juridikumnr 1 - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft
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echt & <strong>gesellschaft</strong><br />
der Gemeinsamen Aktion eines Dialogs<br />
EU-China, der von den COHOM/COA-<br />
SI-Gruppen strategisch geleitet wird,<br />
auch bilaterale Dialoge mancher EU-<br />
Partner mit China, so etwa von Großbritannien<br />
und Italien, aber auch seitens Irland<br />
bestehen. Zu erwähnen wäre etwa<br />
auch die französische Afrikapolitik<br />
(Francophonie). Ein politisches Tauziehen<br />
um ein gemeinsames Verständnis<br />
zwischen einem gesamteuropäischen<br />
Vorgehen in der Entwicklungszusammenarbeit<br />
und bilateralen außenpolitischen<br />
Prärogativen der Partner in der 2.<br />
Säule zeigt die Gespaltenheit der ehemaligen<br />
Kolonialmächte. Die Phase ab<br />
2000 (unter Kommissar Poul Nielson)<br />
ist von einem Trend zur Renationalisierung,<br />
Instrumentalisierung und damit<br />
Politisierung gekennzeichnet.<br />
Die unterschiedliche Ausstattung der<br />
EU-Partner mit Delegationsnetzen vor<br />
Ort, die historische Gewachsenheit bilateraler<br />
Beziehungen und Interessen politischer<br />
und wirtschaftlicher Natur ist<br />
mit ein Grund für eine intransparente<br />
Praxis bei Entscheidungen mit Menschen<strong>recht</strong>saspekten<br />
im GASP-Bereich.<br />
Darüber hinaus fehlen den kleinen MS<br />
aufgrund des Informationsvorsprungs<br />
der Großen, in erster Linie durch sur<br />
place-Kontakte, etwa beim operativen<br />
Einsatz von Menschen<strong>recht</strong>sklauseln<br />
oft die erforderlichen Entscheidungsgrundlagen<br />
30 . Ein weiteres Beispiel sind<br />
EU-Wahlbeobachtungseinsätze, bei denen<br />
kleine MS in vielen Fällen sowohl<br />
außenpolitisch als auch bei Rekrutierung<br />
für hohe Funktionen gerne übergangen<br />
werden.<br />
Trotz zwischenzeitlichen Fortschritts<br />
im politischen Bekenntnis der EU-MS<br />
zu einer gemeinsamen Menschen<strong>recht</strong>spolitik<br />
der Union ist damit weiterhin mit<br />
Akzeptanzproblemen und einer kritisch-restriktiven<br />
Haltung der MS zur<br />
Agentur zu rechnen. Anders könnte dies<br />
allerdings der Bürger sehen.<br />
Dr in . Ursula Werther-Pietsch,<br />
Referatsleiterin im Völker<strong>recht</strong>sbüro<br />
im Bundesministerium für<br />
auswärtige Angelegenheiten;<br />
uwp2002@yahoo.com.<br />
...............................<br />
30) Siehe etwa Art 8/96 Cotonou-Verfahren samt Formulierung<br />
von Exit-Strategien.<br />
Das Staunen der Völker<br />
Eine Besprechung von Joseph Weiler,<br />
Ein christliches Europa. Erkundungsgänge<br />
Christoph Konrath<br />
.................................<br />
In seiner kleinen Schrift „Die Christenheit<br />
oder Europa“ brachte Novalis eine<br />
tiefe Sehnsucht nach einem vereinten<br />
Europa zum Ausdruck. Er zeichnete das<br />
Bild eines christlichen, mittelalterlichen,<br />
aber verlorenen Europa. Wenn<br />
auch seine Interpretation der mittelalterlichen<br />
Geschichte schon damals als widerlegt<br />
gelten musste, so traf Novalis<br />
doch den Nerv seiner Zeit – in jenem<br />
historischen Augenblick aber, in dem es<br />
mit den geschichtlichen und religiösen<br />
Einheiten vorbei war und die Stunde der<br />
Nationen beginnen sollte. Der Wunsch<br />
