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Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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thema<br />

auf das unbedingt Notwendige zu beschränken, und zu beenden,<br />

wenn die Gründe für ihre Anordnung wegfallen oder die<br />

Assistenzleistung keinen angemessenen Beitrag für die innere<br />

Sicherheit erbringt. Assistenzeinsätze sind nur zulässig, wenn<br />

und solange die abzuwehrende oder zu beseitigende Störung<br />

der Ordnung und Sicherheit ernsthaft und gravierend ist und<br />

die Mittel der zivilen Gewalt auch bei Anspannung aller Kräfte<br />

nicht ausreichen, um der Störung zu begegnen. 7<br />

Die Grundsätze der Trennung ziviler und militärischer<br />

Kräfte 8 und der strengen Subsidiarität von Assistenzleistungen<br />

sind auch im WehrG verankert: Eine Assistenzanforderung ist<br />

nur zulässig, sofern die anfordernde Behörde eine ihr zukommende<br />

Aufgabe nur unter Mitwirkung des Bundesheeres erfüllen<br />

kann (§ 2 Abs 5 WehrG). Dabei sind anlässlich jeder<br />

Anforderung der Zweck, der voraussichtliche Umfang und die<br />

voraussichtliche Dauer des Einsatzes sowie jene Umstände<br />

anzugeben, derentwegen die zugrunde liegende Aufgabe nur<br />

unter Mitwirkung des Bundesheeres erfüllt werden kann (§ 2<br />

Abs 6 WehrG).<br />

3. Befugnisse des Bundesheeres im Inneren<br />

Die verfassungs<strong>recht</strong>liche Zulässigkeit des Assistenzeinsatzes<br />

an der Grenze war schon vor, jedenfalls aber bald nach<br />

Beginn des Einsatzes zweifelhaft. Selbst wenn die Dimension<br />

illegaler Grenzübertritte eine Gefährdung der öffentlichen<br />

Ordnung herbeiführen hätte können, hätten sogleich Anstrengungen<br />

unternommen werden müssen, die Kapazität der Zivilwachkörper<br />

zu verstärken und die Assistenzleistungen auslaufen<br />

zu lassen.<br />

Unklar war zunächst auch, welche Befugnisse den Assistenz<br />

leistenden Soldaten 9 zukamen. Die Antwort gab der<br />

VfGH in der Entscheidung vom 7.3.1994, B 115/93 (VfSlg<br />

13708). Gegenstand war die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher<br />

