiert<br />

dem Spieler das <strong>in</strong>dividuelle Gefühl, daß es<br />

Spaß br<strong>in</strong>gen könnte. sich auf diese »Welt


Bonn, 1993<br />

© B<strong>und</strong>eszentrale {Ur politische Bildung<br />

Redaktion: Tilman Ernst (verantwortlich) Wolfgang Fehr,<br />

Jürgen Fritz, Susanne Hiegemann<br />

Diese Veröffentlichung stellt ke<strong>in</strong>e Me<strong>in</strong>ungsäußerung<br />

der B<strong>und</strong>eszentrale für poltische Bildung dar.<br />

Für die <strong>in</strong>haltlichen Aussagen tragen die Autoren die Verantwortung.<br />

Satzherstellung: Froitzheim . Bonn<br />

Druck: Graphischer Großbetrieb Pößneck (Thür<strong>in</strong>gen)<br />

ISBN 3-89331-182-3<br />

..


,SMANN<br />

: mit spracbarmen Medien - j<br />

n<br />

Inhalt<br />

ferbreitung jugend gefährden<br />

nis<br />

Vorwort<br />

E<strong>in</strong>leitung<br />

Kapitel A: Lebens- <strong>und</strong> Medienwelten <strong>von</strong> K<strong>in</strong>dern<br />

<strong>und</strong> Jugendlichen<br />

GEORG SEESSLEN<br />

Der S<strong>in</strong>nkrieg <strong>und</strong> das Computergame - die ganz alltäglicher<br />

Spielszenarien<br />

HANS~DIETER KÜBLER<br />

Jugendliche Medienwelten: ComputerweIten?<br />

Zur Veralltäglichung der Computernutzung <strong>und</strong> -bewertung<br />

bei K<strong>in</strong>dern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

Kapitel B: Video- <strong>und</strong> Computerspiele: Markt,<br />

Geschichte, Funktion, Spiel<strong>in</strong>halte <strong>und</strong> -nutzung<br />

I<br />

I<br />

I<br />

I<br />

WOLFGANG FEHR/JÜRGEN FRITZ<br />

Der Computer-Software-Markt - Was Software-Firmen beri<br />

WOLFGANG FEHR/JORGEN FRITZ<br />

Videospiele <strong>in</strong> der Lebenswelt <strong>von</strong> K<strong>in</strong>dern <strong>und</strong> Jugendlich(<br />

WOLFGANG FEHRIJÜRGEN FRITZ<br />

Videospiele <strong>und</strong> ihre Typisierung<br />

ANDREAS BEIERWALTES/BEITINA GREBE/KLAUS NEUMANN-I<br />

Indizierte Computerspiele - Markt <strong>und</strong> Spieler<br />

FRIEDEMANN SCHINDLER<br />

Computerspiele <strong>in</strong> der Hand <strong>von</strong> K<strong>in</strong>dern <strong>und</strong> Jugendlichel<br />

E<strong>in</strong>e Untersuchung über die Verbreitung <strong>und</strong> den Stellenwl<br />

problematischer Computerspiele<br />

HELMl:T KAMPE<br />

Menschenverachtung, Antisemitismus <strong>und</strong> Gewalt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

rechtsextremistischen Videospiel<br />

Kapitel C: Ansatzpunkte <strong>und</strong> Vorschläge<br />

für die pädagogische Praxis<br />

WOLFGANG FEHR/JCRGEN FRITZ<br />

Videospiele als medienpädagogische I Ierausforderung<br />

)<br />

DIETER GLAAP<br />

Kreativ Arbeiten mit Computern<br />

..


11cn <strong>und</strong> er­<br />

Ingsmöglichta<br />

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ler Spieler <strong>in</strong><br />

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<strong>und</strong> <strong>in</strong><br />

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Er<strong>in</strong>nerungen<br />

:; MO~KEY [s­<br />

• welches die<br />

s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong> wee<br />

bzw. buchare<strong>in</strong>er<br />

eigenen<br />

;keiten«, nach<br />

· s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

n » ... MONKEY<br />

vielfältige Szetlich<br />

durch das<br />

· den Programerwelt<br />

er<strong>in</strong>nert<br />

zum anderen<br />

I s<strong>in</strong>d deutliche<br />

:_s vorhan­<br />

· .tschaftssillrem<br />

visuellen<br />

ldungsprogram­<br />

(z. B. Textprorickfilmen,<br />

Büpieler<br />

auf die<br />

»elektronischen<br />

Bei » ... MONr<br />

des Guybrush<br />

gsbevollmächh<br />

verschiedene<br />

~, Tastatur) erdiesen<br />

»Bevollpie!.<br />

estimmte spiel­<br />

Bezug nehmen<br />

Und da wir gerade vI<br />

Bei »MoNKEY ISLAND« 1<br />

am »Tüfteln« haben, d. hl<br />

besitzen, durch Versuch/<br />

reichen Läsungswege ~<br />

Lösungswege s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> all<br />

»Iogisch« <strong>und</strong> entsprech1<br />

alltäglichen Verhaltenswl<br />

gerade der Reiz dieses<br />

Spiele: durch spieleris<br />

e<strong>in</strong>e mediale Welt zu ent<br />

ten zu lassen - sche<strong>in</strong>bal<br />

festgelegt empf<strong>und</strong>enen<br />

steht e<strong>in</strong> <strong>von</strong> der Erwacl<br />

ter »Spielraum«, <strong>in</strong> dem<br />

welten zum Spielen br<strong>in</strong>l<br />

j<br />

auf die Lebenshaltungd<br />

der Spieler (z. B. »Ij<br />

rung«, »Prüfung <strong>und</strong> I<br />

Auch <strong>in</strong> )> ••• MONKEY .<br />

dieser Muster, so z. B,<br />

rung«. Insbesondere ~<br />

sehen <strong>Gr<strong>und</strong>muster</strong> VC!<br />

gendliche die Spielwelt<br />

Lebenswelt. Wir werdl<br />

zurückkommen.<br />

4. Charakteristisches ~<br />

len s<strong>in</strong>d Leistungsford<br />

Art <strong>und</strong> auf untersc<br />

Videospielen geht es<br />

ord<strong>in</strong>ation <strong>von</strong> Auge<br />

schnelligkeit, »Coolne<br />

rungsvermögen <strong>und</strong> vi<br />

ISlAND« ist <strong>in</strong> se<strong>in</strong><br />

typisch für ),Grafik-A,<br />

sem Spiel voranzukoJ<br />

Auffassungsgabe, Spr<br />

tionsfähigkeit, Exper<br />

Streßresistenz gefordel<br />

5. E<strong>in</strong> besonderer RI<br />

die Feedback-Elemeni<br />

Spieler Rückmeldungc<br />

Spiel erhält. Durch d.<br />

hen sieht der Spieler u<br />

se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>gaben: Se<strong>in</strong><br />

(oder sie »stirbt«), da~'<br />

Besitz an Extras alle<br />

MONKEY ISLAND«m<br />

men, e<strong>in</strong>e Schwierigk<br />

Überlegung <strong>und</strong> Au. I<br />

WOLFGANG FEHRI J ÜRGEN FRlTZ<br />

Videospiele <strong>in</strong> der Lebenswelt <strong>von</strong> K<strong>in</strong>dern<br />

1. Lebenswelten im Videospiel entdecken<br />

E<strong>in</strong>e oft genutzte Möglichkeit <strong>von</strong> K<strong>in</strong>dern <strong>und</strong><br />

Jugendlichen, ihre <strong>und</strong> fremde Lebenswelten<br />

mit Hilfe <strong>von</strong> Medien zu verstehen <strong>und</strong> sich verfügbar<br />

zu machen, bietet das Bilderbuch: <strong>von</strong><br />

der K<strong>in</strong>derfibel bis zum Comic. Stellen Sie sich<br />

nun e<strong>in</strong> »)Bilderbuch« vor, das viele bunte Abbildungen<br />

<strong>und</strong> e<strong>in</strong>e spannende Geschichte enthält.<br />

Mit Hilfe der Computertechnik werden<br />

diese Bilder nun »lebendig«: Die Personen bewegen<br />

sich, H<strong>und</strong>e beUen, Türen öffnen sich. Es<br />

ist, als hätte man e<strong>in</strong>en Zeichentrickfilm vor<br />

sich. Und nicht nur das: Sie als Betrachter dieses<br />

»Bilderbuches« f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> der Gestalt e<strong>in</strong>es<br />

»elektronischen Stellvertreters« <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Hauptrolle<br />

<strong>in</strong> diesem Szenarium wieder, durchleben<br />

Abenteu(;!r, bestehen Bewährungsproben, lüsen<br />

knifflige Aufgaben, entdecken Geheimnisse <strong>und</strong><br />

treten <strong>in</strong> Kontakt zu anderen Spielfiguren. Ihre<br />

Gedanken, ihre Fähigkeiten, ihre Gefühle, ihr<br />

Wünschen <strong>und</strong> Wollen werden Teil dieses »Bil·<br />

derbuches«, das sich durch ihr spielerisches<br />

Handeln zu e<strong>in</strong>er Geschichte ausfaltet. Es ist Ihr<br />

Leben, das <strong>in</strong> diesem ,)Bilderbuch« erwacht; Ihr<br />

Verhalten bestimmt. wie die Geschichte ausgeht<br />

<strong>und</strong> ob es zu e<strong>in</strong>em guten Ende kommt. Der im<br />

Computerprogramm angelegte Keim e<strong>in</strong>er Geschichte<br />

wird zu Ihrer Geschichte. Was s<strong>in</strong>d das<br />

für Geschichten, die sich <strong>in</strong> den neuen »elektronischen<br />

Bilderbüchern« durch das Zutun <strong>von</strong><br />

Menschen entfalten, <strong>und</strong> was haben diese Geschichten<br />

mit den Lebenswelten <strong>von</strong> K<strong>in</strong>dern<br />

<strong>und</strong> Jugendlichen zu tun?<br />

Um dies besser zu verstehen, wollen wir uns<br />

nun mit e<strong>in</strong>er dieser Geschichten befassen.<br />

E<strong>in</strong>e sehr bekannte Geschichte heißt »THE SE­<br />

CRET OF MONKEY ISLAND« (Abb.l + 2). Das<br />

Spiel entführt Sie <strong>in</strong> die Welt der Piraten. Ihr<br />

»elektronischer Stellvertreter« <strong>in</strong> dieser Piratenwelt<br />

heißt Guybrush Threepwood. Der<br />

sehnlichste Wunsch dieses jungen Mannes ist,<br />

Pirat zu werden. Dazu muß er drei Prüfungs-<br />

• aufgaben lösen: Fechten, Stehlen. Schatzsuehen.<br />

S<strong>in</strong>d diese Aufgaben gelöst. muß er sich<br />

auf die Suche nach der entführten Gouverneur<strong>in</strong><br />

begeben, die sich auf »Monkey Island« be-<br />

48<br />

f<strong>in</strong>den soll. Zu<br />

wicht EI Chuck<br />

Glück mit der (<br />

nen. Bis dah<strong>in</strong><br />

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den Texte<strong>in</strong>gal<br />

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1 Dieser Artikt<br />

fassend über<br />

ehen. MytheJ<br />

J.: Spiele als<br />

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Garnes Bud<br />

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um <strong>in</strong> der<br />

kommen.


Was kennzeichnet Videospiele ?<br />

1. Filmartige (oder buchartige) Handlungsfolgen, deren<br />

»Gesetzmäßigkeiten« <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Computerprogramm<br />

festgelegt s<strong>in</strong>d.<br />

2. E<strong>in</strong>flußnahme des Spielers auf die Handlungsfolge<br />

durch e<strong>in</strong>en »Handlungsbevollmächtigten«<br />

(z. B. e<strong>in</strong>e Spielfigur) vermittels verschiedener E<strong>in</strong>gabegeräte<br />

(z. B. Joystick).<br />

3. Spieldynamische <strong>Gr<strong>und</strong>muster</strong>, die Bezug nehmen<br />

auf Lebenshaltungen <strong>und</strong> Handlungsmuster<br />

der Spieler (z.8. Erledigung, Bereicherung).<br />

4. Leistungsforderungen unterschiedlicher Art auf<br />

unterschiedlichen Niveaus.<br />

5. Feedback-Elemente, die Rückmeldungen über<br />

das Verhalten im Spiel geben.<br />

6. Rückgriffe auf handlungsorientierte Inhalte aus<br />

der Literatur, dem Film, dem Comic <strong>und</strong> <strong>von</strong> GeseIlschaftsspielen.<br />

7. Eigene mediale Welt, <strong>in</strong> der Selbst<strong>in</strong>szenierungen<br />

zu gewünschten Thematiken möglich werden.<br />

50


»schmerzhaftes Feedback« (also den ~)Bildschirm-Tod«)<br />

ist hier bewußt verzichtet worden.<br />

Das »Bildschirm-Leben« selbst ist es, das Feedback<br />

gibt. Die Wirkungen se<strong>in</strong>es Verhaltens erfährt<br />

der Spieler durch die Reaktionen se<strong>in</strong>er<br />

Bildschirm-Umwelt.<br />

6. Von der Inhaltlichkeit her beziehen sich Videospiele<br />

auf literarische Stoffe, auf den Film,<br />

auf Comics <strong>und</strong> auf Gesellschaftsspiele. So s<strong>in</strong>d<br />

bei » ... MONKEY ISLAND« die Anleihen bei Märchen,<br />

Piratengeschichten, entsprechenden Filmen<br />

<strong>und</strong> Comics überdeutlich. Videospiele stehen<br />

<strong>in</strong> ihrer Inhaltlichkeit also nicht isoliert da,<br />

sondern s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>gewoben <strong>in</strong> e<strong>in</strong> massenmediales<br />

System mit festgelegten Mustern <strong>und</strong> Strukturen.<br />

Dies läßt sich recht gut am Beispiel <strong>von</strong> der<br />

weitverzweigten Firmengruppe »LucasArts Enterta<strong>in</strong>ment«<br />

zeigen, die auch das Videospiel<br />

). .. MONKEY IsLAND« entwickelt hat. Diese<br />

Firmengruppe hat <strong>in</strong> den letzten 15 jahren systematisch<br />

die Bild- <strong>und</strong> Inhaltstraditionen, speziell<br />

der westlichen Welt, mit Hilfe neuer technischer<br />

Möglichkeiten <strong>in</strong> massenmediale Produkte<br />

wie SF-Filme (z. B. »Krieg der Sterne«)<br />

<strong>und</strong> Videospiele wirkungsvoll e<strong>in</strong>bezogen. Das<br />

