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Scheidungsfolgen für Männer - Vaterverbot

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Eigentümer, Herausgeber und Verleger:<br />

Bundesministerium <strong>für</strong> soziale Sicherheit,<br />

Generationen und Konsumentenschutz<br />

Franz-Josefs-Kai 51<br />

1010 Wien<br />

Fotos: BMSG<br />

Juristische,<br />

<strong>Scheidungsfolgen</strong><br />

psychische und<br />

wirtschaftliche<br />

Implikationen<br />

<strong>für</strong><br />

<strong>Männer</strong><br />

BUNDESMINISTERIUM FÜR SOZIALE SICHERHEIT<br />

GENERATIONEN UND KONSUMENTENSCHUTZ


<strong>Scheidungsfolgen</strong> <strong>für</strong> <strong>Männer</strong><br />

Juristische, psychische und wirtschaftliche Implikationen<br />

2


Impressum<br />

Eigentümer, Herausgeber und Verleger:<br />

Bundesministerium <strong>für</strong> soziale Sicherheit,<br />

Generationen und Konsumentenschutz<br />

Sektion V, Abteilung 6<br />

A-1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 51<br />

Für den Inhalt verantwortlich:<br />

Die ggstdl. Studie wurde im Auftrag des BMSG erstellt von:<br />

abif - Analyse, Beratung und interdisziplinäre Forschung<br />

A-1040 Wien, Wiedner Hauptstrasse 39/2/11a<br />

Projektleitung: Günter Denk<br />

Projektmitarbeit: Andrea Egger, Brigitte Mosberger, Karin Steiner,<br />

Sylvia Logar<br />

Interviews, Redaktion: Regina Erben-Hartig<br />

Juristische Beratung und Redaktion: Karin Wintersberger<br />

Überarbeitet, redigiert, gekürzt und juristisch ergänzt durch MR Roswitha Dachsbacher,<br />

<strong>Männer</strong>politische Grundsatzabteilung, BMSG.<br />

Die ursprüngliche Fassung ist als pdf unter www.abif.at abrufbar.<br />

Layout:<br />

Hausdruckerei des Bundesministeriums <strong>für</strong> soziale Sicherheit,<br />

Generationen und Konsumentenschutz (Hr. Jexenflicker)<br />

Druck:<br />

Hausdruckerei des Bundesministeriums <strong>für</strong> soziale Sicherheit,<br />

Generationen und Konsumentenschutz<br />

A-1010 Wien, Stubenring 1<br />

Verlagsort, Herstellungsort:<br />

Wien<br />

Erscheinungsjahr:<br />

Mai 2003<br />

Zu beziehen bei:<br />

BMSG-Bestellservice: 0800-20 20 74<br />

Alle Rechte vorbehalten. Jede Verwertung (auch auszugsweise) ist ohne schriftliche Zustimmung<br />

des Medieninhabers unzulässig. Dies gilt insbesondere <strong>für</strong> jede Art der Vervielfältigung, der<br />

Übersetzung, der Mikroverfilmung, der Wiedergabe in Fernsehen und Hörfunk sowie der<br />

Verarbeitung und Einspeicherung in elektronische Medien wie z.B. Internet und CD-Rom.<br />

3


Sehr geehrte Damen und Herren!<br />

FOTO<br />

Bürgernahe Politik hat die Aufgabe, sich neu entwickelnden Problemlagen zu widmen und<br />

auch die Betroffenen zu Wort kommen zu lassen. Seit der Gründung der männerpolitischen<br />

Grundsatzabteilung im Bundesministerium <strong>für</strong> soziale Sicherheit und Generationen hat sich<br />

eine Vielzahl von <strong>Männer</strong>n, welche mit <strong>Scheidungsfolgen</strong> kämpfen, an diese nunmehr seit<br />

März 2001 bestehende Einrichtung in meinem Ressort gewandt. Die vorliegende Studie zeigt<br />

unterschiedliche Reaktionen und Belastungen der Geschlechter nach der Scheidung, was die<br />

Notwendigkeit der Durchführung dieser Analyse der <strong>Scheidungsfolgen</strong> <strong>für</strong> <strong>Männer</strong><br />

unterstreicht.<br />

Für die Ausgewogenheit der Interessen der Geschiedenen und deren Kinder Sorge zu tragen,<br />

ist <strong>für</strong> alle Beteiligten eine große Herausforderung. Auch diese Darstellung der<br />

