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seit den sechzigern werden in Lustenau stickereien für ... - Saiten

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thema<br />

appenzell<br />

«s<strong>in</strong>d sie vom<br />

tourismus?»<br />

neulich auf e<strong>in</strong>em Kongress <strong>in</strong> berl<strong>in</strong>. «ah, sie<br />

s<strong>in</strong>d aus der schweiz!» «Ja.» «ich habe auf der<br />

liste der teilnehmen<strong>den</strong> gelesen, dass zwei Personen<br />

aus appenzell dabei s<strong>in</strong>d!» «Ja, das s<strong>in</strong>d<br />

wir.» «das s<strong>in</strong>d sie! das ist ja toll! Wissen sie,<br />

ich fahre demnächst mit me<strong>in</strong>em mann nach<br />

appenzell, <strong>für</strong> e<strong>in</strong>ige tage Ferien…» die dame<br />

fährt fort mit ihren ausführungen. sie sei dann<br />

<strong>in</strong> bregenz, habe e<strong>in</strong>en Flug gebucht von zürich<br />

zurück nach berl<strong>in</strong>, habe zwischendr<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ige<br />

tage frei und zusammen mit ihrem mann<br />

überlegt, was man <strong>den</strong>n da machen könne – <strong>in</strong><br />

der schweiz. er habe sich an se<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>dheit er<strong>in</strong>nert,<br />

er sei aus dem sü<strong>den</strong> deutschlands, habe<br />

sich an diese berge er<strong>in</strong>nert, an <strong>den</strong> säntis, und<br />

an dieses appenzell. sie hätten im <strong>in</strong>ternet geschaut<br />

und andere gefragt. es sei ihnen schwende<br />

empfohlen wor<strong>den</strong>, nicht der andere ort an<br />

der bahnl<strong>in</strong>ie weit h<strong>in</strong>ten, da wäre ja so viel tagestourismus,<br />

sondern e<strong>in</strong> gemütliches hotel<br />

am hang, der alpenblick. sie hätten jetzt dort<br />

gebucht, seien drei, vier tage dort, wür<strong>den</strong> gerne<br />

wandern. und was man <strong>den</strong>n sonst noch<br />

machen könne dort? ob wir e<strong>in</strong>e empfehlung<br />

hätten, ob es <strong>den</strong>n da auch Kunst gebe, Kultur?<br />

Wir schlucken. Während ihres begeisterten redeflusses<br />

hat sich bei mir zunehmend resignation<br />

breitgemacht. «gehen sie <strong>in</strong>s museum l<strong>in</strong>er,<br />

das ist gute architektur. und wenn sie mit<br />

dem auto unterwegs s<strong>in</strong>d, fahren sie durchs<br />

land, halten sie zwischendr<strong>in</strong> an <strong>in</strong> <strong>den</strong> dörfern.<br />

die s<strong>in</strong>d ja eigentlich ganz schön, diese<br />

dörfer.» oh schreck, ich ertappe mich. diese<br />

dörfer s<strong>in</strong>d ja eben gerade nicht mehr das gelbe<br />

vom ei, und wenn ich ihr empfehle, anzuhalten,<br />

wird sie vor verschlossenen beizen stehen,<br />

wie wir neulich <strong>in</strong> ste<strong>in</strong>, mittags, und <strong>in</strong><br />

hundwil, als wir zu dritt bis <strong>in</strong>s hörnli nach<br />

urnäsch fahren mussten, weil mittags ke<strong>in</strong> restaurant<br />

geöffnet war. nichts lud zum verweilen<br />

e<strong>in</strong> – nur augen zu und durch. «Ja, und<br />

kaufen sie Käse <strong>in</strong> appenzell!», höre ich mich<br />

sagen. «und fahren sie nach st.gallen <strong>in</strong> die<br />

stiftsbibliothek.» <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Kopf drehe und<br />

wende ich die bei<strong>den</strong> urls, die ich nicht ause<strong>in</strong>anderhalten<br />

kann: soll ich ihr jetzt empfehlen,<br />

weitere angebote unter appenzell.ch oder unter<br />

appenzellerland.ch zu prüfen? Was um himmelswillen<br />

ist überhaupt was? das e<strong>in</strong>e ist tou­<br />

Die Appenzeller Dörfer s<strong>in</strong>d nicht mehr<br />

das Gelbe vom ei. Bild: pd<br />

rismus <strong>in</strong>nerrho<strong>den</strong>, das andere tourismus ausserrho<strong>den</strong>,<br />

so viel weiss ich. ich sage nichts und<br />

schweige. die freundliche dame lächelt: «Ja, was<br />

machen sie <strong>den</strong>n beruflich? s<strong>in</strong>d sie vom tourismus?»<br />