Beispiel »LucasArts« zeigt, wie die Medien<br />

»Spielfilm« <strong>und</strong> »Videospiei« immer mehr zusammenrücken<br />

<strong>und</strong> sich wechselseitig aufe<strong>in</strong>ander<br />

beziehen (so Z.B. bei »INDfANA JONES«).<br />

7. Mit Hilfe dieser Merkmale entfaltet sich im<br />

Videospiel e<strong>in</strong>e eigene mediale Welt, die den<br />

Wünschen <strong>und</strong> Neigungen der Spieler entgegenkommt.<br />

Mit Hilfe <strong>von</strong> Videospielen s<strong>in</strong>d<br />

»Selbst<strong>in</strong>szenierungen« zu allen gewünschten<br />

Thematiken möglich. Bei »), .. MONKEY ISLAND«<br />

kann man <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er phantastischen Welt leben.<br />

sich dar<strong>in</strong> bewähren, Aufgaben erfüllen, Überraschendes<br />

erleben, sich durchsetzen <strong>und</strong> se<strong>in</strong><br />

»Leben« - wie im Märchen - zu e<strong>in</strong>em »)guten<br />

Ende« br<strong>in</strong>gen: um viele »Lebenserfahrungen«,<br />

Kenntnisse <strong>und</strong> Fähigkeiten reicher. Die sieben<br />

Merkmale <strong>von</strong> Videospielen s<strong>in</strong>d im Schaubild<br />

noch e<strong>in</strong>mal übersichtlich zusammengefaßt.<br />

Wir werden nun detaillierter erörtern, was<br />

sich h<strong>in</strong>ter den Bildern des Videospiels verbirgt.<br />

warum solche Fasz<strong>in</strong>ationskraft da<strong>von</strong> ausgehen<br />

kann <strong>und</strong> was Videospiele mit den Videospielern<br />

<strong>und</strong> ihrem Leben zu tun haben.<br />

2.2 Spielersche<strong>in</strong>ung<br />

Das erste, was man im Kontakt mit e<strong>in</strong>em Videospiel<br />

erlebt, s<strong>in</strong>d die Bilder <strong>und</strong> die Musik.<br />

Man kann sich <strong>von</strong> der Grafik, <strong>von</strong> den Farben,<br />

den e<strong>in</strong>zelnen Figuren, der Landschaft, der<br />

Animation angesprochen oder auch nicht a~~esprochen<br />

fühlen. So beziehen sich spontane Außerungen<br />

<strong>von</strong> K<strong>in</strong>dern <strong>und</strong> Jugendlichen zu den<br />

Videospielen zunächst auf den Bilde<strong>in</strong>druck:<br />

»Das Spiel hat e<strong>in</strong>e tolle Grafik; das Scroll<strong>in</strong>g<br />

ist e<strong>in</strong>fach Spitze!« (N., 16 Jahre alt). Die Qualität<br />

der Grafik ist maßgeblich dafür, ob die<br />

Bildwirkung <strong>von</strong> den Spielern als anschaulich,<br />

übersichtlich, orig<strong>in</strong>ell usw. empf<strong>und</strong>en wird.<br />

Der So<strong>und</strong> trägt zum ersten E<strong>in</strong>druck des Spiels<br />

viel bei: Ist die Klangqualität angenehm fürs<br />

Ohr? Paßt der So<strong>und</strong> gut zum Spiel? Ist er <strong>in</strong> der<br />

Lage, das spielerische Verhalten angemessen zu<br />

unterstützen? Ist er abwechslungsreich oder<br />

eher monoton?<br />

Die durch die Elemente Grafik, Animation<br />

<strong>und</strong> So<strong>und</strong> bee<strong>in</strong>flußte Oberflächenstruktur des<br />

Videospiels ist für K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Jugendliche so<br />

etwas wie der »erste E<strong>in</strong>druck«, der zumeist<br />

entscheidend ist, ob das Spiel angenommen wird<br />

oder nicht. Fällt dieser E<strong>in</strong>druck gut aus, besitzt<br />

das Spiel, unabhängig <strong>von</strong> der Spielgeschichte<br />

<strong>und</strong> den beigefügten Anleitungen, e<strong>in</strong>en hohen<br />

(primären) Aufforderungscharakter: Es signalisiert<br />

dem Spieler das <strong>in</strong>dividuelle Gefühl, daß es<br />

Spaß br<strong>in</strong>gen könnte, sich auf diese »Welt« e<strong>in</strong>zulassen,<br />

um dann <strong>in</strong> ihr e<strong>in</strong>ige »Ausfluge« zu<br />

unternehmen.<br />

». •. MONKEY ISLAND« besitzt zweifellos<br />

e<strong>in</strong>en hohen primären Aufforderungscharakter.<br />

Die Grafik ist sehr gelungen; die Bilderwelten<br />

s<strong>in</strong>d anschaulich, übersichtlich <strong>und</strong> machen neugierig.<br />

Die Bewegung der Figuren (Animation)<br />

ist fließend <strong>und</strong> recht realistisch. Der abwechslungsreiche<br />

So<strong>und</strong> paßt gut zur Spielgeschichte.<br />

Die Steuerungsmöglichkeiten s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>fach <strong>und</strong><br />

wirkungsvoll. Mith<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Spiel, bei dem man<br />

weitermachen will, wenn man erst e<strong>in</strong>mal damit<br />

angefangen hat. Ob man <strong>und</strong> wie lange man<br />

dann weiterspielt, hängt <strong>von</strong> ganz anderen Faktoren<br />

ab, die zwar <strong>in</strong> Abhängigkeit zur Oberflächenstruktur<br />

stehen, aber schon wesentlich<br />

mehr mit dem Spieler selbst <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Lebenssituation<br />

zu tun haben.<br />

2.3 Spiel<strong>in</strong>halt<br />

Grafik, Animation <strong>und</strong> So<strong>und</strong> werden nicht<br />

(nur) als optische <strong>und</strong> akustische Ersche<strong>in</strong>ungen<br />

wahrgenommen, sondern besitzen für die<br />

Spieler e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>haltliche Bedeutsamkeit. Der<br />

Spieler entschlüsselt (<strong>in</strong> je eigener Weise) die<br />

Symbolstruktur des Spiels <strong>und</strong> macht sie für sich<br />

verfügbar. Dieses »Aufschließen« der Symbolstruktur<br />

zielt darauf ab, die e<strong>in</strong>zelnen Symbole<br />

<strong>und</strong> ihr Zusammenwirken zu verstehen <strong>und</strong> das<br />

heißt: mit dem eigenen Symbolverständnis <strong>in</strong><br />

51


Beziehung zu setzen. Beispiel: Bei der Figur<br />

e<strong>in</strong>es alten Mannes mag man daran denken,<br />

daß diese Person lebenserfahren ist <strong>und</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Ratschläge geben kann. Taucht e<strong>in</strong>e solche Person<br />

auf, kann man se<strong>in</strong> spielerisches Handeln<br />

zunächst an diesem Symbolverständnis orientieren<br />

<strong>und</strong> z. B. im Spiel diese Figur »um Rat<br />

fragen«.<br />

Neben diesem allgeme<strong>in</strong>en Symbolverständnis<br />

löst der Spiel<strong>in</strong>halt auch <strong>in</strong>dividuelle Assoziationen<br />

bei den e<strong>in</strong>zelnen Spielern aus: Sie<br />

fühlen sich durch diese Spielfigur (diese Landschaft,<br />

diese Tiere <strong>und</strong> Bäume) an bestimmte<br />

Erfahrungen ihres Lebens <strong>und</strong> den damit verb<strong>und</strong>enen<br />

Wünschen <strong>und</strong> Ängsten er<strong>in</strong>nert. Die<br />

damit im Zusammenhang stehenden Gefühle<br />

<strong>und</strong> HandlungsbereitSChaften vergegenwärtigen<br />

sich. Der Spiel<strong>in</strong>halt als Auslöser <strong>von</strong> Assoziationen<br />

bewirkt, daß die Spieler beg<strong>in</strong>nen, e<strong>in</strong>en<br />

persönlichen Bezug zum Spiel herzustellen <strong>und</strong><br />

d. h.: sich selbst <strong>in</strong> das Spiel »e<strong>in</strong>zufädeln«.<br />

Die im Videospiel sich entfaltende Symbolstruktur<br />

ist häufig medialen Ursprungs: Figuren,<br />

Landschaften, Gegenstände haben Entsprechungen<br />

<strong>in</strong> Filmen, Comics, Karikaturen,<br />

Spielzeugfiguren. Durch das Videospiel kann<br />

die medial erzeugte »Welt der Symbole« szenisch<br />

verflüssigt werden <strong>und</strong> den Spieler e<strong>in</strong>beziehen.<br />

Ritter aus Märchengeschichten <strong>und</strong><br />

Fantasyfilmeri, bekannte Comicfiguren aus Bilderheften,<br />

Geister, Seeräuber <strong>und</strong> Indianer<br />

zeigen <strong>in</strong> ihrem Handeln, was <strong>in</strong> ihrer Symbolstruktur<br />

e<strong>in</strong>gelagert ist. Das bietet gerade<br />

K<strong>in</strong>dern <strong>und</strong> Jugendlichen gute Möglichkeiten,<br />

e<strong>in</strong>en spielerischen Bezug zu diesen medialen<br />

Welten herstellen zu können. Auf der anderen<br />

Seite verfestigen sich diese Welten, <strong>und</strong> ihre<br />

Etablierung verstärkt sich im Bewußtse<strong>in</strong>, <strong>in</strong><br />

den Gefühlen <strong>und</strong> im Handlungsspektrum <strong>von</strong><br />

K<strong>in</strong>dern <strong>und</strong> Jugendlichen.<br />

H<strong>in</strong>ter dem allgeme<strong>in</strong>en Symbolverständnis,<br />

h<strong>in</strong>ter den symbolorientierten Assoziationen<br />

<strong>und</strong> den medial hervorgebrachten Symbolen<br />

steckt häufig archetypisches Material: Gr<strong>und</strong>figuren<br />

aus der Kultur- <strong>und</strong> Geistesgeschichte der<br />

Menschheit, wie z. B. »die weise Frau«, »die<br />

Hexe«, »die Schlange«. »der Drachen«, die Bestandteile<br />

<strong>von</strong> Märchen, Sagen <strong>und</strong> Rittergeschichten<br />

s<strong>in</strong>d. Auf dieses >,Urgeste<strong>in</strong>« greifen<br />

die Videospiele zurück <strong>und</strong> nutzen es als »Baumaterial«<br />

für ihre Spiellandschaften.<br />

Die Bedeutung <strong>von</strong> Symbolen erschließt sich,<br />

wenn man den Spuren der Assoziationen folgend<br />

die Beziehungsstruktur der verschiedenen<br />

Symbole untere<strong>in</strong>ander <strong>in</strong> Blick nimmt. In welcher<br />

Beziehung steht z. B. der »weise Mann«<br />

zur »Hexe«, wie wirken »Drachen« <strong>und</strong> ,>jugendlicher<br />

Held« wechselseitig aufe<strong>in</strong>ander<br />

52<br />

e<strong>in</strong>? Wesensmerkmal dieser Strukturen s<strong>in</strong>d<br />

typisierte Szenen: HandlangsabWufe zwischen<br />

den symbolhaften Figuren, <strong>in</strong> denen sich das<br />

Besondere dieser Symbole überhaupt erst herausbilden<br />

kann. »Trägerschicht« dieser typisierten<br />

Szenen können, wie erwähnt, Märchen,<br />

Sagen <strong>und</strong> Rittergeschichten se<strong>in</strong>. Diese Erzählformen<br />

bilden das szenische Gerüst für die<br />

die Symbole bestimmenden Handlungsmuster.<br />

Das Videospiel setzt die Tradition <strong>und</strong> Funktion<br />

dieser Erzählformen fort, teilweise mit<br />

ähnlichen Inhalten (z. B. bei Fantasy-Games),<br />

teilweise mit <strong>in</strong>s Futuristische oder Simulative<br />

verschobenen Szenarien. H<strong>in</strong>ter den bunten<br />

Bildern steckt e<strong>in</strong>e Spielwelt, komponiert aus<br />

Versatzstücken, die den phantastischen Erzählstoffen<br />

entnommen ist. 3<br />

Bei » ... MONKEY ISLAND« tauchen Räuber,<br />

Piraten, Geister, Kanibalen, E<strong>in</strong>siedler ... auf;<br />

e<strong>in</strong> geheimnisvoller Trank wird gebraut: (frei<br />

nach Münchhausen) muß sich unsere Spielfigur<br />

bei e<strong>in</strong>em Ritt auf e<strong>in</strong>er Kanonenkugel bewähren.<br />

Um diese unterschiedlichen Sy-mbole bei<br />

e<strong>in</strong>em Videospiel <strong>in</strong> e<strong>in</strong> stimmiges szenisches<br />

Geschehen e<strong>in</strong>zubeziehen, s<strong>in</strong>d Regeln notwendig.<br />

2.4 Rege/dynamik<br />

Während bei Rollenspielen <strong>und</strong> szenischen Improvisationen<br />

die Regeln des Spiels Teil der<br />

Rollen <strong>und</strong> ihrer wechselseitigen Beziehungen<br />

s<strong>in</strong>d (die Rolle der »Hexe« hat e<strong>in</strong> begrenztes<br />

Verhaltensspektrum <strong>und</strong> typische Beziehungen<br />

zu anderen Rollenträgern), besitzen Videospiele<br />

genau festgelegte Regeln. So hat der Programmierer<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Programm e<strong>in</strong>deutig festgelegt,<br />

was <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten Situation. bei<br />

bestimmten Handlungen <strong>und</strong> zu e<strong>in</strong>er bestimmten<br />

Zeit zu geschehen hat. Beispiel: Steht die<br />

Spielfigur an e<strong>in</strong>em bestimmten Punkt <strong>und</strong> wird<br />

der Text »öffne Tür« e<strong>in</strong>gegeben. öffnet sich<br />

knarrend die Tür vom Wirtshaus.<br />

Bezogen auf die symbolische Ebene wird<br />

durch die Regeln e<strong>in</strong> szenischer Zusammenhang<br />

zwischen den symbolischen Bestandteilen<br />

des Videospiels hergestellt. Dieses Gefüge der<br />

Regeln sichert dem Spieler se<strong>in</strong>e Handlungsmöglichkeiten<br />

<strong>und</strong> damit die Chance. daß sich<br />

für ihn die Welt dieses Videospiels entfalten<br />

kann. Viele der gr<strong>und</strong>legenden Regeln zum Videospiel<br />

f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> der Spielanleitung. Die<br />

3 Weitere H<strong>in</strong>weise auf die symbolischen Bedeutungen<br />

<strong>von</strong> Videospielen f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> Voullieme. Helmut:<br />

Computer-Fasz<strong>in</strong>ation. Gesellschaft zur Förderung<br />

der Freizeitwissenschaft. Erkrath 1990. S. 89ff.<br />

..


spiel wichtigen Details zum Regelgefüge des<br />

Spiels erschließen sich K<strong>in</strong>dern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

jedoch erst durch die Spielpraxis. Das<br />

heißt: probieren <strong>und</strong> üben, um diese Welt der<br />

Regeln zu verstehen, um sich <strong>in</strong> ihr angemessen<br />

verhalten zu können.<br />

Für die Akzeptanz e<strong>in</strong>es Videospiels <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Gesamtheit reicht es nicht aus, grafisch attraktive<br />

