Republik 9
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Thema<br />
Öffentliche Sicherheit<br />
2007 war kein gutes Jahr für Tulln: Der<br />
permanente Anstieg der Jugendkriminalität<br />
und ausufernder Vandalismus kostete<br />
die Stadtgemeinde viel Geld. Beinahe<br />
100.000 Euro betrugen die Schäden durch<br />
mutwillige Zerstörung. Diese Entwicklung<br />
bereitete den Boden für eine neue<br />
Partnerschaft: Eine Sicherheitsinitiative<br />
bestehend aus Gemeindevertretern, Polizei,<br />
privatem Wachdienst und Jugendberatung.<br />
Und der Erfolg ließ nicht lange auf<br />
sich warten: Der Sicherheitsbeauftragte<br />
der Stadtgemeinde, Christian Holzschuh,<br />
konnte bereits 2008 einen Rückgang der<br />
Vandalismusschäden um 40 Prozent präsentieren.<br />
Auch die Jugendkriminalität<br />
sei durch die präventive Wirkung stark<br />
gesunken.<br />
Und Tulln ist nur ein Beispiel. Franz<br />
Lang, Direktor des Bundeskriminalamts<br />
(BK), betont im Gespräch mit REPUBLIK,<br />
dass diese Entwicklung schon seit geraumer<br />
Zeit zu beobachten ist: Es komme zu<br />
einer Verschiebung staatlicher Aufgaben<br />
im Bereich der Inneren Sicherheit hin<br />
zu privaten Anbietern. „Das Anwachsen<br />
der Nachfrage nach Sicherheitsdienstleistungen<br />
liegt in der Entwicklung und in<br />
der Veränderung unserer Gesellschaft<br />
und der Lebensumstände“, sagt Lang. Das<br />
habe eine enorme Vervielfachung der Aufgaben<br />
gebracht. Ein Wirken der Polizei<br />
außerhalb ihrer Kernkompetenzen sei<br />
nicht mehr immer und überall möglich.<br />
Zusätzlich spiele die Kostenfrage eine<br />
Rolle: So ist zu hinterfragen, ob man für<br />
reine Ordnungsdienste einen voll ausgebildeten<br />
Polizisten „verschwenden“ müsse.<br />
„Offenbar beruhigt alleine die Präsenz<br />
uniformierter Personen“, sagt wiederum<br />
Karl-Heinz Grundböck, Grundausbildungsleiter<br />
an der Sicherheitsakademie<br />
(SIAK). Er sieht einen der Hauptgründe<br />
in einem steigenden Sicherheitsbedürfnis<br />
der Bevölkerung: „Das ist oftmals<br />
der Boden für private Sicherheitsdienste.“<br />
Die Frage nach dem Warum<br />
„Wenn wir von einem globalen Sicherheitsbegriff<br />
ausgehen, dann gibt es viele<br />
Faktoren, die die Sicherheit erhöhen bzw.<br />
beeinträchtigen. Und nur für einen klar<br />
umrissenen Teil ist die Polizei zuständig:<br />
Der Einsatz erfolgt zumeist im Eskalationsstadium<br />
oder kurz davor,“ sagt Lang.<br />
Viele andere Faktoren im Präventionsbereich<br />
seien nur bedingt durch die Polizei<br />
beeinflussbar, hier sei das Handeln der<br />
Kommunen und aller Akteure erforderlich.<br />
Securitas-Geschäftsführer Martin<br />
Wiesinger sieht die gestiegene Unsicherheit<br />
in Folge der allgemeinen Kriminalitätslage<br />
als einen der Hauptgründe<br />
für die Umschichtung. „Wir liegen in<br />
Österreich immer noch auf einem guten<br />
Niveau, allerdings ist die Kriminalitätsrate<br />
innerhalb der vorigen sechs Jahre stark<br />
gestiegen.“ Dieser Umstand bescherte<br />
nicht nur den „großen Vier“ der Branche<br />
– G4S, dem Österreichischen Wachdienst<br />
(ÖWD), Securitas und Siwacht – deutliche<br />
Zuwächse: Alle der über 400 im<br />
Sicherheitsgewerbe tätigen Unternehmen<br />
setzten 2009 fast 400 Millionen Euro um.<br />
(Detail s. Grafik und Kasten)<br />
Privat-Sheriffs außer Rand und Band?<br />
Für die Skeptiker ist genau diese<br />
Entwicklung ein willkommener Anlass,<br />
den Unsicherheitsteufel an die Wand zu<br />
malen. Sie warnen vor einem drohenden<br />
Überwachungsstaat. Ob dieser Vergleich<br />
der Realität standhalten kann? Auf Landesebene<br />
versucht sich die Steiermark<br />
seit Anfang Juli an einem Pilotprojekt:<br />
Eingebunden sind beinahe alle im Land<br />
tätigen privaten Wachdienste. Diese sollen<br />
während ihres normalen Dienstes verdächtige<br />
Wahrnehmungen sofort der Polizei<br />
melden. „Wir versprechen uns durch<br />
diese Zusammenarbeit mehr Prävention<br />
und eine höhere Aufklärungsquote, vor<br />
allem bei Einbrüchen, Raub und Vandalismus,“<br />
sagt Erwin Strametz vom Landes-<br />
„Die höhere<br />
Nachfrage nach<br />
Sicherheitsdienstleistungen<br />
liegt in<br />
der Veränderung<br />
der Gesellschaft.“<br />
Franz Lang, BK<br />
H i n t e r g r u n d<br />
Wachstumsbranche<br />
Sicherheit<br />
Seit über hundert Jahren sind private Sicherheitsdienste<br />
in Österreich aktiv. Das reine<br />
„Nachtwächtertum“ der Anfänge ist schon<br />
längst passé. Die Aufgabenpalette hat sich<br />
stark vergrößert und reicht bereits weit in<br />
ursprünglich staatliche Sicherheitsaufgaben<br />
hinein. Die Entwicklung des Bewachungsmarktes<br />
ist besonders eindrucksvoll an den<br />
Umsatzzahlen zu beobachten. Erwirtschaftete<br />
die Branche im Jahr 1975 noch einen Gesamtumsatz<br />
von rund 25 Millionen Euro, waren es<br />
im Jahr 2005 schon an die 200 Millionen Euro.<br />
Diese Zahl verdoppelte sich bis ins Jahr 2009<br />
auf nicht ganz 350 Millionen Euro Branchenumsatz.<br />
Der rasante Anstieg rund um das Jahr<br />
2008 lässt sich mit dem erhöhten Bedarf an<br />
Sicherheitskräften für den Einsatz während der<br />
Fußball-EM erklären.<br />
Zählt man zusätzlich zur Dienstleistung auch<br />
noch die Sicherheitstechnik und die Sicherheitsmechanik<br />
dazu, erwirtschaftete die<br />
österreichische Sicherheitsindustrie 2009 einen<br />
Jahresumsatz von 847 Millionen Euro. Tendenz<br />
in allen Bereichen weiter steigend.<br />
Quelle: Securline/VSÖ<br />
BM.I /A. Tuma<br />
September 10 31