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3. Migrationslagerung - SSOAR

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So wird im neuen Zugang gleichzeitig eine Distanz zu den alten Problem-<br />

konstellationen möglich, an denen sich frühere Generationen bzw. Alteingesessene<br />

in ihrer engen Bindung an das Bestehende abgearbeitet haben, ohne eine<br />

Lösung zu finden. Es eröffnen sich - weitgehend ohne dass dies den Beteiligten<br />

bewusst würde - Verarbeitungsweisen und biographische Orientierungen,<br />

die im bisherigen Potential der Gesellschaft noch nicht vorhanden waren (vgl.<br />

hierzu auch Honig 1996, S. 207).<br />

Die „stets neuartige Distanzierung“ (Mannheim 1964b, S. 531) zum Althergebrachten<br />

markiert den Unterschied von Migrations- und Generationslagerung<br />

zu den Lagerungen der Klasse, der Bildung, des Geschlechts oder des<br />

Lebenszyklus (Adoleszenz). Während, wie Mannheim in Bezug auf die „Klasse“<br />

betont (vgl. ebd., S. 531), hier allenfalls ein individueller Auf- oder Abstieg<br />

bzw. ein Wechsel innerhalb der stabil bleibenden Gesellschaft möglich ist,<br />

transformiert der neue Zugang von Generationen und Migrant(inn)en die<br />

Gesellschaft selbst, verändert ihren Bestand an Wissen und Kulturgütern und<br />

dynamisiert sie auf diese Weise.22<br />

Die <strong>Migrationslagerung</strong> stellt - und dies ist ihr mit anderen sozialen Lagerungen<br />

gemeinsam - nur ein spezifisches Potential konjunktiver Erfahrungen<br />

dar, das durch die Tatsache der Migration fundiert wird. Zur Entfaltung kommt<br />

dieses Potential erst und nur in der Überlappung mit anderen Erfahrungsdimensionen,<br />

zu denen etwa die Adoleszenz und die Bildung gehören. In der<br />

alltäglichen kollektiven Handlungspraxis, wie sie in den Gruppen Jugendlicher<br />

zu finden ist, vollzieht sich ein Synkretismus sozialer Lagerungen, in der sich<br />

das Milieu bildet. So wird im Milieu aus der Potentialität der Lagerungen die<br />

konkrete Partizipation an ihren Problemstellungen, die auf die gleiche, milieuspezifische<br />

Art und Weise bewältigt werden.23<br />

22 Hinsichtlich der Migrant(inn)en stimme ich an diesem Punkt nicht mit Mannheims<br />

Argumentation überein, da dieser stets von einer individuellen Migration ausging<br />

und ihr daher nicht die Qualität einer kollektiven sozialen Lagerung zugestanden<br />

hat. Vgl. zu dieser Kritik Nohl 1996a, S. 26f.<br />

23 Mannheim (1964b, S. 541 ff) unterscheidet hier zwischen Generationslagerung,<br />

Generationszusammenhang und Generationseinheit. Eine Verbundenheit zwischen<br />

Menschen gleicher Lagerung, d. h. ein „Zusammenhang“, entsteht erst, wenn eine<br />

konkrete „Partizipation an den gemeinsamen Schicksalen“ (ebd., i. O. k.) dieser<br />

Lagerung vorliegt. Sofem diese Schicksale auf die gleiche Art und Weise - möglicherweise<br />

in einer Gruppe - bearbeitet werden, lässt sich von einer „Generationseinheit“<br />

sprechen. Innerhalb eines Generationszusammenhangs können also durchaus<br />

einander entgegengesetzte Generationseinheiten existieren.<br />

32<br />

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