Symbole für den Spieler bereitzuhalten.<br />

Die Regeldynamik muß vielmehr so gestaltet<br />

werden, daß es dem Spieler Spaß macht, diese<br />

Symbolik szenisch zu entfalten. Zum Spaß gehört<br />

zunächst, daß das Spiel Spannung bereitet;<br />

Es ist ungewiß, was als nächstes kommt; die<br />

Aufgaben s<strong>in</strong>d verwickelt, <strong>und</strong> es ist nicht <strong>von</strong><br />

vornhere<strong>in</strong> entschieden, ob es dem Spieler gel<strong>in</strong>gt,<br />

sie zu lösen. Zum Spaß am Spiel gehören<br />

die dem Spieler angemessenen Leistungsforderungen:<br />

nicht zu leicht <strong>und</strong> nicht zu schwierig;<br />

langsam im Schwierigkeitsgrad steigend; <strong>von</strong><br />

der Art her möglichst unterschiedliche Forderungen.<br />

Wichtig ist, daß die Regeldynamik Abwechslungsreichtum<br />

bewirkt <strong>und</strong> dem Spieler<br />

angemessen viel Handlungsmöglichkeiten zur<br />

Verfügung stellt. Nichts ist öder, als immer die<br />

gleichen Verrichtungen tun zu müssen. Gleichwohl<br />

kann es aber auch lustvoll se<strong>in</strong>, durch das<br />

Spiel <strong>in</strong> bereits bewältigten Szenarien se<strong>in</strong>e Leistungsfähigkeit<br />

bestätigt zu bekommen <strong>und</strong> anregende<br />

<strong>und</strong> witzige Effekte wiederholen zu<br />

können.<br />

Das >,Leben« im Spiel muß spürbar schnell<br />

ablaufen. Sehen die Regeln (oder Unzulänglichkeiten<br />

im Programm) lange Wartezeiten<br />

vor, wird dies den Spaß am Spiel deutlich m<strong>in</strong>dern.<br />

Für die Atmosphäre e<strong>in</strong>es Spiels kann es wesentlich<br />

se<strong>in</strong>, daß die Regeln <strong>und</strong> die durch sie<br />

bewirkte Regeldynamik <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Entsprechungsverhältnis<br />

zur Symbolstruktur stehen.<br />

Für e<strong>in</strong> »Auto« müssen andere Regeln (Festlegungen)<br />

bestehen als für e<strong>in</strong>en })Berg


Im Videospiel geht es wie <strong>in</strong> phantastischen<br />

Erzählstoffen zu: Aus jedem abgeschlagenen<br />

(»erledigten«) Kopf des Drachen wachsen zwei<br />

neue nach - schnel1er, als man es gedacht hätte.<br />

Der Erledigungszwang wird zum Selbstzweck -<br />

wie im Videospiel. so auch im außermedialen<br />

Leben. Während K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Jugendliche im Videospiel<br />

diese Erledigungssituation freiwillig suchen,<br />

werden "je <strong>in</strong> ihrem realen T .ehen mit Erledigungssituationen<br />

konfrontiert, denen sie<br />

zum Teil nicht ausweichen können.<br />

Warum »verlängern« K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Jugendliche<br />

die durch Erledigungszwang gekennzeichnete<br />

Lebenssituation bis <strong>in</strong> das Videospiel h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>?<br />

Möglicherweise erleben K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Jugendliche<br />

gerade im Videospiel e<strong>in</strong>e <strong>von</strong> ihnen gewünschte<br />

Entlastung des Alltagsdrucks: »Beim<br />

Abschießspiel kann man auch schon mal Frust<br />

los werden« (Aussage e<strong>in</strong>es 15jährigen Gymnasialschiilers).<br />

K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Jugendliche gew<strong>in</strong>nen<br />

im Spiel Distanz zu den Mustern ihrer realen<br />

Lebenssituationen, weil sie im Spiel die Akteure<br />

s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> selbstbestimmt entscheiden können, ob<br />

<strong>und</strong> wie lange sie spielen wollen. Es ist aber<br />

auch durchaus möglich, daß K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Jugendliche<br />

vom Muster der Erledigung so stark (<strong>und</strong><br />

lraumalisil::rend) geprägt s<strong>in</strong>d. daß sie immer<br />

wieder (<strong>und</strong> auch im Spiel) darauf zurückkommen<br />

müssen.<br />

In der Regel ist es jedoch so, daß K<strong>in</strong>der <strong>und</strong><br />

Jugendliche die Spielmuster wählen. <strong>in</strong> denen<br />

sie erfolgreich se<strong>in</strong> können. Dieses Erfolgreichse<strong>in</strong><br />

im Videospiel kann dabei durchaus im Gegensatz<br />

stehen zu negativen Erfahrungen <strong>in</strong> realen<br />

Lebenssituationen. In diesem Falle könnte<br />

das Videospiel e<strong>in</strong>e Art Kompensation darstellen<br />

zu wenig erfolgreichen Handlungsmustern<br />

im Leben. Beispiel: E<strong>in</strong> Schüler, der die ErJedigungsanforderungen<br />

<strong>in</strong> Schule <strong>und</strong> Elternhaus<br />

(Hausaufgaben. schulische Leistungen, Wünsche<br />

der Eltern) nur unzureichend nachkommen<br />

kann. könnte <strong>in</strong> der »Erledigung« <strong>von</strong> "Welt·<br />

raum<strong>in</strong>vasoren« das Maß an Selbstbestätigung<br />

"erspielen«, das ihm <strong>von</strong> se<strong>in</strong>er Umwelt verwehrt<br />

wird.<br />

2. E<strong>in</strong> universelles <strong>Gr<strong>und</strong>muster</strong> <strong>von</strong> Rege]­<br />

spielen ist Kampf. Wir kennen es z. B. vom Fußball<br />

<strong>und</strong> vom Tennis. Dieses Muster taucht auch<br />

bei vielen Videospielen auf. »Kampf« bedeutet<br />

e<strong>in</strong>e aggressive Ause<strong>in</strong>andersetzung mit e<strong>in</strong>em<br />

potentiell gleichwertigen Gegner, e<strong>in</strong>em Gegner.<br />

der ähnliche Handlungsmöglichkeiten zur<br />

Verfügung hat wie ich selbst. Die Besonderheit<br />

des <strong>Gr<strong>und</strong>muster</strong>s »Kampf« liegt <strong>in</strong> der Interaktivität:<br />

In me<strong>in</strong> eigenes Handeln muq ich das<br />

mögliche Handeln me<strong>in</strong>es Gegenübers stets e<strong>in</strong>beziehen;<br />

<strong>und</strong> das gesamte Handeln dient dem<br />

Zweck, die eigenen Handlungsmöglichkeiten zu<br />

vergrößern <strong>und</strong> zu verbessern <strong>und</strong> die des Gegenübers<br />

e<strong>in</strong>zuschränken.<br />

Bei Brettspielen f<strong>in</strong>det sich dieses Gr<strong>und</strong>rnuster<br />

z. B. <strong>in</strong> »Schach« <strong>und</strong> »Dame« wieder.<br />

Videospiele orientieren sich an diesem <strong>Gr<strong>und</strong>muster</strong><br />

nicht nur bei Schlacht- <strong>und</strong> Kriegssimulationen,<br />

sondern auch bei Wirtschaftsspielen<br />

<strong>und</strong> den Simulationen (<strong>und</strong> Weiterfiihrungen)<br />

<strong>in</strong>teraktiver Brettspiele.<br />

In diesem <strong>Gr<strong>und</strong>muster</strong> (<strong>und</strong> damit auch <strong>in</strong><br />

den <strong>von</strong> ihm bestimmten Videospielen ) spiegeln<br />

sich wesentliche Handlungsbereitschaften des<br />

Menschen wider: sich gegen andere Menschen,<br />

Gruppierungen <strong>und</strong> Völker zu behaupten - <strong>von</strong><br />

»weichen« Bee<strong>in</strong>flussungsstrategien bis zu kriegerischen<br />

Ause<strong>in</strong>andersetzungen, <strong>von</strong> Kaufverhandlungen<br />

über Werbestrategien bis h<strong>in</strong> zur<br />

Zerschlagung konkurrierender Großkonzerne,<br />

<strong>von</strong> e<strong>in</strong>em Roxkampf his h<strong>in</strong> 7.U »Völkerschlachten«.<br />

Offensichtlich ist dieses <strong>Gr<strong>und</strong>muster</strong><br />

stark auf den »Überlebenskampf« des Mensehen<br />

bezogen.<br />

K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Jugendliche haben e<strong>in</strong> Interesse.<br />

sich mit Gleichwertigen <strong>in</strong> ihrem Leistungsvermögen<br />

zu messen. Dabei kann es sich um sport­<br />

Ikhl:! Ldslungen <strong>und</strong> um aggres~ive Ause<strong>in</strong>andersetzungen<br />

genauso handeln. wie um e<strong>in</strong>en<br />

geistigen Wettkampf. Durch den Leistungsvergleich<br />

ist es den K<strong>in</strong>dern <strong>und</strong> Jugendlichen möglich,<br />

ihren Standort im Vergleich zu anderen auf<br />

verschiedenen Ebenen bestimmen zu können.<br />

Das hat Auswirkungen auf ihren Platz <strong>in</strong> der<br />

Gruppe.<br />

Im Videospiel wird e<strong>in</strong> neuer Leistungsbereich<br />

eröffnet: die Ause<strong>in</strong>andersetzung mit<br />

e<strong>in</strong>em )}gleichwenigen« Computergegner. Ihn<br />

gilt es, im Fußball, im Tennis, beim Boxkampf<br />

oder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Panzerschlacht zu schlagen. K<strong>in</strong>der<br />

<strong>und</strong> Jugendliche empf<strong>in</strong>den großen Reiz.<br />

den Computer zu »besiegen«. Noch lieber als<br />

der Computergegner ist den K<strong>in</strong>dern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

e<strong>in</strong> menschlicher Gegner, mit dem<br />

sie sich über e<strong>in</strong> Videospiel ause<strong>in</strong>andersetzen<br />

können. So bietet e<strong>in</strong>e Sportsimulation, wie<br />

z. B. )}GREAT COURTS« (Abb.3 + 4j, die Möglichkeit,<br />

daß zwei Spieler gegene<strong>in</strong>ander e<strong>in</strong><br />

Tennis-Match bestreiten können.<br />

3. Eng mit dem <strong>Gr<strong>und</strong>muster</strong> >,Kampf« verb<strong>und</strong>en<br />

ist das Muster »Verbreitung«: Das spiele·<br />

rische Handeln zielt darauf ab, die eigenen<br />

E<strong>in</strong>flußgebiete zu vergrößern <strong>und</strong> die eigene<br />

Verbreitung zu sichern gegen den Widerstand<br />

des »Computergegners« oder e<strong>in</strong>es menschlichen<br />

Gegenübers. In sehr komplexen Wirtschaftsspielen,<br />

bei denen Wirtschaftsimperien<br />

aufgebaut werden, oder bei futuristischen<br />

54


e)<br />

Spielgeschichten, deren Thematik sich auf die<br />

Gründung <strong>und</strong> Erweiterung <strong>von</strong> »Sternenreichen«<br />

bezieht, trifft man auf dieses <strong>Gr<strong>und</strong>muster</strong>.<br />

Spiele dieser Art spiegeln etwas <strong>von</strong><br />

dem eigenen »Territorialitä.tsverhalten«: sich<br />

Wohnraum zu erkämpfen, Macht <strong>und</strong> E<strong>in</strong>fluß <strong>in</strong><br />

Firmen <strong>und</strong> Verwaltungen zu vergrößern - bis<br />

h<strong>in</strong>ab zu Techniken der Körpersprache, das<br />

eigene »Revier« im Raum oder am Tisch abzustecken,<br />

zu verteidigen <strong>und</strong> zu vergrößern.<br />

Beim Videospiel »CIVILIZATION« (Abb. 5 + 6)<br />

geht es beispielsweise darum, e<strong>in</strong> eigenes Reich<br />

zu bilden <strong>und</strong> gegen den Widerstand verschiedener<br />

»Nachbarn« auszudehnen. Wer es weniger<br />

kriegerisch möchte, kann bei »RAILROAD<br />

TYcOON« se<strong>in</strong>e Ausdehnungswünsche bei der<br />

Entwicklung e<strong>in</strong>er Eisenbahngesellschaft ausdrücken.<br />

4. Weltweit <strong>in</strong> Regelbeispielen verbreitet ist das<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>muster</strong> Ordnung. Der Spieler bemüht<br />

sich, die <strong>von</strong> den Regeln her geforderten Ordnungsvorstellungen<br />

zu verwirklichen, wie z. B.<br />

beim Puzzle, dessen E<strong>in</strong>zelteile er zu e<strong>in</strong>er vorgegebenen<br />

Struktur zusammenfügen muß. Bei<br />

Videospielen taucht »Ordnung« <strong>in</strong>sbesondere<br />

bei abstrakt wirkenden Spielen auf. Die Spielaufgabe<br />

besteht meist dar<strong>in</strong>, E<strong>in</strong>zelteile nach<br />

ausgeklügelten Regeln zu bestimmten Ordnungen<br />

zusammenzufügen, z. B. vorgegebene Modelle<br />

<strong>von</strong> Molekülen durch geschicktes Verschieben<br />

<strong>von</strong> )}Atomen« zu bilden (wie »ATO­<br />

MIX« (Abb. 7 + 8) <strong>und</strong> )}ATOMINO«).<br />

In diesem seit Jahrtausenden bekannten<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>muster</strong> spiegelt sich das Bemühen der<br />

Menschen, Ordnungsvorstellungen zu entwikke<strong>in</strong>,<br />

danach zu leben <strong>und</strong> sie gegen Widerstände<br />

<strong>und</strong> Schwierigkeiten durchzusetzen. Die<br />

Ordnungsvorstellungen der Menschheit reichen<br />

<strong>in</strong> alle Bereiche h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> (auch <strong>und</strong> gerade <strong>in</strong> den<br />

Bereich des Computers). Ohne dieses <strong>Gr<strong>und</strong>muster</strong>,<br />

das nicht nur <strong>in</strong> Spielen, sondern auch<br />

<strong>in</strong> Mythologien <strong>und</strong> Märchen auftaucht, wäre<br />

menschliche Kultur nicht mögliCh gewesen.<br />

Ordnung hat etwas damit zu tun, sich e<strong>in</strong>e<br />

komplexe Wirklichkeit verfügbar zu machen.<br />

Entlang des gesellschaftlichen Vorgaben entstehen<br />

dabei recht unterschiedliche Muster. die<br />

vielfach starr, aber häufig auch ziemlich <strong>in</strong>dividuell<br />

auf die e<strong>in</strong>zelnen Menschen <strong>und</strong> ihre Bedürfnisse<br />

zugeschnitten se<strong>in</strong> können.<br />

Im Videospiel geht es darum, e<strong>in</strong>e vorgegebene<br />

OrdnungsvoTStellung (z. B. die Bauweise<br />

<strong>von</strong> Atomen) durch geschicktes Verhalten, d. h.<br />

durch Zusammenfügen e<strong>in</strong>zelner Moleküle, zu<br />

bilden. Es geht also nicht darum, eigene Ordnungsvorstellungen<br />

zu entwickeln, sondern effektive<br />

Wege zu f<strong>in</strong>den. die feststehenden Ordnungsmuster<br />

zu erreichen. Von e<strong>in</strong>er solchen<br />

spielerischen Aufgabe fühlen sich viele K<strong>in</strong>der<br />

<strong>und</strong> Jugendliche nicht angesprochen. Spiele dieser<br />

Art s<strong>in</strong>d ihnen zu anstrengend <strong>und</strong> bieten, da<br />

sie meist recht abstrakt s<strong>in</strong>d, wenig Anknüpfungspunkte<br />

für ihre medialen <strong>und</strong> außennedialen<br />

Erfahrungen. Andere K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Jugendliche<br />