Schwierigkeiten, mit denen <strong>Männer</strong> nach Scheidungen mitunter konfrontiert sind, hat darauf<br />

Bedacht genommen, keine Polarisierung zwischen den Geschlechtern zu provozieren, sondern<br />

eine <strong>für</strong> alle Beteiligten befriedigende Lösung angestrebt.<br />

Die vorliegende Publikation soll insbesondere all diejenen, die in der Rechtsprechung, in den<br />

Ämtern <strong>für</strong> Jugend und Familie sowie im Bereich der Mediation die verschiedenen Interessen<br />

der „Scheidungsparteien“ in gerechte Bahnen zu lenken haben, unterstützen.<br />

Ihr<br />

Vizekanzler Herbert Haupt<br />

Bundesminister <strong>für</strong> soziale Sicherheit,<br />

Generationen und Konsumentenschutz<br />

4


Geschätzte Leserinnen und Leser!<br />

FOTO<br />

Scheidungen bzw. Trennungen von Partnern bedeuten <strong>für</strong> viele Menschen langwierige<br />

psychische und wirtschaftliche Belastungen. Fachkundige Beratung, wie die vom<br />

Bundesministerium <strong>für</strong> soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz geförderten<br />

Familienberatungsstellen und Mediationen, unterstützen und vermitteln zum Nutzen beider<br />

Seiten und nicht zuletzt zum Wohle der vielfach betroffenen Kinder.<br />

Als Staatssekretärin <strong>für</strong> Generationen im Bundesministerium <strong>für</strong> soziale Sicherheit vertrete ich<br />

auch die männerpolitischen Angelegenheiten, welche sich mehr und mehr als ein Baustein<br />

verantwortungsvoller Generationenpolitik erweisen.<br />

<strong>Männer</strong> können nach Scheidungen in Situationen geraten, wie sie in der vorliegenden<br />

Publikation von Betroffenen und ExpertInnen beschrieben werden. Der Blick auf die<br />

geschlechtsspezifisch männlichen Probleme nach der Scheidung soll dem gegenseitigen<br />

Verständnis von Frauen und <strong>Männer</strong>n dienen, sowie erste Lösungsansätze <strong>für</strong> die<br />

Schwierigkeiten, mit denen <strong>Männer</strong> zu kämpfen haben, aufzeigen. Diese Studie will den<br />

Bewusstseinsbildungsprozess im männerpolitischen Bereich unterstützen und letztlich den<br />

Familien mehr Chancen <strong>für</strong> eine gemeinsame Zukunft eröffnen.<br />

Ihre<br />

Ursula Haubner<br />

Staatssekretärin <strong>für</strong> Familie, Generationen<br />

und Konsumentenschutz<br />

5


Inhaltsverzeichnis<br />

Einleitung 5<br />

1. Quantitative Entwicklung der Scheidungen in Österreich 6<br />

2. Familien- und eherechtliche Bestimmungen und Analyse der Literatur<br />

zur ökonomischen und sozialen Situation unterhaltspflichtiger <strong>Männer</strong> 7<br />

