juridikumnr 1 - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft
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echt & <strong>gesellschaft</strong><br />
schaffen zu sein, während Frauen, die<br />
am öffentlichen Leben teilhaben wollen<br />
auch weiterhin mit diesen „privaten“<br />
Aufgaben belastet sind. Wollen Frauen<br />
an der Öffentlichkeit teilhaben, müssen<br />
sie mit einer Doppelbelastung rechnen.<br />
Eine Verschiebung (Verteilung) der privaten<br />
Zuständigkeiten konnte auch die<br />
gesetzliche Verpflichtung in § 91<br />
ABGB 8 nicht erreichen. Eine Tatsache,<br />
die nicht weiter verwundert: Solange<br />
Männer und Frauen für gleiche Arbeit<br />
unterschiedlich entlohnt werden und<br />
Frauen selten mehr verdienen als ihre<br />
Ehemänner/Lebensgefährten, werden<br />
sich die Zuständigkeiten nicht ändern 9 .<br />
Die scheinbar naturgesetzmäßige Zuständigkeit<br />
der Frauen für den „privaten<br />
Bereich“ ist in der oben beschriebenen<br />
Öffentlichkeit in der Bildung von typisch<br />
weiblichen Berufsfeldern wiederzufinden.<br />
Die weiblichen Zuständigkeiten<br />
setzen sich gleichsam in gewandelter<br />
Form in der Öffentlichkeit fort. Auf allen<br />
Ebenen finden sich Entsprechungen:<br />
Fast allen Regierungen der westlichen<br />
Demokratien gehört zumindest eine<br />
Frau an, die nicht selten das Familienoder<br />
das Sozialressort inne hat. Typisch<br />
weiblich konnotiert sind Pflegeberufe<br />
und pädagogische Berufe ebenso kaufmännische<br />
Berufe. Reinigungskräfte<br />
sind meist weiblichen Geschlechtes<br />
(„Putzfrau“), ebenso werden Sekretariate<br />
im privaten wie im öffentlichen Sektor<br />
überwiegend von Frauen besetzt, während<br />
die männliche Entsprechung des<br />
Wortes „Sekretär“ nicht nur im allgemeinen<br />
Sprachgebrauch selten zu finden ist,<br />
aber auch hier höhere Machtpositionen<br />
zum Ausdruck bringt (Generalsekretär<br />
der Vereinten Nationen, Kammersekretär,<br />
Staatssekretär).<br />
Zuständigkeiten im juristischen<br />
Bereich<br />
Um auf die Zuständigkeiten im juristischen<br />
Bereich überzuleiten, muss zunächst<br />
auf die sprachliche Ungleichbehandlung<br />
der Geschlechter im Gesetz<br />
...........................................<br />
8) § 91 Abs 1 ABGB idF BGBl I 1999/<br />
125: Die Ehegatten sollen ihre eheliche<br />
Lebensgemeinschaft, besonders die<br />
Haushaltsführung, die Erwerbstätigkeit,<br />
die Leistung des Beistandes und<br />
die Obsorge, unter Rücksichtnahme<br />
aufeinander und auf das Wohl der Kinder<br />
mit dem Ziel voller Ausgewogenheit<br />
ihrer Beiträge einvernehmlich gestalten.<br />
hingewiesen werden. Die Rechtsanwaltsordnung<br />
(RAO) sieht die Berufsbezeichnung<br />
„Rechtsanwältin“ nicht ausdrücklich<br />
vor 10 . Obwohl gemäß Art 7<br />
Abs 3 B-VG 11 Berufbezeichnungen in<br />
der Form verwendet werden können, die<br />
das Geschlecht zum Ausdruck bringen,<br />
ist die gesetzliche Verankerung der geschlechtsspezifischen<br />
Berufbezeichnung<br />
in der RAO höchst an der Zeit. Da<br />
die RAO ausschließlich „Rechtsanwalt“<br />
als Berufbezeichnung vorsieht, ist es<br />
Rechtsanwältinnen verwehrt in der Liste<br />
der österreichischen Rechtsanwaltskammer<br />
die Berufbezeichnung „Rechtsanwältin“<br />
zu führen. Gleiches gilt für<br />
Rechtsanwaltsanwärterinnen in der in<br />
§ 15 Abs 4 RAO vorgesehenen Legitimationsurkunde.<br />
Gemäß § 39 Abs 3<br />
Strafprozessordnung hat der Präsident<br />
jedes Gerichtshofes zweiter Instanz für<br />
seinen Sprengel eine Verteidigerliste anzulegen.<br />
Auch hier kommt die weibliche<br />
Berufsbezeichnung nicht vor. Hierbei<br />
kommt die im Deutschen vorherrschende<br />
Markiertheit zum Ausdruck: das<br />
männliche ist das Unmarkierte, das<br />
weibliche das Markierte. Das bedeutet,<br />
dass männliche Personenbezeichnungen<br />
auch verwendet werden können, wenn<br />
sie sich nicht ausschließlich auf Männer<br />
beziehen. Weibliche Personenbezeichnungen<br />
können dagegen nur dann verwendet<br />