(häufig s<strong>in</strong>d es Mädchen) bevorzugen Spiele<br />

dieser Art, weil sie ihrem Wunsch nach e<strong>in</strong>er erreichbaren<br />

Ordnung entsprechen <strong>und</strong> sie<br />

dadurch e<strong>in</strong> Gefühl <strong>von</strong> Sicherheit erfahren<br />

können.<br />

5. Das <strong>Gr<strong>und</strong>muster</strong> des Ziel/aufs, das wir <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Spiel wie )}MENSCH-ÄRGERE-DICH-NIClIT«<br />

unschwer ausmachen können, hat über die<br />

Jahrtausende nichts an se<strong>in</strong>er Bedeutung e<strong>in</strong>gebüßt<br />

<strong>und</strong> f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> vielen Videospielen wieder.<br />

Man denke nur an Auto- <strong>und</strong> Motorradrennen<br />

<strong>und</strong> an zahlreiche Comic-Adventures, bei<br />

denen man rechtzeitig ans Ziel kommen muß.<br />

»Ziellauf« bedeutet, se<strong>in</strong>e Spielfigur über alle<br />

Gefahren <strong>und</strong> H<strong>in</strong>dernisse h<strong>in</strong>weg (<strong>und</strong> schneller<br />

als die Konkurrenten) <strong>in</strong>s Ziel zu br<strong>in</strong>gen.<br />

Zielläufe s<strong>in</strong>d typische Handlungsmuster <strong>von</strong><br />

Menschen <strong>in</strong> allen Zeiten ihrer Entwicklung.<br />

Man setzt sich Ziele <strong>und</strong> bemüht sich, sie zu erreichen:<br />

zu e<strong>in</strong>em bestimmten Ort zu gelangen,<br />

e<strong>in</strong>en Gegenstand zu bekommen, e<strong>in</strong>en Vertragsabschluß<br />

zuwege zu br<strong>in</strong>gen oder e<strong>in</strong>e Position<br />

zu erlangen <strong>und</strong> andere dar<strong>in</strong> zu überr<strong>und</strong>en<br />

- dies s<strong>in</strong>d nach wie vor wesentliche Muster<br />

menschlichen Hanuelns.<br />

Im Videospiel steigt der Spieler zwar <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Symbolstruktur e<strong>in</strong>, die sich deutlich <strong>von</strong> der<br />

se<strong>in</strong>es täglichen Lebens unterscheidet~ <strong>in</strong> der<br />

Dynamik gleichen sich jedoch Spiel <strong>und</strong> außermediales<br />

Leben: Beide s<strong>in</strong>d vom Handlungsmuster<br />

bestimmt, rasch ans Ziel zu kommen <strong>und</strong><br />

dabei schneller zu se<strong>in</strong> als andere.<br />

6. Um Bereicherung geht es <strong>in</strong> fast allen Videospielen.<br />

Überall kann man etwas »ergattern«:<br />

Punkte, Extraleben, Sonderausrfistungen, ausgesuchte<br />

Fähigkeiten <strong>und</strong> viel, viel Geld. Damit<br />

spiegeln Videospiele etwas <strong>von</strong> dem wider, was<br />

beherrschendes Pr<strong>in</strong>zip unserer Gesellschaft geworden<br />

ist: sich an Menschen. Gütern <strong>und</strong> der<br />

Natur rücksichtslos <strong>und</strong> ohne Skrupel zu bereichern<br />

<strong>und</strong> alles Handeln unter e<strong>in</strong>er Kosten­<br />

Nutzen-Rechnung zu kalkulieren. Während <strong>in</strong><br />

Mythen <strong>und</strong> Märchen die Bereicherung häufig<br />

e<strong>in</strong>en negativen Beigeschmack erhält oder <strong>in</strong><br />

kritischer Absicht bloßgestellt wird, lassen Videospiele<br />

dies vennissen: »Bereicherung ohne<br />

Reue« ist zu e<strong>in</strong>em besonderen »Genuß« bei<br />

Videospielen geworden. Die Spiele spiegeln <strong>in</strong><br />

der ungebrochenen Inszenierung dieses Gr<strong>und</strong>-<br />

55


musters problematische Tendenzen unserer ',\'tiren<br />

produzierenden (<strong>und</strong> umweltvernichtenden )<br />

Gesellschaft wider.<br />

»Bereicherung« bedeutet nicht nur, »materiellen<br />

Gew<strong>in</strong>n« im Videospiel zu erlangen. In<br />

sehr vielen Spielen kann sich der Spieler <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en<br />

Halldlungsmöglichkeiten, d.h. <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

spielerischen Macht, Spielr<strong>und</strong>e um Spielr<strong>und</strong>e<br />

verbessern. Kann er beispielsweise se<strong>in</strong>e Spielfigur<br />

zunächst nur recht langsam bewegen, verändert<br />

sich dieser Zustand, wenn es dem Spieler<br />

gel<strong>in</strong>gt, entsprechende »Bonuspunkte« zu erlangen.<br />

Viele Spiele s<strong>in</strong>d darauf angelegt, daß sich<br />

der Spieler nach <strong>und</strong> nach mit recht unterschiedlichen<br />

Zusatzfähigkeiten »aufrüstet«. Er »bereichert«<br />

sich z. B. mit Extrawaffen. SchutzschiIden,<br />

verbesserten Antrieben, Tarnkappen <strong>und</strong><br />

erlangt damit die Chance, die Spielforderungen<br />

besser zu erfüllen.<br />

Diese Dynamik <strong>in</strong> den Videospielen korrespondiert<br />

recht deutlich mit der Lebenssituation<br />

<strong>von</strong> K<strong>in</strong>dern <strong>und</strong> Jugendlichen. Im Laufe ihres<br />

Lebens vermehren <strong>und</strong> verbessern sie ihre Fähigkeiten<br />

<strong>und</strong> schaffen damit die Voraussetzung.<br />

den Anforderungen des Lebens zu genügen.<br />

7. Kommen wir nun noch zum <strong>Gr<strong>und</strong>muster</strong><br />

der Prüfung <strong>und</strong> Bewährung. In unserem Beispiel<br />

» ... MONKEY ISLAND« f<strong>in</strong>den wir durchgängig<br />

dieses Pr<strong>in</strong>zip wieder. Stets steht unsere<br />

handlungstragende Figur vor dem Erfordernis,<br />

e<strong>in</strong>e Prüfungs- <strong>und</strong> Bewährungssituation zu bestehen:<br />

Wie komme ich an den H<strong>und</strong>en vorbei?<br />

Wie besiege ich den Fechtmeister? Was muß<br />

ich tun, um das Schiff zu kaufen? Wie besiege<br />

ich den bösen Geist? Alle komplexeren Adventures<br />

besitzen mehr oder weniger deutlich das<br />

Muster der Prüfung <strong>und</strong> Bewährung. Während<br />

die meisten dieser Adventures bei Nichtbestehen<br />

<strong>von</strong> Prüfungs- <strong>und</strong> Bewährungsaufgaben<br />

e<strong>in</strong>en »Bildschirm-Tod« verhängen, gibt » •••<br />

MONKEY ISLAND« dem Spieler immer wieder<br />

neu die Chance, sich <strong>in</strong> Prüfungssituationen zu<br />

bewähren: Ke<strong>in</strong>e Fehlentscheidung des Spielers<br />

führt zum Spielabbruch. Dies kommt den Bedürfnissen<br />

<strong>von</strong> K<strong>in</strong>dern <strong>und</strong> Jugendlichen entgegen,<br />

die sich e<strong>in</strong>en streßfreien Spielraum für<br />

vielfältige Experimente wünschen <strong>und</strong> den sie<br />

für ihre Persönlichkeitsentwicklung dr<strong>in</strong>gend<br />

benötigen.<br />

Unser Leben <strong>in</strong> dieser Gesellschaft ist durchzogen<br />

<strong>von</strong> viel faltigen Prüfungen <strong>und</strong> Bewahrungssitu8tionen.<br />

die unsere Weiterentwicklung<br />

bestimmen <strong>und</strong> die auf unser Schicksal E<strong>in</strong>fluß<br />

haben. Dies gilt <strong>in</strong>sbesondere für· Menschen <strong>in</strong><br />

den Industrienationen. Hier hat sich e<strong>in</strong> unendliches<br />

Band <strong>von</strong> »Initiationsriten« etabliert, mit<br />

56<br />

dessen Hi!fe der Zugang zu attraktiven Positionen.<br />

Berufs- <strong>und</strong> Privatrollen kanalisiert wird.<br />

Im Videospiel kann der Spieler se<strong>in</strong>e diesbezüglichen<br />

Lebensh<strong>in</strong>tergründe mit unterschiedlichen<br />

Symbolsystemen <strong>in</strong>szenieren <strong>und</strong> damit<br />

zum Gegenstand <strong>von</strong> Spaß <strong>und</strong> Vergnügen werden<br />

lassen.<br />

Die hier erläuterten sieben <strong>Gr<strong>und</strong>muster</strong><br />

s<strong>in</strong>d die wesentlichen dynamischen <strong>und</strong> damit<br />

handlungsleitenden Elemente der Tiefenstruktur<br />

<strong>von</strong> Videospielen. In neueren <strong>und</strong> relativ<br />

komplexen Videospielen treten diese <strong>Gr<strong>und</strong>muster</strong><br />

vielfach nicht e<strong>in</strong>zeln <strong>und</strong> isoliert auf.<br />

Vielmehr besitzen sie e<strong>in</strong>e Mischung <strong>von</strong> verschiedenen<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>muster</strong>n. So f<strong>in</strong>den wir z. B.<br />

<strong>in</strong> dem Spiel »C!VILIZATION« neben der »Verbreitung«<br />

auch »Kampf«, »Erledigung« <strong>und</strong><br />

»Bereicherung«.<br />

Die spieldynamische Gestalt steht <strong>in</strong> deutlichem<br />

Bezug zum Spiel<strong>in</strong>halt <strong>und</strong> zur Regeldynamik.<br />

Schauen wir uns dieses Wechselverhältnis<br />

nun etwas genauer an.<br />

2.6 Strukturmodell der Videospiele<br />

Im Schaubild s<strong>in</strong>d vier wichtige Kriterien bei der<br />

Beurteilung <strong>von</strong> Videospielen zusammengefaßt:<br />

(I) Spielersche<strong>in</strong>ung, (2) Spiel<strong>in</strong>halt, (3) Regeldynamik<br />

<strong>und</strong> (4) Spieldynamik. Diese vier<br />

Bereiche, die für die Untersuchung <strong>von</strong> Videospielen<br />

wichtig s<strong>in</strong>d, sollte man nicht isoliert<br />

<strong>von</strong>e<strong>in</strong>ander sehen. Sie stehen vielmehr <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em wechselseitigen Steuerungs- <strong>und</strong> Bed<strong>in</strong>gungsverhältnis.<br />

Die Spielersche<strong>in</strong>ung bildet die<br />

Oberflächenstruktur, die jedoch nur dann S<strong>in</strong>n<br />

macht, wenn ihr sowohl e<strong>in</strong> angemessener Spiel<strong>in</strong>halt<br />

als auch e<strong>in</strong>e darauf bezogene Regeldynamik<br />

zugr<strong>und</strong>e liegt. Regeldynamik <strong>und</strong> Spiel<strong>in</strong>halt<br />

steuern sich wechselseitig <strong>und</strong> br<strong>in</strong>gen sich<br />

wechselseitig hervor.<br />

Der Spiel<strong>in</strong>halt »Piratenabenteuer« bei }) ...<br />

MONKEY ISLAND« muß zunächst <strong>von</strong> se<strong>in</strong>er Ersche<strong>in</strong>ung<br />

(also <strong>von</strong> der Grafik <strong>und</strong> dem<br />

So<strong>und</strong>) so präsentiert werden, daß er auf den<br />

ersten Blick ansprechend <strong>und</strong> verständlich wird<br />

<strong>und</strong> Motivation freisetzt, sich mit dem Spiel<strong>in</strong>halt<br />

<strong>und</strong> der ihr zugr<strong>und</strong>eliegenden Symbolstruktur<br />

zu befassen (e<strong>in</strong>zelne Figuren <strong>und</strong> ihre<br />

Bedeutung; wichtige Gegenstände <strong>und</strong> ihre<br />

Funktion). Diese Ause<strong>in</strong>andersetzung f<strong>in</strong>det<br />

nur statt, wenn sich die Symbolstruktur (also<br />

das Beziehungsgeftige aller SymboltTäger) entfalten<br />

kann. Dazu bedarf es im Videospiel<br />

bestimmter auf den Spiel<strong>in</strong>halt bezogener Regeln.<br />

Zudem muß die Spielstruktur den Fähigkeiten<br />

<strong>und</strong> Möglichkeiten des Spielers entgegenkommen.<br />

..


