Frankreichs schönste Seiten - Maison de la France
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im November heißt Dipa<strong>la</strong>vi. Ein Meer von Öllämpchen<br />
beleuchtet Tempel und Gassen im Osten <strong>de</strong>r Insel. Mit<br />
<strong>de</strong>n Festen bekennt sich je<strong>de</strong> Bevölkerungsgruppe zu<br />
ihrer Herkunft. Wichtiger aber bleibt, dass alle Inselbewohner<br />
zu <strong>de</strong>n Feierlichkeiten willkommen sind.<br />
Alle gemeinsam verehren <strong>de</strong>n Inselheiligen Saint Expédit<br />
mit seiner römischen Legionärsuniform. Selbst im<br />
entlegensten Tal <strong>de</strong>r Insel wird ihm ein blutroter Bildstock<br />
gewidmet. Existiert hat Saint Expédit nachweislich<br />
nie. Es wird gemunkelt, Nonnen aus St-Denis hätten <strong>de</strong>n<br />
Heiligen in die Inselwelt hineinkolportiert. Seiner Popu<strong>la</strong>rität<br />
tut es keinen Abbruch. Egal, ob <strong>de</strong>r Bittsteller<br />
Europäer, Schwarzafrikaner, In<strong>de</strong>r, Chinese, Ma<strong>de</strong>gasse<br />
o<strong>de</strong>r Komorianer ist, an St-Expédit g<strong>la</strong>ubt fast je<strong>de</strong>r Réunionnais.<br />
Wer einen sehnlichen Wunsch hegt, bringt ihm<br />
ein Opfer dar: ein G<strong>la</strong>s Rum, eine Packung Zigaretten,<br />
Blumen – Saint Expédit wird es schon richten.<br />
Ebenso hoch dürfte <strong>de</strong>r Prozentsatz <strong>de</strong>r Insu<strong>la</strong>ner sein,<br />
die die Küche von La Réunion als die einzig wahre<br />
preisen. Die Cuisine créole verbin<strong>de</strong>t indisches Curry,<br />
französisches Savoir faire, <strong>de</strong>n chinesischen Wok und<br />
afrikanischen Maniok zu einer Fusion-Küche <strong>de</strong>r ganz<br />
beson<strong>de</strong>ren Art. Es mag ein wenig dauern, bis man das<br />
eigene Schub<strong>la</strong><strong>de</strong>n<strong>de</strong>nken ablegt und begreift, wie gut<br />
Menschen unterschiedlichster Hautfarbe, kultureller<br />
Wurzeln und Religionen zusammenleben können. Ein<br />
Cabri massalé (kreolischer Ziegenfleischeintopf), ein<br />
Canard à <strong>la</strong> vanille (Vanilleente) o<strong>de</strong>r ein Civet <strong>de</strong> zourites<br />
(Tintenfischragout) sind jedoch in je<strong>de</strong>m Fall Liebe<br />
auf <strong>de</strong>n ersten Biss.<br />
18 | Créolité<br />
Der große Hindu-Tempel von St-Philippe<br />
gehört zu <strong>de</strong>n bunten Kuriositäten <strong>de</strong>r<br />
Vielvölkerinsel. Götter sowie gute und<br />
böse Geister in grellen Farben wachen<br />
über das Wohl und Wehe <strong>de</strong>r Gläubigen<br />
Kaum etwas spiegelt die Seele <strong>de</strong>r<br />
Insel so wi<strong>de</strong>r wie ihre Musik. Zu<br />
<strong>de</strong>n bekanntesten und einflussreichsten<br />
Gruppen gehört „Ziskakan“.<br />
Die kreolische Band mischt<br />
einheimische Rhythmen wie Séga<br />
und Maloya mit Reggae, Jazz und<br />
Pop, elektronische Instrumente mit<br />
traditionellen Klängen und kreolischen<br />
Texten. Gilbert Pounia, <strong>de</strong>r<br />
charismatische Sänger indischer<br />
Abstammung, hat entschei<strong>de</strong>nd<br />
dazu beigetragen, dass sich in <strong>de</strong>n<br />
jüngeren Generationen ein neues<br />
Selbstverständnis für kreolische<br />
Traditionen entwickelt hat.<br />
Birgit Weidt sprach mit ihm über<br />
seine Musik und die Wie<strong>de</strong>rgeburt<br />
<strong>de</strong>r kreolischen I<strong>de</strong>ntität.<br />
Herr Pounia, Französisch ist die offizielle Sprache auf La<br />
Réunion. Warum singen Sie ihre Lie<strong>de</strong>r auf Kreolisch?<br />
Kreolisch zu re<strong>de</strong>n und zu singen hat etwas mit<br />
unserer I<strong>de</strong>ntität zu tun. Mehr als achtzig Prozent<br />
<strong>de</strong>r Bevölkerung sprechen Kreolisch, es ist unsere<br />
Muttersprache. En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 70er Jahre wur<strong>de</strong> sie immer<br />
mehr aus <strong>de</strong>m Alltag verdrängt, Literatur, Radio,<br />
Fernsehen gab es nur auf Französisch. Die Kin<strong>de</strong>r waren<br />
irritiert, zu Hause sprachen sie mit ihren Eltern Kreolisch,<br />
sobald sie auf die Straße gingen o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Schule<br />
waren, sollten sie das nicht mehr tun. Es dauerte viele<br />
Jahre, bis sich unsere Heimatsprache emanzipiert hatte.<br />
Zuvor wur<strong>de</strong> sie als Dialekt abgetan. Erst im Jahr 2000<br />
hat Frankreich Kreolisch als Regionalsprache anerkannt.<br />
Ich bin <strong>de</strong>r Meinung, dass es keine Hierarchie <strong>de</strong>r<br />
Sprachen geben darf, <strong>de</strong>nn je<strong>de</strong> Sprache hat das Recht,<br />
gesprochen zu wer<strong>de</strong>n. Sie ist das zentrale Mittel <strong>de</strong>r<br />
Einwohner, sich auszudrücken. Im Kreolischen kann<br />
ich beispielsweise viel stärker und treffen<strong>de</strong>r meine<br />
Emotionen vermitteln.