2.1 Potentielle Benachteiligung auf immaterieller Ebene 7<br />

2.2 Verlust der Obsorge 7<br />

2.2.1 Besuchsrecht 9<br />

2.2.2 Informations- und Äußerungsrecht 14<br />

2.2.3 Die Vater-Kind-Beziehung nach der Scheidung 16<br />

2.3 Potentielle Benachteiligung auf materieller Ebene 19<br />

2.3.1 Unterhalt 19<br />

2.3.1.1 Unterhalt <strong>für</strong> Ehegatten 19<br />

2.3.1.2 Unterhalt <strong>für</strong> Geschiedene 21<br />

2.3.1.2.1 Unterhalt wie in aufrechter Ehe (Scheidung gemäß § 55 EheG mit<br />

Schuldausspruch gemäß § 61 Abs. 3 EheG) 22<br />

2.3.1.2.2 „angemessener“ Unterhalt (Scheidung gemäß § 49 EheG) 22<br />

2.3.1.2.3 „Billigkeitsunterhalt“ 24<br />

2.3.1.2.4 „notdürftiger“ Unterhalt 25<br />

2.3.1.2.5 Unterhalt nach einvernehmlicher Scheidung (§ 55a EheG) 26<br />

2.3.1.2.6 Verzicht auf Unterhalt 26<br />

2.3.1.3 Unterhaltspflicht <strong>für</strong> Kinder 27<br />

2.3.2 Anspannung des Unterhalts bei Einkommensminderungen 35<br />

2.3.3 Das Existenzminimum des Unterhaltsschuldners 39<br />

2.3.3.1 Anmerkungen zum Unterhaltsexistenzminimum 39<br />

2.3.4 Unterhaltsvorschuss nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) 40<br />

2.3.5 Verletzung der Unterhaltspflicht 41<br />

2.3.6 Neue Hausstandsgründung 42<br />

2.3.7 Vermögensaufteilung 42<br />

2.3.7.1 eheliche Wohnung 46<br />

2.3.7.2 eheliche Ersparnisse 49<br />

2.3.7.3 Aufteilungsschlüssel 50<br />

2.3.8 steuerrechtliche Konsequenzen 51<br />

2.4 Resumee 53<br />

3. Forschungsergebnisse über die Ursachen von Obdachlosigkeit unter<br />

besonderer Berücksichtigung der Auswirkungen der Ehescheidung 55<br />

4. Interviews der ExpertInnen 58<br />

Seite<br />

6


4.1 Obsorge 59<br />

4.1.1 Immaterielle Folgen 61<br />

4.1.2 Gemeinsame Obsorge beider Elternteile („Gemeinsame Obsorge“) 61<br />

4.1.3 Mitspracherecht des Kindes 63<br />

4.2 Besuchsrecht 64<br />

4.2.1 Die Durchsetzung des Besuchsrechts <strong>für</strong> Väter 65<br />

4.3 Ehegattenunterhalt 67<br />

4.3.1 Verschuldensunabhängiger Unterhalt 68<br />

4.4 Kindesunterhalt 69<br />

4.4.1 geschlechtsspezifische Unterschiede in der Judikatur 70<br />

4.4.2 Kindesunterhalt nur <strong>für</strong> das Kind? 71<br />

4.4.3 Sonderbedarf 71<br />

4.4.4 Nichtberücksichtigung der Besuchskosten und der Ausgaben des<br />

Unterhaltspflichtigen <strong>für</strong> das Kind bei Festsetzung der Höhe des<br />

