05.11.2012 Aufrufe

Frankreichs schönste Seiten - Maison de la France

Frankreichs schönste Seiten - Maison de la France

Frankreichs schönste Seiten - Maison de la France

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

B<br />

ernard richtet seinen Blick auf meine Wan<strong>de</strong>rvorbereitungen:<br />

hohe Trekkingschuhe, Wasserf<strong>la</strong>sche,<br />

Sonnenmilch, Regenjacke. Er nickt und<br />

fügt hinzu: „Wenn du <strong>de</strong>n Weg ohne Probleme<br />

genießen möchtest, musst du vor allem eines können –<br />

Pausen machen.“ Genau das schaffen seiner Erfahrung<br />

nach viele Touristen nicht: „Sie sind zu ehrgeizig und<br />

powern sich schnell aus.“<br />

Heute morgen um 7 Uhr haben wir uns getroffen.<br />

Bernard, ein braun gebrannter, muskulöser Mann in <strong>de</strong>n<br />

Vierzigern, wird mich in <strong>de</strong>n Cirque <strong>de</strong> Mafate führen,<br />

einen <strong>de</strong>r drei großen Talkessel <strong>de</strong>r Insel, die hier in<br />

Jahrmillionen <strong>la</strong>ngen Erosionsprozessen entstan<strong>de</strong>n sind.<br />

Die Reservierungszentrale von La Réunion vermittelte<br />

<strong>de</strong>n Kontakt, als ich mich dort nach einer professionellen<br />

Wan<strong>de</strong>rbegleitung erkundigte.<br />

Hinter <strong>de</strong>m Örtchen Grand Ilet parken wir das Auto.<br />

Die Luft ist herrlich frisch und k<strong>la</strong>r. Kein Wun<strong>de</strong>r: Wir<br />

befin<strong>de</strong>n uns auf 2.000 Metern Höhe. Und obwohl das<br />

Thermometer 20 Grad anzeigt, fröstelt es mich ein wenig.<br />

So schnell habe ich mich bereits an die sommerlichen<br />

Temperaturen an <strong>de</strong>r Küste gewöhnt. Bernard ist zufrie<strong>de</strong>n<br />

mit <strong>de</strong>m Wetter. Anhand <strong>de</strong>r Wolken, ihrer Farbe und<br />

Größe, erklärt er mir, dass es stabil bleiben wird. Dem<br />

Wetterbericht im Fernsehen wür<strong>de</strong> er nie trauen: „Wieso<br />

soll ein Tausen<strong>de</strong> Kilometer entfernter Satellit mehr<br />

wissen als ich, <strong>de</strong>r vor Ort ist und die Gegebenheiten von<br />

Kin<strong>de</strong>sbeinen an kennt?“ Sein Großvater brachte ihm bei,<br />

das Wetter zu lesen und zu erkennen, wann <strong>de</strong>r Wind<br />

dreht und Regen heranzieht.<br />

Aus <strong>de</strong>n baumkargen Höhen beginnen wir <strong>de</strong>n Abstieg<br />

nach La Nouvelle, einem kleinen Dorf im Talkessel. Drei<br />

Stun<strong>de</strong>n <strong>la</strong>ng geht es steil hinab in die Tiefe. Bereits nach<br />

wenigen Schritten öffnet sich ein berauschen<strong>de</strong>s Panorama<br />

auf ein gewaltiges Gebirgsmassiv mit Gipfeln, die<br />

sich über 3.000 Meter hoch in <strong>de</strong>n Himmel recken. Unter<br />

unseren Schuhen hören wir bei je<strong>de</strong>m Schritt das Geröll<br />

knirschen.<br />

Ich <strong>la</strong>ufe zu schnell, kann mich schlecht bremsen, keuche<br />

und vergeu<strong>de</strong> Kraft. „Der Atem trägt die Beine“, ruft<br />

Bernard von hinten. Der Meister zeigt, wie es richtig<br />

geht: Kleine Schritte soll ich machen, Füße mit <strong>de</strong>n Fersen<br />

zuerst aufsetzen, nicht mit <strong>de</strong>n Spitzen. Und <strong>la</strong>ngsamer<br />

<strong>la</strong>ufen: einatmen, Schritt, ausatmen, Schritt. Dann machen<br />

wir eine Pause, strecken uns im Gras aus. Ein roter Kardinal<br />

setzt sich auf einen Tamarin<strong>de</strong>nbaum. Bernard<br />

zwitschert ihm zu, <strong>de</strong>r Vogel antwortet. Bei<strong>de</strong> trällern in<br />

die Stille hinein.<br />

Mein kreolischer Begleiter erinnert mich ein wenig an <strong>de</strong>n<br />

griechischen Lebenskünstler Alexis Sorbas, alias Anthony<br />

i Informationen<br />

Wan<strong>de</strong>rn auf La Réunion<br />

La Réunion verfügt über ein<br />

ausgezeichnetes Netz markierter<br />

und ausgeschil<strong>de</strong>rter<br />

Wan<strong>de</strong>rwegen mit einer<br />

Gesamtlänge von über 1.000<br />

Kilometern. Touren sind von<br />

einem bis zu zehn Tagen<br />

möglich, darunter auch<br />

Wan<strong>de</strong>rungen durch die drei<br />

Vulkankessel Mafate, Sa<strong>la</strong>zie<br />

und Ci<strong>la</strong>os.<br />

Quinn. Nur dass Bernard nicht tanzt, wenn sich ihm ein<br />

Schatten auf die Seele legt, son<strong>de</strong>rn wan<strong>de</strong>rn geht. Sein<br />

