Kontaktadresse - St. Michael Weingarten
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Pfarrbrief Nr. 104 Seite 2<br />
Auf ein Wort<br />
Wo bleibt das Kind?<br />
Ja, liebe Leserin, lieber Leser,<br />
diese Frage stellten im vergangenen<br />
Jahr der eine Leser oder<br />
die andere Leserin des Weihnachtspfarrbriefes.<br />
Man vermisste<br />
das Kind. Irgendwie war es dem<br />
Fotografen unserer Krippe abhanden<br />
gekommen. Wahrscheinlich<br />
hatte er so viel zu schauen<br />
und zu arrangieren, um die Weihnachtsszene<br />
richtig, formatfüllend<br />
und stimmungsvoll in den Kasten<br />
zu bekommen, und dabei ist halt<br />
das Kind auf der <strong>St</strong>recke geblieben.<br />
Immerhin, irgendwie hat es<br />
den Leuten doch gefehlt. Weihnachten,<br />
so ganz ohne Kind, das<br />
ist dann doch ein bisschen dünn.<br />
Ja, da haben Sie Recht.<br />
Und mir kommt dabei noch etwas<br />
in den Sinn: Leben, so ganz ohne<br />
Religion, das ist auch ein bisschen<br />
dünn. Nur Freizeit und<br />
<strong>St</strong>immungsmache, damit ist<br />
Weihnachten nicht zu kriegen.<br />
Ein bisschen Menschwerdung<br />
gehört schon dazu, also die Tatsache,<br />
dass wir selbst ein bisschen<br />
mehr Mensch werden.<br />
Es gibt da ein wunderschönes<br />
Wort des großen Theologen Hans<br />
Urs von Balthasar: „Wenn der<br />
Mensch eintaucht in Gott, dann<br />
taucht er neben dem Menschen<br />
auf.“ Ein wunderbares Wort.<br />
„In deine Lieb versenken will ich<br />
mich ganz hinab. Mein Herz will<br />
ich dir schenken und alles, was<br />
ich hab.“ Solche Dinge werden<br />
wir an Weihnachten wieder singen<br />
und dabei ganz zärtliche Gefühle<br />
für das Krippenkind bekommen.<br />
Und das ist gut so. Das<br />
ist das eigentlich Faszinierende<br />
an diesem Fest, dass wir Menschen<br />
mit dem großen Gott fast<br />
Mitleid bekommen, dass wir ganz<br />
großzügige Gedanken bekommen<br />
Gott gegenüber. Es klingt<br />
paradox, aber es ist gar nicht so<br />
daneben. Ein Gott, der sich nicht<br />
zu schade dafür ist, in Bethlehem,<br />
im größten Rummel auf die Welt<br />
zu kommen. Ein solcher Gott hält<br />
es auch aus, wenn wir Mitleid mit<br />
ihm haben. Er hält es deswegen<br />
aus, weil es dasselbe Gefühl ist,<br />
wie wir es mit einem Bettler, einem<br />
Notleidenden, haben. Und<br />
solche Gefühle hätschelt Gott im<br />
Menschen gerne. Schließlich geht<br />
es ihm bei allem, was er tut, um<br />
den Menschen. Und das ist die<br />
Sache wert.<br />
So gesehen ist Weihnachten die<br />
große Schule der Menschlichkeit.<br />
Überlegen Sie einmal: Nichts von<br />
dem Rummel, nichts von der abweisenden<br />
Haltung den Herberg-