Unterhalts 72<br />

4.5 Herabsetzung des Unterhalts versus Anspannungsgrundsatz 74<br />

4.6 Die Unterhaltsbemessung bei Selbständigen 76<br />

4.7 Unterhaltsvorschuss und die Folgen <strong>für</strong> den Unterhaltspflichtigen 78<br />

4.8 Finanzielle Folgen <strong>für</strong> den Unterhaltspflichtigen 82<br />

4.9 Vermögensaufteilung 85<br />

4.9.1 Kreditmithaftung 86<br />

4.10 Ehewohnung – Wohnraumbeschaffung – Unterhalt 86<br />

4.11 Steuerliche Konsequenzen der Unterhaltszahlung 88<br />

4.12 Informations- und Äußerungsrecht 90<br />

4.13 Folgen der Scheidung 92<br />

4.14 Vorschläge der ExpertInnen zur Verbesserung der Situation von <strong>Männer</strong>n<br />

nach der Scheidung 94<br />

4.14.1 finanzielle Entlastung 94<br />

4.14.2 weitere Unterstützungsmöglichkeiten 96<br />

4.15 Resumee aus den ExpertInneninterviews: Potentielle Benachteiligung von<br />

<strong>Männer</strong>n während und nach der Scheidung 96<br />

4.15.1 Die Obsorge in der Judikatur 96<br />

4.15.2 Informations- und Äußerungsrecht sowie Besuchsrecht 97<br />

4.15.3 Unterhalt 99<br />

4.15.3.1 Unterhaltsbemessung bei Karenz 99<br />

4.15.3.2 Verbrauch des Unterhalts im „guten Glauben“ 100<br />

4.15.3.3 Unterhaltsmindernder Einfluss von Krediten 102<br />

4.15.3.4 Anspannung 102<br />

4.15.3.5 Unterhaltsminderung bei Kinderbetreuung durch den<br />

Unterhaltspflichtigen 103<br />

4.15.3.6 Absetzbarkeit des Unterhalts 103<br />

4.15.4 Vermögensaufteilung 103<br />

4.15.5 Finanzielle Belastung des Mannes durch Vermögensaufteilung, Ehegatten-<br />

und Kindesunterhalt 104<br />

7


5. Auswertung der Betroffeneninterviews 107<br />

5.1 gesellschaftliche Ebene 107<br />

5.2 Institutionen und soziale Netzwerke 108<br />

5.2.1 Institutionen 108<br />

5.2.1.1 Obsorge 108<br />

5.2.1.1.1 Obsorge beider Elternteile („gemeinsame Obsorge“) 110<br />

5.2.1.2 Besuchsrecht, Informations- und Äußerungsrecht 111<br />

5.2.1.3 Unterhalt 111<br />

5.2.1.4 Vermögensaufteilung 114<br />

5.2.1.5 Mediation 114<br />

5.2.1.6 Beratungsangebot 115<br />

5.2.2 Soziale Netzwerke 116<br />

5.3 Die „geschiedene“ Familie 117<br />

5.3.1 Die Beziehung zu den Kindern und zur geschiedenen Ehefrau 117<br />

5.3.2 Neue Partnerin - neue Familie 118<br />

5.3.3 psychische, finanzielle und soziale Lage 119<br />

5.4 Individuelle Persönlichkeit mit Kompetenzen und Schwächen 122<br />

5.5 Typologie 123<br />

5.5.1 Traditioneller Mann – Neuer Mann 124<br />

5.5.2 Einvernehmen 125<br />

5.5.3 Einkommenssituation 125<br />

5.5.4 Typ A: „Neuer Mann“ + prekäre Einkommenssituation + schlechtes<br />

Einvernehmen 126<br />

5.5.5 Typ B: „Neuer Mann“ + gute Einkommensverhältnisse + gutes<br />

Einvernehmen 128<br />

5.5.6 Typ C: Traditioneller Mann + gute Einkommenssituation + schlechtes<br />

Einvernehmen 129<br />

5.6 Resumee 130<br />

6. Zusammenfassung 133<br />

6.1 Potentielle Benachteiligungen und Belastungen 133<br />

6.2 <strong>Scheidungsfolgen</strong> 134<br />

6.3 Schlussfolgerungen 135<br />

Literaturverzeichnis 137<br />

Liste der interviewten ExpertInnen 141<br />

8


Einleitung der <strong>Männer</strong>politischen Grundsatzabteilung<br />

Die Folgen von Scheidungen, sei es <strong>für</strong> Kinder, Frauen oder <strong>Männer</strong>, sind je nach geltender<br />

Rechtsordnung, Rechtsprechung und damit auch dem Stand gesellschaftlicher Entwicklung,<br />

verschieden. Scheidung vor fünfzig Jahren gestaltete sich entsprechend dem damaligen<br />

Geschlechter- und Rollenverständnis gänzlich anders. Das Kindschaftsrechtsänderungsgesetz<br />

2001 hat auf den gesellschaftlichen Wandel bzw. die neue Situation der Betroffenen reagiert<br />

und Verbesserungen zum Beispiel im Bereich der Kinderrechte eingeführt. Zahlreiche<br />

politische Diskussionen zum Thema wurden und werden weiterhin in den Medien geführt.<br />

Seit Einrichtung der <strong>Männer</strong>politischen Grundsatzabteilung im Bundesministerium <strong>für</strong> soziale<br />

Sicherheit und Generationen im März 2001 haben viele (geschiedene) <strong>Männer</strong> ihre Probleme<br />

und Sorgen mit dem Familienrecht und mit den <strong>Scheidungsfolgen</strong> an diese neue Abteilung<br />

herangetragen. Das war Anlass <strong>für</strong> die "<strong>Männer</strong>abteilung", eine Studie in Auftrag zu geben, um<br />

festzustellen, welche ökonomischen, psychischen und sozialen Folgen Scheidung <strong>für</strong><br />

insbesondere <strong>Männer</strong> mit sich bringen kann und wie diese <strong>Scheidungsfolgen</strong> besser erforscht<br />

werden könnten.<br />

Die vorliegende Publikation ist eine durch die Abteilung V/6 überarbeitete, redigierte und<br />

gekürzte Fassung der in Auftrag gegebenen Studie, welche unter www.abif.at abrufbar ist. Das<br />

Resumee der Studie wurde jedoch unverändert übernommen. Die Studie soll Verständnis<br />

wecken <strong>für</strong> die wachsende Zahl von <strong>Männer</strong>n mit Scheidungsproblemen und einen Einstieg in<br />

die komplexe Materie des Familien- und Eherechtes geben. Zugleich dient diese Studie als<br />

