Judith Maria Kirfel Monika Kletti Katrin Jones Maria Kapuscinska Christiane Klövekorn Martina Kölle Klaus Kortboyer Claus Kratzenberg Svetislav Madzarevic Ingmar Meissner Raimund Lintzen Barbara Madzarevic Karoline Rücker Christiane Reuter Beate Riemer Saskia Hoffmann Dieter Schardt Dorothee Simone Mareile Spittler Hubertus Tölle 18
Faszinierendes Gitarrenkonzert mit Hedvika Svendova Meditative Reflexionen im Nachklang Es ist gerade mal 6 Monate her, dass ich einen theoretischen Artikel über den Film „Wunderkinder“ für den Dreiklang geschrieben habe, und plötzlich stehe ich einem solchen Wunderkind gegenüber bei dem Gitarrenrezital vom 6. Oktober 2013 im Glasmuseum in Rheinbach. Man muss Hedvika Svendova wohl so bezeichnen, obwohl sie längst kein Kind mehr ist, sondern eine schöne, attraktive, junge Frau von immerhin 17 Jahren. Ihre künstlerische Leistung darf man aber getrost als ein Wunder bezeichnen, denn alles andere wäre untertrieben. Bereits mit dem Präludium und der Fuge aus Bachs Suite in e-moll, BWV 996 war mir klar, welch eine hochkarätige Musikerin hier aufspielte. In ihrer Interpretation war alles stimmig und vollkommen. Sie spielte das komplette Programm, das mit Höchstschwierigkeiten nur so gespickt war, mit einer atemberaubenden Technik und erfüllt mit größtem musikalischem Verständnis. In ihrem Spiel scheinen die Kräfte der Erdgravitation nicht mehr gültig zu sein und es stellt sich tatsächlich das Gefühl ein, als würde sie mit ihrem Instrument wie ein Adler durch die Lüfte fliegen. Das, was für den Bach zu Beginn des Konzertes galt, nämlich künstlerische Vollendung und Perfektion, galt für das ganze Rezital. Virtuos und einfühlsam, von tiefstem Musikverständnis erfüllt, klanglich einfach berauschend. Besser kann man nicht Gitarre spielen. Und das alles quasi ohne mit der Wimper zu zucken. Es gelingt ihr alles scheinbar mühelos, immer intensiv mit wunderbarem Ton, immer im stimmigen Tempo, hypersensibel. Es ist atemberaubend zu sehen, zu welch außergewöhnlichen Leistungen manche Menschen befähigt sind. Und hier endet damit auch meine Konzertbeschreibung, weil es mir banal erscheint, weiter über das rein musikalische, technische und kompositorische Verstehen des Abends zu schreiben, auch wenn ich gestehen muss, dass das eine oder andere zeitgenössische Werk mich nicht unbedingt angesprochen hat. Für mich stellt sich eher die Frage, welchem Wunder ich da begegnet bin und wie es möglich ist, dass ein 17jähriger Mensch ein solch tiefes musikalisches Wissen und Verstehen in sich trägt und so vollkommen klassische Gitarre spielen kann. Angeblich hat Hedvika bereits mit 4 Jahren angefangen, Gitarre zu spielen. Das ist für mich jedoch nur ein Hinweis darauf, dass sie sich bereits in diesem Alter zur Gitarre hingezogen fühlte, dass dieses Instrument sie emotional von Anfang an magisch angezogen hat. Sie spielt übrigens auch Flöte auf hohem Niveau und außerdem auch noch Klavier und Geige ziemlich gut. Sie wusste vielleicht intuitiv schon damals, wer sie war und was sie in ihrem Leben tun sollte. Persönlichkeiten wie Hedvika Swendova werfen Fragen nach den Möglichkeiten der menschlichen Existenz, des angeborenen Talents und auch des eigenen Lebens auf. Reichen 10 Jahre intensiven Lernens auch mit besten Lehrern aus, um so perfekt Bach und Barrios spielen zu können? Oder begegnet man hier doch einem Menschen, an dem deutlich wird, dass ein Leben nicht reicht für derart außergewöhnliche Leistungen? Vielleicht haben die Buddhisten ja doch Recht, wenn sie an eine Entwicklung und ein Weiterlernen der Seele in vielen Leben glauben? Das eigene Wesen zu entdecken und den inneren, verborgenen Reichtum in der Seele des Menschen zu finden, ist das eigentliche Ziel der Kunst und Kultur. Das war schon so bei den Höhlenbildern bei Lascaux in Südfrankreich, die vor 17000 Jahren entstanden sind. Und das gilt auch noch heute, wenn wir ein Instrument lernen. Es geht um nichts anderes, als einen Raum oder eine Resonanz zu finden für die seelischen Schwingungen und Emotionen der inneren Persönlichkeit, das, was man nie sieht und doch immer da ist. Es ist das, was uns als Menschen besonders macht, weil nur wir als Geschöpfe einer Milliarden Jahre langen Entwicklung kulturfähig geworden sind. Wir können in der Kunst unser eigenes Wesen finden. Wer die Kunst abbaut und das Lernen verhindert, der richtet sich eigentlich selbst zugrunde. Wenn ich mich in der Sprache der religiösen Mythen und Träume ausdrücken darf, dann müsste ich sagen, es ist wie vor 2000 Jahren, wir töten das, was wir eigentlich lieben sollten, unsere eigene, unverwechselbare, innere Persönlichkeit, unser eigenes Wesen. Wie anders ist eine Leistungsgesellschaft zu verstehen, die den Druck auf die Seele des Menschen ständig erhöht? Die Auswirkungen von G 8 an den Schulen könnten katastrophaler für die <strong>Musikschule</strong>n gar nicht sein. Wie fühlt sich ein erwachsener Mensch, wenn er im sozialen Abseits steht und existenzielle Probleme sein Leben bestimmen? Die inquisitorischen Hürden einer immer erbarmungsloseren Leistungsgesellschaft führen zu immer mehr Entfremdung und weniger Selbstbestimmung. Da ein Gegengewicht zu setzen, um den Kontakt zu sich selbst nicht gänzlich zu verlieren, ist von größter Bedeutung für das Gelingen eines jeden Menschen. Die Entfaltung der inneren Persönlichkeit, das, was an angelegten Möglichkeiten in jedem von uns steckt, zu finden und zu entwickeln, ist ein hohes Ziel, nicht nur für eine Künstlerin wie Hedvika Swendowa, sondern für jeden von uns. Und da scheint die Musik die Kraft zu besitzen, uns dorthin führen zu können, wo die inneren Quellen sprudeln. Es gibt einen solchen Reichtum, der unsichtbar auch in uns angelegt ist und darauf wartet, entdeckt zu werden. Klaus Kortboyer 19