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UNUS Ausgabe 03 / 2011 - Gewerbeverband Bayern eV

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6 titel<br />

7<br />

Der Blick über den Zaun<br />

Zu erkennen, wo Effizienzpotenziale schlummern, ist jedoch<br />

häufig keine Frage der Zahlen. Vielmehr müssen<br />

die gesamten Prozesse und Strukturen einer Organisation<br />

ganzheitlich analysiert und hinterfragt werden.<br />

So kann es zum Beispiel sinnvoll sein, statt an einem<br />

besseren Sortimentsmanagement zu arbeiten, einige<br />

Produkte ganz auszulisten und damit das System<br />

zu vereinfachen. Ein anderes Beispiel ist die Vereinfachung<br />

der Organisationsformen: „Gerade in mittelständischen<br />

Unternehmen mit ihren flachen Hierarchien<br />

und kurzen Entscheidungswegen kann es sinnvoll<br />

sein, bestimmte Themen der Selbstorganisation zu<br />

überlassen“, sagt Gerwig. „Wenn Mitarbeiter nach entsprechender<br />

Schulung bestimmte Themen unbürokratisch<br />

und eigenverantwortlich steuern, werden positive<br />

Effekte erzeugt – sowohl durch Abbau von Bürokratie<br />

und formalen Strukturen als auch durch eine höhere<br />

Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeiter“. Überhaupt<br />

sei der Blick über den Zaun, das Hinterfragen etablierter<br />

Strukturen eine Voraussetzung für nachhaltige<br />

Effizienztreiber Ökologie<br />

Nach der Wiesn ist vor der Wiesn – dieser leicht abgewandelten<br />

Weisheit von Sepp Herberger würden Sie sicher<br />

zustimmen. Wann beginnen die Vorbereitungen<br />

für’s Oktoberfest 2012<br />

Es gibt eigentlich nie eine Zeit, in der ich nichts für die Wiesn<br />

mach‘, weil die Anfragen dauernd kommen. Die Leute versuchen<br />

jetzt schon für 2012 zu reservieren. Ich brauch‘ noch<br />

den ganzen Oktober, bis die Wiesn <strong>2011</strong> buchhalterisch beendet<br />

ist. Im November unterbrechen wir die Wiesn-Arbeit<br />

kurz, dann geht bei uns im Unions-Bräu das Weihnachtsgeschäft<br />

los. Aber in den Weihnachtsferien fange ich dann<br />

schon wieder an, für‘s nächste Jahr zu planen.<br />

Effizienzsteigerungen. „Man muss sich trauen, von außen<br />

auf das eigene Geschäft zu schauen und auch bisher<br />

erfolgreiche und eingeschliffene Routinen in Frage<br />

zu stellen“, betont Nest. „Das sprichwörtliche ‚das haben<br />

wir schon immer so gemacht‘ ist vielleicht die größte<br />

Effizienzbremse“. Für ihn ist Effizienzsteigerung deshalb<br />

vor allem eine Frage der Bereitschaft zum Querdenken<br />

und zum Abschneiden alter Zöpfe. Und eine<br />

Frage des Netzwerks: „Es ist wichtig, auch Beispiele aus<br />

anderen Branchen zu betrachten und sich mit einem<br />

breiten Kreis von Unternehmern und Experten auszutauschen.“<br />

Viele unterstützende Prozesse – etwa in<br />

der Buchhaltung, oder bei der Verwaltung der Kundendaten<br />

– lassen sich branchen- und unternehmensunabhängig<br />

nach bewährten Mustern einführen. Das Rad<br />

nicht neu zu erfinden – auch das gehört zur Effizienzsteigerung.<br />

Vor allem aber müsse man stets offen für<br />

neue Ideen bleiben, sagt Nest: „Wer sich immer im gleichen<br />

Umfeld bewegt, bekommt keine neuen Impulse<br />

und Anregungen und hört irgendwann keine unabhängigen,<br />

kritischen Meinungen mehr“. Dimitrij Naumov<br />

Stephanie Spendler, Löwenbräu-Festwirtin, zum Thema „Effizienz im Wiesnzelt“<br />