Anreiz und Ansporn, bewusstseinsbildende Maßnahmen <strong>für</strong> alle Betroffenen, Väter, Kinder<br />

und Mütter, zu initiieren.<br />

Gleichzeitig soll diese Publikation Politikern, Fachleuten und Laien eine Diskussionsgrundlage<br />

bieten, um die derzeit bestehenden ökonomischen, psychischen und sozialen <strong>Scheidungsfolgen</strong><br />

zu mindern und geschlechtsspezifische Judikatur hinkünftig zu vermeiden helfen.<br />

Wir haben uns in der redaktionellen Arbeit bemüht, Übersichtlichkeit und Lesbarkeit mit der<br />

Komplexität und dem vollen Informationsangebot bestmöglich zu vereinbaren und hoffen mit<br />

dieser Publikation einen Beitrag zur Steigerung der Problemlösungskompetenz vieler<br />

Betroffener geleistet zu haben.<br />

9


1 Quantitative Entwicklung der Scheidungen in Österreich<br />

Die österreichische Scheidungsstatistik erreichte mit 20.582 Scheidungen im Jahr 2001 den<br />

höchsten jemals ausgewiesenen Wert. 1 Von 2000 auf 2001 stieg die Scheidungszahl um 5,3%.<br />

Damit setzte sich der Aufwärtstrend der vergangenen Jahre fort (1999: +3,5 %; 2000: +5,6 %).<br />

Die Gesamtscheidungsrate, das ist die Anzahl der Ehescheidungen, bezogen auf jene<br />

Eheschließungsjahrgänge aus denen sie stammen, betrug im Jahr 2001 46%. „Das heißt mit<br />

anderen Worten, dass 46 Prozent aller gegenwärtig geschlossenen Ehen – unter der<br />

Voraussetzung von gleichbleibenden ehedauerspezifischen Scheidungsraten wie im<br />

Berichtsjahr – früher oder später vor dem Scheidungsrichter enden werden.“ 2<br />

Im Jahr 2001 wurden insgesamt 20.582 Ehen geschieden. 90% aller Scheidungen, insgesamt<br />

18.517 Scheidungen, erfolgten einvernehmlich nach § 55a EheG. Nach § 55 EheG, nach<br />

Auflösung der häuslichen Gemeinschaft länger als 3 Jahre, wurden 791 Ehen; 1.274 Ehen aus<br />

anderen Rechtsgründen geschieden. Die mittlere Ehedauer (Median) geschiedener Ehen betrug<br />

9,5 Jahre. Im Durchschnitt betrug das Alter der <strong>Männer</strong> bei der Scheidung 40,4 Jahre, das der<br />

Frauen 37,7 Jahre. Für das Jahr 2000 liegen auch Daten über den Schuldausspruch vor: in<br />

1.178 Scheidungen wurde der Mann, in 159 Scheidungen die Frau und in 501 Scheidungen<br />

beide Ehegatten an der Zerrüttung der Ehe schuldig gesprochen. 17.714 Ehen wurden gemäß<br />

§ 55a EheG, sohin ohne Schuldausspruch geschieden. 3<br />

„In 6.977 Fällen (33,9 Prozent) war die geschiedene Ehe kinderlos geblieben. Aus 5.920 Ehen<br />

war je ein Kind hervorgegangen, 5.837 hatten zwei und 1.848 drei oder mehr Kinder. Die<br />

Scheidungen des Jahres 2001 betrafen 18.961 Minderjährige (unter 19 Jahren). Von diesen<br />

Kindern waren 1.760 zur Zeit der Scheidung der Eltern noch nicht drei Jahre alt, 3.601 im<br />

Kindergartenalter (3 bis unter 6 Jahre), 4.878 im Volksschul- (6 bis unter 10 Jahre) und 4.349<br />

im Hauptschulalter (10 bis unter 14 Jahre). Zu den Jugendlichen von 14 bis unter 19 Jahren<br />

zählten 4.373 ‚Scheidungswaisen’. Darüber hinaus gab es noch 4.754 Kinder, die bereits<br />

volljährig waren, als sich die Eltern scheiden ließen. Im Schnitt hatten die geschiedenen<br />

Ehegatten nur 1,15 Kinder (in Wien 0,91 gegenüber 1,25 in Österreich ohne Wien).“ 4<br />

