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juridikumnr 1 - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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justiz und randgruppen<br />

thema<br />

Gesetzesfolgenabschätzung<br />

Vorwort<br />

Christoph Konrath<br />

Was kostet ein Gesetz? Welche Kosten verursacht ein Gesetz,<br />

und wer soll diese Kosten tragen? – Das sind Fragen,<br />

die in politischen Diskussionen unserer Tage fast schon zum<br />

guten Ton gehören. In juristischen Kreisen werden solche<br />

Fragen – zumal in Österreich – kaum gestellt. Das mag vielleicht<br />

auch daran liegen, dass das Thema „Gesetzesfolgenabschätzung“<br />

in erster Linie als wieder ein Mittel zur Stärkung<br />

der Wettbewerbsfähigkeit und zum Ausbau der Märkte<br />

verstanden wird. Die Frage nach den Wirkungen und Folgen<br />

einer Regelung, ihrer Auslegung und Anwendung ist eine,<br />

die vorwiegend in praktisch-politischen Diskursen gestellt<br />

wird: von Unternehmerverbänden ebenso wie von Umweltund<br />

Sozialorganisationen. Aus dem jeweiligen Blickwinkel<br />

werden Fragen nach den Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort,<br />

die nachhaltige Entwicklung oder den sozialen Zusammenhalt<br />

und die Verteilung von Gütern gestellt. Vielfach<br />

bleibt es bei einem Nebeneinander, nicht zuletzt weil hier<br />

jeweils sehr unterschiedliche Verständnisse von <strong>recht</strong>licher<br />

Regelung und Steuerungsfähigkeit vorherrschen und wenig<br />

Zeit für theoretische Vertiefung ist. Bewusst bleibt daher in<br />

diesem Schwerpunkt auch vieles „nebeneinander“ stehen.<br />

Wir wollen aber den Versuch unternehmen, die verschiedenen<br />

– und überraschend vielfältigen – Zugänge zu diesem<br />

Thema in einem juristischen Kontext vorzustellen, und damit<br />

einen Beitrag zur kritischen Diskussion und Vernetzung<br />

zu leisten.<br />

In Österreich macht sich die Industriellenvereinigung seit<br />

einigen Jahren für die umfassende Einführung einer Gesetzesfolgenabschätzung<br />

stark – zuletzt etwa in den Beratungen<br />

des Österreich-Konvents. Stefan Mara und Ingrid Schopf<br />

stellen in ihrem Beitrag die Anliegen der Industriellenvereinigung<br />

in Hinblick auf Verwaltungsreform und Wirtschaftsstandort<br />

vor. Auf der Basis eines internationalen Vergleichs<br />

wird deutlich, welche Schwerpunkte die Industrie setzt, und<br />

wie sie sich eine Verwirklichung in Österreich vorstellen<br />

kann.<br />

Kerstin Arbter geht im Wesentlichen von den selben Beispielen<br />

wie Mara und Schopf aus. Auf der Grundlage einer<br />

Studie „Nachhaltige Politiken und Rechtsakte“, die sie derzeit<br />

im Auftrag des Lebensministeriums erstellt, nimmt sie<br />

die internationalen Vergleichsbeispiele zum Ausgangspunkt<br />

für die Formulierung eines „pro-aktiven Entwicklungsinstruments<br />

für Politiken und Rechtsakte“. Dieses soll die österreichische<br />

Nachhaltigkeitsstrategie unterstützen und vor<br />

allem die Partizipation von BürgerInnen fördern.<br />

Mittlerweile wird aber auch die Forderung nach der „Sozialverträglichkeit“<br />

politischer Maßnahmen lauter. Martina<br />

Kargl fragt, was es mit diesem Begriff, der sich durch vielfältige<br />

und widersprüchliche Verwendung auszeichnet, auf<br />

sich hat. Vor dem Hintergrund ihrer Tätigkeit in Caritas und<br />

Armutskonferenz geht sie nicht nur auf die praktischen<br />

Schwierigkeiten der Verwirklichung einer Sozialverträglichkeitsprüfung<br />

von Gesetzen ein, sondern fragt insbesondere,<br />

was passiert, wenn die Ursache von sozialen Problemen<br />

nicht im politischen Handeln, sondern im politischen<br />

Nicht-Handeln liegt.<br />

Die hier behandelten praktisch-politischen Fragen lassen<br />

sich theoretisch unter anderem im Rahmen der ökonomischen<br />

Analyse des Rechts behandeln. Wolfgang Weigel fragt<br />

daher: „Was kann die Gesetzesfolgenabschätzung, was die<br />

Rechtsökonomik nicht kann?“ Er unternimmt eine konzise<br />

Einführung in die Rechtsökonomik und stellt dem die Argumente<br />

der Gesetzesfolgenabschätzung gegenüber. Zuletzt<br />

geht er auf die Schwierigkeiten in der Verständigung zwischen<br />

Juristen und Ökonomen ein.<br />

Den Abschluss bildet ein Beitrag von Bernd-Christian<br />

Funk, der das Thema Gesetzesfolgenabschätzung aus einer<br />

systemtheoretischen Perspektive erschließt. Am Beispiel<br />

der Reform der Strafprozessordnung – also eines Bereiches,<br />

der in den meisten Forderungen nach Gesetzesfolgenabschätzung<br />

kaum vorkommt – zeigt er, wie jeder Akt der Gesetzgebung<br />

neben Regulativen auch diagnostische und prognostische<br />

Elemente enthält. Der Wunsch nach Riskenbeherrschung<br />

steht dabei freilich immer unter der Bedingung<br />

der Unbestimmtheit.<br />

<strong>juridikum</strong> 2005 / 1 Seite 29

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