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Klaus Eder<br />

titelstory | Atomkompromiss – und jetzt?<br />

„Unsere Kunden sind entsetzt“<br />

Berlin / Friedrichshafen. Ende Oktober hat der Bundestag die Verlängerung der Laufzeiten für die 17 deutschen Atomkraftwerke<br />

beschlossen. Mit der schwarz-gelben Mehrheit stimmte das Parlament dafür, dass sie im Schnitt zwölf Jahre<br />

länger am Netz bleiben. Der letzte Meiler würde demnach erst im Jahr 2035 vom Netz gehen. Was das für die Regional-<br />

und Stadtwerke am Bodensee und in Oberschwaben bedeutet, bringt Klaus Eder auf den Punkt: „Weitere Investitionen<br />

in erneuerbare Energietechnologien müssen nun sehr kritisch geprüft werden“, bedauert der Geschäftsführer der Stadtwerke<br />

Überlingen (SWÜ).<br />

Auch die Technischen Werke Friedrichshafen (TWF) sind über<br />

die Laufzeitverlängerung nicht erfreut. „Bei uns war alles<br />

auf den Ausstieg ausgerichtet“, beklagt TWF-Sprecher Sebastian<br />

Dix die mangelnde Verlässlichkeit in der deutschen Energiepolitik.<br />

Nach dem Ausstieg vom Ausstieg müsse man geplante<br />

Investitionen vor dem Hintergrund der Wirtschaftlichkeit neu<br />

prüfen. „Da werden möglicherweise manche Projekte auf Eis<br />

gelegt“, weiß der TWF-Sprecher schon jetzt. „Investitionen, die<br />

im Vertrauen auf die Ausstiegsverträge getätigt wurden, werden<br />

entwertet“, kritisiert auch Dr. Thiel-Böhm, Geschäftsführer der<br />

Technischen Werke Schussental (TWS) in Ravensburg.<br />

Alle Stromversorger aus der Region sehen durch die Verlängerung<br />

einen klaren Eingriff in den Wettbewerb. „Durch den<br />

Weiterbetrieb der Atommeiler wird deutlich mehr Strom erzeugt,<br />

als benötigt wird“, so SWÜ-Chef Klaus Eder. Und da die meisten<br />

Atomkraftwerke bereits abgeschrieben sind, spüle das Gewinne<br />

in ungeahnten Höhen in die Kassen der vier deutschen Energieriesen.<br />

„Diese Gewinne können E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall<br />

dann nutzen, um mit ihren Discounttöchtern den Stadtwerken<br />

Konkurrenz zu machen“, glaubt TWS-Geschäftsführer Thiel-<br />

Böhm.<br />

80 Prozent des gesamten Strombedarfs werden nach dem Bundestagsentscheid<br />

auch weiterhin von den Energieriesen produziert.<br />

„Und genau hier, bei der Stromerzeugung, entstehen die<br />

größten Gewinne im Strommarkt“, weiß TWF-Sprecher Dix.<br />

Dass die vier Großen ihre Marktdominanz letztlich dennoch ausnutzen<br />

werden, um die Strompreise zu erhöhen, daran besteht für<br />

Klaus Eder kein Zweifel: „Die Ausgleichszahlungen an den Bund,<br />

die von den Atomkraftwerksbetreibern zu zahlen sind, werden<br />

sie sich auf der Einnahmenseite zurückholen.“ Die SWÜ-Kunden<br />

seien jedenfalls entsetzt über die „Millionengeschenke an die<br />

Großkonzerne“.<br />

16 <strong>business</strong><strong>today</strong> 04/2010<br />

Andreas Thiel-Böhm<br />

Letztlich entscheide aber der Verbraucher selbst, ob er sich der<br />

Berliner Entscheidung widerstandslos beuge, glaubt Dr. Thiel-<br />

Böhm. „Wer gegen die Laufzeitverlängerung ist, kann dies durch<br />

die Wahl seines Stromanbieters deutlich machen. Die TWS bietet<br />

auch künftig ausschließlich 100-prozentigen Öko-Strom an, wird<br />

weiterhin in die erneuerbaren Energien investieren und deshalb<br />

Kunden gewinnen“, ist er sich sicher.<br />

Das Regionalwerk Bodensee rechnet damit, dass die großen<br />

Vier ihre Mehrkosten aufgrund der Brennelementesteuer einerseits<br />

direkt an die Endkunden weitergeben werden. Andererseits<br />

ist auch davon auszugehen, dass die Stromgiganten diese Mehrkosten<br />

auf ihre Produktionspreise aufschlagen werden und dass<br />

damit auch die Beschaffungspreise an der Strombörse steigen<br />

würden. Von letzterem wäre auch das Regionalwerk Bodensee,<br />

wie alle anderen Energieeinkäufer, mitbetroffen. „Wir müssten<br />

dann in Zukunft die gestiegenen Strombezugspreise leider auch<br />

an unsere Kunden weitergeben“, betont Enno Steffens, Geschäftsführer<br />

des Regionalwerks Bodensee.<br />

Steffens kritisiert den neuen Energie-Deal der Bundesregierung<br />

aber auch wegen der nach wie vor ungeklärten Frage um eine ökologisch<br />

und ethisch verantwortbare Atommüllentsorgung. „Wir<br />

wissen bis heute nicht, wie eine vernünftige Atommüllentsorgung<br />

aussehen kann. Und trotzdem machen wir weiter wie bisher und<br />

schaffen damit den nachfolgenden Generationen ein gravierendes<br />

Problem.“<br />

Die Entscheidung pro Verlängerung sieht Klaus Eder indes<br />

überhaupt noch nicht final. „Spätestens das Bundesverfassungsgericht<br />

wird feststellen, dass dieses Gesetz im Bundesrat entschieden<br />

werden muss“, glaubt der SWÜ-Chef. Angesichts der<br />

dortigen Mehrheitsverhältnisse zu Gunsten von Rot-Grün hofft<br />

Eder, dass der Atomausstieg letztlich doch früher kommt als von<br />

der jetzigen Bundesregierung geplant. ■<br />

Enno Steffens<br />

Sebastian Dix

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