Frankreichs schönste Seiten - Maison de la France
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E<br />
ndlich Sonntag! Mit <strong>de</strong>n ersten Sonnenstrahlen<br />
springt Luc aus <strong>de</strong>m Bett und stößt die Fensterlä<strong>de</strong>n<br />
auf. Der Siebenjährige hat heute eine<br />
wichtige Aufgabe: Er soll gleich nach <strong>de</strong>m Frühstück<br />
vom Haus <strong>de</strong>r Familie Pauliac in Le Tampon hinauf<br />
zur Picknickwiese kurz vor <strong>de</strong>m Nachbarort P<strong>la</strong>ine <strong>de</strong>s<br />
Cafres ra<strong>de</strong>ln und einen P<strong>la</strong>tz für seine Familie freihalten.<br />
Keine leichte Aufgabe. Denn sonntags ist Picknickzeit.<br />
Da sind die besten Stellen im Schatten unter <strong>de</strong>n Bäumen<br />
schnell belegt. Überall auf <strong>de</strong>r Insel schwärmen die Réunionnais<br />
ins Grüne o<strong>de</strong>r an die Strän<strong>de</strong> aus und machen<br />
es sich rund um einen Grill, ein Kochfeuer und viele<br />
Schüsseln voller Köstlichkeiten gemütlich.<br />
Pascal, Lucs acht Jahre älterer Bru<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r sonst nur<br />
die hübschen Mädchen aus <strong>de</strong>r Schule im Kopf hat,<br />
ist an diesem Tag ausnahmsweise mit von <strong>de</strong>r Partie.<br />
Die bei<strong>de</strong>n Jungen müssen ganz schön strampeln. Die<br />
Straße win<strong>de</strong>t sich über fünf Kilometer <strong>de</strong>n Berg hinauf.<br />
Aber die Mühe lohnt sich: Am Picknickp<strong>la</strong>tz sind sie<br />
die Ersten. Zwischen zwei alten Vacoabäumen spannen<br />
sie die orangefarbene Hängematte fest und legen vier<br />
Baumwolltücher zu einem Rechteck zusammen. Gera<strong>de</strong><br />
rechtzeitig, <strong>de</strong>nn schon hält neben ihnen ein Kleinbus mit<br />
einer an<strong>de</strong>ren Familie.<br />
Die Sonne brennt, aber im Schatten lässt es sich gut aushalten.<br />
Von hier oben hat man einen tollen Blick über die<br />
Pauliacs Ein Sonntag en Famille<br />
zum Meer hin abfallen<strong>de</strong>n Berghänge. Vielleicht fährt <strong>de</strong>r<br />
Vater ja nachher noch mit ihnen ba<strong>de</strong>n?<br />
Gegen Mittag füllt sich <strong>de</strong>r P<strong>la</strong>tz, von überall strömen<br />
die Leute herbei. Endlich biegt auch <strong>de</strong>r Jeep von Lucs<br />
Eltern um die Ecke, im Schlepptau <strong>de</strong>r Wagen von Lucs<br />
Tante Catrine und ihrer Familie. Eine halbe Stun<strong>de</strong> später<br />
treffen auch die Großeltern sowie George und Patrice,<br />
die bei<strong>de</strong>n Brü<strong>de</strong>r von Lucs Mutter Annick, samt Frauen<br />
und Kin<strong>de</strong>rn ein. Im Nu wimmelt es von Tanten, Onkeln,<br />
Cousins und Cousinen. Sie flitzen zwischen Autos und<br />
Picknickp<strong>la</strong>tz hin und her: Campingtische, Kopfkissen,<br />
Fußbälle, Bananenkisten mit Schüsseln, Töpfen, Rumf<strong>la</strong>schen,<br />
Wasserkanistern und Kuchenblechen wer<strong>de</strong>n<br />
ent<strong>la</strong><strong>de</strong>n. Taschen schleifen, Teller scheppern, Besteck<br />
k<strong>la</strong>ppert, Gläser klirren. Die Großmutter, die es im Kreuz<br />
hat, darf sich in <strong>de</strong>n Campingstuhl setzen, <strong>de</strong>r Großvater<br />
macht es sich in <strong>de</strong>r Hängematte gemütlich und schiebt<br />
sich <strong>de</strong>n Strohhut ins Gesicht. Lucs Vater facht <strong>de</strong>rweil<br />
ein Feuer an, auf <strong>de</strong>m schon bald kreolische Gerichte in<br />
riesigen Töpfen vor sich hinblubbern.<br />
Je<strong>de</strong>r hat etwas mitgebracht: Annick Pauliac hat ein<br />
Cari Poulet vorbereitet, ein Ragout aus Huhn, Tomaten,<br />
Zwiebeln, Knob<strong>la</strong>uch und Gewürzen. Tante Odile stellt<br />
einen dampfen<strong>de</strong>n Topf Massalé <strong>de</strong> Cabri, gewürztes Ziegenfleisch,<br />
