Mit mehreren Y<strong>la</strong>ng-Y<strong>la</strong>ng-Seifen, Räucherstäbchen, Aromasteinen und einem Raumspray aus <strong>de</strong>m Besuchershop bestückt, fahre ich weiter nach La-Saline-les Bains, meiner ersten Nachtetappe. Das Hotel „Le Nautile“ liegt direkt an <strong>de</strong>r Lagune. Die meisten Ba<strong>de</strong>orte <strong>de</strong>r Insel sind durch Riffe geschützt. In <strong>de</strong>n Lagunen zwischen <strong>de</strong>n Korallenbänken und <strong>de</strong>m Strand kann man gefahrlos und in ruhigem Wasser schwimmen und schnorcheln. Außerhalb <strong>de</strong>r Lagunen haben die Wassersportler ihr Revier, beson<strong>de</strong>rs die Wellenreiter. Die Bedingungen sind so gut, dass hier regelmäßig sogar Weltmeisterschaftsturniere stattfin<strong>de</strong>n. Zur Mittagszeit treffe ich im Ba<strong>de</strong>ort Boucan Canot ein, werfe am Strand meine Sachen ab und stürze mich in die Wellen. Ein tolles Gefühl von Freiheit: Salz, Sonne und Meer! Ich schaue mir die Surfer allerdings lieber vom Trockenen aus an. Auf <strong>de</strong>r Terrasse <strong>de</strong>s benachbarten Restaurants „Coco Beach“ bestelle ich mir zum Sonnenuntergang das legendäre Insel-Bier „Dodo“. Sein Name erinnert an <strong>de</strong>n ausgestorbenen Dodo-Vogel, das Wahrzeichen von La Réunion. Bei Anbruch <strong>de</strong>r Dunkelheit lege ich mich in <strong>de</strong>n warmen Sand am Strand, schaue hinauf in <strong>de</strong>n Nachthimmel und ent<strong>de</strong>cke tatsächlich das Kreuz <strong>de</strong>s Sü<strong>de</strong>ns. Neben mir fin<strong>de</strong>n sich einige Trommler an einem Lagerfeuer zu einer kleinen Session zusammen. Ich <strong>la</strong>usche <strong>de</strong>n Klängen und bin glücklich, hier, in meinem kleinen Paradies. Cases creoles und gegrillte Dora<strong>de</strong> – Von La-Saline-les-Bains nach Manapany-les-Bains Frühmorgens – auf La Réunion geht die Sonne schneller auf als in Europa – mache ich mich auf in Richtung Stel<strong>la</strong> Matutina. In einer stillgelegten Zuckerrohrfabrik wur<strong>de</strong> hier 1991 ein mo<strong>de</strong>rnes Landwirtschafts- und Industriemuseum eröffnet. Die Hallen füllen<strong>de</strong>n Dampfmaschinen, Zuckerrohrpressen, Computeranimationen sowie Hör- und Riechproben entführen mich auf eine hochinteressante Reise durch 350 Jahre Inselgeschichte: von ihrer Inbesitznahme 1642 im Namen <strong>de</strong>s Bourbonenkönigs Ludwig XIV. über die wirtschaftliche Blüte infolge <strong>de</strong>s Zuckerrohranbaus bis in die Zukunft: In einer temporären Ausstellung wer<strong>de</strong>n Mo<strong>de</strong>lle <strong>de</strong>s Verkehrsprojektes „Tram-Train“ gezeigt. Gep<strong>la</strong>nt ist für die nächsten Jahre eine futuristische Zugverbindung zwischen St-Paul und Ste-Marie im Nor<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Insel, um die Autobahn zu ent<strong>la</strong>sten. Denn im Berufsverkehr geht oft gar nichts mehr. Das Wort für Stau, „Bouchon“, ist eines <strong>de</strong>r ersten Vokabeln, die ich nach meiner Ankunft auf <strong>de</strong>r Insel lerne… Ich merke gar nicht, wie die Zeit vergeht. Als ich in <strong>de</strong>m umliegen<strong>de</strong>n Park ein kleines Picknick mache und <strong>de</strong>n herrlichen Blick auf das Meer genieße, ist es bereits Nachmittag. St-Pierre, die größte Stadt im Sü<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Insel, wer<strong>de</strong> ich also ein an<strong>de</strong>res Mal besuchen müssen. 