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Bauer sein wie meine Eltern waren • von August Schmölzer Jetzt wäre wieder die Zeit zum Schnapsbrennen, Sauschlachten, Holzarbeiten, zum Stricken und Stopfen und was auf unserm Bauernhof sonst noch alles in der Winterzeit gemacht wurde, als ich ein Bub war. Jetzt wäre wieder die Zeit zum Bauernschnapsen, Speck selchen und Schnapstee trinken. Sich mit anderen Bauern austauschen, was man geleistet und erlitten hat. So, wie es mein Vater einmal gemacht hat. Die Heuernte, das Wetter, den Holz und Milchpreis diskutieren. Über den Preis eines Kälbchens, der nicht nur die Reparaturkosten unseres Traktors abdeckte, sondern von dem der Vater auch noch was auf die hohe Kante legte und einen überbrauchten VW kaufte. Ja, es gab eine Zeit, da ging es den steirischen Bauern richtig gut. Geschimpft und gejammert haben sie zwar immer, doch das gehörte dazu, wenn man wer war und was hatte. Und jeden Sonntag - Nachmittag sind wir wo hingefahren mit unserem VW und es hat eine Jause, Kracherln und Eis gegeben. Als mein Vater nicht mehr arbeiten konnte, wurden unsere vier Kühe verkauft und vor seinen Augen aus dem Stall getrieben vom Metzger. Es hat Ihm weh getan, denn seine „Viecha“ hat er geliebt. Er hat sie gekannt und gespürt. Genauso wie das Getreide, das Obst, den Wald und alles was auf unserem Hof gedeihen konnte. Vier verschiedene Sorten Bohnen haben wir gehabt und bis auf Zucker, Salz, Strom und Versicherung waren wir im großen und ganzen Selbstversorger. Die Mutter hat gekocht, Garten und Stallarbeit gemacht, gewaschen, genäht und uns erzogen, weil mein Vater am Bau dazu verdient hat. Aber auf einmal hat alles sich zu drehen angefangen, wie ein Ringelspiel, immer schneller. Die Handarbeit wurde durch Maschinen ersetzt, aber trotzdem blieb weniger an Zeit für das Miteinander und das Einkommen sank. Und auf einmal war ein Kalb nix mehr wert. Und die Wiesen, die vorher wie „aufgeschleckt“ waren, wurden nur noch schlampig gemäht. Der Mitgliedsbeitrag für den Bauernbund und die Kammerumlage aber stiegen und der Schweine-, Kalb-, 38 | und Stierpreis sank. Und im Milchsee sind wir geschwommen und vom hohen Butterberg abgerutscht. Die EU! Ja die EU ist schuld an allem, hat unser Nachbar gesagt. Das war der, den die anderen Bauern vor der Versteigerung gerettet haben und mein Vater hat gesagt, wo wärst du jetzt ohne uns? Da hast Du Deine EU. Und so wie mein Vater mit Tränen in den Augen da gestanden ist, als die Kühe vom Hof getrieben wurden, standen nach seinem Tod meiner Mutter die Tränen in den Augen, als der Hof verändert werden musste, damit ich es mir leisten konnte, ihn zu erben. Obwohl wir Jahre vorher schon gewusst haben, dass Österreich einmal zur EU gehen wird, hat sich kaum ein Politiker Gedanken gemacht, was aus unseren kleinen Bauernhöfen einmal wird. Denn mit den Großbauern aus der EU können wir nicht konkurrieren, das hat jeder gewusst und jetzt haben wir den Scherben auf, wie der Steirer sagt. Auch wenn wir selbst nichts mehr davon haben, wäre doch etwas mehr verantwortliches Vorausdenken gut. Vor allem für die nachfolgenden Generationen? Alles entwickelt sich weiter, Gott sei Dank, aber ist es wirklich immer notwendig, dass sich vieles so leichtfertig schnell und anbiedernd verändern muss? Je mehr der Bauer sich anpasste, desto mehr hat er auch seinen Stolz verloren. In meinem Ort hat es einmal ca. 20 Bauern gegeben, kleine, mittlere und große. Jetzt gibt es noch zwei kleine und einen sehr großen, der allen freien Grund der Gemeinde zusammen gepachtet hat. Der auf Masse und EU-Förderungen ausgerichtet ist. Wenn auch nur das kleinste Detail dieser Maschinerie ausfällt, stürzt dieser Riesenbetrieb in sich zusammen und alle Bauern, deren Grund er für ein „Gott sei Dank“ gepachtet hat, müssen wieder selbst Hand anlegen. Aber werden sie dann noch wissen, wie es geht? Meine Frau und ich, wir sind jetzt Landschaftspfleger und der Grund, den meine Eltern einmal teuer dazu gekauft haben, ist nur mehr ein Drittel wert. Wir sind Bittsteller bei der EU und das einzige Wissen, das ich benötige, ist nichts Landwirtschaftliches mehr, sondern wie ich am besten alle möglichen EU Förde- rungen nutze. Wäre meine Liebe, Freude und Stolz an dem Stück Land meiner Altvorderen nicht so groß, ich hätte den Hof längst verkauft. Denn ich kann ihn mir nur leisten, weil ich dazu verdiene. Die Dinge, die ich von meinen Eltern gelernt habe, sind zu tief in meinem Herzen. Unsere Kinder lernen am Hof mehr Herzensbildung, als ihnen je eine Schule beibringen könnte. Die Verantwortung für ein Tier übernehmen, es pflegen und lernen, zu spüren, wenn es ihm nicht gut geht. Pflanzen ohne Spritzmittel und Kunstdünger ziehen und Erdäpfel, die wieder danach schmecken. Und es gibt halt im Winter keine Paradeiser, aber dafür Sauerkraut, Endivien und Äpfel aus dem Winter Keller und allerlei Eingekochtes. Und mit der harten Holzarbeit im Wald erspare ich mir das Gymnastikstudio. Ein Schwein haben wir jetzt auch und Schafe, Enten, Hühner, einen Hund und viele Katzen. Urlaub fahren können wir nicht mehr, dafür aber wieder mehr Sonntagsausflüge auf den Rosen- oder Reinischkogel oder in ein anderes Eck unserer Heimat machen. Und ich tu Schnapsbrennen und Speck selchen, wie mein Vater. Und unsere Freunde aus Graz reißen sich darum, mit zu helfen und das Bauernschnapsen hab ich ihnen auch schon beigebracht. „Bua du musst schauen, dass Du Dir dein Schilling selber verdienst,“ hat mein Vater immer gesagt. Wir haben jetzt mehr Arbeit, als wir uns jemals erträumt haben, aber fühlen uns glücklicher als vorher und zufriedener und wie sagt mein Freund der Wirtschaftsprofessor aus Graz immer: Wenn rundherum die Welt auch Flöten geht, verhungern werdet ihr sicher nicht.
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