juridikumnr 1 - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft
juridikumnr 1 - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft
juridikumnr 1 - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
gesetzesfolgenabschätzung<br />
............................................<br />
2) Dieses Zitat mag als Hinweis für die <strong>recht</strong>spolitische<br />
Bedeutung des zweiten der beiden einleitend<br />
behandelten Beispiele dienen!<br />
Studie machte somit mehr als deutlich, dass die intendierten<br />
wohlfahrtssteigernden Auswirkungen von Regulierungen aller<br />
Art (von Arbeitsplatzsicherheit bis Umweltschutz) für die<br />
Bürger de facto netto substantiell geringer waren als (hoffentlich)<br />
beabsichtigt. Ein Ziel, das mittels „Regulatory Impact<br />
Analysis“ erreicht werden sollte, war konsequenterweise eine<br />
Beibehaltung des Wohlstandsniveaus bei geringeren Kosten<br />
bzw die Erhöhung des Wohlstandsniveaus bei gleichen Kosten.<br />
Hopkins Studie war letztlich der Anlass dafür, dass das<br />
Office of Mangement and Budget 1996 va die Schrift „More<br />
Benefits, Fewer Burdens – Creating a Regulatory System that<br />
Works for the American People“ herausbrachte, womit das<br />
Verfahren endgültig zum Standard wurde. Vor allem zwei Präsidenten<br />
mit ganz unterschiedlichem politischen Hintergrund<br />
hatten schon davor die Anwendung der „Regulatory Impact<br />
Analysis“ forciert, nämlich Reagan und Clinton.<br />
Die OECD (Organisation für wirtschaftliche Entwicklung<br />
und Zusammenarbeit mit Sitz in Paris) entwickelt das Vorhaben<br />
in einer Weise weiter, die auf eine wirtschaftspolitische<br />
Umsetzung der ökonomischen Analyse des Rechts hinausläuft<br />
und seit neuestem auch andere Formen der institutionellen<br />
Schranken als Gesetze bzw Regulierung entdeckt, wie zB<br />
Verhaltenskodices und Praktiken. Das entsprechende Schwerpunktprogramm<br />
der OECD ist das schon einleitend zitierte<br />
Programm SIGMA, „Support for Improvement in Governance<br />
and Management in Central and Eastern European<br />
Countries“; die Entwicklung ist aber keineswegs auf dieses<br />
Programm alleine beschränkt.<br />
In der Schrift „Improving the Quality of Laws and Regulations:<br />
Economic, Legal and Managerial Techniques“ werden<br />
die Motive für die Entwicklung der Rechtsfolgenanalyse<br />
anschaulich gemacht. Man liest: „Die Qualität von Rechtsnormen<br />
und Regulierung ... ist von unmittelbarer Bedeutung für<br />
die ökonomische und demokratische Entwicklung“, und weiter:<br />
„Schlecht gemachte Regeln können unerwartete und<br />
schädliche Folgen für Wettbewerb, Investitionen und die<br />
Schaffung von Arbeitsplätzen haben“, sowie: „Die Implementierung<br />
und die Folgen der Rechtssetzung werden als<br />
mangelhaft erkannt ... Die Normadressaten können Gesetze<br />
und Regeln nicht verstehen, und selbst wenn sie sie verstehen,<br />
sind sie nicht in der Lage sie zu befolgen“.<br />
Diese Motive sind unschwer als allgemeingültige Aussagen<br />
einzustufen, die ein von vielen Seiten geäußertes Unbehagen<br />
über die inhaltliche Gestaltung von Rechtsnormen und<br />
deren (fach-)sprachliche Unzukömmlichkeiten widerspiegeln.<br />
Mit speziellem Bezug auf Transformationsökonomien<br />
heißt es dann: „Es wurde beobachtet, dass vielfach Planungsund<br />
Durchführungsmängel auftreten, die die Entwicklung,<br />
Beschlussfassung, Inkraftsetzung und Ausführung von Gesetzen<br />
beeinträchtigen“ 2 .<br />