Die überwiegende Mehrheit der Ehen wird innerhalb der ersten Ehejahre geschieden,<br />

allerdings hat auch das Scheidungsrisiko länger bestehender Ehen zugenommen: „Am größten<br />

war das Scheidungsrisiko im dritten bis fünften Ehejahr, auf die im Jahr 2000 in Summe 18,3<br />

% aller Scheidungen entfielen. In den vergangenen Jahrzehnten stieg jedoch auch das Risiko<br />

<strong>für</strong> bereits sehr lang bestehende Ehen, noch mit einer Scheidung zu enden, überproportional<br />

stark an ... . Abzulesen ist dies an der Entwicklung der mittleren Dauer (Median) der<br />

geschiedenen Ehen, die sich seit 1990 (7,3 Jahre) um 2,2 Jahre erhöhte und im Jahr 2001 9,5<br />

Jahre (im Jahr 1999: 9,1 Jahre; im Jahr 2000: 9,4 Jahre) betrug.“ 5<br />

1 Schriftliche Auskunft der Statistik Österreich vom 10. 07. 2002<br />

2 Schriftliche Auskunft der Statistik Österreich vom 10. 07. 2002<br />

3 Statistische Nachrichten 10/2001, Seite 745<br />

4 Schriftliche Auskunft der Statistik Österreich vom 10. 07. 2002<br />

5 Statistische Nachrichten 10/2001, Seite 743-745<br />

10


2 Familien- und eherechtliche Bestimmungen und Analyse der Literatur<br />

zur ökonomischen und sozialen Situation unterhaltspflichtiger <strong>Männer</strong> 6<br />

2.1 Potentielle Benachteiligung auf immaterieller Ebene<br />

Prinzipiell ist Scheidung sowohl <strong>für</strong> Frauen als auch <strong>für</strong> <strong>Männer</strong> wie selbstverständlich auch<br />

<strong>für</strong> deren Kinder ein „kritisches Lebensereignis“ 7 und beeinträchtigt somit das psychosoziale<br />

Wohlbefinden sowie die psychische Gesundheit der Betroffenen.<br />

Betrachtet man die geschlechtsspezifische Reaktion auf Trennungen genauer, lässt sich<br />

insgesamt feststellen, dass <strong>Männer</strong>n die emotionale Bewältigung direkt nach der Scheidung<br />

schlechter zu gelingen scheint. Diese allgemeine Erkenntnis gilt insbesondere dann, wenn es<br />

sich um <strong>Männer</strong> handelt, deren Einkommen niedrig ist, wenn „kein ersichtlicher Konflikt in<br />

der Ambivalenzphase bestand, [und] sie die Trennung nicht gewünscht und eine Versöhnung<br />

angestrebt hatten“ 8 . <strong>Männer</strong> erleben die intensivste emotionale Belastung meist kurz nach der<br />

Trennung, „während Frauen am stärksten bereits vor der eigentlichen Trennung leiden und<br />

daher früher als <strong>Männer</strong> mit dem Trauer- und Verarbeitungsprozess beginnen“ 9 . Eckardt<br />

analysiert die psychologische Forschungsliteratur der 80er Jahre und kommt zu dem Schluss,<br />

dass <strong>Männer</strong> allgemein mit den psychischen Belastungen durch eine Scheidung schlechter<br />

zurecht kommen. Die Bestätigung hie<strong>für</strong> sieht er in der höheren Selbstmordrate nach<br />

Scheidungen bei deutschen <strong>Männer</strong>n. Frauen dürften hingegen stärker mit den materiellen<br />

Folgen nach der Scheidung belastet sein. 10<br />

Auf Grundlage der bestehenden Forschungsergebnisse ist eine differenzierte Aussage nur über<br />

die geschlechtsspezifischen psychologischen Folgen möglich. Eine bestimmte Gruppe von<br />

<strong>Männer</strong>n scheint stark belastet, nämlich solche, die die Scheidung nicht vorhergesehen haben<br />

und diese auch nicht wollten.<br />

2.2 Verlust der Obsorge<br />

Mit dem Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001 (KindRÄG 2001), das am 1. Juli 2001 in<br />

Kraft getreten ist, wurde die gemeinsame Obsorge beider Eltern auch nach der Scheidung<br />

ermöglicht. Bei der Scheidung der Eltern eines minderjährigen ehelichen Kindes bleibt<br />

nunmehr, soferne die Ehegatten bei einvernehmlicher Scheidung nicht anderes vereinbaren,<br />

