Kunst und Musik - Das Magazin für Kunst, Architektur und Design
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Farben hören –<br />
Klänge sehen<br />
Aktionskünstler, Multimedia-Tüftler <strong>und</strong><br />
Komponisten entdecken Auge <strong>und</strong> Ohr. Ein<br />
synästhetischer Galopp durch die Geschichte<br />
TExT: SöREN INGWERSEN<br />
Ausgerechnet in unserer Zeit der „entkörperlichten“<br />
neuen Medien kehren<br />
die Künstler zu ihren kultischen Ursprüngen<br />
zurück. Sie entdecken den Menschen<br />
als ganzheitlich empfindendes Wesen wieder.<br />
Sie setzen verstärkt auf körperliche Wahrnehmung<br />
– eben virtuell. Auge <strong>und</strong> Ohr gleichermaßen<br />
anzusprechen ist mit digitaler Technik<br />
so einfach wie noch nie. Multimedia-Künstler<br />
erzeugen Wechselwirkungen zwischen den<br />
Sinnen, thematisieren die spezifische Räumlichkeit<br />
des <strong>Kunst</strong>erlebens <strong>und</strong> binden den<br />
Rezipienten durch mehrere simultane Erfahrungsebenen<br />
ins Werk ein.<br />
Eine wesentliche Verbindung zwischen der<br />
visuellen <strong>und</strong> auditiven Sphäre gründet im<br />
sogenannten synästhetischen Empfinden. <strong>Das</strong><br />
löst beim Hören bestimmter Töne oder Harmonien<br />
Farbempfindungen aus. Der Komponist<br />
<strong>und</strong> Synästhetiker Olivier Messiaen sagt<br />
über seine <strong>Musik</strong>, sie sei „wie Kirchenfenster,<br />
John Cage: Writing through the Essay‚<br />
On the Duty of Civil Disobedience‘,<br />
1985/91, <strong>Kunst</strong>halle Bremen<br />
Schwerpunkt<br />
in denen Komplementärfarben in wirbelnde<br />
Bewegung geraten zu sein scheinen“. Der russische<br />
Komponist Alexander Skrjabin schrieb<br />
ein Werk <strong>für</strong> Orchester <strong>und</strong> Farborgel („Prometheus“),<br />
das 1915 in New York uraufgeführt<br />
wurde <strong>und</strong> im September 2006 von den<br />
Hamburger Symphonikern mit Laser- <strong>und</strong><br />
Computertechnik in der Laeiszhalle realisiert<br />
wurde. Der finnische „Metakomponist“ Lauri<br />
Gröhn hat sogar eine Software entwickelt, die<br />
Bilder in <strong>Musik</strong>stücke verwandelt. Die Ergebnisse<br />
sind beeindrucken, wovon man sich unter<br />
www.synestesia.fi selbst überzeugen kann.<br />
So wie manche Komponisten ihre Werke mit<br />
Farben assoziieren oder sich von konkreten<br />
(Vorstellungs-)Bildern inspirieren lassen -<br />
man denke an den Klassiker Mussorgskys „Bilder<br />
einer Ausstellung“ - , orientieren sich auch<br />
bildende Künstler an den Formprinzipien der<br />
<strong>Musik</strong>. Paul Klee, Robert Delaunay oder Wassily<br />
Kandinsky. Letzterer ließ sich beim Malen<br />
von der Gr<strong>und</strong>idee des Hörens von Farben<br />
<strong>und</strong> des Sehens von Klängen leiten <strong>und</strong> ordnete<br />
„Farbklänge“ zu „Farbsinfonien“ an.<br />
Auch in neuerer Zeit trifft man den bildenden<br />
Künstler <strong>und</strong> <strong>Musik</strong>er in Personalunion häufig<br />
an. So etwa YELLO-Frontman Dieter Meier<br />
oder Albert Oehlen, der in Hamburg bei Claus<br />
Böhmler <strong>und</strong> Sigmar Polke studiert hat. Oehlen,<br />
der nach eigener Aussage immer Popkunst<br />
machen wollte, „große, farbige Sachen, die einen<br />
unmittelbar ansprechen“, war in den 80er-<br />
Jahren aktiver <strong>Musik</strong>er im Kreis der Hamburger<br />
Protagonisten der Neuen Deutschen Welle.<br />
Neben Andreas Dorau, Dietrich Diederichsen<br />
<strong>und</strong> Holger Hiller, Mitbegründer von Palais<br />
Schaumburg. Hiller arbeitete als einer der ersten<br />
mit elektronischen Samples in der <strong>Musik</strong>.<br />
So wie Oehlen Cut-Outs aus Broschüren <strong>und</strong><br />
<strong>Magazin</strong>en zu Collagen verarbeitete, setzte<br />
Hiller seine Songs aus schroffen Geräuschsamples<br />
<strong>und</strong> skurrilen Textbausteinen zusammen.