10.11.2012 Aufrufe

3. Migrationslagerung - SSOAR

3. Migrationslagerung - SSOAR

3. Migrationslagerung - SSOAR

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

zu verweisen. Wenn die von mir untersuchten Personen sich dann als „Türke“<br />

oder „Araber“ bezeichnen, so verweist dies also nicht unbedingt auf einen<br />

„ethnischen Gemeinsamkeitsglauben“ (Weber 1947b, S. 219), sondern kann<br />

auch eine Metapher für das Leben bzw. „für die besondere Lage, als Türke in<br />

Deutschland t u leben“ (SchifFauer 1997, S. 151, H. i. O.), d. h. für die <strong>Migrationslagerung</strong>,<br />

sein.<br />

An dieser Stelle muss genau zwischen der kommunikativen Selbstpräsentation<br />

im Sinne der „sozialen Identität“ (Goffman) und der konjunktiven Bedeutungsebene<br />

des sozialen Habitus unterschieden werden. Sich als „türkischer<br />

Mitbürger“ zu bezeichnen, wie dies ein Mitglied der Gruppe Geist tut, kann der<br />

Zuordnenbarkeit zu gesellschaftlichen Kategorien in der „Routine sozialen<br />

Verkehrs“ (Goffman 1975, S. 10) dienen. So hat die soziale Identität immer<br />

auch mit Fremdidentifizierung zu tun, d. h. sie ist „zuallererst Teil der Interessen<br />

und Definitionen anderer Personen hinsichtlich des Individuums, dessen<br />

Identität in Frage steht“ (ebd., S. 132).<br />

Neben den beschriebenen Bedeutungsgehalten ethnischer Kategorien (als<br />

Fremdidentifizierung und als kommunikative Selbstpräsentation) findet sich bei<br />

den Jugendlichen meiner Studie eine dritte Funktion: die ethnische Stilisierung<br />

im Zusammenhang mit einem Glauben an die Kontinuität einer ethnischen<br />

Kultur. Gerade insofern im Zuge der Migration sich in ihrem Milieu Brüche<br />

und familienbiographische Diskontinuitäten ergeben haben, fehlt dem ethnischen<br />

Zugehörigkeitsgefiihl der Jugendlichen die Erfahrungsbasis eines konkreten<br />

Raumes und einer spezifischen Zeit. Spätestens in der Migration wandeln<br />

sich die traditionellen, angestammten Milieus und „Gemeinschaften“<br />

(Tönnies 1926) zu „vorgestellten Gemeinschaften“ (Anderson 1988) der Ethnie,<br />

die unabhängig von Zeit und Raum existieren. Im Zusammenhang mit der<br />

fehlenden Erfahrungsbasis wird der „ethnische Gemeinsamkeitsglaube“ (Weber)<br />

dann auch stilisiert.<br />

Zu ethnischen Stilisierungen kommt es insbesondere im Bereich der Familie.<br />

Obwohl in den Schilderungen der Jugendlichen sich hauptsächlich Differenzen<br />

mit der älteren Familiengeneration und weitgehende familienbiographische<br />

Diskontinuitäten dokumentieren, verweisen sie gerade an jenem Punkt, wo<br />

der Gehalt dieser Beschreibungen und Erzählungen nicht mit der positiven<br />

Einschätzung ihrer „türkischen“ Familienverhältnisse übereinstimmt, auf ihre<br />

„deutschen“ Altersgenossen. Diese stellen die Jugendlichen in einen maximalen<br />

Kontrast zu den eigenen Familien. Die „deutschen“ Familien erscheinen als<br />

das absolute Andere, als der Gegenpol des Eigenen.<br />

40

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!