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Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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thema<br />

Die MS können zwar aus Gründen der öffentlichen<br />

Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit die Ausübung des<br />

Einreise- und Aufenthalts<strong>recht</strong>s von Familienangehörigen<br />

einschränken (Art 27ff), 12 aber bei jeder beabsichtigten<br />

Familienzusammenführung ist das Recht auf Achtung des<br />

Privat- und Familienlebens (Art 8 EMRK) gebührend zu berücksichtigen.<br />

13 Die Abweisung eines Antrags auf Erteilung<br />

eines Aufenthaltstitels oder gar die Aufenthaltsbeendigung<br />

darf insb nicht ausschließlich darauf gestützt werden, dass<br />

der/die Betroffene gesetzliche Formalitäten in Bezug auf<br />

die Ausländerüberwachung nicht erfüllt hat. 14<br />

Das Freizügigkeits<strong>recht</strong> kann im Ergebnis nur gegenüber<br />

Personen eingeschränkt werden, die schwere Straftaten begangen<br />

haben; mit dieser Ausnahme steht das Aufenthalts<strong>recht</strong><br />

grundsätzlich jedem/r UnionsbürgerIn und seinen/ihren<br />

Familienangehörigen zu. Eine Aufenthaltsbeendigung<br />

ist nur zulässig, wenn der weitere Aufenthalt der Person im<br />

Bundesgebiet die öffentliche Ordnung oder Sicherheit erheblich<br />

gefährden würde. 15<br />

– Familienzusammenführung von UnionsbürgerInnen, die<br />

ihr Recht auf Freizügigkeit nicht ausüben:<br />

Die Bestimmungen des EGV betreffend die Freizügigkeit<br />

fanden nach der ständigen Jud des EuGH keine Anwendung<br />

auf einen Sachverhalt, dessen Merkmale sämtlich nicht über<br />

die Grenzen eines MS hinausweisen und der daher keinen<br />

Anknüpfungspunkt zu den Grundfreiheiten aufweist. Für<br />

diese Personen besteht daher keine gemeinschafts<strong>recht</strong>liche<br />

Regelung. Dies führt insb dazu, dass UnionsbürgerInnen<br />

mit ständigem Aufenthalt in dem MS, dessen Staatsangehörigkeit<br />

sie besitzen, Gefahr laufen, gegenüber UnionsbürgerInnen,<br />

die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch<br />

gemacht haben, schlechter gestellt zu werden. Das Gemeinschafts<strong>recht</strong><br />

verbietet nämlich nicht die Diskriminierung<br />

von inländischen Personen, da die Grundfreiheiten nur auf<br />

grenzüberschreitende Sachverhalte anwendbar sind. Die<br />

Zulässigkeit der „Inländerdiskriminierung“ ist damit eine<br />

Frage des jeweiligen nationalen Verfassungs<strong>recht</strong>s. 16<br />

Durch die gemeinschafts<strong>recht</strong>lichen Regelungen über das<br />

Niederlassungs<strong>recht</strong> von „freizügigkeitsbe<strong>recht</strong>igten“ UnionsbürgerInnen<br />

und deren Familienangehörigen sind Mobilitätsschranken<br />

innerhalb der EU praktisch weggefallen<br />

bzw liegen Beschränkungen für diese Personen überhaupt<br />

nur noch vor, wenn die Migration innerhalb der EU eine<br />

Gefährdung öffentlicher Interessen iSd Gemeinschafts<strong>recht</strong><br />

darstellen würde bzw der/die zusammenführende UnionsbürgerIn<br />

nicht dazu in der Lage ist, den Lebensunterhalt zu<br />

sichern.<br />

Das bedeutet aber, dass sich für UnionsbürgerInnen und<br />

deren Familienangehörige, die sich in einem MS aufhalten,<br />

der ungünstigere Regelungen für solche Personen vorsieht,<br />

die ihr Recht auf Freizügigkeit nicht tatsächlich in Anspruch<br />

genommen haben, ein „Mobilitätszwang“ ergeben<br />

kann: wenn ein grenzüberschreitendes Sachverhaltselement<br />

fehlt, materiell aber alle Voraussetzungen nach der RL<br />

vorliegen, stehen die Betroffenen häufig vor dem Problem,<br />

dass sie die engeren, auch verfahrens<strong>recht</strong>lichen Anforderungen<br />

des jeweiligen MS nicht erfüllen können. Wissend,<br />

dass bei der Beantragung der Dokumentation des gemeinschafts<strong>recht</strong>lichen<br />