durchtrainierter Körper wirkt viel jünger als sein Gesicht,<br />

in das sich die Jahre bereits tief eingegraben haben.<br />

Ich bin ungeduldig, möchte weiter, will in La Nouvelle<br />

ankommen. Doch Bernard mahnt mich, noch etwas<br />

auszuruhen: „Bei uns sagt man: Es gibt eine Zeit zum<br />

Fischen und eine Zeit, um Netze zu trocknen.“ Das gelte<br />

auch für das Wan<strong>de</strong>rn: „Je mehr du ausruhst, <strong>de</strong>sto<br />

schneller kommst du voran, <strong>de</strong>nn du teilst <strong>de</strong>ine Kräfte<br />

besser ein und hältst durch.“<br />

Nach einer <strong>la</strong>ngen Pause brechen wir wie<strong>de</strong>r auf und<br />

steigen in das wil<strong>de</strong>, grüne Tal hinab. Die Vegetation<br />

wird immer bunter und üppiger: Palmen, Mangobäume,<br />

Bananenp<strong>la</strong>ntagen, Bambushaine säumen <strong>de</strong>n Weg; zwischen<br />

Stämmen und Sträuchern leuchten Hibiskus- und<br />

Orchi<strong>de</strong>enblüten. Schließlich kommen die weißen und<br />

roten Dächer von La Nouvelle in Sicht.<br />

Im 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt flüchteten Sk<strong>la</strong>ven vor <strong>de</strong>n unmenschlichen<br />

Arbeitsbedingungen auf <strong>de</strong>n Zuckerrohrfel<strong>de</strong>rn in<br />

<strong>de</strong>n schwer zugänglichen, 70 Quadratkilometer großen<br />

Talkessel. Ihre Nachkommen leben heute vor allem von<br />

<strong>de</strong>n Touristen, die auf Wan<strong>de</strong>rungen in das Tal kommen.<br />

Nach La Nouvelle führt keine Straße. Alles, was benötigt<br />

wird – von Lebensmitteln bis zu Häuserteilen –, bringen<br />

Hubschrauber. Wer Freun<strong>de</strong> besuchen o<strong>de</strong>r als Tourist in<br />

das Tal möchte, geht wie wir, zu Fuß. Es heißt, dass einige<br />

Dorfbewohner noch nie das Meer gesehen haben, dabei<br />

sind es nur 20 Kilometer bis zur Küste.<br />

Abends, im Gastraum unserer Unterkunft, sitzen wir mit<br />

an<strong>de</strong>ren Wan<strong>de</strong>rern beisammen und trinken einheimischen<br />

Rum. Madame Oreo, die Herbergsmutter, hat Cari<br />

Poulet gekocht: Reis mit Huhn, Linsen und scharfer Sauce.<br />

Wir wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r gemütlichen Holzhütte übernachten<br />

– eine Familie aus Bor<strong>de</strong>aux und ein frisch verliebtes<br />

indisches Pärchen, das auf La Réunion geboren ist und<br />

<strong>de</strong>n Ganges nur vom Hörensagen kennt.<br />

Am nächsten Morgen stippen wir versch<strong>la</strong>fen unsere<br />

Croissants in <strong>de</strong>n Milchkaffee und brechen noch vor acht<br />

Uhr auf. Es gibt kein Erbarmen, <strong>de</strong>r Aufstieg ist steil, die<br />

Hitze holt uns ein, ich schwitze und es flimmert vor <strong>de</strong>n<br />

Augen. Ich spüre <strong>de</strong>n Puls an meiner Sch<strong>la</strong>ga<strong>de</strong>r und<br />

<strong>la</strong>ufe wie in Trance. Der Weg scheint unter meinen Füßen<br />

zu wachsen – man sagt ja, dass beim Wan<strong>de</strong>rn die Welt<br />

größer wird, aber das hatte ich mir eigentlich an<strong>de</strong>rs<br />

vorgestellt. Bernard re<strong>de</strong>t ununterbrochen, um mich bei<br />

Laune zu halten. Irgendwann erreichen wir dann <strong>de</strong>n<br />

Gipfel. Ich bin erleichtert. Und ich bin stolz, es geschafft<br />

zu haben.<br />

Reservierungen und Infor mationen<br />

rund ums Wan<strong>de</strong>rn<br />

und an<strong>de</strong>re Outdoor-Aktivitäten<br />

sowie Vermittlung von<br />

Bergführern:<br />

Reservierungszentrale <strong>de</strong>r<br />

Insel La Réunion<br />

5, rue Rontaunay,<br />

97400 Saint-Denis,<br />

Tel. +262 (0)2 62 90 78 78/90,<br />

www.reunion-nature.com<br />

Gîte <strong>de</strong> Madame Oreo<br />

Holzhütte in La Nouvelle, Vier-<br />

Bett- und Acht-Bett-Zimmer,<br />

sauber und gepflegt, herzhafte<br />

Küche, Übernachtung<br />

mit Aben<strong>de</strong>ssen und Frühstück<br />

ab 60 Euro. La Nou velle,<br />

Tel.: +262 (0)262 43 58 57.<br />

Weitere Berghütten über:<br />

Reservierungszentrale <strong>de</strong>r<br />

Insel La Réunion<br />

Wan<strong>de</strong>rn | 21

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!