Regulierung wird als spezifischer Anreiz-Mechanismus<br />
verstanden, oder eine Menge von Anreizen, die durch Gesetzgebung<br />
der Regierung oder Verordnungen der öffentlichen<br />
Verwaltung gesetzt werden, um Verhaltensweisen von Bürgern<br />
und Unternehmungen einzufordern oder zu verhindern.<br />
Regulierungsmaßnahmen werden durch Androhung von Strafen<br />
oder Zwang bei Nichtbefolgung begleitet. „Regulierung<br />
schließt die volle Breite gesetzlicher Instrumente und Entscheidungen<br />
ein, Verfassungen, parlamentarische Gesetze,<br />
nachgeordnete Gesetzgebung, Verordnungen, Dekrete, Erlaubnisse,<br />
Pläne, Kodices und selbst „graue“ Regulierung wie<br />
Anleitungen und Erläuterungen, durch welche Regierungen<br />
Randbedingungen für das Verhalten von Bürgern und Unternehmen<br />
schaffen.“<br />
Die Qualität von Regulierung erweist sich<br />
• an der Einhaltung von Normen wie Klarheit, Einfachheit<br />
und Nachvollziehbarkeit<br />
• an Gestaltungsnormen wie zB Flexibilität und Konsistenz<br />
• an <strong>recht</strong>stechnischen Standards, wie zB Struktur, Terminologie<br />
und klare Kompetenzzuweisungen<br />
• an Standards der Effektivität<br />
• an ökonomischen Standards, die die Bedingungen der Nutzen-Kosten-Analyse<br />
erfüllen (Hervorhebung vom Autor)<br />
• sowie Standards der Implementierung: Anwendbarkeit,<br />
Durchführbarkeit, Durchsetzbarkeit, Akzeptanz<br />
Die Methodik der „Regulatory Impact Analysis“ beruht also<br />
auf demselben ökonomischen Kalkül wie die der Rechtsökonomik.<br />
Denn die Nutzen-Kosten-Analyse schließt, wie<br />
weiter oben ausgeführt, über den Kaldor-Hicks-Kompensationstest<br />
logisch auch die rational agierenden Personen und den<br />
besagten methodologischen Individualismus ein.<br />
Die Bandbreite der Normen, die heute von der OECD unter<br />
Regulierung subsumiert wird, deckt sich ebenfalls mit dem<br />
sehr breiten Verständnis von Rechtsnormen, die sich die<br />
Rechtsökonomik zu Eigen gemacht hat.<br />
„Regulatory Impact Analysis“ reicht nur in einem Punkt –<br />
scheinbar – über die Rechtsökonomik hinaus: In der umfassenden<br />
Systematik, die sich beispielsweise in den hier nicht<br />
näher behandelten präsidentialen Direktiven oder den Memoranden<br />
der OECD niederschlägt. Aber das ist letztlich eher als<br />
Ausformung der Empfehlungen für die praktische Handhabung<br />
zu sehen, die in dieser Form im akademischen Bereich<br />
eher unüblich ist. Bei Verfahren, die im Beratungsgeschäft<br />
Anwendung finden, ist sie hingegen Standard. Selbstverständlich<br />
weist jede wissenschaftliche Arbeit eine bestimmte<br />
Mindeststruktur auf, die eine Problembeschreibung ebenso<br />
umfasst wie Empfehlungen für die Nutzanwendung der Ergebnisse.<br />
Die Rechtsökonomik geht in ihren wissenschaftlichen Einsichten<br />
und gesicherten Erkenntnissen indessen über die sehr<br />
pragmatisch orientierte „Regulatory Impact Analysis“ weit<br />
hinaus. Die wenigen Andeutungen über die situationsabhängig<br />
unterschiedlichen Wirkungsweisen von Haftungsregeln<br />
haben dies ausreichend zu illustrieren vermocht. Die Verwendung<br />
solcher Erkenntnisse bei den Untersuchungsfällen der<br />
„Regulatory Impact Analysis“ ist also ein sehr wichtiges Desiderat,<br />
das den Verfechtern einer breiteren Anwendung dringend<br />
angeraten werden muss. Dass dieser Rat keineswegs<br />
überflüssig ist, lässt sich gut daran erkennen, welche Referen-<br />
<strong>juridikum</strong> 2005 / 1 Seite 47