Kriterien für die Beurteilung<br />

<strong>von</strong> Videospielen<br />

I Spielersche<strong>in</strong>ung I<br />

be<strong>in</strong>haltet bei Videospielen die Grafik, den<br />

So<strong>und</strong>, die Animation, die Spielanleitung: Beurteilung<br />

der Bildstruktur, des Blickw<strong>in</strong>kels,<br />

der Qualität <strong>und</strong> Funktion des So<strong>und</strong>s. Wirkungen<br />

der Spielersche<strong>in</strong>ung wie Anschaulichkeit<br />

<strong>und</strong> Übersichtlichkeit s<strong>in</strong>d wichtige<br />

Punkte.<br />

I Spiel<strong>in</strong>halt<br />

stellt Symbolisierungen dar <strong>und</strong> knüpft <strong>in</strong>haltlich<br />

an Lebensbezüge <strong>und</strong> Lebenssituationen<br />

des Menschen (mediale wie außermediale)<br />

an. Es geht um a) Inhaltsbezüge, b) Roltenangebote<br />

<strong>und</strong> c) Handlungsträger <strong>und</strong> -symbole.<br />

-!<br />

Regeldynamik<br />

entfalten Spielwirkungen wie Spannung (Intervallspannung,<br />

F<strong>in</strong>alspannung), Abwechslungsreichtum,<br />

Handlungsmöglichkeiten (Handlungsform,<br />

Handlungsforderungen, Handlungsmuster),<br />

Spielfluß, Komplexität, Variationsmögfichkeiten,<br />

Spielstufen <strong>und</strong> Schwierigkeitsgrade.<br />

I Spieldynamik<br />

bildet Gr<strong>und</strong>strukturen <strong>und</strong> Muster gesellschaftlichen<br />

Hande<strong>in</strong>s ab, wie z. B. Erledigung,<br />

Kampf, Verbreitung, Bereicherung,<br />

ZieilauflVorwärtskommen, Ordnung, Prüfung!<br />

Bewährung, Armierung/Verstärkung.<br />

..<br />

57


Struktur <strong>von</strong> Videospielen<br />

Spielersche<strong>in</strong>ung<br />

(Oberflächenstruktur)<br />

Spiel<strong>in</strong>halt<br />

(Symbolstruktur)<br />

Regeldynamik<br />

(Spielstruktur)<br />

Spieldynamik<br />

(Tiefenstruktur)<br />

,Ir<br />

11r<br />

<strong>in</strong>haltlich<br />

bestimmte<br />

lebenssituationen<br />

des Menschen<br />

. Gr<strong>und</strong>strukturen<br />

... ge$~tlscI)aftfichedHaijg~lns<br />

Regeln <strong>und</strong><br />

Normendes<br />

meöstiblknen<br />

~Vemalt~ns<br />

58


Dem Gefüge <strong>von</strong> Spielersche<strong>in</strong>ung, Spiel<strong>in</strong>halt<br />

<strong>und</strong> Regeldynamik ist als Tiefenstruktur die<br />

Spieldynamik zugeordnet. In der Spieldynamik<br />

»kondensiert« sich, was Symbole <strong>und</strong> Regeln <strong>in</strong><br />

ihrem Zusammenwirken als gr<strong>und</strong>legende Verhaltensorientierungen<br />

im Spiel hervorbr<strong>in</strong>gen.<br />

Die spieldynamische Gestalt ist der Kristallisationspunkt<br />

für das spielerische Handeln. Das<br />

handlungsorientierte Verständnis des Spiels ist<br />

an diese Gestalt geb<strong>und</strong>en. Die Symbole des<br />

Spiels s<strong>in</strong>d das »Spielmaterial«, das sich um diesen<br />

Kristallisationspunkt ordnet. Die Spielstruktur<br />

liefert die Regeln, nach denen dieser Ordnungsprozeß<br />

stattf<strong>in</strong>den kann. Regeldynamik<br />

<strong>und</strong> Spiel<strong>in</strong>halt konstituieren durch ihr Wechselverhältnis<br />

die Spieldynamik <strong>und</strong> werden zugleich<br />

<strong>von</strong> dieser Spieldynamik bestimmt.<br />

E<strong>in</strong> Spiel wie »... MONKEY ISLAND« erschließt<br />

sich dem Verständnis erst dann, wenn<br />

klar ist, daß die handlungstragende Spielfigur<br />

Prüfungs- <strong>und</strong> Bewährungssituationen zu bestehen<br />

hat <strong>und</strong> daß das spielerische Handeln genau<br />

diesem Ziel dient. Die e<strong>in</strong>zelnen Symbole (<strong>von</strong><br />

den Spielfiguren bis zu den Gegenständen) s<strong>in</strong>d<br />

das »Spielmaterial« für die e<strong>in</strong>zelnen Szenen,<br />

die <strong>in</strong> ihrem Ablauf <strong>und</strong> <strong>in</strong> ihren Regeln durch<br />

die Regeldynamik bestimmt werden. Und auch<br />

diese Regeln s<strong>in</strong>d so gefaßt, daß sie das <strong>Gr<strong>und</strong>muster</strong><br />

»Prüfung <strong>und</strong> Bewährung« hervorbr<strong>in</strong>gen<br />

können.<br />

Damit e<strong>in</strong> Spiel Spaß br<strong>in</strong>gt, damit Spieler<br />

<strong>von</strong> Spiel<strong>in</strong>halt, Regeldynamik <strong>und</strong> Spieldynamik<br />

angesprochen werden, muß dies alles etwas<br />

mit diesen Spielern zu tun haben. Und <strong>in</strong> der<br />

Tat gibt es deutliche Verb<strong>in</strong>dungen zwischen<br />

den Bestandteilen e<strong>in</strong>es Videospiels <strong>und</strong> den<br />

Lebensh<strong>in</strong>tergründen der Spieler. Die Symbolstruktur<br />

erschließt sich nur dann, wenn Bezüge<br />

bestehen zu Lebenssituationen des Menschen.<br />

Der Spieler muß wissen, was Piraten s<strong>in</strong>d, wie<br />

sie aussehen <strong>und</strong> was es bedeutet, »Pirat« zu<br />

se<strong>in</strong>. In der Regeldynamik des Spiels f<strong>in</strong>det sich<br />

etwas <strong>von</strong> den Regeln <strong>und</strong> Normen menschlichen<br />

Verhaltens wieder. die der Spieler bislang<br />

(medial <strong>und</strong> außermedial) kennengelernt hat. In<br />

der Spieldynamik schließlich begegnen ihm<br />

Gr<strong>und</strong>strukturen gesellschaftlichen Hande<strong>in</strong>s,<br />

die sich <strong>in</strong> ihm selbst ausgeprägt haben <strong>und</strong> die<br />

er tagtägliCh <strong>in</strong> unterschiedlichen Situationen<br />

ausdifferenzieren muß, um se<strong>in</strong> Überleben zu sichern.<br />

Mit anderen Worten: Damit e<strong>in</strong> Spieler<br />

<strong>von</strong> e<strong>in</strong>em Spiel fasz<strong>in</strong>iert ist, muß er sich dar<strong>in</strong><br />

wiederf<strong>in</strong>den können: »Computerspiele stehen<br />

im Kontext zum Alltag <strong>und</strong> zur Lebenssituation<br />

des Spielers, zu se<strong>in</strong>en Vorlieben, Charaktereigenschaften,<br />

Fähigkeiten, Defiziten. Insofern ist<br />

es aufschlußreich, sich mit der Frage zu beschäftigen,<br />

warum Computerspieler e<strong>in</strong>e Vorliebe für<br />

diese oder jene Gruppe entwickeln«.5<br />

Das »Entgegenkommen« des Spiels muß also<br />

auf e<strong>in</strong>e entsprechende »Erwartung« des Spie.<br />

lers stoßen. Wie vermitteln sich nun das Entgegenkommen<br />

des Spiels <strong>und</strong> die Erwartungen bei<br />

K<strong>in</strong>dern <strong>und</strong> Jugendlichen? Wenn sich Entgegenkommen<br />

<strong>und</strong> Erwartung treffen, entsteht<br />

Fasz<strong>in</strong>ation bei den Spielern: Sie f<strong>in</strong>den sich mit<br />

. wesentlichen Anteilen <strong>und</strong> Aspekten ihrer Person<br />

im Spiel wieder. Was dies genau heißen<br />

kann, wollen wir im nächsten Abschnitt genauer<br />

<strong>in</strong> Blick nehmen.<br />

e III. Was fasz<strong>in</strong>iert am Videospiel?<br />

E<strong>in</strong> Spieler ist <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em Videospiel fasz<strong>in</strong>iert,<br />

wenn das Entgegenkommen des Spiels sich weitgehend<br />

mit den Erwartungen des Spielers deckt.<br />

Was bedeutet nun »Entgegenkommen« <strong>und</strong> was<br />

ist »Erwartung«?<br />

3.1 »Entgegenkommen« des Videospiels<br />

Unter »Entgegenkommen« des Spiels verstehen<br />

wir <strong>in</strong> diesem Zusammenhang das Motivierungspotential<br />

e<strong>in</strong>es Spiels, also die Summe all dessen,<br />

was an Reiz <strong>und</strong> Herausforderung im Spiel<br />

steckt. Was macht dieses »Entgegenkommen«<br />

5 Poeplau, Wolfgang: Monster, Macht <strong>und</strong> Mordmasch<strong>in</strong>en,<br />

Peter Hammer Verlag, Wupperta11992, S.l46.<br />

des Videospiels aus? Zunächst kann man dieses<br />

Entgegenkommen <strong>von</strong> den e<strong>in</strong>zelnen Elementen<br />

»Spielersche<strong>in</strong>ung«, »Spiel<strong>in</strong>halt«, »Regeldynamik«<br />

<strong>und</strong> »Spieldynamik« her beschreiben.<br />

Durch e<strong>in</strong>e attraktive Oberfläche, e<strong>in</strong>en ansprechenden<br />

So<strong>und</strong>, e<strong>in</strong>en anregenden Spiel<strong>in</strong>halt,<br />

e<strong>in</strong>e Spannung <strong>und</strong> Abwechslung erzeugende<br />

Regcldynamik sowie e<strong>in</strong>e verständliche spieldynamische<br />

Gestalt kommt das Spiel dem Spieler<br />

»entgegen«.<br />

Wie wir zuvor zeigen konnten, bilden diese<br />

vier Elemente lediglich so etwas wie »Eckpunkte«<br />

e<strong>in</strong>es mehrdimensional »aufgespannten«<br />

Feldes, <strong>in</strong> dem die unterschiedlichen Bestimmungskräfte<br />

des Spiels zue<strong>in</strong>ander <strong>in</strong> wechselseitige<br />

Beziehungen treten. Dieses Feld ist<br />

durch se<strong>in</strong>e fonnbildende Eigenschaft gekenn-<br />

59


zeichnet. Die unterschiedlichen E<strong>in</strong>flüsse (die<br />

sich den e<strong>in</strong>zelnen Elementen zuordnen lassen)<br />

bilden e<strong>in</strong>e Kraftzone, die Fonnen hervorbr<strong>in</strong>gt,<br />

die für den Menschen <strong>in</strong> den Dimensionen<br />

se<strong>in</strong>es Erlebens verständlich s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> an die<br />

er <strong>in</strong> vielfältiger Weise anknüpfen kann.<br />

In den Videospielen erblickt der Spieler<br />

Aspekte der verwirrenden Vielfalt se<strong>in</strong>es Lebens.<br />

Er erhält Zugang zu e<strong>in</strong>er magischen<br />

Welt, <strong>in</strong> der die Gesetze se<strong>in</strong>er Welterfahrung<br />

außer Kraft gesetzt s<strong>in</strong>d oder sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er seltsam<br />

veränderten Weise Geltung verschaffen.<br />

Das Spiel bietet ihm klare Handlungsmuster<br />

<strong>und</strong> Zugänge zum Verständnis <strong>und</strong> zu den Regeln<br />

der Welt. Die Spiele enthalten zugleich realistisch<br />

anmutende <strong>und</strong> fiktive Bestandteile. Sie<br />

spiegeln e<strong>in</strong>e besondere Sichtweise der Welt wider,<br />

<strong>in</strong> der die Bestandteile der Realität symbo·<br />

lisch verdichtet s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> daher wesentlich mehr<br />

ausdrücken, als es bei oberflächlicher Betrachtung<br />

zu se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t. Der drachenartige »Invader«<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Abschießspiel ist e<strong>in</strong>e »<strong>in</strong>szenierte<br />

Metapher« sowohl für Bedrohung <strong>und</strong> Gefährdung,<br />

für Fantastik <strong>und</strong> andere Welt, für Luft·<br />

angriff <strong>und</strong> Krieg als auch für Arbeitsdiszipl<strong>in</strong><br />

<strong>und</strong> »Erledigungszwang« (<strong>und</strong> für vieles andere<br />

mehr).<br />

Märchen, Mythen <strong>und</strong> Sagen s<strong>in</strong>d die »Trägerschichten«<br />

des Videospiels, <strong>in</strong> denen sich die<br />

Symbole »auskristallisieren« können. Die Symbole<br />

selbst s<strong>in</strong>d im Videospiel <strong>in</strong> szenische Arrangements<br />

e<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>en, <strong>in</strong> denen sich das <strong>in</strong><br />

ihnen Kristallisierte verflüssigen kann. Der<br />

Spieler spielt mit den Symbolen, <strong>und</strong> <strong>in</strong>dem er<br />

ihre Möglichkeiten nutzt, entfaltet sich das Spiel<br />

als Märchen, Mythos oder Sage. Dar<strong>in</strong> wird der<br />

Spieler selbst zur handlungstragenden <strong>und</strong> spielentscheidenden<br />

Figur.<br />

Märchen, Mythen <strong>und</strong> Sagen s<strong>in</strong>d nicht <strong>von</strong><br />

ungefähr das Ergehnis eies Formhile<strong>in</strong>ngsprozesses<br />

bei der Entwicklung <strong>von</strong> Videospielen. Das<br />

Videospiel ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>ern ~>morphischen Feld«6<br />

entstanden, das die Programmierer <strong>und</strong> Designer<br />

dieses Spiels durch ihre Personen <strong>und</strong> ihre<br />

Lebensh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>e errichtet haben. Die Le·<br />

benserfahrungen dieser Spielhersteller s<strong>in</strong>d (bewußt<br />

oder unbewußt) mit der sich im Spiel entwickelnden<br />

Symbolik <strong>und</strong> Dynamik verschränkt<br />

worden <strong>und</strong> beziehen sich sehr häufig auf massenmediale<br />

Produkte (siehe z. B. LucasArts).<br />

Symbolik <strong>und</strong> Dynamik, Bilder <strong>und</strong> Regeln haben<br />

sich aus dem gebildet, was als »Er<strong>in</strong>nerung«<br />

bei den Spielentwicklern vorhanden ist. Das sich<br />

entwickelnde Spiel hat diese Informationen<br />

»empfangen« <strong>und</strong> bewahrt sie <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Symbolen<br />

<strong>und</strong> Regeln als »Keim« e<strong>in</strong>er möglichen medialen<br />

Welt auf, bereit, aus diesem »Keim« die<br />

»Welt« szenisch entstehen zu lassen.<br />

60<br />

Aus den Lebenserfahrungen der Menschen<br />

haben sich Märcheil <strong>und</strong> rviythcn gebildet, die<br />

über viele Generationen bis zum heutigen Tage<br />

»vererbt« wurden. Was s<strong>in</strong>d die Gründe dafür?<br />

In der Er<strong>in</strong>nerung der Menschen entsteht e<strong>in</strong><br />

»Gewohnheitsmuster«, e<strong>in</strong>e Erzählstruktur, die<br />

beibehalten wird, weil sich <strong>in</strong> ihr die Erfahrungswerte<br />

der Menschen »aufbewahren« lassen.<br />

Dies gilt auch für das Videospiel. Es ist (<strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>er Eigenschaft als Datenspeicher) e<strong>in</strong> »Gedächtnis<br />

menschlicher Erfahrungen«, das die Informationen<br />

<strong>in</strong> symbolisch-szenischer Weise<br />

aufbewahren kann. Durch das Spiel verflüssigen<br />

sich diese Erfahrungen, füllen sich die Symbole<br />

mit Leben <strong>und</strong> werden durch das Handeln verständlich.<br />

Es entfaltet sich e<strong>in</strong> Szenarium, das<br />

Handlungsmuster <strong>und</strong> Erfahrungswerte der<br />

Menschen spielbar <strong>und</strong> damit nachvollziehbar<br />

werden läßt.<br />

3.2 »Erwartung« der Videospieler<br />

Mit »Erwartung« der Videospieler s<strong>in</strong>d die Motivkonstellationen<br />

