Zwergerl Magazin München/Oberland Dez 14 / Jan 15
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Früher war nicht alles besser, aber manches einfacher. Die Einschulung<br />
der lieben Kleinen zum Beispiel. Hatten sie das sechste Lebensjahr erreicht,<br />
ging der „Ernst des Lebens“ los. Heute sind viele Eltern verunsichert.<br />
Der Trend zum Frühstart auf der Schulbank bringt sie lange vor der<br />
staatlichen Aufforderung zum Schulbesuch ins Grübeln: Wann ist der<br />
beste Zeitpunkt für unser Kind, Lesen, Schreiben und Rechnen zu lernen?<br />
Geben wir ihm ein Jahr Vorsprung für den bevorstehenden Lernmarathon<br />
oder gönnen wir ihm noch Zeit zum Spielen und sich Entwickeln im Kindergarten?<br />
Erstklässler werden jünger<br />
Sicher ist: Erstklässler werden immer jünger und entsprechen damit den<br />
Forderungen der Politik, Schul- und Ausbildungszeiten zu beschleunigen.<br />
In Bayern gilt seit 2010, dass alle Kinder, die bis zum 30. September<br />
sechs Jahre alt werden, schulpflichtig sind. Das bedeutet, dass Oktober-<br />
November- und <strong>Dez</strong>embergeborene nicht eingeschult werden. Ihnen wird<br />
aber aus dieser Regelung kein Nachteil erwachsen, denn der Wunsch der<br />
Eltern nach einer vorzeitigen Einschulung wird hier in besonderem Maße<br />
berücksichtigt. Die letzte Entscheidung über eine Aufnahme in die Schule<br />
trägt die Schulleitung. Ein Mindestalter für die Einschulung wird es ab<br />
dem kommenden Schuljahr nicht mehr geben. Theoretisch können dann<br />
sogar Vierjährige ihren Tornister packen. Auch die Wissenschaft scheint<br />
auf der Seite der Frühstarter zu sein: Erkenntnisse der Neurobiologen belegen<br />
das enorme Lernpotenzial der Kinder bis zum sechsten Lebensjahr.<br />
Kleine Lerner sind überdies hoch motiviert. Auf der anderen Seite benötigen<br />
Fünfjährige eine intensivere Betreuung und eine engere Bindung<br />
an die Lehrer als ihre älteren Mitstreiter. Bei 25 und häufig mehr Kindern<br />
in der Klasse eine kaum zu leistende Aufgabe für die Grundschullehrer.<br />
Auf Fünfjährige sind unsere Grundschulen noch nicht wirklich eingestellt,<br />
weshalb U6-ler schon einiges von zu Hause mitbringen müssen, wollen<br />
sie den Anforderungen des Schulalltags genügen.<br />
Erstklässler-Know-how<br />
Um an der Grundschule zu bestehen, sollte ein Kind motorisch fit, sprachlich<br />
sicher und im Umgang mit anderen Menschen geübt sein.<br />
Radfahren, Balancieren, Klettern, Ausmalen, Ausschneiden oder das<br />
Bauen mit kleinen Legosteinen – all das sollte dem Abc-Schützen keine<br />
Probleme bereiten. Zum Repertoire eines schulreifen Kindes gehört es<br />
außerdem, kurze Geschichten und Erlebtes verständlich zu erzählen, seinen<br />
Namen zu schreiben, Reime wie „Maus-Haus-Laus“ zu erkennen, einzelne<br />
Buchstaben in Wörtern heraus zu hören, Symbole zu unterscheiden,<br />
Dinge - etwa nach kleiner- größer, schnell – langsam, vor- hinter – zu sortieren<br />
und Interesse an Buchstaben und Zahlen zu entwickeln. Das Kind<br />
kann sich darüber hinaus länger als 30 Minuten konzentrieren, aufmerksam<br />
zuhören, sich selbstständig beschäftigen und einige Stunden ohne<br />
die Eltern auskommen. Bei zu lösenden Aufgaben zeigt es Durchhaltevermögen.<br />
Zu den am meisten unterschätzten Aspekten aber zählt die<br />
emotionale Reife des Schulneulings. Auch wenn die meisten fünfjährigen,<br />
gemessen an ihren kognitiven Fähigkeiten wie erkennen, erinnern, kreativ<br />
sein und lernen, bereit für die Schule sind, liegen im sozialen Bereich oft<br />
Defizite. Sie sind häufig noch nicht so kontaktfähig und gehen mit neuen<br />
Situationen weniger souverän um als ihre älteren Kameraden. Gegen eine<br />
vorzeitige Einschulung könnte sprechen, dass ein Kind Konfliktsituationen<br />
nicht aushält, wenn es geärgert wird, verliert oder etwas nicht bekommt.<br />
Oder wenn es sich schlecht in eine Gruppe einfügen und nicht kooperieren<br />
kann und auffallend häufig an Streitereien beteiligt ist. Schwer hat<br />
es zudem, wer Regeln weder akzeptiert noch einhält oder wichtige Umgangsformen<br />
nicht beherrscht. Auch ein Kind, das sich ständig in den Vordergrund<br />
spielen muss, wird es in einer Klassengemeinschaft nicht leicht<br />
haben. Im Gegensatz dazu kann auch extreme Schüchternheit zum Pro-<br />
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