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juridikumnr 1 - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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gesetzesfolgenabschätzung<br />

deutlich, dass eine Reihe von kontroversiellen Punkten zu klären<br />

sind, soll es sich bei einer Sozialverträglichkeitsprüfung<br />

nicht lediglich um eine Alibiprüfung handeln. Das bedeutet,<br />

dass eine Sozialverträglichkeit, je nach Materie, wohl mit einigem<br />

bis großem Aufwand verbunden ist. Es bleibt eine politische<br />

Entscheidung, ob man diesen Aufwand auf sich nehmen<br />

will oder nicht.<br />

Gleichzeitig muss aber auch klar sein, dass eine Sozialverträglichkeitsprüfung<br />

in der besprochenen Form das Ziel verfolgt,<br />

wie auch immer definierte negative Konsequenzen von<br />

Gesetzen zu vermeiden. Doch was tun, wenn die Ursache von<br />

sozialen Problemen nicht im politischen Handeln, sondern im<br />

politischen Nicht-Handeln, in Non-decision, zu suchen ist?<br />

Eine integrierte, Politikfelder übergreifende „Politik der Sozialverträglichkeit“<br />

müsste mehr umfassen, nämlich auch aktive<br />

Maßnahmen zur Förderung des sozialen Zusammenhaltes<br />

und zur Bekämpfung und Prävention von Armut und sozialer<br />

Ausgrenzung. Um es am Beispiel sozialverträglicher Studiengebühren<br />

darzustellen: Wolfgang Lieb führt an, dass in der<br />

deutschen Diskussion die Sozialverträglichkeit von Studiengebühren<br />

dann als gegeben angenommen wird, wenn diese so<br />

gestaltet sind, dass sie keine sozial selektive Abschreckungswirkung<br />

auf die Aufnahme eines Studiums entfalten. Nun ist<br />

es aber so, dass das deutsche Bildungssystem – wie im übrigen<br />

auch das österreichische – sozial überaus selektiv ist. Damit<br />

stellt sich die Frage, ob es im Sinne einer „Politik der Sozialverträglichkeit“<br />

nicht das vorrangige Ziel sein müsste, den<br />

Anteil von Studierenden aus sozial schwächeren Haushalten<br />

zu erhöhen – anstatt über Maßnahmen nachzudenken, wie die<br />

soziale Selektivität von Studiengebühren vermieden werden<br />

kann (vgl Lieb 2005).<br />

In diesem Sinne wäre eine Sozialverträglichkeitsprüfung<br />

ein wichtiger Mosaikstein für eine Sozialpolitik, die <strong>gesellschaft</strong>liche<br />

Schieflagen vermeiden will, auch wenn aus heutiger<br />

Perspektive noch viele Fragen zu klären sind. Eine Universallösung<br />

kann sie aber nicht sein.<br />

Martina Kargl arbeitet in der Grundlagenabteilung der<br />

Caritas Wien im Bereich Sozialpolitik und ist Mitglied im<br />

Koordinationsteam der ARMUTSKONFERENZ;<br />

mkargl@caritas-wien.at.<br />

Literatur:<br />

DIE ARMUTSKONFERENZ (2003): Der Nationale Aktionsplan<br />

der ARMUTSKONFERENZ für 2003–2005; www.armutskonferenz.at/taten/<br />

nationaler_Aktionsplan_Armutskonferenz_2003_05_V04.pdf<br />

Copenhagen Economics (2005): Economic assessment of<br />

the Barriers to the Internal Market for Services; http://europa.eu.int/comm/internal_market/services/docs/strategy/<br />

2004-propdir/2005–01-cph-study_en.pdf<br />

Dickhaus, Barbara / Dietz, Kristina (2004): Öffentliche<br />

Dienstleistungen unter Privatisierungsdruck. Folgen von Privatisierung<br />

und Liberalisierung öffentlicher Dienstleistungen<br />

in Europa; www2.weed-online.org/uploads/EU-Studie-Privatisierung-DL-final.pdf<br />

Gebauer, Ronald / Petschauer, Hanna / Vobruba, Georg<br />

(2002): Wer sitzt in der Armutsfalle? Selbstbehauptung zwischen<br />

Sozialhilfe und Arbeitsmarkt. Forschung aus der Hans-<br />

Böckler-Stiftung, Band 40, Berlin (Edition Sigma)<br />

Hemedinger, Fritz / Lehner, Markus (2003): Kriterien und<br />

Instrumente für die Prüfung der Sozialverträglichkeit der Politik;<br />

in: Rosenberger, Sieglinde / Tálos, Emmerich (Hg): Sozialstaat.<br />

Probleme, Herausforderungen, Perspektiven. Wien<br />

(Mandelbaum), S. 230–243<br />

Lieb, Wolfgang (2005): Kann es überhaupt „sozialverträgliche“<br />

Studiengebühren geben? Referat auf dem DSW-Workshop<br />

„Wirtschaftsentwicklung und Bildungsbeteiligung“ am<br />

10. Februar 2005 im Magnus-Haus Berlin; www.nachdenkseiten.de/cms/upload/pdf/050211_v_d_hrsg_01.pdf<br />

Ökumenischer Rat der Kirchen in Österreich (2003): Sozialwort<br />

des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich;<br />

www.sozialwort.at<br />

Voges, Wolfgang (2001): Zwischen angemessener Unterstützung<br />

und sozialer Ausgrenzung: Sozialhilfe im europäischen<br />

Vergleich. Inklusion oder Exklusion durch existenzielle<br />

Mindestsicherung?; in: Stelzer-Orthofer, Christine (Hg): Zwischen<br />

Welfare und Workfare. Soziale Leistungen in der Diskussion,<br />

Gesellschafts- und sozialpolitische Texte, Band 14,<br />

Linz (Sozialwissenschaftliche Vereinigung), S. 91–122<br />

Thema Heft 2/2005<br />

Transitional Justice<br />

<strong>juridikum</strong> 2005 / 1 Seite 41

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