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Potentialanalyse der freien Theater - Dachverband Freier ...

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zeichnet demnach ein <strong>Theater</strong>, das sich eher als „Fest“ denn als moralische Anstalt, eher<br />

als „Erfahrung“ denn als für ein Publikum produziertes Spektakel, eher als „Ereignis“ denn<br />

als Wie<strong>der</strong>holung, eher als dem Ritual o<strong>der</strong> einer Zeremonie nahe stehende „Performance“<br />

denn als Literaturpflege versteht. Stilgeschichtlich wird das freie <strong>Theater</strong> auf in den 50-er<br />

und 60-er Jahren des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts entstandene Gruppen und Bewegungen in den USA<br />

und den europäischen Nachbarlän<strong>der</strong>n bezogen, etwa auf das Living Theatre, La Mama,<br />

das Mickery <strong>Theater</strong> und Bread and Puppet, daneben in den 70-er und 80-er Jahren auf<br />

Gruppen wie die New Yorker Wooster Group, die Londoner Station House Opera, das<br />

Wiener <strong>Theater</strong> Angelus Novus, die flämische Needcompany und die Vielzahl <strong>der</strong> <strong>Theater</strong>macher<br />

und -gruppen, die Hans-Thies Lehmann als „postdramatisch“ kategorisiert hat. 7<br />

Sie wurden in Hamburg vor allem durch Festivals bekannt: So durch das von Ivan Nagel<br />

kuratierte <strong>Theater</strong> <strong>der</strong> Nationen im Jahr 1979 o<strong>der</strong> von 1985 an durch das Sommertheaterfestival<br />

auf Kampnagel unter Dieter Jaenicke. In einem größeren historischen Überblick<br />

erscheint das freie <strong>Theater</strong> als heutiger Erbe jener Organisationsform des europäischen<br />

<strong>Theater</strong>s, die bis ins 18. Jahrhun<strong>der</strong>t die allgemein übliche war: des Wan<strong>der</strong>theaters als <strong>der</strong><br />

frühen und zunächst beinahe ausschließlichen Organisationsform des Berufstheaters. Diese<br />

<strong>Theater</strong>form weicht in Deutschland im Zuge <strong>der</strong> Nationaltheaterbewegung und <strong>der</strong> Herausbildung<br />

deutschsprachiger Hoftheater den festen Häusern und hält sich fortan beinahe<br />

ausschließlich in eher gering geschätzten Wan<strong>der</strong>bühnen, den „Schmieren“, daneben im<br />

Puppentheaterbereich. 8 Auf die 20-er Jahre des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts geht <strong>der</strong> Versuch zurück,<br />

<strong>Theater</strong>arbeit in politische Kontexte zu integrieren. An solche Versuche – etwa von Brecht<br />

und Piscator – knüpft nach 1968 das freie <strong>Theater</strong> in <strong>der</strong> Bundesrepublik und West-Berlin<br />

an. (In <strong>der</strong> DDR bleibt das Phänomen marginal. Zu nennen wäre hier lediglich die Gruppe<br />

Zinnober in Berlin.) Es entsteht eine Vielzahl von Gruppen, die zunächst <strong>der</strong> Wille eint,<br />

politisch einzugreifen, herrschende Zustände zu kritisieren und eine kollektive Produktionsweise<br />

zu versuchen. Das freie <strong>Theater</strong> korreliert so <strong>der</strong> so genannten „neuen Linken“.<br />

Dieser ersten Phase folgt ab <strong>der</strong> zweiten Hälfte <strong>der</strong> 70-er Jahre eine zweite Phase, die das<br />

7 Vgl. Weihs, Angie: Freies <strong>Theater</strong>. Reinbek bei Hamburg, Rowohlt, 1981; Brauneck, Manfred: „<strong>Theater</strong><br />

<strong>der</strong> Erfahrung – Freies <strong>Theater</strong>“. In: Ders.: <strong>Theater</strong> im 20. Jahrhun<strong>der</strong>t. Reinbek bei Hamburg, Rowohlt,<br />

1984, S. 395-491 (vgl. zu einer Bibliografie <strong>der</strong> Standardwerke <strong>der</strong> 70-er Jahre ebd. S. 512f.); Stenzahly,<br />

Georg: „Freies <strong>Theater</strong>“. In: <strong>Theater</strong>lexikon. Hrsg. v. Manfred Brauneck u. Gérard Schneilin. Reinbek bei<br />

Hamburg, Rowohlt, 1986, S. 359-362; Batz, Michael u. Schroth, Horst: „<strong>Theater</strong> zwischen Tür und Angel.<br />

Handbuch für Freies <strong>Theater</strong>“. Reinbek bei Hamburg, Rowohlt, 1983; Harjes, Rainer: „Handbuch zur Praxis<br />

des Freien <strong>Theater</strong>s. Lebensraum durch Lebenstraum“. Köln, Dumont, 1983; Lehmann, Hans-Thies: „Robert<br />

Wilson, Szenograph“. In: Merkur 7, 1985, S. 554-563; <strong>der</strong>s.: Postdramatisches <strong>Theater</strong>. Frankfurt a. M.,<br />

Verlag <strong>der</strong> Autoren, 1999.<br />

8 Vgl. zu dieser Darstellung den Artikel „Gruppentheater“. In: Lexikon <strong>Theater</strong> International. Hrsg. v. Jochanan<br />

Ch. Trilse-Finkelstein u. Klaus Hammer. Berlin, Henschel, 1995, S. 352-354.<br />

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