6 Die Terminologie in diesem Kapitel folgt den jeweiligen Bezeichnungen („verba legalia“) in den<br />

bezughabenden ehe- und familienrechtlichen Bestimmungen.<br />

7 Filipp, Sigrun-Heide: Kritische Lebensereignisse. München 1990<br />

8 Wilk, Liselotte: Scheidung und Trennung der Eltern im Kinderleben. In: Kränzl-Nagl, Renate /<br />

Riepl, Barbara / Wintersberger, Helmut (Hg.): Kindheit in Gesellschaft und Politik. Eine<br />

multidisziplinäre Analyse am Beispiel Österreichs. Europäisches Zentrum Wien. Frankfurt/Main,<br />

New York 1998, Seite 283<br />

9 ebenda<br />

10<br />

Eckardt, Jörg: Gebrauchte Junggesellen. Scheidungserleben und biographische Verläufe. Opladen<br />

1963, Seite 39<br />

11


gemäß § 177 Abs. 1 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) die Obsorge beider<br />

Eltern bestehen.<br />

Bei einvernehmlicher Scheidung haben die Eltern zu vereinbaren, wem von beiden hinkünftig<br />

die alleinige Obsorge zukommt, oder dass hinkünftig beide Elternteile obsorgeberechtigt sind,<br />

oder dass die Befugnisse eines Elternteiles auf bestimmte Angelegenheiten (z.B. nur Pflege<br />

und Erziehung oder nur Vermögensverwaltung oder nur gesetzlicher Vertreter) beschränkt<br />

sind. Zugleich haben die Eltern gemäß § 177 Abs. 2 ABGB dem Gericht eine Vereinbarung<br />

vorzulegen, bei welchem Elternteil sich das Kind hauptsächlich aufhalten soll. Dieser<br />

Elternteil muss immer mit der gesamten Obsorge betraut sein.<br />

Bei jeder einvernehmlichen Scheidung gemäß § 55a EheG stellt diese Vereinbarung eine<br />

zwingende Scheidungsvoraussetzung dar.<br />

Gemäß § 177 Abs. 3 ABGB hat das Gericht die Vereinbarung der Eltern zu genehmigen, wenn<br />

sie dem Wohl des Kindes entspricht.<br />

Sofern sich Eltern innerhalb angemessener Frist über die Betrauung mit der Obsorge oder über<br />

den hinkünftigen hauptsächlichen Aufenthalt des Kindes nicht einigen können, entscheidet das<br />

Gericht, welcher Elternteil künftig mit der alleinigen Obsorge betraut wird.<br />

Prinzipiell gibt das Familienrecht keinem der beiden Elternteile ein Vorrecht auf die elterliche<br />

Obsorge. In der Rechtsprechung wird allerdings wegen der dem Familienrecht immanenten<br />

Bedeutung des Wohles des Kindes der Mutter-Kind-Bindung insbesondere im Vor- und<br />

Volksschulalter besondere Bedeutung beigemessen. 11<br />

Folgende Kriterien werden in der Gerichtspraxis bei der Obsorgerechtsentscheidung<br />

herangezogen:<br />

• Die Zuteilung der Obsorge ist durch das Familiengericht immer unter Beachtung des<br />

Wohles des Kindes vorzunehmen.<br />

• Bei der Beurteilung des Wohles des Kindes ist gemäß § 178a ABGB die Persönlichkeit<br />

des Kindes, dessen Bedürfnisse, Anlagen, Fähigkeiten, Entwicklungsmöglichkeiten und<br />

die Lebensverhältnisse beider Eltern zu berücksichtigen.<br />

• Wenn irgend möglich soll das Kind bei dem Elternteil bleiben, zu dem es die bessere<br />

Beziehung hat, und dessen Erziehungsfähigkeit vom Gericht als die bessere<br />

eingeschätzt wird.<br />

• Nach dem Grundsatz der Kontinuität der Erziehung soll dem Kind möglichst ein<br />

Wechsel seines sozialen Umfelds erspart bleiben.<br />

• Geschwister sollen möglichst nicht getrennt werden, Kleinkinder eher bei der Mutter<br />

bleiben.<br />

• Der Grundsatz der gewaltfreien Erziehung ist zu beachten; grundsätzlich ist jener<br />