werden, wenn sie sich ausschließlich<br />
auf Frauen beziehen 12 . Ausdruck<br />
dieser geschlechtsspezifischen<br />
sprachlichen Ungleichheit sind Formulierungen,<br />
wo darauf hingewiesen wird,<br />
dass die männliche Bezeichnung die<br />
weibliche umfasse: Nach § 95 Gerichtsorganisationsgesetz<br />
umfassen, „die in<br />
diesem Gesetz verwendeten personenbezogenen<br />
Ausdrücke Frauen und Männer<br />
gleichermaßen“ 13 .<br />
Die in der RAO verankerte geschlechtsspezifische<br />
Ungleichbehandlung<br />
wird sich in der praktischen Tätigkeit<br />
der Rechtsanwältinnen nicht (sichtbar)<br />
nachteilig auswirken, sie bestätigt<br />
jedoch, dass das „Männliche“ in diesem<br />
9) Nachweise bei Holzleithner, Recht.<br />
10) § 7 Abs 1 RAO idF BGBl I 2003/93:<br />
Vor der Eintragung in die Liste der<br />
Rechtsanwälte hat der Bewerber das<br />
folgende Gelöbnis abzulegen: „Ich gelobe<br />
bei meinem Gewissen und bei meiner<br />
staatsbürgerlichen Ehre, der Republik<br />
Österreich treu zu sein, die Grundgesetze<br />
sowie alle anderen Gesetze<br />
und gültigen Vorschriften unverbrüchlich<br />
zu beobachten und meine Pflichten<br />
als Rechtsanwalt gewissenhaft zu erfüllen.“<br />
11) Art 7 Abs 3 B-VG idF BGBl I 1998/<br />
68: Amtsbezeichnungen können in der<br />
Form verwendet werden, die das<br />
Geschlecht des Amtsinhabers oder der<br />
Amtsinhaberin zum Ausdruck bringt.<br />
Gleiches gilt für Titel, akademische<br />
Grade und Berufsbezeichnungen.<br />
Berufsfeld (noch immer) dominiert. Die<br />
Gleichstellung zwischen den Geschlechtern<br />
erfordert meines Erachtens eine geschlechtsspezifische<br />
Sprache: Sprache<br />
konstituiert Realität und definiert deren<br />
AkteurInnen. Ein in diese Richtung weisender<br />
Schritt ist beispielsweise im Erlass<br />
des Bundesministeriums für Justiz<br />
vom 13. 12.1994 14 zu sehen: Dieser ordnet<br />
betreffend den Frauenförderungsplan<br />
für das Justizressort für den Zeitraum<br />
bis 31. 12.1995 ausdrücklich an,<br />
dass „in Erlässen, Verfügungen und im<br />
sonstigen Schriftverkehr des Justizressorts<br />
Frauen auch sprachlich sichtbar zu<br />
machen [sind]. Es sind daher nicht nur<br />
Amtstitel und Verwendungsbezeichnungen,<br />
sondern alle weiblichen Bedienstete<br />
betreffenden Bezeichnungen, soweit es<br />
sprachlich möglich ist, in der weiblichen<br />
Form zu verwenden.“ Allerdings ist<br />
auch hier nicht zu übersehen, dass der<br />
Erlass nicht an einer Veränderung der<br />
Sprache im Sinne der Entwicklungen einer<br />
geschlechtsneutralen Sprache interessiert<br />
ist: Die Wendung „soweit es<br />
sprachlich möglich ist“ spricht im Zweifel<br />
für das Beibehalten der männlichen<br />
Bezeichnung.<br />
Zurückkommend auf die Praxis des<br />
anwaltlichen Berufsfeldes ist festzustellen,<br />
dass auch hier die „privaten Zuständigkeiten“<br />
der Frau Niederschlag gefunden<br />
und zur Entwicklung von typisch<br />
weiblichen Betätigungsbereichen geführt<br />
haben. So gelten etwa das Ehe- und<br />
Familien<strong>recht</strong> bzw das Zivil<strong>recht</strong> als typisch<br />
weibliche Tätigkeitsfelder. Die<br />
Implementierung der Zuständigkeiten<br />
korreliert mit der sprachlichen Fassung<br />
des Begriffes „Zivil<strong>recht</strong>“, dessen Synonym<br />
„Privat<strong>recht</strong>“ sich aus der römischen<br />
Rechtstradition gebildet hat und<br />
eine Zweiteilung des Stoffes in Personen-<br />
und Vermögens<strong>recht</strong>e vorsah 15 .<br />
Der Prototyp ist männlich<br />
Diese geschlechtsspezifische Rollenverteilung<br />
im anwaltlichen Berufsbereich<br />
führt auf der eine Seite dazu, dass Frauen<br />
12) Bernroitner, Sprachliche Geschlechterdiskriminierungen<br />
in Stellenanzeigen<br />
am Beispiel einer dänischen<br />
und österreichischen Tageszeitung<br />
(1998).<br />
13) Spehar/Fellner, RDG 3 594.<br />
14) Erlass BMJ 13. 12. 1994 JABl<br />
1995/1.<br />
15) Koziol/Welser, Bürgerliches<br />
Recht I 12 (2002) 9.<br />
<strong>juridikum</strong> 2005 / 1 Seite 19