Befehls- und Zwangsgewalt durch Angehörige<br />

des Bundesheeres gegen Menschen, die die („grüne“)<br />

Staatsgrenze bei Loipersbach unbefugt zu Fuß überschritten<br />

hatten, in Form der Anhaltung, der Personen- und Gepäckskontrolle<br />

und der Verbringung zur Flüchtlingsübernahmestelle<br />

Siegendorf mit anschließender erneuter Personen- und<br />

Gepäcksdurchsuchung durch Organe der Bundesgendarmerie.<br />

Eine dagegen erhobene Maßnahmenbeschwerde wurde<br />

vom UVS Burgenland abgewiesen, ebenso die gegen diese<br />

Entscheidung gerichtete Beschwerde beim VfGH. Der Gerichtshof<br />

hielt Assistenzeinsätze zur „Auf<strong>recht</strong>erhaltung der<br />

Ordnung und Sicherheit im Inneren überhaupt“ generell für<br />

zulässig, soweit die gesetzmäßige zivile Gewalt die „Mitwirkung“<br />

des Bundesheeres in Anspruch nimmt. Die Frage der<br />

Erforderlichkeit des damals schon zwei Jahre währenden Assistenzeinsatzes<br />

wurde vom VfGH nicht geprüft.<br />

Zu den Befugnissen der Angehörigen des Bundesheeres<br />

stellte der VfGH fest, dass Assistenzleistungen nicht im Rahmen<br />

einer Amtshilfebeziehung (Art 22 B-VG) erfolgten.<br />

Maßgebend für die Zuordnung zu dem für die „eigentliche<br />

Besorgung der Aufgaben zuständigen Organ“ sei vielmehr,<br />

„dass die Organe des Bundesheeres bei einem Assistenzeinsatz<br />

grundsätzlich die den zivil<strong>recht</strong>lichen Einrichtungen<br />

übertragenen Befugnisse für diese wahrnehmen.“ Ein eigener<br />

gesetzmäßiger Wirkungsbereich des Bundesheeres für Angelegenheiten<br />

des öffentlichen Sicherheitswesens entstehe damit<br />

nicht. Insofern setze das Bundesheer keine selbständigen<br />

Vollzugsakte, sondern werde für jene Behörden und Organe<br />

auf Grund der für diese geltenden Rechtsgrundlagen tätig, für<br />

welche die Assistenzleistung erfolgt.<br />

Der VfGH hat das Assistenzverhältnis als unselbständige<br />

Mitwirkungsgehilfenschaft für zivile Behörden und Organe<br />

(hier: der Sicherheitsbehörden und ihrer Exekutivorgane)<br />

interpretiert. Im Rahmen des Assistenzauftrages können die<br />

Assistenz leistenden Angehörigen des Bundesheeres die gleichen<br />

Befugnisse ausüben wie die zivilen Behörden und Organe.<br />

Zum konkreten Beschwerdefall wurde in der Literatur<br />

vermerkt, dass das tatsächliche Geschehen dem Modell einer<br />

unselbständigen Mitwirkungsgehilfenschaft nicht entsprochen<br />

habe, sondern durch eigenständiges Einschreiten gekennzeichnet<br />

war. 10<br />

4. Wandel in den Exekutivbefugnissen<br />

durch die Schengenerweiterung<br />

In der Anfangsphase des Einschreitens richteten sich die<br />

Aufgaben und Befugnisse der Sicherheitsbehörden und ihrer<br />

Exekutivorgane – und damit auch der assistenzleistenden<br />

Soldaten – nach dem Grenzkontrollgesetz. 11 Die Organe des<br />

öffentlichen Sicherheitsdienstes waren be<strong>recht</strong>igt, Menschen<br />

generell einer Grenzkontrolle zu unterziehen (§ 12 Gre-<br />

KoG). 12 Diese Ermächtigung umfasste die Feststellung der<br />

Identität sowie die Besichtigung von Fahrzeugen und sonst<br />

mitgeführten Behältnissen von außen und innen. In weiterer<br />

Folge konnten Aufgaben und Befugnisse auf Grund anderer<br />

Gesetze, zB des FPG oder des SPG, zum Tragen kommen.<br />

Nach mehrjähriger Vorbereitung der Verlegung der Schengen-Außengrenzen<br />

in Form der technischen und personellen<br />

Aufrüstung, schrittweisen Einbindung der neuen Mitgliedstaaten<br />

in das Schengener Informationssystem, der Umsetzung<br />

der Bestimmungen über einheitliche Visa und der Ausweitung<br />

der polizeilichen Zusammenarbeit zwischen den<br />

Mitgliedstaaten beschloss der Rat einstimmig 13 auf Grund<br />

von zufriedenstellend abgelaufenen mehrphasigen Evaluierungsprozessen,<br />

dass die neuen Mitgliedstaaten die Schengenstandards<br />

erfüllen. 14 Damit trat mit 21.12.2007 der Schengen-Besitzstand<br />

gegenüber den neuen Mitgliedern aus der<br />

Erweiterungsrunde 2004 mit Ausnahme Zyperns zur Gänze in<br />

Kraft (bezüglich dem Luftverkehr mit 30.3.2008).<br />

Der „Schengener Grenzkodex“, der als Verordnung 2006<br />

die entsprechenden Bestimmungen des Schengener Durch-<br />

7) S auch Hauer, Ruhe Ordnung Sicherheit<br />

(2000) 358ff.<br />

8) Zur Herauslösung der Gendarmerie aus<br />

der Heeresorganisation s Funk, Die Bestimmungen<br />

der Bundesverfassungsnovelle 1929<br />

über Wachkörper, ÖJZ 1973, 593 f.<br />

9) Aufgrund des primären Einsatzes von Präsenzdienern<br />

wird hier ausschließlich die männliche<br />

Sprachform verwendet. Dies soll auch auf<br />

die damit verbundene – bei den Organen des<br />

öffentlichen Sicherheitsdienstes tendenziell<br />

vorhandene, hier aber noch systematischere<br />

– Maskulinisierung der öffentlichen Sicherheit<br />

hinweisen.<br />

10) Hauer, JBl 1995, 235.<br />

11) GreKoG, BGBl I 1996/235.<br />

12) In diesem Sinne auch die Hinweise und<br />

Anleitungen für assistenzleistende Soldaten in<br />

einem Merkblatt des BMI, BMI, Assistenzeinsatz<br />

zur Grenzsicherung (2005).<br />

13) S Art 3 Abs 2 Beitrittsakte 2003, ABl L 236<br />

v 23.9.2003, 33; BGBl III 2004/20.<br />

14) Beschluss des Rates v 6.12.2007,<br />

2007/801/EG, ABl L 323 v 8.12.2007.<br />

Seite 86 <strong>juridikum</strong> 2009 / 2

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