Ihr Vorgänger im Löwenbräuzelt war Ihr Vater, der<br />

gleichzeitig Sprecher der Münchner Wirte und Präsident<br />

des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes<br />

war. Er ist auch heute noch im Zelt und im Unions-Bräu<br />

präsent. Wie ging der Generationswechsel vonstatten –<br />

hat er Ihnen freie Hand gelassen oder mussten Sie viele<br />

Kompromisse eingehen<br />

Es funktioniert prima, aber wir machen das ja auch schon<br />

viele Jahre gemeinsam. Wir ergänzen uns recht gut. Erstens<br />

die Kombination er Mann, ich Frau und zweitens<br />

sind wir aus verschiedenen Generationen. Ich weiß noch,<br />

als wir eine neue Kapelle gesucht haben – da ist eine gemeinsame<br />

Suche sicher eine gute Idee, weil du eine Kapelle<br />

brauchst, die beides drauf hat: Blasmusik und die<br />

Stimmungslieder für den Abend.<br />

Ihr Wiesnzelt wurde 2004 als weltweit erstes Bierzelt ISOzertifiziert.<br />

Dafür werden Kriterien von Geschmack der<br />

Speisen, Sauberkeit und Arbeitsabläufen bis hin zur Lautstärke<br />

der Musik und den Notfallplänen herangezogen.<br />

Was gab damals den Ausschlag für die Zertifizierung<br />

Das ist der Verdienst von meinem Vater, da will ich mich<br />

nicht mit fremden Federn schmücken. Er hat das ganze<br />

Zelt zertifizieren lassen und da sehr viel bürokratischen<br />

Aufwand mitgemacht. Mein Vater ist durch seine langjährigen<br />

Verbandstätigkeiten neuen Ideen gegenüber<br />

immer sehr aufgeschlossen. Er ist auch, was Computer<br />

angeht, obwohl er über 70 Jahre alt ist, wahnsinnig innovativ<br />

und testet immer wieder neue Programme. So was<br />

macht er einfach gern. Mein Vater und ich, wir sind beide<br />

ziemliche Perfektionisten und versuchen, uns die Arbeit<br />

so gut wie möglich zu erleichtern.<br />

Was hat sich in puncto Effizienz geändert, seit Sie als<br />

Wirtin angefangen haben Gibt es Abläufe, die besonders<br />

optimiert wurden<br />

Vieles ist mit Auflagen verbunden: Die Stadt München ist<br />

Veranstalter der Wiesn und schreibt das Thema Ökologie<br />

sehr groß. Wir waren weltweit das erste Volksfest, das<br />

kein Einweggeschirr mehr nutzen durfte. Das war eine<br />

große Umstellung. Plötzlich mussten wir schauen, wie<br />

wir die Speisereste entsorgen, wie wir das Geschirr spülen.<br />

Wir mussten also diese Auflagen in möglichst effiziente<br />

Prozesse überführen. Daraufhin haben wir eine Maschine<br />

gekauft, die die Speisereste häckselt. Diese werden<br />

dann einer Biogasanlage zugeführt.<br />

Heutzutage ist ökologische Optimierung ein wichtiges<br />

Thema. Ein Beispiel ist unsere Beleuchtung. Wir haben eine<br />

sehr aufwendige Beleuchtung mit den halbrunden Bögen<br />

im Zelthimmel. Das sind insgesamt 8.000 Glühbirnen. Wir<br />

sind, glaube ich, heuer das erste Zelt, das seine Beleuchtung<br />

auf LED umgestellt hat. Dafür haben wir Osram als<br />

Kooperationspartner gewonnen. Auch beim Wasser handeln<br />

wir umweltbewusst: das Klarspülwasser der Spülmaschinen<br />

wird zweitverwertet – für die Toilettenspülungen.<br />

Mit der Kostenersparnis konnten wir seit der Inbetriebnahme<br />

jedes Jahr einen Brunnen in Afrika finanzieren.<br />

Gab es schon mal eine Neuerung, die komplett daneben<br />

ging<br />

