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Kunst und Musik - Das Magazin für Kunst, Architektur und Design

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estimmten Route ist ein Gr<strong>und</strong>, sie nicht<br />

mehr zu klettern. Auch ich will den nächsten<br />

Berg besteigen. <strong>Das</strong> Ganze ist ein permanenter<br />

Lernprozess. Ein Prozess des Erkennens, wer<br />

ich bin. <strong>Das</strong> Erkennen dieser Person als Teil<br />

des Erkennens der Welt.<br />

Was haben Sie denn aus der Popmusikwelt<br />

<strong>für</strong> die <strong>Kunst</strong>welt gelernt?<br />

<strong>Das</strong>s Erfolg etwas durchaus Gefährliches sein<br />

kann. Wir, der Boris Blank <strong>und</strong> ich (YELLO),<br />

haben wie kleine Kinder in einem Sandhaufen<br />

versucht, unsere Sandburgen zu bauen. Der<br />

Erfolg bringt es mit sich, dass man wie das<br />

Girl im James Bond, deren Körper mit Gold<br />

bestrichen worden ist, nicht mehr atmen<br />

kann. Es ist ganz schwierig, sich die Freiheit,<br />

die man vor dem Erfolg hatte, wieder zurück<br />

zu erobern. <strong>Das</strong>s man sich nicht unmerklich<br />

selbst zensiert.<br />

Wie konnten Sie denn Ihre freie Haltung<br />

wieder zurück gewinnen?<br />

Ich sehe tatsächlich das Gespräch mit Ihnen<br />

oder mit irgendjemandem oder das Herumklimpern<br />

auf einer Gitarre genauso als<br />

Im Interview spricht Dieter Meier<br />

bedachtsam, aber zügig in seinem<br />

Züricher Dialekt, der so viel melodischer<br />

rauf <strong>und</strong> runter singt als<br />

der berühmte, monotone Stakkatosprechgesang<br />

von YELLO.<br />

Ausdruck eines Ganges wie ein so genanntes<br />

Werk. Wenn ich mir überlege, warum ich eigentlich<br />

so gern Spielfilme mache, dann aus<br />

dem ganz wichtigen Gr<strong>und</strong>. Spielfilmmachen<br />

ist <strong>für</strong> mich Glück. Es ist nichts anderes, als<br />

mit Fre<strong>und</strong>en über den Atlantik zu segeln.<br />

Man ist auf dem Wasser, ist mit dem Segeln<br />

beschäftigt <strong>und</strong> muss ständig irgendwelche<br />

Entscheidungen fällen. Ich muss segeln, weil<br />

der Wind bläst, <strong>und</strong> es das Ende des Zweifelns<br />

bedeutet.<br />

Im Verlauf unseres Gesprächs habe ich<br />

verstanden, dass Ihr Leben ein einziges<br />

zufälliges <strong>und</strong> glückliches Pilzefinden ist.<br />

Dennoch: Hat es Sie eigentlich nie gejuckt,<br />

einmal eine <strong>Musik</strong>performance zu machen,<br />

<strong>Musik</strong> <strong>und</strong> <strong>Kunst</strong> zu verbinden?<br />

Nein. Eigentlich juckt mich überhaupt nichts.<br />

Auch wenn ich gefragt werde, was ich noch<br />

vorhabe – dann weiß ich das nicht. Ich weiß<br />

nicht, was dieses Leben, dieses Myzeliengeflecht,<br />

noch mit mir vorhat. Wenn ich Boris<br />

nicht getroffen hätte, hätte ich wahrscheinlich<br />

auch nie <strong>Musik</strong> gemacht.<br />

Dieter Meier, geboren 1945 in Zürich,<br />

machte vom 17. bis 21. November 1969<br />

seine erste Performance in Zürich: „5 days“,<br />

bei der er auf dem Heimplatz in Zürich fünf<br />

Tage lang 100.000 Metallstückchen zu Säckchen<br />

à 1.000 Stück abpackte. 1971 bat er Passanten<br />

in New York, ihm die Worte „Yes“ <strong>und</strong><br />

„No“ <strong>für</strong> jeweils einen Dollar zu verkaufen<br />

<strong>und</strong> quittierte ihnen das Geschäft mit einer<br />

Urk<strong>und</strong>e (Performance „Two Words“). Die<br />

wichtigste <strong>Kunst</strong>kritikerin der New York<br />

Times schrieb darauf eine Hymne über den<br />

Kultkünstler aus der Schweiz. 1972 lud ihn<br />

die documenta 5 zur Teilnahme im „Concept-Art“-Programm<br />

ein. Erst danach lernte<br />

er Boris Blank kennen, gründete das Popduo<br />

YELLO <strong>und</strong> traf mit den Stücken „Lost<br />

again“, „Desire“ oder „Bostich“ den <strong>Musik</strong>nerv<br />

der Anfang 1980er Jahre. Der Welterfolg<br />

von YELLO basiert auch auf den künstlerisch<br />

neuartigen, Slapstick-schrägen <strong>Musik</strong>videos<br />

zur YELLO-<strong>Musik</strong>, die auf MTV <strong>und</strong> in der<br />

Sendung Formel Eins rauf <strong>und</strong> runter gespielt<br />

wurden. Parallel zur Popmusik machte Meier<br />

immer weiter <strong>Kunst</strong>. Die Eroberung des<br />

Unnützen, nicht Verwertbaren ist sein ganzes<br />

Streben. Nichts zu wollen großes Glück.<br />

Meier liebt deshalb die Maschinen von Jean<br />

Tinguely.<br />

Dieter Meier züchtet heute außerdem Rinder<br />

in Argentinien <strong>und</strong> baut Bio-Rotweine<br />

an. In Zürich hat er einen Laden, in dem<br />

er seine argentinischen Produkte verkauft<br />

<strong>und</strong> führt ein Restaurant. Er ist Schriftsteller<br />

<strong>und</strong> macht Filme. Er war professioneller<br />

Pokerspieler <strong>und</strong> Mitglied in der Schweizer<br />

Golfnationalmannschaft. Er ist Großaktionär.<br />

Zuhause ist der „Transitmensch“ bei den<br />

Menschen, die ihm am liebsten sind: seiner<br />

Frau <strong>und</strong> den vier Kindern. Mit dem „Wanderzirkus<br />

Meier“ zieht er in den Schulferien<br />

zwischen seinen Wohnsitzen in Los Angeles,<br />

Argentinien, Ibiza <strong>und</strong> Zürich hin <strong>und</strong> her.<br />

Dieter Meier: Works 1969-2011 And The Yello Years,<br />

Sammlung Falckenberg/Deichtorhallen Hamburg, bis<br />

11. September, www.deichtorhallen.de<br />

AHO<br />

19<br />

SCHWERPUNKT<br />

DIETER MEIER

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