10 | Roadmovie Statt<strong>de</strong>ssen fahre ich weiter, bis es wie<strong>de</strong>r ruhig und beschaulich wird. Zuckle <strong>la</strong>ngsam durch Grand Bois und bewun<strong>de</strong>re die cases creoles, die in leuchten<strong>de</strong>n Farben gestrichenen Holzhäuser aus <strong>de</strong>r Kolonialzeit, mit ihren kunstvoll geschnitzten Dachborten und Giebeln. Kurz hinter Grand Bois liegt in Richtung Küste schon meine nächste Herberge. Die Pension „Gandalf Safari Camp“ wird von einem <strong>de</strong>utschen Ehepaar mit viel Liebe und Einfallsreichtum geführt. Christina und C<strong>la</strong>us Moreno vermieten nicht nur wun<strong>de</strong>rschön <strong>de</strong>korierte Zimmer, sie bieten auch Touren über die Insel an, zum Beispiel zum Vulkan o<strong>de</strong>r durch <strong>de</strong>n Regenwald. Doch heute Abend wird erst mal gemeinsam gegrillt, und zwar die Spezialität von C<strong>la</strong>us: eingelegte Dora<strong>de</strong> mit Limettensauce. Spätabends öffne ich mein Fenster, schaue auf <strong>de</strong>n riesigen Mangobaum direkt vor <strong>de</strong>m Haus und <strong>la</strong>usche <strong>de</strong>m Tosen <strong>de</strong>s Indischen Ozeans. Marie, die Lavadame – Von Manapany-les-Bains nach St-Denis Kurz vor St-Joseph muss ich plötzlich anhalten: Ein LKW hat seine Zuckerrohr<strong>la</strong>dung verloren. Alle packen mit an, helfen <strong>de</strong>n Hänger wie<strong>de</strong>r zu füllen. Eine alte Frau schaut durch das Autofenster, fragt, ob ich sie mitnehmen könne nach Ste-Rose, sie habe gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Bus verpasst. Bien sûr! Im Schritttempo fahren wir durch St-Joseph. Mir fallen die schönen dunkelgrünen Laternen mit <strong>de</strong>n geschwungenen, kupfernen Hauben auf – ein stilvolles Erbe <strong>de</strong>r Kolonialzeit. Rechts das Rathaus, davor ein steinerner Springbrunnen: Der Ort hat sich viel von seinem früheren Charme bewahrt. Die Bäuerin, sie heißt Marie, macht mich neugierig: „Hinter St-Joseph wird es richtig schön, da beginnt <strong>de</strong>r wil<strong>de</strong> Sü<strong>de</strong>n.“ Mit je<strong>de</strong>m Kilometer wird die Vegetation üppiger, dichter, grüner: Palmenhaine, Zuckerrohrfel<strong>de</strong>r, Goyavierbüsche, wil<strong>de</strong>r Wein, Rosenapfel, Blumengir<strong>la</strong>n<strong>de</strong>n. „Kennst du die Frucht <strong>de</strong>s Vacoabaumes? Nein? Dann muss ich dich mit Louis bekannt machen.“ Louis Damour ist lei<strong>de</strong>nschaftlicher Koch und hat sich auf die ananasähnliche Vacoa-Frucht spezialisiert. „Früher <strong>la</strong>chten mich viele Leute aus, weil sie Vacoas nur als Schweinefutter kannten“, erzählt <strong>de</strong>r silberhaarige Réunionnais, als wir auf <strong>de</strong>r Veranda seines Gästehauses „Pin Pin d’amour“ stehen. „Heute kennt fast je<strong>de</strong>r Koch auf <strong>de</strong>r Insel meine Rezepte für Vacoa-Gratins, -Caris und -Konfitüren.“ Damour ist stolz darauf, dass er die vitaminreiche Frucht wie<strong>de</strong>r in das Bewusstsein <strong>de</strong>r Inselbewohner gebracht hat. Auf seine Initiative hin fin<strong>de</strong>t in Saint-Philippe alljährlich eine „Fête du Vacoa“ statt. „Der Baum gehört zu unserem kulturellen Erbe. Wir flechten Körbe, Untersetzer und Säcke daraus. Warum sollen wir seine Früchte <strong>de</strong>n Schweinen über<strong>la</strong>ssen?“ Gerne wür<strong>de</strong> ich eines seiner Gerichte kosten, aber Marie lotst mich schon wie<strong>de</strong>r zum Wagen. Die Rolle als Frem<strong>de</strong>nführerin macht ihr offenbar großen Spaß: „Als Nächstes musst du Cap Méchant sehen“, legt sie fest, „dort wirst du die Kraft <strong>de</strong>s Ozeans spüren.“ Und tatsächlich: Am „gemeinen Kap“ fliegt mir die Gischt um die Ohren. Die Brandung tost, meterhohe Wellen peitschen gegen schwarze, schroffe Felsen. Die Lava hat
1 4 6 9 Inselextreme: Rote Chilischoten, die lichterloh brennen, wenn man nicht aufpasst (1), und kühlen<strong>de</strong>s Nass, in <strong>de</strong>m sich Delfine (2) und Menschen tummeln, hier auf <strong>de</strong>r Lagune von L'Hermitage-les-Bains (8) und am Strand von Saint-Gilles (10). Am Cap méchant, <strong>de</strong>m "gemeinen Kap" bran<strong>de</strong>n <strong>de</strong>rweil die Wellen an die felsige Lavaküste (3). Ob weiß, gelb o<strong>de</strong>r braun – die Insel ist bunt, hat viele Gesichter (4, 5 und 9) und bietet eine exotische Flora und Fauna, von <strong>de</strong>r Stachelpalme (6) über Aloen (11) bis hin zur gemütlichen Strahlenschildkröte (7). 2 7 10 Roadmovie | 11 3 5 8 11