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22 hamlet<br />
Der Wahnsinn hat <strong>ein</strong>en Namen<br />
„S<strong>ein</strong> oder Nichts<strong>ein</strong>; das<br />
ist hier die Frage“ – <strong>ein</strong>er<br />
der wohl berühmtesten<br />
Aussprüche der<br />
Theaterwelt kann <strong>jetzt</strong><br />
auch in <strong>ein</strong>er neuen<br />
Inszenierung im Rostocker<br />
Volkstheater gehört<br />
werden.<br />
Hamlet, der Prinz von Dänemark,<br />
erfährt vom Tode s<strong>ein</strong>es Vaters<br />
und reist umgehend heim. Dort wird er<br />
mit der schnellen Hochzeit s<strong>ein</strong>er Mutter<br />
Gertrud und s<strong>ein</strong>em Onkel Claudius<br />
konfrontiert und wird misstrauisch.<br />
S<strong>ein</strong> Vater ersch<strong>ein</strong>t ihm daraufhin als<br />
Geist und verlangt Rache für den an<br />
ihm verübten heimtückischen Mord.<br />
Hin und her gerissen zwischen s<strong>ein</strong>er<br />
Wut und s<strong>ein</strong>en moralischen Werten,<br />
versucht er vergebens, sich durch<br />
philosophische Fragen des S<strong>ein</strong> oder<br />
Nichts<strong>ein</strong> über s<strong>ein</strong>e Schwäche hinwegzutäuschen.<br />
So ist er sch<strong>ein</strong>bar verrückt<br />
und ruft die Verwirrung des königlichen<br />
Hofes hervor. Um den Mörder<br />
zu entlarven, spielt Hamlet s<strong>ein</strong>e Rolle<br />
nun absichtlich und der Wahnsinn<br />
nimmt wortwörtlich s<strong>ein</strong>en Lauf …<br />
Mit <strong>ein</strong>er modernen, jugendlichen<br />
Inszenierung hat Johanna Schall<br />
Hamlet nun auch auf die Rostocker<br />
Bühne gebracht. „Das Stück ist vor<br />
Hamlet (Johannes Quester) und <strong>ein</strong>er<br />
verzweifelten Ophelia (Claudia Graue),<br />
bekommt das Publikum vor allem<br />
durch den quer durch die Sitzreihen<br />
führenden Bühnensteg das Gefühl,<br />
mitten drin zu s<strong>ein</strong>, statt nur dabei.<br />
Trotz der modernen Umsetzung<br />
mit englischen Popsongs, <strong>ein</strong>fachem<br />
aber wirksamen Bühnenbild und<br />
komischen Einlagen, orientiert sich der<br />
Hamlet ist ohne Frage<br />
das berühmteste<br />
Theaterstück der<br />
englischen Literaturwelt. Die<br />
wahrsch<strong>ein</strong>lich zwischen 1601<br />
oder 1602 entstandene Tragödie<br />
wird heute als Meilenst<strong>ein</strong> in<br />
William Shakespeares Theaterentwicklung<br />
angesehen und stellt<br />
den Kampf des Helden mit zwei<br />
konträren Kräften dar: Moralische<br />
Integrität und das Verlangen,<br />
den Mord an s<strong>ein</strong>em Vater<br />
zu rächen.<br />
Foto: Doris Gätjen. Volkstheater Rostock<br />
allem für junge Leute gedacht und soll<br />
die Spannung zwischen der Jugend<br />
und der älteren Generation versinnbildlichen“,<br />
erklärte die Schauspieldirektorin<br />
in <strong>ein</strong>em anschließenden<br />
Publikumsgespräch. Der Rostocker<br />
Hamlet ver<strong>ein</strong>t dabei alles, was <strong>ein</strong><br />
gutes Theaterstück braucht: Dramatik,<br />
Emotion, Tragödie, aber auch Witz und<br />
Slapstick, ausgezeichnet und ergreifend<br />
umgesetzt. Es wird gestolpert,<br />
gehüpft, gerannt, gesungen, aber auch<br />
an Kronleuchtern gehangen. Neben<br />
<strong>ein</strong>em ausgezeichnet wahnsinnigen<br />
Text weitestgehend an der deutschen<br />
Originalübersetzung und ist lediglich<br />
umstrukturiert bzw. sind Hamlets<br />
langatmige Monologe gekürzt worden.<br />
Das Ende stammt allerdings all<strong>ein</strong><br />
von Johanna Schall – was nicht jedem<br />
Hamlet-Veteranen gefiel, jedoch zur<br />
angenehm frischen Aufführung passte.<br />
Alles in allem ist Hamlet mehr<br />
als empfehlenswert – nicht nur für<br />
Jugendliche, sondern auch für alle, die<br />
sich an Shakespeare versuchen wollen,<br />
ohne Gefahr zu laufen, <strong>ein</strong>zuschlafen.<br />
Denn das ist das Letzte, was <strong>ein</strong>em im<br />
Rostocker Volkstheater passieren kann.<br />
Melanie Kolbe