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13 Tage neujahr<br />
Ein reisebericht über China<br />
Teil 1: Von Schildkröteneintopf und raketen auf dem Balkon<br />
• von Joh<strong>an</strong>nes Heinrich<br />
China haftet in unseren Breiten der<br />
Ruf des Geheimnisvollen <strong>an</strong>. Zwar<br />
kennt jeder die Geschichten von der<br />
stetig wachsenden Wirtschaftskraft<br />
der zukünftigen Weltmacht Nr. 1, aber<br />
trotzdem ist m<strong>an</strong> gesp<strong>an</strong>nt, was es mit<br />
diesem L<strong>an</strong>d nun wirklich auf sich hat.<br />
Kommt m<strong>an</strong> via Sh<strong>an</strong>ghai Pudong International<br />
Airport zum ersten Mal in das<br />
Reich der Mitte, wird einem recht bald<br />
klar, dass diese Geschichten vom L<strong>an</strong>d<br />
auf der Überholspur fast noch untertrieben<br />
sind. Der peinlichst sauber gehaltene<br />
Komplex stellt mit seiner Größe<br />
und Architektur viele europäische Bauwerke<br />
neueren Datums in den Schatten<br />
und lässt den Besucher glauben, dass<br />
China den Westen bereits weit hinter<br />
sich gelassen hat. Ein Eindruck, der sich<br />
<strong>an</strong>gesichts der über 400 km/h schnellen<br />
Magnetschwebebahn (Maglev), mit<br />
welcher Ankömmlinge in wenigen Minuten<br />
vom Flughafen nach Sh<strong>an</strong>ghai gel<strong>an</strong>gen,<br />
nur bestätigt. Mir blieb die Erfahrung,<br />
wie es ist, sich fünf Meter über<br />
dem Boden mit der Geschwindigkeit<br />
eines Flugzeugs fortzubewegen, jedoch<br />
leider verwehrt. Gerade erst auf diesem<br />
„Flughafen aus der Zukunft“ <strong>an</strong>gekommen,<br />
musste ich mich beeilen, meinen<br />
Anschlussflug nicht zu verpassen. Das<br />
Problem dabei war nur, dass dieser vom<br />
kleineren und älteren Hongqiao Flugha-<br />
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fen am <strong>an</strong>deren Ende der Stadt erfolgte.<br />
Als wäre das noch nicht genug gewesen<br />
- nach einem Tag im Flugzeug beg<strong>an</strong>n<br />
das unbequeme Herumsitzen mit wenig<br />
Beinfreiheit l<strong>an</strong>gsam <strong>an</strong> meinen Nerven<br />
zu zehren - erfolgte der Tr<strong>an</strong>sfer<br />
zu besagtem Flughafen mittels Bus und<br />
ich konnte dem Maglev, der auf einer<br />
Trasse gleich neben der Autobahn vorbeiflitzte,<br />
nur bestürzt nachblicken. Wir<br />
schrieben den 14. Februar, chinesisches<br />
Neujahr st<strong>an</strong>d unmittelbar vor der Tür,<br />
und ich war unterwegs nach Yich<strong>an</strong>g,<br />
einer Stadt in der Nähe des berühmten<br />
Drei-Schluchten-Damms. Mit rund vier<br />
Millionen Einwohnern gilt Yich<strong>an</strong>g in<br />
China als kleinere Stadt, eine Art chinesisches<br />
Leoben sozusagen. Nun wird<br />
sich m<strong>an</strong>cher vielleicht fragen, warum<br />
ich nach einem <strong>an</strong>strengenden Flug (die<br />
Fluglinie meiner Wahl war Aeroflot,<br />
schwerer Fehler!) die Mühen eines Anschlussfluges<br />
in eine völlig unbek<strong>an</strong>nte<br />
Stadt auf mich nahm und Sh<strong>an</strong>ghai<br />