Novalis’, dass die Christenheit „das alte<br />
Füllhorn des Segens wieder über die<br />
Völker ausgießen [muss]“, verhallte<br />
aber für’s erste.<br />
Heute, 200 Jahre später, sind Christentum<br />
und Religion wieder zu einem<br />
Thema im Zusammenhang mit der<br />
Einheit Europas, seinem Zusammenhalt<br />
nach innen und seiner Abgrenzung<br />
nach außen geworden. Freilich<br />
ist die Entwicklung eine andere, als sie<br />
Novalis erträumt hat. Die in der Romantik<br />
grundgelegte Suche nach der<br />
authentischen Lebensweise, sich dem<br />
eigenen Ich zuzuwenden und sein Ich<br />
zum Ausdruck zu bringen, ist zum<br />
Massenphänomen geworden. Sie hat<br />
religiöse Erfahrung und die Formen<br />
des Religiösen in unserer Zeit verändert.<br />
Davon ist viel die Rede, wenn<br />
über Religion – zumal die christliche<br />
Religion – in Europa nachgedacht<br />
wird. Aber wenn PolitikerInnen und<br />
VertreterInnen christlicher Gemeinschaften<br />
über Europa reden, dann<br />
kommt in manchem Zuhörer doch<br />
wieder – sei es reflexhaft oder überlegt<br />
– der Verdacht der Gleichsetzung von<br />
Europa und Christenheit auf.<br />
...............................<br />
1) So etwa von Jan Ross in der<br />
Zeit Nr. 16/2004 oder von Uwe<br />
Justus Wenzel in der NZZ vom<br />
5. 10. 2004.<br />
Ein christliches Europa?<br />
Nun hat zwar das „Füllhorn des Segens“<br />
kaum Spuren im Text einer neuen Verfassung<br />
für Europa hinterlassen, aber im<br />
Kontext der Verfassungsdiskussion ist<br />
eine Fülle von Artikeln und Büchern erschienen,<br />
die sich mit der Rolle des<br />
Christentums in und für Europa oder gar<br />
mit „dem“ christlichen Europa befassen.<br />
Kulminiert ist diese Diskussion in<br />
den Auseinandersetzungen über den<br />
Präambeltext des Entwurfes für eine europäische<br />
Verfassung. Diese Präambeldiskussion<br />
ist gelaufen. Weder Christentum,<br />
noch Judentum, noch Islam haben<br />
in der Präambel Erwähnung gefunden.<br />
Geblieben ist aber der Verweis auf das<br />
kulturelle, religiöse und humanistische<br />
Erbe in ihrem ersten Satz. Geblieben<br />
sind aber auch die Fragen nach dem Verhältnis<br />
von Religionen und dem Politischen<br />
in Europa, und diese Fragen werden<br />
bleiben.<br />
Eine Auseinandersetzung mit diesen<br />
Fragestellungen hat im vergangenen<br />
Jahr für einige Aufmerksamkeit im<br />
deutschen Sprachraum gesorgt. Sie wurde<br />
als ein bemerkenswerter Beitrag in<br />
der Präambeldiskussion gelobt, 1 und ich<br />
meine, dass es sich lohnt, aus der zeitlichen<br />
Distanz noch einmal einen Blick<br />
auf Joseph Weilers Essay „Ein christliches<br />
Europa. Erkundungsgänge“ zu<br />
werfen. Es lohnt sich insofern, als sich<br />
Weiler mit dieser Schrift bewusst an einen<br />
breiten Leserkreis richtet und damit<br />
eigentlich das macht, von dem alle, die<br />
sich für Präambeln stark machen, reden:<br />
er versteht die Präambel als Mittel, um<br />
in die Verfassung einzuführen und deren<br />
Gehalt zu erklären. Sein Buch soll aber<br />
nicht nur die Allgemeinheit ansprechen,<br />
Weiler möchte sich ganz bewusst auch<br />
– und vor allem – an ChristInnen, und<br />
hier wiederum an jene, die der katholischen<br />
Kirche angehören, wenden. Er tut<br />
<strong>juridikum</strong> 2005 / 1 Seite 15