sowie dicke Bohnen und Linsen dazu. Doch<br />
zuerst macht sich die ganze Familie über Großmutter<br />
Paulines Vorspeisen her: mit Zitrone und Pfeffer gewürzter<br />
Palmherzensa<strong>la</strong>t sowie die kreolischen K<strong>la</strong>ssiker,<br />
Bonbons piments, scharf gewürzte Kichererbsenbällchen,<br />
und Samoussas, indische Teigtaschen mit Gemüsefül-<br />
lung. Auch das Dessert wartet schon: für die Kin<strong>de</strong>r<br />
Süßkartoffelkuchen und geschnittene Mangos, für die<br />
Frauen Vanillepunch. Die Männer trinken Rhum arrangé,<br />
mit Früchten und Gewürzen angesetzten weißen Rum.<br />
Nach <strong>de</strong>m Essen nicken die Großeltern satt und etwas<br />
trunken ein; die Männer re<strong>de</strong>n über Politik und die<br />
Frauen werten <strong>de</strong>n neuesten K<strong>la</strong>tsch aus. „Puh, wie <strong>la</strong>ngweilig“,<br />
<strong>de</strong>nkt Luc. Er wäre jetzt lieber am Strand von<br />
Gran<strong>de</strong> Anse bei St-Pierre, wo die Pauliacs vergangene<br />
Woche gepicknickt haben. Der liegt eingebettet in eine<br />
kuschelige Bucht, und in <strong>de</strong>m vorge<strong>la</strong>gerten Natursteinbecken<br />
kann man wun<strong>de</strong>rbar ba<strong>de</strong>n und schnorcheln.<br />
Genau das Richtige für Luc, Pascal und die Cousins. Aber<br />
heute haben die Kin<strong>de</strong>r Glück: Eine Gruppe von Moringue-Kämpfern<br />
hat sich auf <strong>de</strong>r Wiese breit gemacht und<br />
beginnt mit ihrem Training. Umringt von <strong>de</strong>n Ausflüglern<br />
springen und bewegen sie sich im Takt einer großen<br />
Trommel, sch<strong>la</strong>gen Rä<strong>de</strong>r und k<strong>la</strong>tschen in <strong>de</strong>r Luft mit<br />
nackten Oberkörpern aneinan<strong>de</strong>r. Der Moringue ist ein<br />
alter kreolischer Kampftanz, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m brasilianischen<br />
Capoeira ähnelt. Im 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong> er von afrikanischen<br />
Sk<strong>la</strong>ven heimlich in <strong>de</strong>n Zuckerrohrfel<strong>de</strong>rn<br />
entwickelt – als Zeitvertreib, aber auch als Vorbereitung<br />
für <strong>de</strong>n Tag <strong>de</strong>s Aufstan<strong>de</strong>s gegen die P<strong>la</strong>ntagenherren.<br />
Seit einigen Jahren hat die kreolische Jugend diese Tradition<br />
wie<strong>de</strong>r für sich ent<strong>de</strong>ckt. Auch an Lucs Schule wird<br />
seit Kurzem ein Kurs angeboten. Fasziniert schauen die<br />
Kin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Luft herumwirbeln<strong>de</strong>n Körpern zu<br />
und fangen an, die Kampftänzer nachzuahmen und auf<br />
<strong>de</strong>m Rasen herumzutollen.<br />
Erschöpft und zufrie<strong>de</strong>n packt die ganze Familie abends<br />
<strong>la</strong>ngsam <strong>de</strong>n Hausrat zusammen. Großvater kneift <strong>de</strong>r<br />
Großmutter fröhlich in die Seite und summt leise vor sich<br />
hin. Annick und George zwinkern sich gut ge<strong>la</strong>unt zu. So<br />
muss ein Sonntag auf La Réunion sein: entspannt, gesellig<br />
und mit vielen Leckereien. Auch Luc ist glücklich. Er<br />
weiß jetzt, was er später mal wer<strong>de</strong>n will: Natürlich<br />
Moringue-Kämpfer!<br />
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Informationen<br />
Picknicken kann man auf La Réunion fast überall.<br />
Ausgewiesene Plätze, teilweise mit Grillp<strong>la</strong>tz, Tischen<br />
und Bänken gibt es bei vielen Natur-Sehenswürdigkeiten<br />
sowie in <strong>de</strong>n Naherholungsgebieten. Der wohl beliebteste<br />
Picknickp<strong>la</strong>tz ist <strong>de</strong>r Strand von Grand Anse. Er liegt<br />
gut ausgeschil<strong>de</strong>rt an <strong>de</strong>r N2 zwischen Grand Bois und<br />
Manapany-les-Bains.<br />
Familienausflug | 29