UNUS Ausgabe 03 / 2011 - Gewerbeverband Bayern eV
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Der Blick über den Zaun<br />
Zu erkennen, wo Effizienzpotenziale schlummern, ist jedoch<br />
häufig keine Frage der Zahlen. Vielmehr müssen<br />
die gesamten Prozesse und Strukturen einer Organisation<br />
ganzheitlich analysiert und hinterfragt werden.<br />
So kann es zum Beispiel sinnvoll sein, statt an einem<br />
besseren Sortimentsmanagement zu arbeiten, einige<br />
Produkte ganz auszulisten und damit das System<br />
zu vereinfachen. Ein anderes Beispiel ist die Vereinfachung<br />
der Organisationsformen: „Gerade in mittelständischen<br />
Unternehmen mit ihren flachen Hierarchien<br />
und kurzen Entscheidungswegen kann es sinnvoll<br />
sein, bestimmte Themen der Selbstorganisation zu<br />
überlassen“, sagt Gerwig. „Wenn Mitarbeiter nach entsprechender<br />
Schulung bestimmte Themen unbürokratisch<br />
und eigenverantwortlich steuern, werden positive<br />
Effekte erzeugt – sowohl durch Abbau von Bürokratie<br />
und formalen Strukturen als auch durch eine höhere<br />
Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeiter“. Überhaupt<br />
sei der Blick über den Zaun, das Hinterfragen etablierter<br />
Strukturen eine Voraussetzung für nachhaltige<br />
Effizienztreiber Ökologie<br />
Nach der Wiesn ist vor der Wiesn – dieser leicht abgewandelten<br />
Weisheit von Sepp Herberger würden Sie sicher<br />
zustimmen. Wann beginnen die Vorbereitungen<br />
für’s Oktoberfest 2012<br />
Es gibt eigentlich nie eine Zeit, in der ich nichts für die Wiesn<br />
mach‘, weil die Anfragen dauernd kommen. Die Leute versuchen<br />
jetzt schon für 2012 zu reservieren. Ich brauch‘ noch<br />
den ganzen Oktober, bis die Wiesn <strong>2011</strong> buchhalterisch beendet<br />
ist. Im November unterbrechen wir die Wiesn-Arbeit<br />
kurz, dann geht bei uns im Unions-Bräu das Weihnachtsgeschäft<br />
los. Aber in den Weihnachtsferien fange ich dann<br />
schon wieder an, für‘s nächste Jahr zu planen.<br />
Effizienzsteigerungen. „Man muss sich trauen, von außen<br />
auf das eigene Geschäft zu schauen und auch bisher<br />
erfolgreiche und eingeschliffene Routinen in Frage<br />
zu stellen“, betont Nest. „Das sprichwörtliche ‚das haben<br />
wir schon immer so gemacht‘ ist vielleicht die größte<br />
Effizienzbremse“. Für ihn ist Effizienzsteigerung deshalb<br />
vor allem eine Frage der Bereitschaft zum Querdenken<br />
und zum Abschneiden alter Zöpfe. Und eine<br />
Frage des Netzwerks: „Es ist wichtig, auch Beispiele aus<br />
anderen Branchen zu betrachten und sich mit einem<br />
breiten Kreis von Unternehmern und Experten auszutauschen.“<br />
Viele unterstützende Prozesse – etwa in<br />
der Buchhaltung, oder bei der Verwaltung der Kundendaten<br />
– lassen sich branchen- und unternehmensunabhängig<br />
nach bewährten Mustern einführen. Das Rad<br />
nicht neu zu erfinden – auch das gehört zur Effizienzsteigerung.<br />
Vor allem aber müsse man stets offen für<br />
neue Ideen bleiben, sagt Nest: „Wer sich immer im gleichen<br />
Umfeld bewegt, bekommt keine neuen Impulse<br />
und Anregungen und hört irgendwann keine unabhängigen,<br />
kritischen Meinungen mehr“. Dimitrij Naumov<br />
