Schreibwerkstattgeschichten - Sich schreibend ... - Handgeschrieben

Atem des Meeres
Sein Heben und Senken ist wie das Ein- und Ausatmen. Der Moment in dem die Bewegung
umkippt, zurückläuft – ein sekundenkurzes Stillstehen, dann baut sich die Spannung ab. Ein
Moment Atemruhe.
Weit draußen Getöse, Wind durchwühlt die Wellen, treibt sie tiefer und höher, färbt das
Wasser schwarz, die Gischt in sprudelndem Weiß.
Das kleine Boot taucht auf und ab. Ein Wassertheater: Vorhang auf, Boot erscheine, Vorhang
zu, Boot, wo bist du
Unzählige Formen der Wellen. Glänzend und glatt wie eine Innenhaut, dann wieder
aufgeraut, leicht gekräuselt als käme ein Stoff aus der Tiefe, bereit zum Nähen.
Haushohe Berge, Tälerschluchten – ein Wassergebirge. Endlos über den Horizonthinaus.
Die Sonne sinkt, legt sich quer, badet auf der Wasserkante, färbt alles rot, orange. Den
Wolken gibt sie silbern glänzende Streifen mit. Der ganze Himmel badet im Meer. Der Tag
nimmt Abschied, legt sich in den Wellen bequem zurecht. Alles wird dunkel und still.
Gute Nacht. Ausatmen.
Susanne Sorgenfrei
20 Schreibwerkstattgeschichten – Sich schreibend selbst neu entdecken