KONGRESSJOURNAL 2014 public
Das Fachmagazin wurde beim Kongress für Allgemeinmedizin publiziert. Die Inhalte setzen sich aus Live-Berichten, Vorträgen und Interviews mit Referenten zusammen. Die Fachinserate werden hier nicht angezeigt, da diese nicht für die Öffentlichkeit erlaubt sind. Graz/29. November 2014
Das Fachmagazin wurde beim Kongress für Allgemeinmedizin publiziert. Die Inhalte setzen sich aus Live-Berichten, Vorträgen und Interviews mit Referenten zusammen. Die Fachinserate werden hier nicht angezeigt, da diese nicht für die Öffentlichkeit erlaubt sind. Graz/29. November 2014
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KONGRESS<br />
JOURNAL<br />
Logotherapie & Existenzanalyse: Christoph Schlick im Interview<br />
Suche nach Sinn und Werten<br />
Gerade bei Jugendlichen können Aggression und auch Depression<br />
eine Folge von nicht gefundenem bzw. verlorenem Sinn sein.<br />
Christoph Schlick, Leiter des Institutes für Logotherapie und<br />
Existenzanalyse in Salzburg, verfügt über eine langjährige Erfahrung<br />
in Forschung und Lehre, Beratung und Therapie nach Frankls<br />
Logotherapie und Existenzanalyse. Im Interview sprach er über<br />
sinnorientierte Psychotherapie, der Suche nach Sinn und Werten,<br />
aber auch über Persönlichkeitsentwicklung.<br />
Wie können Logotherapie und Existenzanalyse<br />
helfen?<br />
Es geht um ein Menschenbild, das<br />
die Person in ihrer Freiheit und Verantwortung<br />
ernst nimmt. Der Mensch<br />
will sinnorientiert leben, er will Werte<br />
in den vielfältigen Situationen des<br />
Lebens finden und verwirklichen,<br />
sagt ihr Begründer, der Wiener Arzt<br />
und Philosoph Viktor E. Frankl. Mit<br />
der Existenzanalyse gibt uns Frankl<br />
Werkzeuge mit auf den Weg, um die<br />
Möglichkeiten, Wertigkeiten und den<br />
Sinn des eigenen Lebens zu entdecken.<br />
Die Logotherapie ist Lebenshilfe,<br />
um den erkannten Sinn auch<br />
im privaten und beruflichen Alltag<br />
ein- und umzusetzen.<br />
Ist die Suche nach dem Sinn bei<br />
Jugendlichen ein wichtiges Thema?<br />
Jugendliche sind sowieso unsicher,<br />
hinzu kommen die Pubertät und das<br />
Überangebot an Sinn und Werten.<br />
Daher geht es um die Frage: Wie können<br />
sich junge Menschen orientieren?<br />
Können sie sich überhaupt entscheiden?<br />
Viele Jugendliche kommen aus<br />
Familien, in denen sich die Strukturen<br />
immer mehr auflösen und sie immer<br />
weniger übernehmen können.<br />
Was wollen Sie dem Arzt vermitteln?<br />
In der sinnorientierten Psychotherapie<br />
geht es um Menschen, denen<br />
das Wofür fehlt. Dadurch tun sie sich<br />
schwer in ihrer Entwicklung und beruflichen<br />
Orientierung. Mir geht es<br />
nicht um Gesellschaftskritik, Ärzte<br />
sollten die Zusammenhänge kennen.<br />
Wenn ein Jugendlicher über<br />
körperliche Probleme spricht, steckt<br />
vielleicht eine psychische Verunsicherung<br />
dahinter.<br />
Christoph Schlick: „Die Logotherapie<br />
ist Lebenshilfe, um den erkannten<br />
Sinn auch im privaten und beruflichen<br />
Alltag ein- und umzusetzen.“<br />
Welche Tipps gibt es?<br />
Die Frage nach dem Sinn kann man<br />
nie direkt stellen. Besser ist: Was ist<br />
dir als Jugendlicher wichtig? Wenn<br />
ein junger Mensch dabei zu stottern<br />
beginnt, hat er Probleme oder keinen<br />
Halt. Im nächsten Schritt geht es<br />
darum, ihm zu helfen. Welche Tipps<br />
kann man dem Jugendlichen geben?<br />
Hat er eine Aufgabe? Wie schaut seine<br />
Beziehungsstruktur aus? Hat er<br />
Vertrauenspersonen? Hat er jemanden,<br />
mit dem er wirklich gut reden<br />
kann – nicht nur seine „oberflächlichen“,<br />
pubertierenden Freunde, die<br />
ähnliche Probleme haben. Hat er nur<br />
seine Eltern, von denen er sich lösen<br />
muss? Das wären die ersten Themen.<br />
Mein Grundansatz auf dieser Lösungsebene<br />
sind gut gelebte Beziehungen.<br />
Das muss man lernen: mit<br />
sich selbst in Bezug zu sein, zu wissen,<br />
wie es mir geht, was ich brauche.<br />
Welche Beziehung gibt es zu anderen<br />
Menschen? Welche Aufgaben<br />
habe ich? Wie ist der Bezug zur Welt,<br />
zur Natur, zur Kultur? Interessant ist,<br />
dass Jugendliche, die sich in irgendeiner<br />
Form musisch betätigen – sie<br />
müssen nicht musikalisch sein –, weniger<br />
gefährdet sind, eine Krise zu haben.<br />
Sie haben einen anderen Bezug<br />
zur Welt als Jugendliche, die nur am<br />
Konsum interessiert sind.<br />
Der Hausarzt wird meist nur der<br />
erste Ansprechpartner sein, nicht<br />
der Therapeut.<br />
Ja und es ist auch nicht notwendig,<br />
diese Jugendlichen in Therapie zu<br />
schicken. Der Arzt muss erkennen,<br />
dass es nicht um rasches Verschreiben<br />
eines Medikaments geht. Wichtig<br />
ist die Frage nach einem intakten<br />
Beziehungsnetz. Gerade bei jungen<br />
Menschen herrscht hier ein Defizit,<br />
daran sollte man immer denken.<br />
Infos: www.sinnzentrum.at<br />
Foto: Christian Jungwirth<br />
Graz <strong>2014</strong> <strong>KONGRESSJOURNAL</strong> 17