seit den sechzigern werden in Lustenau stickereien für ... - Saiten
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<strong>den</strong> letzten zipfel e<strong>in</strong>er sehrdunkelbraun<br />
grillierten bech<strong>in</strong>gerolmabratwurst im l<strong>in</strong>ken<br />
mundw<strong>in</strong>kel versorgt, muss ich vor der<br />
sommerpause etwas klarstellen: entgegen oft<br />
gehörter vorwürfe mache ich die gallenstadt<br />
überhaupt nicht ständig schlecht. im gegenteil,<br />
sie sollten mich mal <strong>in</strong> sommerstimmung an<br />
e<strong>in</strong>em grill <strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>hün<strong>in</strong>gen oder am langen<br />
südsee oder auch im jurassischen saignelegier<br />
hören, wenn da allerhand<br />
leute aus verschie<strong>den</strong>sten<br />
Kantonen<br />
und aus benachbarten<br />
ländern herumstehen.<br />
also, da kann ich unerhört<br />
<strong>in</strong> lokalchauv<strong>in</strong>istische<br />
laune kommen<br />
und beispielsweise eben<br />
von dieser bech<strong>in</strong>ger<br />
Wurst schwärmen und<br />
von dem Quartierstadion,<br />
<strong>in</strong> dem sie verkauft<br />
wird, oder von <strong>den</strong><br />
Weststürmen auf dem<br />
grossen Pfahlbauersee,<br />
oder von, ok, lassen<br />
wirs, viel mehr fällt mir<br />
jetzt grad nicht e<strong>in</strong>.<br />
es kann aber auch<br />
passieren, dass wenn ich<br />
selber lieber nicht von<br />
der gallenstadt re<strong>den</strong><br />
mag, auswärtige die<br />
schwärmereien übernehmen.<br />
aha, da bist du also her, oh, das ist<br />
aber schön, vor allem die altstadt, heisst es dann,<br />
da war ich mal als Fussballjunior oder auf e<strong>in</strong>er<br />
Klassenreise, aber so genau weiss ichs nicht<br />
mehr. an diesem grill am vorletzten Juniwochenende<br />
übernahm ausgerechnet e<strong>in</strong> aus hull<br />
zugezogener engländer diesen Part. und se<strong>in</strong>e<br />
er<strong>in</strong>nerungen an die ostrandzone waren von<br />
überschwänglicher euphorie: sanktgallen? oh,<br />
da hatte ich e<strong>in</strong>st e<strong>in</strong>e Freund<strong>in</strong>, Waldkirch oder<br />
Kirchberg, das ist doch die gegend? mit der<br />
rannte ich immer auf <strong>den</strong> säntis, von h<strong>in</strong>ten her,<br />
verstehst du, von unterwasser, da kommt doch<br />
e<strong>in</strong> see, sowas wie Fallen lake, nicht? Je<strong>den</strong>falls:<br />
beautiful, wir waren young and fit, you know.<br />
ich hatte ke<strong>in</strong>e ahnung, von was er sprach.<br />
aber er fuhr fort: als sie mich verliess, vermisste<br />
ich eigentlich nur diese säntiswanderungen.<br />
und am samstagabend fuhren wir oft <strong>in</strong> die<br />
stadt, grossartige beizen, <strong>den</strong> splügen, kennst<br />
du, der war immer so voll! und dann war da<br />
noch e<strong>in</strong>e fantastische altstadtbohèmebeiz,<br />
die was mit dem Künstler h.r. giger zu tun<br />
hatte, und e<strong>in</strong>e spanische taverne bei der grossen<br />
Kirche? Weisst du, funkelte der engländer, sa<strong>in</strong>tgall<br />
hat noch immer solche beizen, während es<br />
rundherum nur noch trendbars gibt. ich nickte<br />
nur und zw<strong>in</strong>kerte: ist schon länger her, dass du<br />
dort warst, siebziger Jahre, oder frühe achtziger,<br />
right? <strong>den</strong>n, me<strong>in</strong> lieber englischer Freund:<br />
saiten 07/08.11<br />
der splügen ist toll, wenn auch etwas museal,<br />
und wohlwollend gesagt nicht mehr wirklich<br />
voll, und die bei<strong>den</strong> andern s<strong>in</strong>d längst tot, also<br />
das haus zur letzten latern und die spanische<br />
We<strong>in</strong>halle, wenn du die bei<strong>den</strong> me<strong>in</strong>st.<br />
normalerweise pflegen auswärtige grillgespräche<br />
über die gallenstadt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er weiträumigen<br />
suche nach europäischen städten ohne<br />
Wasser zu veren<strong>den</strong>. <strong>den</strong>n meistens komme ich<br />
der oberschenkel ist menschlich.<br />
nicht umh<strong>in</strong> zu beklagen, dass die stadt ke<strong>in</strong><br />
Wasser habe und darum bei aller nettigkeit doch<br />
eher garstig, wenn nicht gar bös verkrebst sei.<br />
man müsse, abgesehen von W<strong>in</strong>terthur, schon<br />
sehr lange studieren, bis man zehn städte <strong>in</strong><br />
europa nennen könne, die nicht an e<strong>in</strong>en Fluss<br />
oder see gebaut seien. und dann wird jeweils <strong>in</strong><br />
der animierten gruppe im nu darüber gestritten,<br />
ob zum beispiel braunschweig, erfurt oder<br />
dijon e<strong>in</strong> Wasser aufwiesen. Wobei mittlerweile<br />