Aufenthalts<strong>recht</strong>s in einem anderen MS<br />

aber sehr wohl die Bedingungen nach der RL infolge des<br />

„grenzüberschreitenden Sachverhalts“ erfüllt werden können,<br />

entscheiden sich viele Betroffene letztlich für die Inanspruchnahme<br />

ihrer Mobilität und Antragstellung in einem<br />

anderen Staat, um nicht die dauerhafte Trennung von ihren<br />

Angehörigen zu riskieren.<br />

2. Österreichische Rechtslage<br />

Die Unionsbürger-RL wurde in Österreich im Rahmen<br />

des Fremden<strong>recht</strong>spaketes 2005 17 umgesetzt, welches das<br />

Fremdengesetz 1997 (FrG 1997) ablöste. Das Paket setzt<br />

sich ua aus dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) und dem<br />

Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zusammen<br />

und ist mit 1.1.2006 in Kraft getreten. Ein zentraler Aspekt<br />

des Fremden<strong>recht</strong>spaketes 2005 ist – ausgehend von der RL<br />

– die erstmalige, mit zahlreichen Konsequenzen verbundene<br />

Unterscheidung zwischen freizügigkeitsbe<strong>recht</strong>igten<br />

und nicht freizügigkeitsbe<strong>recht</strong>igten EWR-BürgerInnen,<br />

SchweizerInnen und ÖsterreicherInnen sowie deren jeweiligen<br />

(Familien-) Angehörigen.<br />

EWR-BürgerInnen werden definiert als Fremde, 18 die<br />

Staatsangehörige einer Vertragspartei des Abkommens über<br />

den EWR sind. 19 Sie haben ein Recht auf Freizügigkeit,<br />

also das gemeinschafts<strong>recht</strong>liche Recht, sich in Österreich<br />

niederzulassen. Wollen sie sich länger als drei Monate<br />

im Bundesgebiet aufhalten, so müssen sie in Österreich als<br />

ArbeitnehmerInnen oder Selbständige tätig sein oder über<br />

eine ausreichende Krankenversicherung und ausreichende<br />

Existenzmittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts verfügen,<br />

so dass sie während ihres Aufenthaltes in Österreich<br />

keine Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen müssen.<br />

Niederlassungsfreiheit für mehr als drei Monate besteht<br />

auch, wenn sie eine Ausbildung bei einer <strong>recht</strong>lich anerkannten<br />

öffentlichen oder privaten Schule oder Bildungseinrichtung<br />

absolvieren und über ausreichende finanzielle<br />

Mittel sowie eine Krankenversicherung verfügen. 20<br />

Angehörige, die den/die EWR-BürgerIn begleiten oder<br />

zu ihm/ihr nachziehen, haben grundsätzlich das Recht, mit<br />

ihm/ihr in Österreich zu leben. 21 EhegattInnen, Kinder und<br />

12) Vgl Renner, Ehe und Familie im Zeichen<br />

neuer Zuwanderungsregeln, NVwZ 2004/7,<br />

795.<br />

13) EuGH 23.9.2003, Rs C-109/01, Akrich, Slg<br />

2003, I-9607; EuGH 11.7.2002, Rs C-60/00,<br />

Carpenter, Slg 2002, I-6279.<br />

14) Vgl Ecker, Familienzusammenführung 109<br />

unter Hinweis auf die Jud zu Art 4 der RL 68/360<br />

und Art 6 der RL 73/148, zB EuGH 25.7.2002, Rs<br />

C-459/99, MRAX/Belgien, Slg 2002, I-6591.<br />

15) Vgl Ecker, Familienzusammenführung<br />

109f, vgl EuGH 27.10.1977, Rs 30/77, Bouchereau,<br />

Slg 1977, 1999; EuGH 8.4 1976,<br />

Rs 48/75, Royer, Slg 1976, 497; vgl VwGH<br />

14.9.2001, 99/19/0074.<br />

16) Vgl Ecker, Familienzusammenführung<br />

111 unter Hinweis auf EuGH 21.10.1999, Rs<br />

C-97/98, Jägerskiöld, Slg 1999, I-7319; EuGH<br />

5.6.1997, verbundene Rs C-64/96 und C-65/96,<br />

Kari Uecker, Slg 1997, I-3171; EuGH 11.7.2002,<br />

Rs C-60/00, Carpenter, Slg 2002, I-6279.<br />

17) BGBl I 2005/100.<br />

18) Personen, die nicht die österreichische<br />

Staatsbürgerschaft besitzen (§ 2 Abs 1 Z 1<br />

NAG).<br />

19) § 2 Abs 1 Z 4 NAG.<br />

20) § 51 NAG.<br />

21) Dieses Recht hängt zum Teil von der Unterhaltsgewährung<br />

ab, etwa bei Kindern nach<br />

Vollendung des 21. Lebensjahres, Eltern und<br />

Schwiegereltern oder sonstigen Angehörigen.<br />

Seite 100 <strong>juridikum</strong> 2009 / 2

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