Stephanie Spendler, Löwenbräu-Festwirtin, zum Thema „Effizienz im Wiesnzelt“<br />
Ihr Vorgänger im Löwenbräuzelt war Ihr Vater, der<br />
gleichzeitig Sprecher der Münchner Wirte und Präsident<br />
des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes<br />
war. Er ist auch heute noch im Zelt und im Unions-Bräu<br />
präsent. Wie ging der Generationswechsel vonstatten –<br />
hat er Ihnen freie Hand gelassen oder mussten Sie viele<br />
Kompromisse eingehen<br />
Es funktioniert prima, aber wir machen das ja auch schon<br />
viele Jahre gemeinsam. Wir ergänzen uns recht gut. Erstens<br />
die Kombination er Mann, ich Frau und zweitens<br />
sind wir aus verschiedenen Generationen. Ich weiß noch,<br />
als wir eine neue Kapelle gesucht haben – da ist eine gemeinsame<br />
Suche sicher eine gute Idee, weil du eine Kapelle<br />
brauchst, die beides drauf hat: Blasmusik und die<br />
Stimmungslieder für den Abend.<br />
Ihr Wiesnzelt wurde 2004 als weltweit erstes Bierzelt ISOzertifiziert.<br />
Dafür werden Kriterien von Geschmack der<br />
Speisen, Sauberkeit und Arbeitsabläufen bis hin zur Lautstärke<br />
der Musik und den Notfallplänen herangezogen.<br />
Was gab damals den Ausschlag für die Zertifizierung<br />
Das ist der Verdienst von meinem Vater, da will ich mich<br />
nicht mit fremden Federn schmücken. Er hat das ganze<br />
Zelt zertifizieren lassen und da sehr viel bürokratischen<br />
Aufwand mitgemacht. Mein Vater ist durch seine langjährigen<br />
Verbandstätigkeiten neuen Ideen gegenüber<br />
immer sehr aufgeschlossen. Er ist auch, was Computer<br />
angeht, obwohl er über 70 Jahre alt ist, wahnsinnig innovativ<br />
und testet immer wieder neue Programme. So was<br />
macht er einfach gern. Mein Vater und ich, wir sind beide<br />
ziemliche Perfektionisten und versuchen, uns die Arbeit<br />
so gut wie möglich zu erleichtern.<br />
Was hat sich in puncto Effizienz geändert, seit Sie als<br />
Wirtin angefangen haben Gibt es Abläufe, die besonders<br />
optimiert wurden<br />
Vieles ist mit Auflagen verbunden: Die Stadt München ist<br />
Veranstalter der Wiesn und schreibt das Thema Ökologie<br />
sehr groß. Wir waren weltweit das erste Volksfest, das<br />
kein Einweggeschirr mehr nutzen durfte. Das war eine<br />
große Umstellung. Plötzlich mussten wir schauen, wie<br />
wir die Speisereste entsorgen, wie wir das Geschirr spülen.<br />
Wir mussten also diese Auflagen in möglichst effiziente<br />
Prozesse überführen. Daraufhin haben wir eine Maschine<br />
gekauft, die die Speisereste häckselt. Diese werden<br />
dann einer Biogasanlage zugeführt.<br />
Heutzutage ist ökologische Optimierung ein wichtiges<br />
Thema. Ein Beispiel ist unsere Beleuchtung. Wir haben eine<br />
sehr aufwendige Beleuchtung mit den halbrunden Bögen<br />
im Zelthimmel. Das sind insgesamt 8.000 Glühbirnen. Wir<br />
sind, glaube ich, heuer das erste Zelt, das seine Beleuchtung<br />
auf LED umgestellt hat. Dafür haben wir Osram als<br />
Kooperationspartner gewonnen. Auch beim Wasser handeln<br />
wir umweltbewusst: das Klarspülwasser der Spülmaschinen<br />
wird zweitverwertet – für die Toilettenspülungen.<br />
Mit der Kostenersparnis konnten wir seit der Inbetriebnahme<br />
jedes Jahr einen Brunnen in Afrika finanzieren.<br />
Gab es schon mal eine Neuerung, die komplett daneben<br />