dann meist die iPhones gezückt wer<strong>den</strong>.<br />
egal, dieses mal kamen wir nicht so weit,<br />
<strong>den</strong>n braunauge kam wieder mit ihrem Knochen.<br />
e<strong>in</strong>e basellandschaftliche dorflehrer<strong>in</strong><br />
hatte ihr das d<strong>in</strong>g als beigabe zum monströsen<br />
Kuhschädel geschenkt, aber dann waren schnell<br />
zweifel aufgekommen, ob die gut vierzig zentimeter<br />
wirklich tierisch seien. angeblich stammte<br />
der Knochen aus e<strong>in</strong>em ehemaligen biologiekellerzimmer;<br />
<strong>in</strong> der nähe der schule stand früher<br />
e<strong>in</strong> be<strong>in</strong>haus, und die söhne des Pfarrers fan<strong>den</strong><br />
auf dem Kirchenacker über die Jahre diverse<br />
Knochen <strong>in</strong>klusive Kopf, bis der e<strong>in</strong>e, der legende<br />
nach, auf dem estrich e<strong>in</strong> ganzes skelett<br />
beie<strong>in</strong>ander hatte. der verdacht auf e<strong>in</strong> menschliches<br />
teil war also nicht von der hand zu weisen.<br />
braunauge hatte bereits e<strong>in</strong>en biologen und<br />
e<strong>in</strong>e archäolog<strong>in</strong> befragt und wollte nach dem<br />
exklusionsverfahren demnächst ihren metzger<br />
um rat bitten, da stellte an ebendiesem grill e<strong>in</strong><br />
73<br />
nachrichten aus dem sumpf pfahlbauer<br />
älteres Ärzteehepaar ohne je<strong>den</strong> zweifel alles<br />
klar: dieser Knochen ist menschlich, ke<strong>in</strong>e Frage,<br />
e<strong>in</strong> oberschenkel; bei e<strong>in</strong>er Kuh wäre die<br />
Kniekugel m<strong>in</strong>destens doppelt so gross. und:<br />
vermutlich noch nicht mal so alt, vorletztes, oder<br />
eher letztes Jahrhundert vielleicht?<br />
nun stockte allen grillfreun<strong>den</strong> kurz der<br />
schnauf. ausser braunauge, die freute sich natürlich<br />
und frohlockte, dass sie nun, zwar noch<br />
nicht wie goethe e<strong>in</strong>en<br />
schädel, aber immerh<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>en oberschenkel<br />
habe; das sei doch<br />
e<strong>in</strong> anfang. ganz im<br />
gegensatz zu mir: ich<br />
bestand darauf, dass der<br />
Knochen bei me<strong>in</strong>em<br />
nächsten besuch verschwun<strong>den</strong><br />
sei. ich habe<br />
e<strong>in</strong>fach zu viele Filme<br />
gesehen, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en der<br />
besitzer Jahrhunderte<br />
später se<strong>in</strong>en Knochen<br />
wieder zurückwollte.<br />
statt zu streiten,<br />
g<strong>in</strong>gen wir tags darauf<br />
an diese Kunstmesse.<br />
und das wurde e<strong>in</strong>e<br />
traurige sache. nicht<br />
weil wir uns die wunderbarenFederzeichnungen<br />
von george<br />
grosz, «sumpfblumen<br />
des Kapitalismus» von<br />
1919, und «der Weg allen Fleisches» von 1929,<br />
beim Kunsthändler der klassischen moderne<br />
nicht leisten konnten, auch unter verwendung<br />
unseres gesamten Pensionskassengeldes nicht.<br />
sondern weil david shrigley, ausgerechnet der<br />
schotte unseres vertrauens, der ja eigentlich der<br />
lustigste Künstler überhaupt ist, e<strong>in</strong>e ausgestopfte<br />
Katze mit demoschild <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e vitr<strong>in</strong>e gestellt<br />
hatte. und die sah dummerweise genau so aus<br />
wie die kle<strong>in</strong>e schwester von braunauges Katze,<br />
die vor e<strong>in</strong>igen monaten ausgezogen war.<br />
soweit, so traurig, so ungemütlich. aber hey,<br />
es ist sommer! aller<strong>seit</strong>s schöne Wochen bleibt<br />
mir zu wünschen, oder um es mit der wunderbaren<br />
australischen Kapelle the triffids zu<br />
sagen: ihnen, werte leserschaft, a hell of a summer.<br />
und noch e<strong>in</strong> satz zu harry grimm: Falls<br />
du das warst, harry, mit diesem diebstahl von<br />
acht wertvollen rasseenten aus e<strong>in</strong>em Weiher<br />
<strong>in</strong> abtwil kurz vor dem blasmusikfest, lass gut<br />
se<strong>in</strong>. ich weiss, wie sehr du gerade versicolorenten,<br />
amerikanische schwarzkopfruderenten,<br />
moorenten und haubengänse auf de<strong>in</strong>em grill<br />
schätzen tust; aber das, harry, das geht wirklich<br />
zu weit. verzichte e<strong>in</strong>fach, und <strong>den</strong>k an de<strong>in</strong>e<br />
mitmenschen, die enten gern langweilig lebend<br />
im teich haben. brauchts auch, glaubs mir. ich<br />
schicke dir da<strong>für</strong> e<strong>in</strong>en Karton mit bech<strong>in</strong>gerwürsten,<br />
und e<strong>in</strong> paar von bertrams Pfahlbauerspiessen<br />
noch dazu. Charles Pfahlbauer jr.