Ja, die Plastik-Maßkrüge. Jedes Jahr gehen wahnsinnig<br />

viele Krüge kaputt. Deshalb wollte mein Vater vor zehn<br />

Jahren Plastik-Maßkrüge testen. Für die Bedienungen<br />

wäre das vom Gewicht her eine deutliche Erleichterung<br />

gewesen. In der Presse wurde diese Initiative aber komplett<br />

verrissen. Der Aufschrei war so groß, dass wir das<br />

dann gelassen haben.<br />

Effizienzsteigerungen gehen häufig mit einer Reduzierung<br />

der Personalkosten einher. Der menschliche Faktor<br />

ist in der Gastronomie aber extrem wichtig. Wie schaffen<br />

Sie den Spagat<br />

Um Personalkosten einzusparen, kann man in der Gastronomie<br />

beispielsweise Schankautomaten einsetzen. Das<br />

funktioniert aber auf der Wiesn nicht, weil ein Automat<br />

das Bier in dieser Geschwindigkeit mit den dicken Wechseln<br />

gar nicht herbringt. Servicekräfte kann ich auch nicht<br />

einsparen, genauso wenig wie Musiker und Küchenpersonal,<br />

denn das ist einfach Handarbeit.<br />

Aber du bist ja jeden Tag 16 Stunden im Zelt, beobachtest<br />

das Geschehen und sprichst mit den Mitarbeitern. Und die<br />

denken auch alle mit und erklären dir, was verbesserungswürdig<br />

ist.<br />

Wir haben auch einen Stammgast, der hat den Vorschlag<br />

gemacht, wir sollten so eine Art gemischte Platte machen<br />

– mit Hendl, Haxen und allem. Dann haben wir uns zusammengesetzt<br />

und diskutiert, was gut ankommen könnte.<br />

Das Gericht ist mittlerweile der Renner.<br />

Gibt es unter Wiesnwirten einen institutionalisierten Erfahrungsaustausch<br />

oder behält man neue Erkenntnisse<br />

lieber für sich<br />

Es gibt einen guten Zusammenhalt und man trifft sich<br />

mehrfach im Jahr. Viele Sachen werden gemeinsam gemacht.<br />

Wir helfen uns schon untereinander. Da gibt es<br />

viel Hilfsbereitschaft und kein Konkurrenzdenken.<br />

Bleibt Ihnen zwischen all Ihren Aufgaben eigentlich<br />

noch ein bisschen Zeit, die Wiesn auch mal als Besucher<br />

zu genießen<br />

(entschieden) Naaaaa, naaaaa!!! Aber ich genieße die<br />

Arbeit auf der Wiesn wahnsinnig. Letztes Jahr hat es mir<br />

so viel Spaß gemacht, dass ich am Schluss richtig traurig<br />

war, weil die schönste Zeit im Jahr wieder vorbei war. Es<br />

ist zwar anstrengend und man geht an sein Limit, aber<br />

es ist unbeschreiblich: das Adrenalin ist immer hoch und<br />

man ist immer unter Leuten, die gut drauf sind. Wenn<br />

ich mir vorstelle, ich wäre Zahnarzt geworden. Fast jedem<br />

ist der Besuch dort ja unangenehm. Aber auf der<br />

Wiesn – da ist so viel Euphorie, die sich automatisch auf<br />

einen überträgt.<br />

Das Interview führte Christopher Intsiful.<br />

Stephanie Spendler, Tochter<br />

der Münchner Wirtelegende<br />

Ludwig „Wiggerl“ Hagn, ist<br />

Festwirtin im Löwenbräuzelt<br />

auf dem Oktoberfest und<br />

Chefin im Haidhauser Unionsbräu,<br />

einer Münchner Traditionsgaststätte<br />

mit eigener<br />

Hausbrauerei Nach ihrer<br />

Lehre zur Hotelkauffrau im<br />

Münchner Park Hilton, studierte<br />

sie an der FH München<br />

Betriebswirtschaft mit Studienschwerpunkt<br />

Tourismus<br />

sowie Hotel- und Restaurantmanagement.<br />

unus III/<strong>2011</strong><br />

unus III/<strong>2011</strong>

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