Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft
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thema<br />
1. Einleitung<br />
Mit der Begründung, dass es täglich hunderte illegale Grenzübertritte<br />
gäbe und die Überwachung der Grenzen im Osten dem<br />
Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung nicht mehr entspräche,<br />
wurde am 4. 9. 1990 vom damaligen BMI ein erster Antrag<br />
im Ministerrat für eine Assistenzleistung des Bundesheeres<br />
zur Sicherung der österreichischen Staatsgrenze im Burgenland<br />
gestellt. 1 Die Bundesregierung gab dem Antrag statt und<br />
ordnete die Unterstützung der (Polizei-), Gendarmerie-<br />
und Zollwacheorgane bei der Überwachung<br />
der Staatsgrenze an. Der Einsatz war auf „längstens<br />
zehn Wochen“ und auf den burgenländischen Teil<br />
der Grenze zur damaligen Tschechoslowakei und<br />
Ungarn beschränkt.<br />
Durch anfangs halbjährliche, schließlich jährliche<br />
Ministerratsbeschlüsse wurde der Einsatz regelmäßig<br />
verlängert und auch geografisch erweitert.<br />
Er umfasste schließlich eine Grenzlänge von 113 km<br />
zur Slowakei und 357 km zu Ungarn. Als 1997 das<br />
Schengener Abkommen für Österreich in Kraft trat,<br />
wurde der Personalstand des Bundesheeres an der<br />
Grenze um 400 Personen auf einen Monatsdurchschnitt<br />
von 1.900 aufgestockt, ausdrücklich, um den<br />
nunmehr zur Schengen-Außengrenze gewordenen<br />
Abschnitt effektiv zu sichern. 2<br />
Selbst innerhalb des Bundesheeres wurde erwartet,<br />
dass der Assistenzeinsatz nach der Erweiterung des<br />
Schengenraums auf sämtliche östliche Nachbarn Österreichs<br />
mit 21.12.2007 und damit dem Wegfall der Schengen-<br />
Außengrenze beendet wird. Die Bundesregierung entschloss<br />
sich jedoch zu einer Fortsetzung zunächst „bis längstens Ende<br />
2008“ und dann „bis längstens 31. Dezember 2009“. 3<br />
Der derzeit geltende Ministerratsbeschluss zur Bewilligung<br />
der Assistenzleistung als aktuelle Rechtsgrundlage ist<br />
wie der Großteil der bisherigen Einsatzgrundlagen der Öffentlichkeit<br />
nicht zugänglich. Im Folgenden wird auf den vermutlich<br />
unveränderten, den Autoren vorliegenden Beschluss vom<br />
6.11.2007 zur Fortführung des Assistenzeinsatzes nach Wegfall<br />
der Schengengrenzen eingegangen. 4 Es bildet einen Teil<br />
der verfassungs<strong>recht</strong>lichen Problematik, dass die Beurteilung<br />
der Rechtmäßigkeit der verfügten Assistenzleistung durch den<br />
Mangel an Zugänglichkeit und Transparenz der maßgebenden<br />
Entscheidungen – zumal in einem so sensiblen Bereich staatlichen<br />
Handelns – erschwert wird.<br />
2. Aufgaben des Bundesheeres im Inneren<br />
– Der Assistenzeinsatz als ultima ratio<br />
Hauptaufgabe des Bundesheeres ist die militärische Landesverteidigung.<br />
Darüber hinaus kann das Bundesheer – soweit<br />
die gesetzmäßige zivile Gewalt seine Mitwirkung in Anspruch<br />
nimmt – auch zum Schutz der verfassungsmäßigen<br />
Einrichtungen und ihrer Handlungsfähigkeit sowie der demokratischen<br />
Freiheiten der EinwohnerInnen, zur Auf<strong>recht</strong>erhaltung<br />
der Ordnung und Sicherheit im Inneren überhaupt sowie<br />
zur Hilfeleistung bei Elementarereignissen und Unglücksfällen<br />
herangezogen werden (Art 79 B-VG). Abgesehen von militärischer<br />
Selbstverteidigung oder bei höherer Gewalt, die die<br />
zuständigen Behörden außerstande setzt, eine Assistenzleistung<br />
anzufordern, ist ein selbständiges Einschreiten des Bundesheeres<br />
nicht zulässig.<br />
Das WehrG präzisiert die verfassungs<strong>recht</strong>lichen Vorgaben:<br />
Demnach sind alle Behörden und Organe des Bundes,<br />
Der Assistenzeinsatz<br />
des Bundesheeres an<br />
der Binnengrenze –<br />
eine permanente Verfassungsverletzung?<br />
Bernd-Christian Funk / Joachim Stern<br />
·································<br />
der Länder und Gemeinden innerhalb ihres jeweiligen Wirkungsbereiches<br />
zur Heranziehung des Bundesheeres zu Assistenzeinsätzen<br />
be<strong>recht</strong>igt. Sind dafür jedoch mehr als 100<br />
Soldaten erforderlich obliegt die Anforderung der Bundesregierung,<br />
bei Gefahr im Verzug dem BMI im Einvernehmen<br />
mit dem BMLV. 5<br />
Was auf den ersten Blick nach weitreichendem Ermessen<br />
der anfordernden Behörde aussieht, erweist sich bei näherer<br />
Betrachtung als <strong>recht</strong>lich vielfach eingeschränkte Option. Der<br />
Assistenzbereich „zur Auf<strong>recht</strong>erhaltung der Ordnung und Sicherheit<br />
im Inneren überhaupt“ ist allgemein den zivilen Behörden<br />
und deren Wachkörpern, namentlich den Sicherheitsbehörden<br />
und der Bundespolizei, vorbehalten. 6 Der Vorbehalt<br />
dient der Machtbeschränkung und der Funktionssicherung sowohl<br />
der Streitkräfte als auch der Polizei: Das Bundesheer soll<br />
nur ausnahmsweise und nicht dauerhaft mit Polizeieinsätzen<br />
betraut werden. Ebensowenig soll die Polizei zur Erfüllung<br />
militärischer Aufgaben eingesetzt werden. Im Interesse des<br />
Rechtsstaates und der Machtbeschränkung sollen polizeiliche<br />
und militärische Staatsaufgaben weder vertauscht noch vermengt<br />
werden.<br />
Dem entsprechend sind die verfassungs<strong>recht</strong>lichen Ermächtigungen<br />
zur Heranziehung des Bundesheeres zu Assistenzleistungen<br />
für die zivile „Gewalt“ einschränkend auszulegen<br />
und handzuhaben. Polizeiliche Assistenzeinsätze sind<br />
nur als ultima ratio zulässig. Sie sind funktionell und zeitlich<br />
1) S die ausführliche Chronik bei Steiger, Zum<br />
Schutz an der Grenze bestimmt!? (2001) 118.<br />
2) Ségur-Cabanac, Der Assistenzeinsatz an<br />
der Ostgrenze, ÖMZ 5/2005.<br />
3) burgenland.orf.at/stories/321473/ (14.4.<br />
2009).<br />
4) Antrag und Beschluss v 6.11.2007, BMI-<br />
OA1300/0140-II/1/2007.<br />
5) § 2 Abs 5 WehrG BGBl I 2001/146 idgF.<br />
6) Ausf Hauer, Der „Grenzeinsatz“ des Bundesheeres.<br />
Bemerkungen zu VfGH V 115/93-<br />
16, JBl 1995, 227 (235). Die im Titel zitierte<br />
Geschäftszahl lautet richtig: „B 115/93“.<br />
<strong>juridikum</strong> 2009 / 2 Seite 85