<strong>von</strong> K<strong>in</strong>dern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

geme<strong>in</strong>t: ihre handlungsauslösenden<br />

Strukturen, das, was sie <strong>von</strong> sich dazu br<strong>in</strong>gt.<br />

sich dem Videospiel zuzuwenden. Und dies tun<br />

sie nur, wenn sie etwas <strong>in</strong> dem Spiel f<strong>in</strong>den, das<br />

e<strong>in</strong>en so starken Impuls auslöst, daß die Wirkung<br />

anderer Reize dagegen verblaßt. Im<br />

Gr<strong>und</strong>e erwarten K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Jugendliche, daß<br />

sie im Spiel (<strong>und</strong> durch das Spiel) »leben« <strong>und</strong><br />

sich )entfalten« können, daß sie Teilhabe erlangen<br />

an der Fülle <strong>und</strong> Komplexität ihrer<br />

Welt. Indern K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Jugendliche sidl dem<br />

Videospiel zuwenden, machen sie im Gr<strong>und</strong>e<br />

nichts anderes als K<strong>in</strong>der früherer Generationen,<br />

die über das Lesen <strong>von</strong> Märchen <strong>und</strong><br />

Mythen an Werten, Normen, Verhaltensmustern<br />

<strong>und</strong> Handlungsorientierungen teilhaben<br />

wollten. Wie Märchen <strong>und</strong> Mythen b<strong>in</strong>den<br />

die Videospiele die Symbolstruktur an dynamische<br />

Gr<strong>und</strong>strukturen wie }}Bereicherung«,<br />

»Kampf«, »Prüfung <strong>und</strong> Bewährung« usw. <strong>und</strong><br />

aktualisieren damit die Verweisungszusammenhänge<br />

<strong>von</strong> Symbolik <strong>und</strong> Dynamik. Sie sprechen<br />

an, was so oder so ähnlich im Leben des Spielers<br />

vorhanden ist. Aus diesem Gr<strong>und</strong> können sich<br />

6 Dieser Begriff wird <strong>in</strong> bewußter Anlehnung an die<br />

gleichnamige Begriffsverwendung <strong>von</strong> Rupert Sheldrake<br />

(»Die Wiedergeburt der Natur«, Scherz Verlag.<br />

Bero, München <strong>und</strong> Wien 1991) genutzt. Sheldrake<br />

verwendet diesen Begriff für Felder. <strong>in</strong> denen<br />

selbstorganisierende Systeme aller Komplexitätsgrade<br />

(Moleküle. Kristalle. Zellen, Gewebe. Organismen.<br />

Gesellschaften) ihre Gestalt ausbilden <strong>und</strong><br />

bewahren.<br />

...


die Spieler auch mit ihren Gefühlen, Erfahrungen,<br />

Handlungsmustern <strong>und</strong> Lebensh<strong>in</strong>tergründen<br />

<strong>in</strong> den Spielen wiederf<strong>in</strong>den.<br />

Auf e<strong>in</strong>er eher unbewußten Ebene erleben<br />

die Spieler das Videospiel als »ihr« Leben. Es<br />

steht ihnen als Märchen, Mythos oder Sage gegenüber.<br />

Und <strong>in</strong>dem sie das Spiel entfalten, entfalten<br />

sie sich selbst im Spiel. Das durch Menschen<br />

errichtete »Feld« des Videospiels wird so<br />

zu e<strong>in</strong>em Aspekt e<strong>in</strong>es größeren »Feldes«, das<br />

die Selbstorganisation des Menschen bis h<strong>in</strong><br />

zu se<strong>in</strong>er Lebensentfaltung <strong>und</strong> Identitätsbildung<br />

strukturiert. Videospiele s<strong>in</strong>d kristall<strong>in</strong>e<br />

Formbildungen aus der Entwicklungsgeschichte<br />

der Menschheit, die sich <strong>von</strong> <strong>Gr<strong>und</strong>muster</strong>n<br />

menschlichen Verhaltens über archetypische<br />

Symbole bis h<strong>in</strong> zu Versatzstücken aus medialen<br />

Welten erstrecken können. In den Prismen dieser<br />

Kristalle spiegelt sich der Spieler mit dem,<br />

was er wurde, was er heute ist <strong>und</strong> was an Möglichkeiten<br />

<strong>in</strong> ihm steckt.<br />

Wenn vom »Entgegenkommen des Spiels«<br />

<strong>und</strong> der »Erwartung des Spielers« gesprochen<br />

wird, so me<strong>in</strong>t dies, daß die Märchen, Mythen<br />

<strong>und</strong> Sagen im Videospiel dem Spieler entgegenkommen<br />

im H<strong>in</strong>blick auf se<strong>in</strong>e Erwartung, im<br />

Spiel die eigene Lebensentfaltung voranzubr<strong>in</strong>gen.<br />

Das schließt auch <strong>und</strong> gerade die Ause<strong>in</strong>andersetzung<br />

mit Konflikten, die <strong>in</strong> der Lebenswelt<br />

des K<strong>in</strong>des <strong>und</strong> Jugendlichen auftreten,<br />

mit e<strong>in</strong>. Das Videospiel stellt für vielfältige<br />

Konfliktstrukturen (Macht/Ohnmacht, Fre<strong>und</strong>/<br />

Fe<strong>in</strong>d, reich/arm, erfolglos/erfolgreich) symbolische<br />

Austragungsmöglichkeiten bereit. Insofern<br />

kann man Videospiele sowohl als Machtmodelle<br />

als auch als Konfliktlösungsmodelle<br />

ansehen. 7 Schauen wir uns nun anhand e<strong>in</strong>iger<br />

Interviews exemplarisch an, wie sich Motivkonstellationen<br />

<strong>von</strong> Spielern <strong>und</strong> Motivierungspotentiale<br />

<strong>von</strong> Spielen zue<strong>in</strong>ander <strong>in</strong> Beziehung<br />

setzen <strong>und</strong> bei den Spielern zu spezifischen<br />

Spielvorlieben führen. 8<br />

3.3 Spielvorlieben <strong>und</strong> ihre Motive<br />

a) Typisch für die Ause<strong>in</strong>andersetzung mit<br />

Macht <strong>und</strong> Ohnmacht <strong>in</strong> Videospielen s<strong>in</strong>d die<br />

Vorlieben <strong>von</strong> M., e<strong>in</strong>em zwölf jährigen türkischen<br />

Jungen aus Köln. Da er schon zweimal<br />

7 Vgl. hierzu Fritz, Jürgen: Theorie <strong>und</strong> Pädagogik des<br />

Spiels, Juventa Verlag. We<strong>in</strong>heim <strong>und</strong> München<br />

1991, S. 24 ff.<br />

8 Die Interviews wurden im Rahmen e<strong>in</strong>es Forschungsprojekts<br />

,,videospiele mit Jugendlichen erproben« im<br />

Sommer 1992 an der Fachhochschule Köln <strong>in</strong> Zusammenarbeit<br />

mit Kölner K<strong>in</strong>der· <strong>und</strong> Jugende<strong>in</strong>richtungen<br />

durchgeführt.<br />

e<strong>in</strong>e Klasse wiederholen mußte <strong>und</strong> er somit<br />

viel älter ist als se<strong>in</strong>e Klassenkameraden, fühlt<br />

er sich nach eigenen Angaben nicht besonders<br />

wohl <strong>in</strong> der Schule. E<strong>in</strong> Liebl<strong>in</strong>gsspiel <strong>von</strong> ihm<br />

ist das <strong>in</strong>zwischen <strong>von</strong> der B<strong>und</strong>esprüfstelle <strong>in</strong>dizierte<br />

Spiel »TECHNO CoP


spielen. Dies hängt mit se<strong>in</strong>er Lebenswelt unmittelbar<br />

zusammen. F. ist aktives Mitglied<br />

e<strong>in</strong>es Fußballvere<strong>in</strong>s <strong>und</strong> f<strong>in</strong>det sich daher <strong>in</strong><br />

Sport-Simulationen wie z. B. >,OLYMPIC-WINTER­<br />

GAMES« gut wieder. Fähigkeiten <strong>und</strong> Verhaltensweisen,<br />

die beim aktiven Sport belohnt werden,<br />

wie z. B. Ausdauer, regelmäßiges Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g,<br />

Anstrengungsbereitschaft, Geschicklichkeit,<br />

werden auch <strong>in</strong> entsprechenden Sportsimulationen<br />

honoriert. Hier wie dort kann man mit der<br />

Aktivität sofort beg<strong>in</strong>nen, weil man versteht,<br />

um was es geht: »)Reizvoll an Sponsimulationen<br />

ist, daß man sofort loslegen kann <strong>und</strong> nicht ewig<br />

zu überlegen braucht.«<br />

Die Thematik des Sportspiels wird <strong>von</strong> F.<br />

durch prägende mediale Erfahrungen deutlich<br />

überformt. Bei »OL YMPIC-WINTER-GAMES« wird<br />

der Spieler aufgefordert. der jeweiligen Spielfigur<br />

se<strong>in</strong>en Namen zu geben. Anstatt daß F. nun<br />

se<strong>in</strong>en Namen e<strong>in</strong>gibt. wählt er den Namen »Arnold«<br />

(Schwarzenegger). Den Mitspieler nennt<br />

er unaufgefordert »Rambo«. Er sieht <strong>in</strong> dem<br />

Sportspiel die Fortsetzung e<strong>in</strong>es imag<strong>in</strong>ären Action-Abenteuers,<br />

<strong>in</strong> dem zwei »Superhelden«<br />

die Kräfte mite<strong>in</strong>ander messen. Dies bestätigt<br />

sich <strong>in</strong>sofern, als F. das Anschauen <strong>von</strong> Action­<br />

Filmen als se<strong>in</strong>e Liebl<strong>in</strong>gsbeschäftigung angibt.<br />

Während des Spiels wirkt F. extrem angespannt<br />

<strong>und</strong> nervös. Er feiert jeden Sieg mit e<strong>in</strong>em großen<br />

Freudenschrei , so. als müßte er sich Luft<br />

machen nach der großen Anspannung.<br />

Im Verlauf des Gesprächs stellt sich heraus,<br />

daß F., neben Sportsimulationen. duellhafte<br />

Kampfspiele bevorzugt. Er möchte jedoch nicht<br />

als aggressiv bzw. stupide abgestempelt werden.<br />

Während F. sich im Spiel stark mit dem<br />

Geschehen auf dem Bildschirm identifiziert, <strong>in</strong><br />

die Rolle e<strong>in</strong>es >~Superhelden« h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>schlüpft<br />

<strong>und</strong> das Spiel <strong>in</strong> dieser Rolle durchlebt, verwendet<br />

er später ke<strong>in</strong>en Gedanken mehr daran<br />

<strong>und</strong> distanziert sich gar da<strong>von</strong>: »Ich spiele eben<br />

nur zum Spaß <strong>und</strong> hab' ke<strong>in</strong>e Lust, später noch<br />

darüber nachzudenken. Eigentlich f<strong>in</strong>de ich die<br />

Spiele h<strong>in</strong>terher ja selber blöde.'< Mitspieler<br />

s<strong>in</strong>d für ihn vor allem Gegner. an denen er sich<br />

messen kann <strong>und</strong> die es <strong>in</strong> jedem Falle zu besiegen<br />

gilt.<br />

Vergleicht man nun F. mit dem vorherigen<br />

Jugendlichen M., ergeben sich, trotz e<strong>in</strong>iger Geme<strong>in</strong>samkeiten<br />

bei der Bevorzugung bestimmter<br />

Videospiele • doch e<strong>in</strong>ige bemerkenswerte<br />

Unterschiede. M., der <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Lebenswelt viel<br />

mehr Mißerfolge <strong>und</strong> Ablehnung erfährt, setzt<br />

im Videospiel se<strong>in</strong>e Aggressionen <strong>und</strong> Enttäuschungen<br />

wesentlich direkter <strong>und</strong> unverhüllter<br />

um. Es gel<strong>in</strong>gt ihm nicht <strong>in</strong> dem Maße wie<br />

F., e<strong>in</strong>e wettbewerbsorientiert -spielerische Distanz<br />

zum Spiel herzustellen. Während F. <strong>in</strong> den<br />

62<br />

<strong>von</strong> ihm gewählten VideospIelen lediglich e<strong>in</strong>e<br />

attraktive Ergänzung se<strong>in</strong>er sonstigen Freizeitaktivitäten<br />

sieht, s<strong>in</strong>d für M. diese Spiele<br />

wichtiger Ausdruck se<strong>in</strong>er frustierenden Lebenssituation.<br />

Auf e<strong>in</strong>er symbolisch-spielerischen<br />

Ebene wird e<strong>in</strong>e ihm mögliche Bewältigungsstrategie<br />

se<strong>in</strong>er Problematik angeboten.<br />

Die Art, wie <strong>in</strong>tensiver diese nutzt, macht<br />

deutlich. wie wenig andere Möglichkeiten ihm<br />

sonst gegeben s<strong>in</strong>d.<br />

Aggressiv anmutende Videospiele haben<br />

durchaus problematische Aspekte. Bedenken<br />

muß man jedoch dabei, daß es letztlich nicht die<br />

Spiele s<strong>in</strong>d, die aggressiv machen, sondern die<br />

Lebenssituationen, die den Spieler zw<strong>in</strong>gen, auf<br />

die <strong>in</strong> diesen Spielen enthaltenen Muster zurückzugreifen.<br />

Andererseits können diese Muster<br />

geeignet se<strong>in</strong>, Verhaltensdispositionen, die<br />

Ausdruck der frus·ierenden Lebenssituation<br />

s<strong>in</strong>d. zu festigen <strong>und</strong> verhaltenswirksam werden<br />

zu lassen.<br />

c) Neben den Duellen zwischen »gleichwertigen«<br />

Gegnern gibt es auch kämpferische Spielformen,<br />

bei denen die »Erledigung« im Mittelpunkt<br />

steht. »TURRICAN 1I« (Abb.11 + 12) ist<br />

e<strong>in</strong> solches Spiel. <strong>und</strong> E. ist e<strong>in</strong> Jugendlicher.<br />

der sich <strong>in</strong>sbesondere <strong>von</strong> diesem Spiel angesprochen<br />

fühlt. E. ist 17 Jahre alt, Nigerianer,<br />

lebt seit vier Jahren mit se<strong>in</strong>en Eltern <strong>in</strong><br />

Deutschland <strong>und</strong> hat <strong>in</strong>zwischen die deutsche<br />

Sprache gelernt. Er möchte später e<strong>in</strong>mal kaufmännisch<br />

tätig se<strong>in</strong> <strong>und</strong> macht zur Zeit se<strong>in</strong>en<br />

Hauptschulabschluß nach. Er besucht Discos.<br />

geht <strong>in</strong>s K<strong>in</strong>o, spielt Bowl<strong>in</strong>g <strong>und</strong> fährt gerne<br />

mit se<strong>in</strong>em Mofa durch die Gegend. Zu Hause<br />

setzt er sich meistens vor den Fernseher <strong>und</strong><br />

sieht am liebsten Action-Filme mit E<strong>in</strong>zelkämpfern<br />

wie Eddy Murphy, Silvester Stallone <strong>und</strong><br />

Chuck Norris. E. beschreibt sich selbst als e<strong>in</strong>en<br />

Jugendlichen, der ke<strong>in</strong>e größeren Probleme hat<br />

<strong>und</strong> dessen Leben e<strong>in</strong>igermaßen geregelt ist.<br />

Schwierigkeiten hat er allerd<strong>in</strong>gs mit der Polizei,<br />

weil er häufiger mit gestohlenen Autos gefahren<br />

ist. Von daher betrachtet er die Polizei als se<strong>in</strong>en<br />

»Fe<strong>in</strong>d«.<br />

In »TURRICAN II« f<strong>in</strong>den sich deutliche Parallelen<br />

zu dieser Lebenssituation. Handlungsträger<br />

dieses Spiels ist e<strong>in</strong> Kampfroboter. Mit Hilfe<br />

dieses »elektronischen Stellvertreters« bewegt<br />

sich der Spieler laufend, spr<strong>in</strong>gend <strong>und</strong> vor allen<br />

D<strong>in</strong>gen um sich schießend durch e<strong>in</strong>e futuristische<br />

Welt. Er muß Berge erklimmen. sich durch<br />

Grotten kämpfen, Wasserfälle überw<strong>in</strong>den.<br />

Brücken überqueren <strong>und</strong> vieles andere. Überall<br />

wimmelt es nur so <strong>von</strong> »Fe<strong>in</strong>den«, die es zu »erledigen«<br />

gilt: andere Roboter <strong>in</strong> unterschiedlicher<br />

Gestalt, Pflanzen, Insekten, Monster,<br />

..


