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Festivalzeitung - St. Galler Tagblatt

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GrOsse<br />

Ohren<br />

GefälliG?<br />

Ob henna-tattOOs aUs israel, sOnnenbrillen aUs<br />

malaGa Oder hüte aUs lUzern: aUf dem Openairbasar<br />

sind alle möGlichen accessOires Und<br />

natiOnalitäten zU finden. aUf tUchfühlUnG mit den<br />

marktleUten.<br />

Von MarCo anDreu<br />

Aus allen Himmelsrichtungen kommen sie<br />

angereist: die <strong>St</strong>andbetreiber am Basar des<br />

OpenAir. Ein Henna-Tattoo-Kollektiv ist extra<br />

aus einem israelischen Kibbuz angereist,<br />

sieht das Festival zum ersten Mal und lobt<br />

den alternativen «Vibe». Die jungen Israeli<br />

starten ihre Tour zu verschiedenen Festivals<br />

in <strong>St</strong>. Gallen. Deborah aus Malaga arbeitet<br />

zusammen mit ihrer Cousine, die das ganze<br />

Jahr über Brillen und T-Shirts auf Messen<br />

und Festivals verkauft, an einem <strong>St</strong>and neben<br />

den Tätowierern. Im Gegensatz zu den<br />

Israeli betreibt sie das «Business» nicht professionell.<br />

Sie hat ihren Job als Journalistin<br />

in Spanien aufgrund der Wirtschaftskrise<br />

verloren und verkauft jetzt Sonnenbrillen,<br />

«um den Sommer zu überbrücken».<br />

halsketten mit hornzähnen<br />

Eloïse aus Fribourg möchte unbedingt Nine<br />

Inch Nails sehen. «Die sind gut, auch fürs<br />

Geschäft», meint sie lachend. An ihrem <strong>St</strong>and<br />

sind viele Metal-T-Shirts zu finden, und es<br />

scharen sich bereits interessierte Anhänger<br />

Während der<br />

UmbaUpaUsen...<br />

des Schwermetalls um ihre Auslagen. Eloïse<br />

preist das Festival als «Paléo der Deutschschweiz».<br />

Direkt hinter dem Fribourger <strong>St</strong>and<br />

verkaufen Rahel und Munz «Naturschmuck»<br />

mit alternativem Touch. «Unsere Ohrvergrösserungen<br />

und Halsketten laufen super»,<br />

meint Rahel. Bereits am frühen Freitagnachmittag<br />

werden die Halsketten mit Hornzähnen<br />

interessiert beäugt. Es kommen auch<br />

Leute, die in den vergangenen Jahren bereits<br />

Schmuck bei den beiden gekauft haben, und<br />

erkundigen sich nach Neuem.<br />

Die arbeit ruft<br />

Smita, die lange in Nepal als Landwirtin gelebt<br />

hat, hatte es nicht schwer, Helfer für<br />

...Warten Wir. nix beansprUcht Unsere GedUld an<br />

Openairs sO sehr Wie die Wc-WaGen-WarteschlanGe<br />

Und UmbaUpaUsen. Während stress Gestresst hinter<br />

der bühne rUmzappelt, stehen Wir GelanGWeilt vOr<br />

der bühne Und fraGen: «Was machen Wir, bis es<br />

WeiterGeht?»<br />

Von Christian Jauslin<br />

«Zurück ins Zelt und ficken.» Das sagt keiner<br />

mit Hosen in den Socken, sondern ein<br />

Mädel mit Zöpfen und Sommersprossen.<br />

Während mindestens die Hälfte von uns<br />

ungefragt mit ihr mitgehen würde, blickt<br />

der Rest auf die Uhr und die Männer auf<br />

der Bühne und stämpfelt ungeduldig auf<br />

den Boden. Frisbee und Hackysack hat die<br />

Sitter bereits weggeschluckt. Da bleibt uns<br />

nichts anderes übrig, als übers Wetter zu<br />

diskutieren, oder, oder eben.<br />

«Jassen», sagt ein anderer. Wir haben<br />

eine Alternativstrategie für die TV-Werbeunterbrechungen<br />

ausgeheckt, verharren<br />

aber ideenlos vor der leeren Bühne. Die<br />

wirklichen Fans nutzen die Umbaupause<br />

dazu, sich strategisch zu positionieren, um<br />

den Schlagzeugstengel ihres Lieblingsdrummers<br />

aus der Luft zu fischen. Diese<br />

11<br />

ihren <strong>St</strong>and in <strong>St</strong>. Gallen zu finden – sie hat<br />

es per E-Mail als «das angenehme Open-<br />

Air» angepriesen, da es «fröhlich und heiter»<br />

sei. Die Anmeldungen liessen nicht auf<br />

sich warten. Anders als am Gampel, wo die<br />

Leute «zu besoffen» seien, gefalle ihr die<br />

alternative Atmosphäre hier, die das Festival<br />

trotz der grossen Namen noch habe.<br />

Seit Smita aus Nepal zurückgekommen ist,<br />

verkauft sie T-Shirts, Hippie-Schmuck und<br />

Gegenstände, die sie als «Rauchutensilien»<br />

bezeichnet. Zeit, sich Konzerte anzusehen,<br />

habe sie nicht: Die Arbeit ruft.<br />

Anhänger sind zwar auch gelangweilt, aber<br />

die Verteidigung ihres <strong>St</strong>ehplatzes verlangt<br />

gleich viel Konzentration wie ein Sudoku<br />

mittelschwierig.<br />

Doch warum warten wir? Weil Frau Hunger<br />

nicht auf der gleichen Trompete wie<br />

Herr Delay blasen kann und darum ein ganzer<br />

Sattelschlepper an Gitarren, Tröten und<br />

Trommeln auf die Bühne geschleppt wird.<br />

Die Frotteetücher sollen neben der organischen<br />

Wasserflasche liegen, und das alles<br />

dauert seine Zeit.<br />

Darum sind Umbaupausen ein notwendiges<br />

Übel. Aber bei den vorhandenen Sinnesstimulationen<br />

– Männern mit Jasskarten<br />

und Frauen mit Sommersprossen –<br />

ist jeder Gelangweilte eigentlich selber<br />

schuld.

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