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Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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echt & <strong>gesellschaft</strong><br />

lungen bei Frau-zu-Mann-Transsexuellen<br />

nach wie vor aufwendig und<br />

risikoreich. 28 Darüber hinaus wird nicht<br />

von allen transgeschlechtlich lebenden<br />

Menschen eine hormonelle und/oder<br />

chirurgische „Anpassung“ des eigenen<br />

Körpers an das Körperideal des Gegengeschlechts<br />

für notwendig erachtet, um<br />

sich dem anderen Geschlecht zugehörig<br />

zu fühlen; wieder andere können sich<br />

aus finanziellen oder medizinischen<br />

Gründen keiner Geschlechtsanpassung<br />

unterziehen. Zum anderen sind<br />

die <strong>recht</strong>sstaatlichen Bedenken, die<br />

gegen den Transsexuellen Erlass 1997<br />

bestanden auch mit dem neuen Erlass<br />

nicht vollständig ausgeräumt. Problematisch<br />

erscheint noch immer die Wahl<br />

der Rechtsform als Erlass, also als generelle<br />

Weisung, die sich formell zwar<br />

nur an behördliche Organe richtet, mit<br />

dem Erfordernis der geschlechtsanpassenden<br />

Operation für die Änderung<br />

des Geschlechtseintrags aber auch die<br />

Rechte der Rechtsunterworfenen selbst<br />

bindend gestaltet: Dass ausschließlich<br />

durch den Befund über einen genitalkorrigierenden<br />

operativen Eingriff die<br />

Änderung des Geschlechts nachgewiesen<br />

werden kann, ergibt sich nur aus<br />

dem Erlass. Selbst wenn die österreichische<br />

Regelung inhaltlich im weiten<br />

Ermessensspielraum, den der EGMR<br />

den Vertragsstaaten einräumt, Deckung<br />

findet, stellt sich doch erneut die Frage<br />

nach der Zulässigkeit der Regelung im<br />

Erlassweg. Die Straßburger Instanzen<br />

lassen in der Regel für einen Eingriff in<br />

Art 8 MRK ein Gesetz im materiellen<br />

Sinn genügen, sofern dieses zugänglich,<br />

vorhersehbar und hinreichend<br />

bestimmt ist. 29 Gesetze und Rechtsverordnungen,<br />

die in einem ordentlichen<br />

Gesetzgebungsverfahren zustande<br />

gekommen und in einer amtlichen Gesetzessammlung<br />

aufgenommen und<br />

publiziert sind, erfüllen das Erfordernis<br />

der Zugänglichkeit jedenfalls, nicht<br />

aber allein an die Verwaltung selbst<br />

gerichtete Verwaltungsverordnungen,<br />

Verfügungen oder Richtlinien. 30 Nach<br />

der Rechtsprechung des VfGH müssen<br />

Eingriffsmöglichkeiten dem Legalitätsprinzip<br />

des Art 18 B-VG zufolge<br />

in einem ausreichend kundgemachten<br />

Gesetz im formellen Sinn vorgesehen<br />

sein. 31 Diesem Erfordernis genügt der<br />

Erlass nicht.<br />

5. Schlussbemerkungen<br />

Bislang findet das eigene Empfinden einer<br />

Geschlechtszugehörigkeit in Österreich<br />

<strong>recht</strong>lich nur insoweit Beachtung,<br />

als es zur „Herstellung“ eines „richtigen“,<br />

also eines dem psychischen<br />

Erleben auch nach den herrschenden<br />

Konventionen der Geschlechtszuschreibung<br />

entsprechenden Körpers<br />

geführt hat. Dass die Basisannahmen<br />

der Binarität, Naturhaftigkeit und Kontinuität<br />

des Geschlechts auch auf<strong>recht</strong><br />

erhalten werden können, ohne operative<br />

Eingriffe als Grundlage der <strong>recht</strong>lichen<br />

Anerkennung zu fordern, zeigt<br />

der Gender Recognition Act 2004 32 , der<br />

eine Änderung der Geschlechtszugehörigkeit<br />

transgeschlechtlich lebender<br />

Menschen im Vereinigten Königreich<br />

regelt. Auch er hält sowohl am Krankheits-<br />

als auch am Heteronormativitätsdiskurs<br />

fest – die Geschlechtsidentitätsstörung<br />

muss diagnostiziert sein,<br />

ein endgültiges „gender recognition<br />

certificate“ erhalten nur unverheiratete<br />

Personen – erachtet aber zumindest<br />

genitalkorrigierende Maßnahmen nicht<br />

für notwendig und kann insofern als<br />

Schritt in die richtige Richtung gesehen<br />

werden, den nunmehr auch der VwGH<br />

getätigt hat. Sollte der Transsexuellen<br />

Erlass neuerlich vom VfGH, dem eine<br />

entsprechende Beschwerde 33 bereits<br />

vorliegt, aufgehoben werden, bleibt<br />

zu hoffen, dass sich nun endlich der<br />

österreichische Gesetzgeber der Gestaltung<br />

dieser Materie annimmt. Die<br />

Preisgabe der zwingenden amtlichen<br />

Registrierung von Menschen als entweder<br />

männlich oder weiblich scheint<br />

allerdings noch in weiter Ferne.<br />

Dr. in Elisabeth Greif<br />

ist wissenschaftliche<br />

Mitarbeiterin am Institut für<br />

Österreichische und Deutsche<br />

Rechtsgeschichte an der<br />

<strong>recht</strong>swissenschaftlichen<br />

Fakultät der Johannes Kepler<br />

Universität Linz;<br />

elisabeth.greif@jku.at<br />

28) Vgl Frewer/Säfken, Medizinhistorische<br />

und ethisch-<strong>recht</strong>liche<br />

Aspekte der Geschlechtsumwandlung,<br />

in Stahnisch/Steger (Hrsg),<br />

Medizin, Geschichte und Geschlecht.<br />

Körperhistorische Rekonstruktionen<br />

von Identitäten und Differenzen<br />

(2005) 137 (151) mwN.<br />

29) Vgl Wildhaber/Breitenmoser<br />

in Wolfram (Hrsg), Internationaler<br />

Kommentar zur Europäischen<br />

Menschen<strong>recht</strong>skonvention, 2. Lfg<br />

(1992) Art 8 MRK Rn 540.<br />

30) Vgl Wildhaber/Breitenmoser<br />

in Wolfram, Art 8 MRK Rn 558; Wiederin<br />

in Korinek/Holoubek (Hrsg),<br />

Bundesverfassungs<strong>recht</strong>, 5. Lfg<br />

(2002) Art 8 MRK Rn 67.<br />

31) Vgl VfGH vom 12.12.1985,<br />

VfSlg 10737.<br />

32) Abrufbar unter http://www.<br />

o p s i . g ov. u k / Acts/acts2004/<br />

ukpga_20040007_en_1.htm<br />

[7.4.2009].<br />

33) Vgl http://www.monique-dumont.at/about_me/documents/<br />

Verfassungsgerichtsh-1-JUSTL-<br />

GEBBUCH-20081209blAdr.pdf<br />

[7.4.2009].<br />

<strong>juridikum</strong> 2009 / 2 Seite 71

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