Republik 9
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Thema<br />
Diplomatischer Dienst<br />
Text<br />
Wolfgang Tucek<br />
Europas Auswärtiger Dienst<br />
und die „Kissinger-Frage“<br />
In Hinkunft will die EU eine einheitlichere Außenpolitik betreiben. Doch ein<br />
gemeinsamer Auswärtiger Dienst ist mit massivsten Neustrukturierungen<br />
der EU-Administration seit vielen Jahren verbunden. REPUBLIK beleuchtet<br />
seine Vorteile, die Funktionsweise und die heiklen Verhandlungen, die für<br />
den Aufbau nötig waren.<br />
Ganz klar ist nicht, ob es der frühere<br />
US-Außenminister Henry Kissinger tatsächlich<br />
so gesagt hat. Doch erst unlängst<br />
stellte er sich in einem Interview hinter<br />
die ihm zugeschriebene Forderung nach<br />
einer einzigen Telefonnummer, unter<br />
der die EU für außenpolitische Anliegen<br />
erreichbar sein sollte. Denn verwirrend<br />
war für wichtige globale Partner bis vor<br />
einigen Monaten das internationale Auftreten<br />
der Union. Sollte man den EU-Chefdiplomaten<br />
Javier Solana anrufen, Außenkommissarin<br />
Benita Ferrero-Waldner, den<br />
Außenminister des Vorsitzlandes oder<br />
gleich Kommissionspräsident José Manuel<br />
Barroso selbst?<br />
fung der Position einer ,Hohen Vertreterin<br />
für die Außen- und Sicherheitspolitik’,<br />
die vom neu geschaffenen EAD unterstützt<br />
wird, einen großen Schritt weitergekommen“,<br />
sagt der österreichische<br />
EU-Botschafter Hans Dietmar Schweisgut.<br />
Die europäische Außenpolitik werde<br />
dadurch zunehmend mit einer Person<br />
identifiziert.<br />
„Der neu geschaffene EAD bündelt<br />
bereits bestehende Ressourcen und bietet<br />
die Chance, das auswärtige Handeln<br />
der EU effizienter und schlagkräftiger zu<br />
machen“, so der Spitzendiplomat: „Um<br />
unsere Interessen wirksam vertreten zu<br />
können, müssen wir den Dialog mit den<br />
großen strategischen Partnern wie den<br />
USA, Russland und China gemeinsam<br />
führen. Der EAD wird dazu beitragen,<br />
das Bewusstsein der Mitgliedsländer in<br />
diese Richtung weiterzuentwickeln, weil<br />
wir die großen Herausforderungen wie<br />
Energiesicherheit, Zugang zu Rohstoffen,<br />
Kampf gegen den Klimawandel und Terrorismus<br />
nur gemeinsam bewältigen können.“<br />
1.150 Diplomaten<br />
Konkret solle der EAD in den kommenden<br />
zwei bis drei Jahren rund 1.150<br />
Diplomaten umfassen, erklärt Jutta Edthofer<br />
vom Büro des dänischen Spitzendiplomaten<br />
Poul Skytte Christoffersen. Dieser<br />
arbeitet für Ashton als Sonderberater für<br />
den Aufbau des neuen Dienstes. „Davon<br />
sind 800 Beamte bereits jetzt im Dienst –<br />
sie kommen aus den bisherigen außenpolitischen<br />
Einheiten von Kommission und<br />
Ratssekretariat“, sagt die österreichische<br />
Diplomatin. „Rund 350 Stellen sollen neu<br />
geschaffen und hauptsächlich mit natio-<br />
Tiefgreifender Umbau<br />
Der Ende 2009 in Kraft getretene Lissabonner<br />
Vertrag sieht daher die Bildung<br />
eines Europäischen Auswärtigen Dienstes<br />
(EAD) vor – also gleichsam eines EU-<br />
Außenministeriums. Ende Juli haben ihn<br />
die Außenminister der Mitgliedsstaaten<br />
formell ins Leben gerufen. An der Spitze<br />
steht ein „Hoher Vertreter für Außenund<br />
Sicherheitspolitik“. Den Job hat die<br />
Britin Catherine Ashton erhalten, die der<br />
Einfachheit halber gemeinhin als „EU-<br />
Außenministerin“ bezeichnet wird. Ihre<br />
Behörde soll aus einschlägig erfahrenen<br />
EU-Beamten aus Kommission und Ratssekretariat<br />
sowie Diplomaten aus den Mitgliedsstaaten<br />
zusammengesetzt werden<br />
– ein tiefgreifender Umbau der EU-Administration.<br />
Der Aufbau des EAD setzte<br />
aufwendige Verhandlungen zwischen den<br />
EU-Institutionen und den Nationalstaaten<br />
voraus. Doch gibt es nun die Telefonnummer,<br />
die sich Kissinger gewünscht<br />
hat? Immerhin sei die EU „mit der Schafnalen<br />
Diplomaten besetzt werden.“ Inklusive<br />
der lokalen Angestellten und anderen<br />
EU-Beamten in den Delegationen würden<br />
es an die 5.000 Bediensteten sein, die aber<br />
nicht alle formal zum EAD gehören.<br />
Denn „mit dem EAD wird das bestehende<br />
Netz von Außenvertretungen der<br />
Europäischen Kommission, das die EU in<br />
mehr als 130 Ländern vertritt, verstärkt<br />
und ihre Aufgaben erweitert“, umreißt es<br />
Schweisgut. In diesen EU-Delegationen<br />
seien neben den „Außenpolitikern“ auch<br />
Experten der Europäischen Kommission<br />
für Bereiche wie Handelsfragen und Entwicklungszusammenarbeit<br />
(EZA) tätig.<br />
„Mit ihnen wird die EU als Gemeinschaft<br />
gegenüber ihren internationalen Partnern<br />
sichtbarer und kann gemeinsame Interessen<br />
effizienter in Drittstaaten vertreten.<br />
In Notfällen können die EU-Delegationen<br />
auch Ansprechstelle für die EU-Bürger<br />
sein.“<br />
Doch der Weg zur neuen Institution<br />
war weit, wie Edthofer erzählt. Die Verhandlungen<br />
unter den Mitgliedsstaaten<br />
seien bereits seit 2005 gelaufen. Dabei<br />
habe es sehr unterschiedliche Vorstellungen<br />
gegeben. „Einige Staaten wie Großbritannien<br />
wollten einen eher kleinen<br />
Dienst, während die kleineren Länder<br />
einen möglichst großen bevorzugten, der<br />
sich am besten auch noch um konsularische<br />
Angelegenheiten kümmern sollte.“<br />
Die Kommission war in die Debatten eingebunden<br />
und trat ursprünglich für eine<br />
strikte Beschränkung der neuen Behörde<br />
auf die klassische Außenpolitik ein. Am<br />
Ende stand eine gemeinsame Zuständigkeit<br />
von EAD und Kommission für die<br />
EZA und die EU-Nachbarschaftspolitik.<br />
Der Dienst ist in den ersten Phasen der<br />
34 September 10