ging<br />
Ja, die Plastik-Maßkrüge. Jedes Jahr gehen wahnsinnig<br />
viele Krüge kaputt. Deshalb wollte mein Vater vor zehn<br />
Jahren Plastik-Maßkrüge testen. Für die Bedienungen<br />
wäre das vom Gewicht her eine deutliche Erleichterung<br />
gewesen. In der Presse wurde diese Initiative aber komplett<br />
verrissen. Der Aufschrei war so groß, dass wir das<br />
dann gelassen haben.<br />
Effizienzsteigerungen gehen häufig mit einer Reduzierung<br />
der Personalkosten einher. Der menschliche Faktor<br />
ist in der Gastronomie aber extrem wichtig. Wie schaffen<br />
Sie den Spagat<br />
Um Personalkosten einzusparen, kann man in der Gastronomie<br />
beispielsweise Schankautomaten einsetzen. Das<br />
funktioniert aber auf der Wiesn nicht, weil ein Automat<br />
das Bier in dieser Geschwindigkeit mit den dicken Wechseln<br />
gar nicht herbringt. Servicekräfte kann ich auch nicht<br />
einsparen, genauso wenig wie Musiker und Küchenpersonal,<br />
denn das ist einfach Handarbeit.<br />
Aber du bist ja jeden Tag 16 Stunden im Zelt, beobachtest<br />
das Geschehen und sprichst mit den Mitarbeitern. Und die<br />
denken auch alle mit und erklären dir, was verbesserungswürdig<br />
ist.<br />
Wir haben auch einen Stammgast, der hat den Vorschlag<br />
gemacht, wir sollten so eine Art gemischte Platte machen<br />
– mit Hendl, Haxen und allem. Dann haben wir uns zusammengesetzt<br />
und diskutiert, was gut ankommen könnte.<br />
Das Gericht ist mittlerweile der Renner.<br />
Gibt es unter Wiesnwirten einen institutionalisierten Erfahrungsaustausch<br />
oder behält man neue Erkenntnisse<br />
lieber für sich<br />
Es gibt einen guten Zusammenhalt und man trifft sich<br />
mehrfach im Jahr. Viele Sachen werden gemeinsam gemacht.<br />
Wir helfen uns schon untereinander. Da gibt es<br />
viel Hilfsbereitschaft und kein Konkurrenzdenken.<br />
Bleibt Ihnen zwischen all Ihren Aufgaben eigentlich<br />
noch ein bisschen Zeit, die Wiesn auch mal als Besucher<br />
zu genießen<br />
(entschieden) Naaaaa, naaaaa!!! Aber ich genieße die<br />
Arbeit auf der Wiesn wahnsinnig. Letztes Jahr hat es mir<br />
so viel Spaß gemacht, dass ich am Schluss richtig traurig<br />
war, weil die schönste Zeit im Jahr wieder vorbei war. Es<br />
ist zwar anstrengend und man geht an sein Limit, aber<br />
es ist unbeschreiblich: das Adrenalin ist immer hoch und<br />
man ist immer unter Leuten, die gut drauf sind. Wenn<br />
ich mir vorstelle, ich wäre Zahnarzt geworden. Fast jedem<br />
ist der Besuch dort ja unangenehm. Aber auf der<br />
Wiesn – da ist so viel Euphorie, die sich automatisch auf<br />
einen überträgt.<br />
Das Interview führte Christopher Intsiful.<br />
Stephanie Spendler, Tochter<br />
der Münchner Wirtelegende<br />
Ludwig „Wiggerl“ Hagn, ist<br />
Festwirtin im Löwenbräuzelt<br />
auf dem Oktoberfest und<br />
Chefin im Haidhauser Unionsbräu,<br />
einer Münchner Traditionsgaststätte<br />
mit eigener<br />
Hausbrauerei Nach ihrer<br />
Lehre zur Hotelkauffrau im<br />
Münchner Park Hilton, studierte<br />
sie an der FH München<br />
Betriebswirtschaft mit Studienschwerpunkt<br />
Tourismus<br />
sowie Hotel- und Restaurantmanagement.<br />
unus III/<strong>2011</strong><br />
unus III/<strong>2011</strong>