«ne<strong>in</strong>, wir s<strong>in</strong>d vertreter<strong>in</strong>nen aus dem<br />

Kulturbereich», stellen wir richtig. Wir s<strong>in</strong>d am<br />

kulturpolitischen bundeskongress – was sollen<br />

da zwei tourismusvertreter<strong>in</strong>nen aus dem appenzell?<br />

vielleicht Käse verkaufen? oder dieses<br />

klebrige zeugs, wie hiess es doch wieder? mit<br />

der nuss­ oder mandelfüllung, dieses braune …<br />

die dame wundert sich: «aus dem Kulturbereich?<br />

und sie kommen bis nach berl<strong>in</strong> an e<strong>in</strong>en<br />

Kongress? das ist ja grossartig!»<br />

heidi eisenhut, 1976, historiker<strong>in</strong> und leiter<strong>in</strong><br />

Kantonsbibliothek appenzell ausserrho<strong>den</strong><br />

vorarlberg<br />

die bregenzer<br />

hafen­behübschung<br />

zuerst waren die zum Wettbewerb e<strong>in</strong>gereichten<br />

arbeiten der Jury nicht gut genug, dann<br />

brauchten die bewilligungen <strong>für</strong> die im zwei­<br />

26<br />

ten durchgang ausgewählten zeit. nun aber<br />

stehen drei Kunstwerke am «neuen» bregenzer<br />

hafen. nämlich «hommage an brigantium»,<br />

e<strong>in</strong>e skulptur <strong>in</strong> bronze von herbert albrecht,<br />

das «licht­tunnel» von gerry ammann und<br />

«Float<strong>in</strong>g signs» von ruth schnell.<br />

im grade ihrer erkennbarkeit stellen die<br />

drei arbeiten e<strong>in</strong>e deutliche abstufung dar: die<br />

übrigens nicht aus dem Wettbewerb stammende,<br />

sondern frei vergebene «hommage an brigantium»<br />

ist als skulptur sofort erkennbar, sie<br />

sieht aus, wie im Freien stehende Kunst <strong>seit</strong> e<strong>in</strong>em<br />

halben Jahrhundert auszusehen pflegt; der<br />

<strong>in</strong> der dämmerung bunte «licht­tunnel» wirkt<br />

am tag, wenn er abgeschaltet ist, wie e<strong>in</strong> militärischer<br />

zweckbau (e<strong>in</strong>e art bunker, dessen<br />

genauen zweck man allerd<strong>in</strong>gs nicht erkennen<br />

kann), und ruth schnells <strong>in</strong>stallation wird von<br />

ahnungslosen Passanten entweder gar nicht erst<br />

bemerkt oder <strong>für</strong> die Fehlfunktion e<strong>in</strong>es beleuchtungskörpers<br />

gehalten.<br />

«hommage an brigantium» ist zwar korrekt<br />

formuliert, aber ob man e<strong>in</strong>em historischen<br />

Faktum wie der römischen siedlung brigantium<br />

e<strong>in</strong>e hommage (<strong>in</strong> der ja das Wort «homme»<br />

steckt) darbr<strong>in</strong>gen kann, darüber mag man e<strong>in</strong>mal<br />

nach<strong>den</strong>ken. im lokalfernsehen erklärte<br />

der bildhauer mit wachsender lokalpatriotischer<br />

begeisterung, der ort, an dem die skulptur stehe,<br />

sei der schönste Platz von bregenz, ne<strong>in</strong>,<br />

vom ganzen bo<strong>den</strong>see. mal sehen, was man auf<br />

der höri dazu me<strong>in</strong>t – falls man dort Kulturereignisse<br />

<strong>in</strong> bregenz überhaupt wahrnimmt.<br />

der «licht­tunnel» ist e<strong>in</strong>e art <strong>in</strong>verser<br />

«tunnel of love». <strong>den</strong> liebestunnel gab es <strong>in</strong><br />

amerikanischen vergnügungsparks vergangener<br />

zeiten, wo junge männer mit ihren mädchen<br />

im boot beim h<strong>in</strong>durchrudern die gelegenheit<br />

nutzten, im dunklen zu knutschen. ammanns<br />

«licht­tunnel» ist e<strong>in</strong>e licht­oase <strong>in</strong> der dun­<br />

Ke<strong>in</strong> militärischer Zweckbau:<br />

das ist Kunst. Bild: Kurt Bracharz<br />

saiten 07/08.11

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