11.00 Uhr Jubiläumskonzert 13.00 Uhr Musikschulfest - Musikschule
11.00 Uhr Jubiläumskonzert 13.00 Uhr Musikschulfest - Musikschule
11.00 Uhr Jubiläumskonzert 13.00 Uhr Musikschulfest - Musikschule
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
„Musik ist höhere Offenbarung als alle<br />
Weisheit und Philosophie“<br />
Ein Plädoyer für den klassischen Instrumentalunterricht<br />
Der oben zitierte Ausspruch<br />
stammt von Ludwig van Beethoven.<br />
Zu seiner Zeit war zumindest<br />
in der herrschenden Schicht der<br />
Wert der Musik unumstritten, wenn auch<br />
die Musiker selber durchaus nicht zu den<br />
wohlhabendsten Bürgern zählten. Aber<br />
heute, in Zeiten des permanenten Sparzwangs<br />
oder zumindest der permanenten<br />
Diskussion über denselben, gelangen viele<br />
Dinge auf den Prüfstand, deren Wert<br />
einmal als selbstverständlich galt. Dies<br />
trifft in besonderer Weise die Künste, die<br />
von vielen im Computerzeitalter und in<br />
materialistischer Weltsicht fest verankerten<br />
Zeitgenossen als nicht wirklich notwendiger<br />
Zusatzstoff gesehen werden. Was speziell<br />
die Musik angeht, so trifft man häufig<br />
auf die Einstellung: Ein bisschen Basiskönnen<br />
sei ja nicht schlecht, das könne man<br />
zum Beispiel im Streicherklassenunterricht<br />
in der Schule in zwei Jahren erwerben, oder<br />
beim Besuch eines Gitarren-Crash-Kurses<br />
in den Ferien, in denen die Kids sowieso<br />
irgendwie versorgt werden müssen. Aber<br />
die jahrelange intensive Beschäftigung mit<br />
Werken verstorbener Komponisten aus<br />
längst vergangenen Zeiten, die sei doch<br />
wirklich überflüssig. Das erscheint mir<br />
etwa ebenso unreflektiert, als würde man<br />
den Sinn des klassischen Mathematikunterrichts<br />
in Frage stellen, nach dem Motto:<br />
„Satz des Pythagoras, Binomische Formeln,<br />
die sind doch mehr als 2000 Jahre alt, was<br />
sollen die uns heute noch sagen?“<br />
Der bleibende Wert naturwissenschaftlicher<br />
Erkenntnisse wird gemeinhin nicht<br />
angezweifelt, derjenige von künstlerischen<br />
Werken dagegen schon. Dabei führt uns<br />
beides an die Grundlagen unserer Existenz –<br />
die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse erläutern<br />
und nutzen die Gegebenheiten, nach<br />
denen die Welt funktioniert, die Kunstwerke<br />
beleuchten die Seele des Menschen in all<br />
ihren Gegebenheiten und Möglichkeiten.<br />
„Kunst ist Bewegung der Seele“ stand als<br />
Leitwort über einer Ausstellung der Bundeskunsthalle.<br />
Nur können die Kunstwerke,<br />
und hier besonders die Musik als immateriellste<br />
aller Künste, nicht so materiell greifbar<br />
ihren Wert für unser Leben beweisen.<br />
14<br />
Was bringt es also dem modernen Menschen,<br />
und besonders dem jungen Menschen,<br />
sich mit den musikalischen Werken<br />
vergangener Epochen zu beschäftigen?<br />
Sie sogar selbst in mühsamer Detailarbeit<br />
einzustudieren und womöglich auch noch<br />
aufzuführen? Die Kompositionen der<br />
großen Komponisten spiegeln nicht nur die<br />
Befindlichkeiten eines bestimmten Menschen<br />
aus einer bestimmten Zeit, und darin<br />
unterscheiden sie sich wesentlich von der<br />
sogenannten „Populären Musik“, sondern<br />
sie betreffen unser ganzes Sein, und das<br />
zeichnet sie als wahre Kunstwerke aus. Wir<br />
können unsere emotionale Lebenswirklichkeit,<br />
unsere Gefühle und Stimmungen wie<br />
Liebe, Glück, Aufregung, Trauer, Entsetzen,<br />
in ihnen wiederfinden, denn das sind Empfindungen,<br />
die die Menschen zu allen Zeiten<br />
bewegt haben und die daher in den Werken<br />
