Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft
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thema<br />
schafts<strong>recht</strong> 32 nicht vereinbar ist. 33 Nach einer derartigen<br />
Entscheidung der Kommission wären jene Mitgliedstaaten<br />
für die Prüfung der Asylanträge von Personen, deren Überstellung<br />
ausgesetzt wurde, zuständig, in denen sich die Antragstellenden<br />
aufhalten. 34 Überstellungen könnten für einen<br />
Zeitraum von höchstens sechs Monaten suspendiert werden,<br />
wobei eine Verlängerung um weitere sechs Monate bei gleich<br />
bleibenden Voraussetzungen möglich wäre. 35<br />
Mit der vorgeschlagenen Regelung könnte somit in all jenen<br />
Fällen, in denen ein Mitgliedstaat zur Einhaltung seiner<br />
internationalen flüchtlings<strong>recht</strong>lichen Verpflichtungen nicht<br />
in der Lage oder nicht willens ist, dafür Sorge getragen werden,<br />
dass es zu keinen Überstellungen von Schutz suchenden<br />
Personen in Mitgliedstaaten kommt, die internationales<br />
Recht verletzen. Stattdessen käme es zur Prüfung ihrer Asylanträge<br />
in einem Staat, der seine entsprechenden internationalen<br />
und europäischen Verpflichtungen erfüllt.<br />
Nach Ansicht von UNHCR dürfte jedoch die Bearbeitung<br />
von Asylanträgen nicht allein jenen Staaten überlassen werden,<br />
die im Einklang mit dem internationalen Flüchtlings<strong>recht</strong><br />
agieren, während sich andere Staaten mit Hilfe dieser<br />
Regelung ihrer Verantwortung entziehen. Folglich wären in<br />
diesen Fällen innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums auch<br />
klar definierte verpflichtende Maßnahmen zur Beseitigung<br />
der die Aussetzung von Überstellungen begründenden Umstände<br />
vorzusehen. Bei Nichtbefolgung dieser Maßnahmen<br />
bzw bei fortgesetzter Verletzung von asyl- und flüchtlings<strong>recht</strong>lichen<br />
Mindeststandards sollten klar festgelegte Sanktionen<br />
bis hin zur Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens<br />
normiert werden. 36<br />
6. Fazit<br />
Während sowohl im innerstaatlichen als auch im europäischen<br />
Kontext durch höchstgerichtliche Rechtsprechung<br />
festgestellt wurde, dass es bei Anwendung der Dublin-II-<br />
Verordnung auch durch die indirekte Rückführung von<br />
Asylsuchenden in einen anderen Mitgliedstaat nicht zu einer<br />
dem Artikel 3 EMRK widersprechenden Behandlung kommen<br />
darf, fehlt eine derartige Rechtsprechung in Bezug auf<br />
die Gewährung von Flüchtlingsschutz gänzlich. Als Folge<br />
dieser Lücke im europäischen Rechtsschutzsystem werden<br />
Asylsuchenden in der Europäischen Union tagtäglich aufgrund<br />
unzureichender Schutzstandards in einzelnen Mitgliedstaaten<br />
(sei es in Bezug auf die Aufnahmebedingungen,<br />
den Zugang zum oder die Qualität von Asylverfahren) die<br />
ihnen aus der Genfer Flüchtlingskonvention zustehenden<br />
Rechte verwehrt. Wohl als Reaktion auf diese Situation<br />
sieht der von der Europäischen Kommission im Dezember<br />
2008 vorgelegte Entwurf für eine Neufassung der Dublin-II-<br />
Verordnung erstmals die Möglichkeit vor, die Überstellung<br />
von Asylsuchenden in Staaten auszusetzen, deren Schutzstandards<br />
nicht im Einklang mit europäischen und internationalen<br />
Standards stehen. Es bleibt zu hoffen, dass dieses<br />
Modell auch Eingang in die vom Europäischen Parlament<br />
und dem Rat gemeinsam zu beschließende Endfassung der<br />
novellierten Dublin-II-Verordnung finden wird. Andernfalls<br />
dürfte wohl die Gewährung des Flüchtlingsschutzes für Personen<br />
mit internationalem Schutzbedarf in der Europäischen<br />
Union auch in nächster Zukunft nicht sichergestellt werden<br />
können. Denn bis zur Vollendung des Gemeinsamen Europäischen<br />
Asylsystems wird vor dem Hintergrund der derzeitigen<br />
asyl- und flüchtlings<strong>recht</strong>lichen Situation in der EU<br />
gewiss noch reichlich Zeit verstreichen.<br />
Dr. Christoph Pinter ist Leiter der Rechtsabteilung<br />
im Büro des UN-Flüchtlingshochkommissariats<br />
UNHCR in Österreich; pinter@unhcr.org<br />
32) Insb mit der sog Verfahrensrichtlinie (siehe<br />
FN 19).<br />
33) Art 31 Abs 2 und 3 der vorgeschlagenen<br />
Neufassung.<br />
34) Art 31 Abs 6 der vorgeschlagenen Neufassung.<br />
35) Art 31 Abs 8 der vorgeschlagenen Neufassung.<br />
36) Vgl UNHCR-Analyse der vorgeschlagenen<br />
Neufassung für die Dublin-II-Verordnung und<br />
die Eurodac-Verordnung; http://www.unhcr.at<br />
(29.04.2009).<br />
Seite 98 <strong>juridikum</strong> 2009 / 2