Kampffische. Wegen der Vielfältigkeit <strong>und</strong> Gefährlichkeit<br />

der Bedrohungen s<strong>in</strong>d »Extrawaffen«<br />

unverzichtbar. Nur machtvoll gerüstet,<br />

kann der Spieler se<strong>in</strong> »Überleben« sichern. Angefeuert<br />

durch »fetzige« Musik <strong>und</strong> berauscht<br />

durch die Wirkkraft se<strong>in</strong>er »mächtigen Waffen«<br />

entfaltet sich Schritt für Schritt e<strong>in</strong>e »futuristische<br />

Weit«, die Aufmerksamkeit, Konzentrationskraft<br />

<strong>und</strong> Handlungsgeschick erfordert, um<br />

dar<strong>in</strong> länger als wenige Sek<strong>und</strong>en »leben« zu<br />

können. Mit Geschicklichkeit <strong>und</strong> Reaktionsschnelligkeit<br />

alle<strong>in</strong> ist es jedoch nicht getan. Der<br />

Spieler muß vielmehr sorgfaltig die Umgebung<br />

beobachten, auch kle<strong>in</strong>ste Details - trotz der<br />

enormen Streßsituation - wahrnehmen, ihre Bedeutung<br />

herausf<strong>in</strong>den <strong>und</strong> für das Vorankommen<br />

im Spiel nutzbar machen. 9<br />

E. empf<strong>in</strong>det sich, wie die Spielfigur <strong>in</strong><br />

»TuRRlCAN II«, als E<strong>in</strong>zelkämpfer <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

bedrohlichen Welt, <strong>in</strong> der er sich erst e<strong>in</strong>en<br />

Platz erkämpfen muß. Dazu verhelfen ihm<br />

»Extrafähigkeiten«. wie das Erlernen der deutschen<br />

Sprache, der Hauptschulabschluß <strong>und</strong><br />

e<strong>in</strong>e Berufsausbildung. E. kam erst vor vier<br />

Jahren nach Deutschland, wo er auf e<strong>in</strong>e<br />

fremde Kultur traf, die er sicherlich zu Beg<strong>in</strong>n<br />

nur schwer e<strong>in</strong>schätzen konnte <strong>und</strong> <strong>in</strong> der er<br />

sich daher ständig neuen gefahrvollen Situationen<br />

ausgesetzt fühlte - ganz ähnlich unserem<br />

»Held« <strong>in</strong> »)TuRRICAN II«.<br />

Neben dieser Parallelität stehen sicherlich<br />

auch die filmischen Identifizierungsmuster <strong>von</strong><br />

F.. (wie z. B. »Rambo«) <strong>in</strong> deutlichem Zusammenhang<br />

zu se<strong>in</strong>er Vorliebe für »TuRRICAN 11«.<br />

Auch »Rambo« muß sich als E<strong>in</strong>zelkämpfer mit<br />

e<strong>in</strong>er Welt <strong>von</strong> Fe<strong>in</strong>den beschäftigen. Mit Hilfe<br />

<strong>von</strong>» ThRRICAN II« kann sich E. sowohl zu den<br />

Problemen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Lebenswelt als auch zu den<br />

ihn betreffenden Handlungsmustern se<strong>in</strong>er<br />

Idole <strong>in</strong> Spielfilmen <strong>in</strong> Beziehung setzen. Der<br />

Jugendliche E. f<strong>in</strong>det sich sowohl <strong>in</strong> den<br />

Rambo-Filmen wieder wie auch im Videospiel<br />

»TuRRICAN II«. weil <strong>in</strong> beiden medialen Angeboten<br />

etwas <strong>von</strong> der Problematik se<strong>in</strong>es eigenen<br />

Lebens aufsche<strong>in</strong>t.<br />

Das Interesse <strong>von</strong> E. am Autofahren drückt<br />

sich auch <strong>in</strong> der Vorliebe für bestimmte Autofahrsimulationen<br />

aus. Autofahren verb<strong>in</strong>det er<br />

mit Freiheit <strong>und</strong> f<strong>in</strong>det es allgeme<strong>in</strong> »cool«. Wie<br />

bei »ThRRICAN 11« kommt es auch bei Autofahrsimulationen<br />

darauf an, schnell zu reagieren <strong>und</strong><br />

se<strong>in</strong>en »elektronischen Stellvertreter« zu beherrschen.<br />

Diese Vorliebe für das Autofahren<br />

9 Nähere Informationen zu diesem Spiel f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong><br />

Fehr. Wolfgang <strong>und</strong> Fritz. Jürgen: Compute~spiele<br />

auf dem Prüfstand, B<strong>und</strong>eszentrale für politische Bildung,<br />

Bonn 1992.<br />

<strong>und</strong> für entsprechende Simulationen teilt E. mit<br />

vielen anderen Jugendlichen.<br />

d) Dies gilt auch für S .• 16Jahre alt, vor drei<br />

Jahren aus Afghanistan. wegen des dort herrschenden<br />

Bürgerkrieges, nach Deutschland gekommen.<br />

Das Liebl<strong>in</strong>gsspiel <strong>von</strong> S. ist »LOTUS<br />

TuRBO CHALLENGE« (Abb.13 + 14), das er am<br />

liebsten zusammen mit se<strong>in</strong>er Fre<strong>und</strong><strong>in</strong> spielt.<br />

Dieses Spiel drückt <strong>in</strong> besonderer Weise Sichtweisen,<br />

Vorlieben, Berufswünsche <strong>und</strong> private<br />

Lebensvorstellungen <strong>von</strong> S. aus. Der Jugendliche<br />

hat <strong>in</strong> bezug auf se<strong>in</strong> Leben ausgeprägte<br />

Zielvorstellungen. Se<strong>in</strong> Berufswunsch ist Kfz­<br />

Mechaniker. Dafür besucht er die Abschlußklasse<br />

e<strong>in</strong>er Hauptschule mit dem Ziel, die Mittlere<br />

Reife zu erlangen. S. träumt aber auch da<strong>von</strong>,<br />

vielleicht das Abitur zu schaffen, um dann<br />

studieren <strong>und</strong> Pilot werden zu können. Se<strong>in</strong>e<br />

Schwester ist mit e<strong>in</strong>em Piloten verheiratet.<br />

Ausgeprägte Zielvorstellungen f<strong>in</strong>den sich auch<br />

<strong>in</strong> »LoTUS TuRBO CHAU.F.NGE«. Man muß alles<br />

daran setzen, reChtzeitig zum jeweiligen Ziel zu<br />

gelangen. Dabei darf man ke<strong>in</strong>e Zeit verlieren,<br />

muß konzentriert die anderen Fahrzeuge <strong>und</strong><br />

die Fahrbahn im Auge behalten. Neben der<br />

Konzentration spielt auch der Übungseffekt bei<br />

der Bewältigung des Spiels e<strong>in</strong>e entscheidende<br />

Rolle. S. ist da<strong>von</strong> überzeugt, daß er mit Konzentration<br />

<strong>und</strong> Übung <strong>in</strong> Schule <strong>und</strong> Berufswelt<br />

alles schaffen könne.<br />

Neben der deutlichen Parallelität der Handlungsmuster<br />

<strong>in</strong> der Fahrzeugsimulation <strong>und</strong> dem<br />

eigenen Handeln <strong>in</strong> der Lebenssituation spielt<br />

auch die symbolische Bedeutung des Autos <strong>und</strong><br />

des Autofahrens für S. e<strong>in</strong>e wichtige Rolle. S.<br />

mag sehr gerne Autos. Im Spiel stellt er sich vor,<br />

mit se<strong>in</strong>er Fre<strong>und</strong><strong>in</strong> im Auto zu sitzen <strong>und</strong> verfolgt<br />

zu werden. Er fühlt sich stark. wenn er das<br />

Spiel spielt <strong>und</strong> dabei immer schneller <strong>und</strong> besser<br />

wird. »LOTUS TuRBO CHALLENGE« bietet dem<br />

Jugendlichen u. a. die Möglichkeit, um aus den<br />

<strong>von</strong> se<strong>in</strong>en Eltern auferlegten Normen spielerisch<br />

<strong>und</strong> damit ohne Konsequenzen auszubrechen.<br />

Die Beziehung zu se<strong>in</strong>er Fre<strong>und</strong><strong>in</strong>, <strong>von</strong><br />

der se<strong>in</strong>e Eltern nichts wissen dürfen. weil sie sie<br />

ansonsten verbieten würden. kann der Jugendliche<br />

im Videospiel phantasievoll auf e<strong>in</strong>er symbolischen<br />

Ebene ausleben.<br />

Das Videospiel »LOTUS TuRBO CHALLANGE«<br />

bietet für S. die Möglichkeit, zwei unterschiedliche,<br />

ja e<strong>in</strong>ander entgegengesetzte Motivbereiehe<br />

mite<strong>in</strong>ander zu versöhnen. Im Spiel kann<br />

er metaphorisch se<strong>in</strong>e berufliche Zielorientierung<br />

(Schulabschluß <strong>und</strong> Berufsausbildung)<br />

ebenso »leben« wie se<strong>in</strong>en Wunsch, mit se<strong>in</strong>er<br />

Fre<strong>und</strong><strong>in</strong> <strong>in</strong> »berauschender Fahrt~< der Enge<br />

se<strong>in</strong>er elterlichen Normen zu entkommen, ohne<br />

63


el<br />

daß beides zue<strong>in</strong>ander <strong>in</strong> Widerspruch treten<br />

würde.<br />

e) Wie viele K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Jugendliche. so ist auch<br />

St. <strong>von</strong> },SECRET OF MONKEY !sLAND« fasz<strong>in</strong>iert.<br />

S1. ist zwölf Jahre alt, besucht die 6. Klasse<br />

e<strong>in</strong>es Gymnasiums <strong>und</strong> trifft sich e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> der<br />

Woche <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Computergruppe, die sich »Die<br />

Kreativen« nennt. Da er das Spiel auch zu<br />

Hause spielt, kennt er sich ziemlich gut damit<br />

aus. Er hat es schon häufig gespielt, <strong>und</strong> f<strong>in</strong>det<br />

es gleichwohl noch nicht langweilig. Er weiß genau,<br />

welchen Weg er im Spiel zu gehen hat, um<br />

se<strong>in</strong> Ziel, e<strong>in</strong> Pirat zu werden, zu erreichen. Er<br />

liebt es, sich zu verwandeln, sich zu bewähren<br />

<strong>und</strong> Abenteuer zu erleben, ohne dabei Schaden<br />

zu nehmen. Auf die Frage zu den Ähnlichkeiten<br />

<strong>in</strong> bezug auf se<strong>in</strong>e AUtagswelt sagt er: »Es ist<br />

wie <strong>in</strong> der Schule, nur ist es da nicht immer so<br />

abenteuerlich.« Auf die Frage, ob er Probleme<br />

<strong>in</strong> der Schule habe, antwortet er: »Eigentlich<br />

nicht, doch mit den Lehrern ist nicht zu spaßen.«<br />

Im Vergleich zwischen Schulsituation <strong>und</strong><br />

dem Videospiel stellt St. fest: »Hier im Videospiel<br />

kannst du alles ausprobieren. Hier zieht<br />

dich ke<strong>in</strong>er übers Leder.«<br />

Im Gegensatz zu den bisherigen Jugendlichen.<br />

sche<strong>in</strong>t es so, daß St. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Lebenswelt aufwächst,<br />

die ihm mehr Sicherheit <strong>und</strong> Schutz bietet.<br />

Auch <strong>von</strong> der Schule dürften existentielle<br />

Gefährdungen nicht ausgehen. Obwohl SI.<br />

überall gut klarzukommen sche<strong>in</strong>t, spürt er doch<br />

die Beschränkungen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Leben. »SECRET<br />

OF MONKEY ISLAI'O« bietet die Möglichkeit, sich<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Parallelwelt diesen Beschränkungen zu<br />

entziehen, d. h. D<strong>in</strong>ge ausprobieren zu können,<br />

ohne Gefahr zu laufen, übers Leder gezogen zu<br />

werden. »SECRET ... « bietet durch die witzigen<br />

Dialoge <strong>und</strong> Situationen den Spaß, den man <strong>in</strong><br />

der Schule so nicht erleben kann: Ȇber die witzigen<br />

Texte kann man sich manchmal richtig kaputtlachen«<br />

.<br />

f) Auch A., unser nächster Jugendlicher. hat<br />

e<strong>in</strong>e Vorliebe für »SECRET OF MONKEY ISLAND«.<br />

A. ist 14 Jahre alt <strong>und</strong> besucht die Hauptschule.<br />

Se<strong>in</strong>e Eltern leben seit mehreren Jahren getrennt.<br />

A. lebt bei se<strong>in</strong>er Mutter, die ganztags<br />

berufstätig ist. Se<strong>in</strong>en Vater besucht er ab <strong>und</strong><br />

zu, wo er die Möglichkeit zum Videospielen besitzt.<br />

Von se<strong>in</strong>em Vater hat er auch »SE­<br />

CRET ••• " erhalten. Dieses Spiel ist das erste Videospiel,<br />

was ihm wirklich gefällt <strong>und</strong> das ihn,<br />

seit er es kennengelernt hat, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Bann<br />

hält. Was s<strong>in</strong>d die Gr<strong>und</strong>e dieser Fasz<strong>in</strong>ationskraft?<br />