vergangener Zeiten genauso zu finden<br />
sind wie in unserem Leben heute. Darüber<br />
hinaus haben die großen Kompositionen<br />
sowohl philosophische als auch intellektuelle<br />
Dimensionen, die sie über ihre Zeit<br />
hinaus erheben. Deshalb sind solche Werke<br />
von zeitloser Gültigkeit. Sie sind Gleichnisse<br />
unseres Lebens, wie Daniel Barenboim in<br />
seinem Buch „Klang ist Leben“ so wunderbar<br />
erläutert. Das gilt nicht nur für die monumentalen<br />
Werke, sondern genauso auch<br />
für kleinere, für Kinder und Jugendliche<br />
erlernbare, vorausgesetzt, sie haben die oben<br />
genannten Qualitäten. Indem wir uns solche<br />
Werke durch eigenes Musizieren erschließen,<br />
geben sie uns Vieles, zum Beispiel:<br />
• Jedes Werk schafft eine in sich geschlossene<br />
und schlüssige Gegenwelt, in die<br />
wir uns aus unserem oft belastenden<br />
Alltag zurückziehen können, und diese<br />
Rückzugsmöglichkeit gibt neue Kraft.<br />
• Da die Musik eine Kunst ist, deren<br />
Werke nicht dauerhaft existieren, sondern<br />
durch jede Aufführung neu zum<br />
Leben erweckt werden müssen, ist bei<br />
dem oder den Ausführenden immer die<br />
eigene Kreativität und Inspiration gefragt,<br />
was bedeutet, die eigene Seele mit<br />
einzubeziehen.<br />
• Wenn wir vertraute Emotionen in<br />
Musikstücken wiederfinden, so sagt uns<br />
diese Entdeckung: Du bist mit diesem<br />
Gefühl nicht allein. Nicht wenige Emotionen<br />
wie z. B. Angst oder Wut lassen<br />
wir ungern nach außen hin erkennen.<br />
Indem man aber die in Musik gefassten<br />
Gefühle zum Klingen bringt, kann man<br />
sie auf diese Weise doch äußern und so<br />
besser verarbeiten.<br />
• Aber die Musik lehrt uns auch das<br />
Zuhören, die gegenseitige Rücksichtnahme.<br />
Ein Orchester oder ein Kammermusikensemble<br />
könnte niemals<br />
funktionieren, würden sich die Musiker<br />
nicht gegenseitig zuhören, würden sie<br />
nicht einer wichtigen Stimme den Vortritt<br />
lassen und sich selbst zurücknehmen,<br />
oder auch beherzt selbst „das Wort<br />
ergreifen“, wo es angebracht ist.<br />
Es ist so oft von der Bedeutung emotionaler<br />
Intelligenz die Rede. Wie aber soll<br />
diese sich entwickeln, wenn wir uns nie mit<br />
Emotionen beschäftigen, sondern immer<br />
nur mit Fakten? Mit Emotionen muss man<br />
sich aber auf andere Weise beschäftigen als<br />
mit Fakten. Sie sind eben nicht rational<br />
und daher nicht durch den Verstand zu erfassen,<br />
und schon gar nicht durch den Verstand<br />
zu steuern. Die Musik aber drückt<br />
Emotionen aus, ohne Worte bemühen zu<br />
müssen, und kann daher den Menschen direkt<br />
auf der emotionalen Ebene erreichen.<br />
Dazu gehört wesentlich, die Komplexität<br />
eines Werkes zu erfassen. Erst dann erkennt<br />
man Zusammenhänge, findet die feinen<br />
Unterschiede in Ähnlichem, und das sind<br />
Fähigkeiten, die uns im realen Leben sehr<br />
zu Gute kommen.<br />
Die Möglichkeit, dies alles durch eigenes<br />
Musizieren zu erleben, sollte jedem jungen<br />
Menschen gegeben werden. Und damit<br />
ist nicht nur die finanzielle Möglichkeit<br />
gemeint, sondern zunächst überhaupt die<br />
Anregung, sich mit Musik durch eigenes<br />
Tun zu beschäftigen, dann die dazu erforderlichen<br />
Zeiträume, und nicht zuletzt<br />
die immer wieder nötige Ermutigung zum<br />
Durchhalten in schwierigen Phasen. Das<br />
wird sicher auch mit dem besten Willen<br />
nicht bei allen jungen Menschen gelingen,<br />
aber diejenigen, die sich darauf einlassen,<br />
haben einen Schatz fürs Leben gewonnen.<br />
Beate Riemer