links liegen ließ. Der Grund war, dass<br />
mich die Familie meiner Freundin eingeladen<br />
hatte, mit ihnen das chinesische<br />
Neujahr zu feiern. Sie lebt in besagtem<br />
Yich<strong>an</strong>g, wo in einem der zahlreichen<br />
Restaur<strong>an</strong>ts gleich nach unserer Ankunft<br />
das abendliche Festessen stattfinden<br />
sollte. Und da es bereits Nachmittag<br />
war, blieb keine Zeit für einen Besuch<br />
<strong>an</strong>derer Örtlichkeiten und das Fl<strong>an</strong>ieren<br />
über den Bund, die eindrucksvollen<br />
Wolkenkratzer und pulsierenden Einkaufsstraßen<br />
Sh<strong>an</strong>ghais mussten noch<br />
ein paar Tage warten. Ich aber sollte<br />
gleich zu Beginn meiner Reise mit dem<br />
wahren China konfrontiert werden.<br />
Köstliche Familienfeiern<br />
„Wenn du meine Verw<strong>an</strong>dten triffst<br />
d<strong>an</strong>n sag’ Xin Ni<strong>an</strong> Hao, das bedeutet<br />
Gutes Neues Jahr und d<strong>an</strong>n freuen sie<br />
sich.“ Im Flieger nach Yich<strong>an</strong>g gab sich<br />
meine Freundin Mühe, mir eine Auswahl<br />
chinesischer Neujahrs-Floskeln<br />
beizubringen, die ich d<strong>an</strong>n im Zuge der<br />
familiären Feierlichkeiten „<strong>an</strong>bringen“<br />
sollte. Eine gewisse Nervosität konnte<br />
ich nicht leugnen, stellt Neujahr in China<br />
schließlich die wichtigste Feier dar<br />
und in wenigen Stunden würde ich für<br />
eine Runde mir unbek<strong>an</strong>nter Chinesen<br />
das Highlight dieses ohnehin schon besonderen<br />
Abends werden. Es war klar,<br />
dass ich einen möglichst vorteilhaften<br />
Eintopf von der Schildkröte<br />
Eindruck machen wollte.<br />
Doch natürlich best<strong>an</strong>d nie ernsthaft<br />
Grund besorgt zu sein, denn meine<br />
Gastgeber bereiteten mir einen überaus<br />
herzlichen Empf<strong>an</strong>g. Fotos wurden gemacht,<br />
ich hielt eine kleine D<strong>an</strong>kesrede,<br />
pries meine ersten Eindrücke von L<strong>an</strong>d<br />
und Leuten, ließ den österreichischen<br />
Charme spielen und zu meiner großen<br />
Freude schien sich herumgesprochen zu<br />
haben, dass ich gerne Tsin Tao Bier trinke,<br />
denn der Tisch bog sich unter zahlreichen<br />
Bierdosen. Zu essen wurden<br />
Fischsuppe, scharfes Rindfleisch, gebratene<br />
Ente sowie ungefähr 15 <strong>an</strong>dere mir<br />
unbek<strong>an</strong>nte Speisen gereicht, worauf<br />
ich l<strong>an</strong>gsam zu begreifen beg<strong>an</strong>n, warum<br />
Familienfeiern in diesem L<strong>an</strong>d so<br />
beliebt sind.<br />
Überhaupt, das Essen! Es scheint einer<br />
der liebsten Zeitvertreibe der Chinesen<br />
zu sein, und wer k<strong>an</strong>n es ihnen<br />
verdenken, bieten die verschiedenen<br />
chinesischen Küchen doch einen kulinarischen<br />
Höhepunkt nach dem <strong>an</strong>deren.<br />
Da das Essen im Reich der Mitte<br />
mit den bei uns in Chinarestaur<strong>an</strong>ts<br />
<strong>an</strong>gebotenen Speisen meist recht wenig<br />
gemein hat, ist ab und zu etwas Mut er-