A. identifiziert sich sehr stark mit der handlungstragenden<br />

Figur des ),Guybrush Threep-<br />

wood«. Auf die Fmgc, was Guybrush a!s nächstes<br />

vorhätte, antwortet A. konsequent <strong>in</strong> der<br />

Ich-Form: »Ich werde jetzt zum Schwertmeister<br />

gehen, um mit ihm zu kämpfen.« Und <strong>in</strong> der<br />

Tat entspricht die soziale Situation des A. <strong>in</strong><br />

vielen Aspekten der handlungstragenden Figur<br />

des Videospiels: Als E<strong>in</strong>zelgänger vielfältige<br />

Prüfungs- <strong>und</strong> Bewährungssituationen zu bestehen.<br />

»Guybrush« muß <strong>in</strong> »MONKEY ISLAND«<br />

se<strong>in</strong>en eigenen Weg alle<strong>in</strong>e suchen <strong>und</strong> sich im<br />

Alle<strong>in</strong>gang gegen den »Rest der Welt« behaupten.<br />

Auch A. empf<strong>in</strong>det <strong>und</strong> handelt so. Kontakte<br />

zu se<strong>in</strong>em Vater muß er selber <strong>und</strong> alle<strong>in</strong>e<br />

suchen. In die Computergruppe kommt er<br />

stets alle<strong>in</strong>e, <strong>und</strong> auf Fragen nach se<strong>in</strong>en Hobbi<br />

es <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>en gibt er ausweichende Antworten.<br />

Aus se<strong>in</strong>er Lebenssituation heraus ist<br />

es naheliegend, daß A. sich für e<strong>in</strong> Spiel wie<br />

»SECRET ... « <strong>in</strong>teressiert.<br />

Dieses Videospiel ist e<strong>in</strong> »Entwicklungsdrama«<br />

für Jugendliche <strong>in</strong> der Pubertät, <strong>in</strong> der<br />

sie den Wunsch haben, <strong>in</strong> die Welt der Erwachsenen<br />

zu treten, um sich dort zu bewähren. Dieser<br />

Übergang stellt die Jugendlichen vor e<strong>in</strong>e<br />

Menge an Problemen <strong>und</strong> Rätseln, die nicht immer<br />

e<strong>in</strong>fach <strong>und</strong> ohne Schmerzen zu lösen s<strong>in</strong>d.<br />

}>SECRET ... « spiegelt diese pubertäre Situation<br />

zwar wider, <strong>in</strong> dem sie Aufgaben stellt, damit<br />

man sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er völligneuen Welt bewähren<br />

kann, vermeidet aber den Ernstcharakter, mit<br />

dem diese Situation <strong>in</strong> der Regel befrachtet ist.<br />

Bei })SECRET ... « geht es lustig <strong>und</strong> witzig zu, e<strong>in</strong><br />

»Bildschirmtod« ist nicht vorgesehen.<br />

g) Ganz andere Videospiel-Intcressen hat S.,<br />

13jähriger Schüler e<strong>in</strong>es Gymnasiums. S. wird<br />

<strong>von</strong> se<strong>in</strong>en Eltern gefördert <strong>und</strong> gefordert <strong>und</strong><br />

hat daher e<strong>in</strong>en sehr geregelten Tagesplan. Er<br />

wird <strong>von</strong> se<strong>in</strong>en Eltern ang~halten, <strong>in</strong> der<br />

Schule, aber auch zu Hause möglichst effektiv<br />

zu arbeiten. Se<strong>in</strong>e Eltern stellen an ihn hohe Erwartungen<br />

<strong>und</strong> achten sehr darauf, daß Hausaufgaben<br />

<strong>und</strong> Alltagspflichten gewissenhaft <strong>und</strong><br />

regelmäßig erledigt werden. S. hat <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Lebensumfeld<br />

relativ wenig Zeit zum freien, abenteuerlichen<br />

Spiel.<br />

Dazu korrespondieren recht gut die Eigenarten<br />

se<strong>in</strong>er Liebl<strong>in</strong>gsspiele »ThTRIS«, »SHANG­<br />

HAI« <strong>und</strong> }>ArOMIX«. Alle drei Spiele s<strong>in</strong>d stark<br />

vom spieldynamischen Muster der »Ordnung«<br />

bestimmt. In allen muß man überlegen, wie die<br />

jeweiligen Spielelememe zu positionieren s<strong>in</strong>d.<br />

Nur bei richtiger Plazierung lassen sich die vorgegebenen<br />

Aufgaben erfüllen. Dabei ist es<br />

wichtig, die E<strong>in</strong>zelschritte genau zu durchdenken.<br />

Obwohl die Spiele leicht zu verstehen s<strong>in</strong>d,<br />

steigern sich die spielerischen Herausforderungen<br />

<strong>in</strong> ihrem Schwierigkeitsgrad <strong>von</strong> Level zu<br />

64


Level. Alle Spiele s<strong>in</strong>d unter erheblichem Zeit~<br />

druck zu bewältigen <strong>und</strong> werden <strong>in</strong> der Regel<br />

alle<strong>in</strong>e gespielt.<br />

Das Leben <strong>von</strong> S. ist nach se<strong>in</strong>en Schilderungen<br />

sehr stark <strong>von</strong> den »Ordnungsforderungen«<br />

se<strong>in</strong>er Eltern bestimmt. S. muß diese vorgegebene<br />

Ordnung gewissenhaft <strong>und</strong> regelmäßig anstreben,<br />

wie er auch bei »TETRlS«, »SHANGHAI«<br />

<strong>und</strong> »ATOMIX« die durch das Computerprogramm<br />

vorgegebene Ordnungsstruktur durch<br />

spielerisches Handeln erfüllen muß. Alle drei<br />

Spiele s<strong>in</strong>d relativ abstrakt gehalten, so daß e<strong>in</strong><br />

Gefühl <strong>von</strong> »Abenteuer« kaum aufkommen<br />

kann, wie auch die Wohnumgebung <strong>und</strong> der Lebenszuschnitt<br />

<strong>von</strong> S. für Abenteuer aller Art<br />

kaum Raum läßt. Was <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Leben dagegen<br />

beherrschend ist, nämlich unter Zeitdruck permanent<br />

Leistungen br<strong>in</strong>gen zu müssen, gerade<br />

das f<strong>in</strong>det sich auch <strong>in</strong> den drei Spielen wieder:<br />

der Zwang, fortgesetzt <strong>und</strong> unter Zeitdruck festgelegte<br />

Aufgaben abzuarbeiten.<br />

11) K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Jugendliche, die die Möglichkeit<br />

erhalten, ihre Lebensentwicklung großzügig <strong>und</strong><br />

vielfältig zu gestalten, zeigen dies auch im H<strong>in</strong>blick<br />

auf ihre Auswahl <strong>von</strong> Videospielen. E<strong>in</strong><br />

gutes Beispiel dafür ist N., 16 Jahre alt <strong>und</strong><br />

Schüler der 9. Klasse e<strong>in</strong>er Montessori-Schule.<br />

N. ist begeisterungsfähig, neugierig, experimentierfreudig<br />

<strong>und</strong> offen. Auswahl der Videospiele<br />

<strong>und</strong> Umgang damit zeigen dies recht deutlich.<br />

So läßt er sich <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er gut gemachten Flipper­<br />

Simulation ebenso begeistern wie <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em<br />

rasanten Autofahrspiel. Auch <strong>von</strong> witzigen Comic-Figuren<br />

<strong>in</strong> Videospielen fühlt sich N. angesprochen.<br />

so z. B. durch Spiele wie »LEMMI!'JGE«.<br />

»JAMES POND - ROBOCOD 11« <strong>und</strong> »HARLEQUlN«.<br />

Er ist <strong>in</strong> der Lage, den jeweiligen spezifischen<br />

Reiz e<strong>in</strong>es Spiels zu erkennen, zu benennen <strong>und</strong><br />

fur sich auszukosten. Bei der F1ipper-Simulation<br />

reizt ihn die naturalistisch gelungene Grafik <strong>und</strong><br />

der gute So<strong>und</strong>, die das Spiel wie e<strong>in</strong>en echten<br />

Flipper ersche<strong>in</strong>en lassen. Beim Autorennspiel<br />

genießt N. das Vergnügen, Schnelligkeit auszuleben<br />

<strong>und</strong> Träume <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er richtigen Autofahrt<br />

zu entwickeln. Für ihn ist es e<strong>in</strong> Traum, e<strong>in</strong>mal<br />

auf dem Nürburgr<strong>in</strong>g <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em richtigen Porsche<br />

zu fahren. Auch die Unterschiedlichkeit <strong>in</strong> den<br />

Leistungsforderungen der verschiedenen Videospiele<br />

akzeptiert N. relativ vorbehaltlos. Er läßt<br />

sich sowohl auf Forderungen nach Reaktionsfähigkeit<br />

<strong>und</strong> schnelles Handeln e<strong>in</strong> als auch auf<br />

Geschicklichkeit <strong>und</strong> Denkvermögen.<br />

Die Identifikation mit den wverschiedenen<br />

Spielen ist auch bei N. relativ stark. Dies ist <strong>in</strong>sbesondere<br />

bei Spielen zu bemerken, <strong>in</strong> denen<br />

sich N. mit »gegnerischen Kräften« ause<strong>in</strong>andersetzen<br />

muß. Für ihn bedeutet es e<strong>in</strong>en Anreiz,<br />

die gegnerischen Elemente so zu bekämpfen,<br />

daß se<strong>in</strong>e Spielfigur überleben <strong>und</strong> ihren<br />

Weg durch die Bildschirmlandschaft unbeschadet<br />

gehen kann. Es machte ihm Spaß, Gegner<br />

zu zerstören <strong>und</strong> gleichzeitig se<strong>in</strong>e Spielfigur zu<br />

beschützen. Das Scheitern <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Level ist für<br />

ihn Anreiz, immer neue Versuche zu unternehmen,<br />

um im Spiel weiterzukommen. Dabei gefällt<br />

es ihm, sich <strong>in</strong> Spiele langsam e<strong>in</strong>arbeiten<br />

zu können, um Schritt für Schritt voranzukommen.<br />

Vergleicht man dies mit den Beobachtungen<br />

<strong>und</strong> Befragungen anderer Videospieler. dann<br />

wird deutlich, daß N. weder im H<strong>in</strong>blick auf bestimmte<br />

Spiel<strong>in</strong>halte noch auf bestimmte Handlungsmuster<br />

festgelegt ersche<strong>in</strong>t. Er nutzt die<br />

Videospiele weniger als Ausdruck <strong>von</strong> problematischen<br />

LebenssituatiQnen, sondern eher als<br />

Möglichkeit, se<strong>in</strong>er Vielseitigkeit <strong>und</strong> Offenheit<br />

Ausdruck zu verleihen. Videospiele fördern, so<br />

zeigt dieses Beispiel. nicht nur e<strong>in</strong>seitige Orientierungen,<br />

sondern geben auch, <strong>in</strong> bestimmten<br />

Grenzen, der Vielseitigkeit bestimmter Spieler<br />

Raum.<br />

i) Mädchen unterscheiden sich, im H<strong>in</strong>blick<br />

auf die Fasz<strong>in</strong>ation dem Computer <strong>und</strong> den Videospielen<br />

gegenüber, doch recht deutlich <strong>von</strong><br />

den Jungen. So z. B. S.: Sie ist 14 Jahre alt <strong>und</strong><br />

besucht die 8. Klasse e<strong>in</strong>er Hauptschule. Sie <strong>in</strong>teressiert<br />

sich für Pferde <strong>und</strong> liebt <strong>in</strong>sbesondere<br />

die Unterhaltung mit Fre<strong>und</strong>en. Den Computer<br />

kennt sie <strong>von</strong> der Schule <strong>und</strong> <strong>von</strong> Besuchen im<br />

Jugendhaus. Sie selbst hat ke<strong>in</strong>en Computer<br />

<strong>und</strong> möchte auch ke<strong>in</strong>en besitzen: »Es ist doch<br />

langweilig. alle<strong>in</strong> zu Hause am Computer rumzuhängen;<br />

es reichen für mich die Computer.<br />

die im Jugendhaus s<strong>in</strong>d. Hier im Jugendhaus sitzen<br />

wir zu mehreren. Untere<strong>in</strong>ander macht es<br />

richtig Spaß!~< S. kommt fast jeden Tag <strong>in</strong>s Jugendhaus,<br />

weil sie hier ihre Fre<strong>und</strong>e treffen<br />

kann. Mit ihnen spielt sie auch am Computer.<br />

So wird z. B. um die Wette geflippert (»PINBALL<br />

DREAMs«) oder <strong>in</strong> Sportsimulationen (»WINTER<br />

GAMES«) um die höchste Punktzahl gekämpft.<br />

Dabei werden recht unterschiedliche Spiele ausprobiert.<br />

Bei S. steht das Treffen mit Fre<strong>und</strong>en<br />

im Mittelpunkt. Das Videospiel ist für sie im wesentlichen<br />

e<strong>in</strong> Angebot unter vielen anderen für<br />

geselliges Beisammense<strong>in</strong>.<br />

Die Ause<strong>in</strong>andersetzung mit dem Videospiel<br />

bietet ihr auch Anlaß. über ihre eigenen Fähigkeiten<br />

nachzudenken: »Selbst b<strong>in</strong> ich ke<strong>in</strong><br />

Sporttyp. Ich \'lürde mich nie trauen. auf dem<br />

Sportplatz mit Sportlern um e<strong>in</strong>en ersten Platz<br />

zu kämpfen. Im Spiel ,WINTER GAMES. gibt mir<br />

der Computer so e<strong>in</strong>e Möglichkeit. Wenn ich<br />

dieses Spiel spiele. dann fühle ich mich wie e<strong>in</strong>e<br />

..<br />

65


echte Spanier<strong>in</strong>. Ich kann mit anderen wetteifern!<br />

Wer weiß, vielleicht werde ich ja noch<br />

e<strong>in</strong> Sporttyp, manchmal während des Spiels bekomme<br />

ich solche Gefühle.« Offensichtlich bietet<br />

das Videospiel für S. e<strong>in</strong>en Ausgleich für<br />

mangelnde sportliche Fähigkeiten <strong>und</strong> stimuliert<br />

ihre Phantasje~ <strong>und</strong> Wunschwelt .<br />

Die Unterschiedlichkeit der Menschen, die<br />

Verschiedenheit der Lebensentwürfe <strong>und</strong> Lebensh<strong>in</strong>tergründe,<br />

die Unterschiede <strong>in</strong> der<br />

Ause<strong>in</strong>andersetzung mit Macht <strong>und</strong> Konflikten<br />

spiegelt sich <strong>in</strong> der Formenvielfalt der Videospiele<br />

wider. In der nun mehr als zehnjährigen<br />

Entwicklung dieser Spiele haben sich verschiedene<br />

Typen herausgebildet, die <strong>in</strong> je eigener<br />

Weise spielbare Märchen, Mythen <strong>und</strong> Sagen<br />

für die bereithalten, die im Spiel ihre Selbstentfaltung<br />

(woh<strong>in</strong> auch immer) voranbr<strong>in</strong>gen<br />

wollen oder die bestätigt bekommen möchten,<br />

daß sie auf dem richtigen, d. h. für sie richtigen<br />

Weg s<strong>in</strong>d.<br />

66<br />

...

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