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ein heißer Herbst war das. Angeheizt von dem als „Atomkompromiss“<br />

in die Annalen eingegangenen Beschluss des<br />

Bundestages, die Laufzeiten für Atomkraftwerke um 14 Jahre<br />

zu verlängern, waren Augen und Kameras plötzlich wieder auf<br />

den Castor-Transport durch Niedersachsen gerichtet. Die Sache<br />

eskalierte – vor und hinter den Kameras. Inzwischen kommen<br />

sogar die politischen Lager durcheinander. Die Grünen sitzen<br />

wieder auf den Schienen, was sie während ihrer Regierungszeit<br />

strikt abgelehnt hatten. Auf der anderen Seite erhalten Forderungen<br />

der Niedersachsen nach einer Beteiligung des Bundes<br />

an den Einsatzkosten für den Castor-Transport von der Regierungspartei<br />

Rückenwind. Hamburgs Innensenator Heino<br />

Vahldieck von der CDU äußerte jüngst Verständnis für die<br />

Forderung Niedersachsens. „Da kann man nur Verständnis<br />

haben“, sagte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz der<br />

Nachrichtenagentur dpa.<br />

Unerwartet starker Gegenwind<br />

Die Koalition wusste wohl, dass ihr Energiepaket nicht einfach<br />

hingenommen werden würde. <strong>Ab</strong>er dass die Entscheidung,<br />

die letzten Meiler erst 2040 oder sogar später vom Netz<br />

zu nehmen, derart umstritten sein würde – damit hat wohl<br />

niemand in Berlin gerechnet. Feuer bekommen die Politiker<br />

nämlich – anders als in früheren Zeiten, als billiger Strom das<br />

Ein und Alles war – auch aus der Industrie. Zunächst natürlich<br />

von den 957 Stromversorgern in Deutschland, denen es<br />

nicht nur um die Wende nach der Wende in der Energiepolitik<br />

geht, sondern vor allem auch um die Sicherung der mächtigen<br />

Stellung der großen Energiekonzerne – im Süden allen voran<br />

der EnBW.<br />

Städtetags-Präsidentin Petra Roth sagte denn auch im Namen<br />

der Kommunen, die einst in der Energie-Wende auch eine<br />

Einnahmequelle der Zukunft sahen: „Die Städte und ihre Unternehmen<br />

investieren in großem Umfang in umweltfreundliche<br />

Energieerzeugung.“ Längere Laufzeiten für Atomkraftwerke<br />

dürften diese Investitionen nicht gefährden. Deshalb brauchten<br />

die Stadtwerke eine Kompensation. „Eine Laufzeitverlängerung<br />

ohne Ausgleich verbessert ausschließlich die Wettbewerbsposition<br />

der großen Energieversorger.“ Nach Angaben von Roth<br />

rechnen die städtischen Haushalte durch die Brennelementesteuer<br />

mit jährlich 300 Millionen Euro weniger Gewerbesteuereinnahmen.<br />

Nicht nur Stadt- und Regionalwerke in der Region (siehe<br />

Übersicht auf der nächsten Seite) beklagen den Wandel, auch<br />

Unternehmen, die dank vergangener Energiegesetze bislang<br />

sorglos wachsen konnten und inzwischen Hunderttausende von<br />

Arbeitsplätzen stellen, fürchten um ihre Erträge. Vor allem im<br />

Süden, wo Biomasse-, Windkraft- und Photovoltaik-Industrie<br />

schnell Fuß gefasst haben, gärt es an allen Ecken.<br />

Die deutsche Windindustrie sieht die Laufzeitverlängerung<br />

für AKWs und das neue Energiekonzept gar als „Sargnägel für<br />

die erneuerbaren Energien und für die Windkraft“. Die Potenziale<br />

der Windenergie seien systematisch kleingerechnet worden,<br />

um die Laufzeitverlängerungen scheinbar notwendig zu machen,<br />

sagte der Chef des Bundesverbands der Windindustrie,<br />

Hermann Albers, jüngst in einem Interview.<br />

Unterdessen bleibt die Regierung standhaft. Auf ihrer Website<br />

www.bundesregierung.de wirbt sie unablässig für ihr Energiekonzept.<br />

Auf die Frage, wie der Herausforderung knapper werdender<br />

Ressourcen begegnet werden könne, pocht sie auch einen<br />

Fünf-Punkte-Plan, von dem erst an vierter Stelle die Kernenergie<br />

als „eine notwendige Brückentechnologie“ die Rede ist. Das<br />

Ziel seien Energieeinsparung und erneuerbare Energien. „Dem<br />

Energiekonzept der Bundesregierung“, so heißt es, „liegen Energieszenarien<br />

zugrunde. Sie zeigen, wie der Energieverbrauch<br />

bis 2050 auf die Hälfte zurückgehen kann. Sie zeigen außerdem,<br />

wie erneuerbare Energien den Hauptteil an der Energieversorgung<br />

übernehmen können.“ Damit Energie in Deutschland bezahlbar<br />

und Arbeitsplätze, Wohlstand sowie der sozialer Friede<br />

erhalten bleiben, müsse man auf fünf Punkte setzen:<br />

1. Energieeffizienz<br />

2. Erneuerbare Energien<br />

3. Intelligente Stromnetze<br />

4. Kernenergie<br />

5. Mobilität der Zukunft<br />

Atomkompromiss – und jetzt? | titelstory<br />

Energiewende – wieder einmal<br />

Mit dem neuen Energiekonzept der Bundesregierung hat die politische Führung in ein Wespennest gestochen. Nicht nur<br />

Bürger und die Opposition, auch Stadtwerke und andere kleine Versorger, die voll auf die Energiewende gesetzt haben,<br />

protestieren und bereiten Klagen vor. Zankapfel ist die Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke, die ab 1980 gebaut<br />

wurden.<br />

Von Leonhard Prinz<br />

Bis auf Punkt vier sind sich in der Debatte alle einig. Ob diese<br />

Einsicht aber die Gemüter beruhigen wird, bleibt abzuwarten.<br />

Mehrere Stromversorger, politische Parteien, Industrieverbände<br />

und nicht zuletzt die Kommunen werden weiter gegen<br />

das Konzept kämpfen. Eine Wende von der Wende der Wende<br />

könnte spätestens nach einem eventuellen Regierungswechsel<br />

abermals für viel Hochspannung sorgen – und das nicht nur im<br />

Herbst. ■<br />

04/2010 <strong>business</strong><strong>today</strong> 13

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