Elternteil vorzuziehen, der Gewalt als Erziehungsmittel nicht anwendet.<br />

• Das Verschulden an der Scheidung ist <strong>für</strong> die Obsorgeentscheidung nicht<br />

ausschlaggebend.<br />

11 Held, Guido/Berdnik, Gottfried: Ehe und Recht. Graz 2001, Seite 147<br />

12


Sind beide Eltern gemäß § 177 ABGB nach Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung<br />

ihrer Ehe mit der Obsorge betraut und beantragt ein Elternteil die Aufhebung dieser Obsorge,<br />

so hat das Gericht gemäß § 177a Abs. 2 ABGB, wenn es nicht gelingt eine gütliche Einigung<br />

herbeizuführen, nach Maßgabe des Kindeswohles einen Elternteil allein mit der Obsorge zu<br />

betrauen.<br />

Da bei der Zuteilung der Obsorge auch auf den Willen des Kindes Bedacht zu nehmen ist und<br />

der Wille des Kindes gemäß § 146 Abs. 3 ABGB umso maßgeblicher ist, je mehr es den Grund<br />

und die Bedeutung einer Maßnahme einzusehen und seinen Willen nach dieser Einsicht zu<br />

bestimmen vermag, ist gemäß § 182b AußStrG bereits das unmündige Kind bei der<br />

Entscheidung des Gerichtes über die Obsorge zu hören bzw. - wenn es noch nicht 10 Jahre alt<br />

ist - das Kind durch den Jugendwohlfahrtsträger, durch das Jugendamt, durch Einrichtungen<br />

der Jugendgerichtshilfe oder in anderer geeigneter Weise zu hören. Sofern das Kind bereits das<br />

14. Lebensjahr vollendet hat, kann es in Obsorgeverfahren gemäß § 182a AußStrG selbständig<br />

vor Gericht handeln und selbständig Anträge einbringen.<br />

Die Frage, wie viele Anträge auf Übertragung der Obsorge von Vätern eingereicht werden<br />

bzw. wie aussichtsreich diese sind, kann nicht beantwortet werden. Die Anzahl der<br />

Alleinerzieher und Alleinerzieherinnen lässt zumindest grobe Rückschlüsse darauf zu, wie die<br />

Obsorge in Österreich zugeteilt wird: Im Jahr 2000 gab es nach der Statistik Österreich in<br />

Österreich 234.100 Alleinerzieherinnenhaushalte (87,03 %) und 34.900<br />

Alleinerzieherhaushalte (12,97 %). 12<br />

2.2.1 Besuchsrecht<br />

Unter Besuchsrecht versteht § 148 ABGB das Recht des Elternteiles und des Kindes, die nicht<br />

im gemeinsamen Haushalt leben, miteinander persönlich zu verkehren. Seit Inkrafttreten des<br />

KindRÄG 2001 ist das Besuchsrecht sohin nicht nur das Recht des nichtobsorgeberechtigten<br />

Elternteiles sondern erstmals auch das Recht des Kindes selbst. Die Ausübung des<br />

Besuchsrechtes sollen das Kind und die Eltern nunmehr gemäß § 148 Abs. 1 ABGB<br />

einvernehmlich regeln.<br />

Da es sich bei dem Besuchsrecht um ein Grundrecht in der Eltern-Kind-Beziehung handelt,<br />

sind die Eltern und das Kind bei dessen Gestaltung grundsätzlich frei. Das Besuchsrecht<br />

besteht unabhängig davon, ob der das Besuchsrecht ausübende Elternteil seiner<br />

Unterhaltspflicht nachkommt oder damit in Verzug ist. Auch bei gemeinsamer Obsorge hat der<br />

Elternteil, bei dem das Kind nicht überwiegend lebt, das Besuchsrecht.<br />

Sofern eine einvernehmliche Regelung über das Besuchsrecht zwischen den Eltern nicht<br />

zustande kommt, hat das Gericht auf Antrag das Besuchsrecht zu regeln. Das unmündige Kind<br />

ist gemäß § 182b Abs. 1 Außerstreitgesetz (AußStrG) in diesem Verfahren vom<br />

Pflegschaftsgericht tunlichst persönlich zu hören. Mündigen Minderjährigen wird seit<br />

Inkrafttreten des KindRÄG 2001, wenn eine einvernehmliche Regelung nicht erzielt werden<br />

12<br />

Gezählt wurden von der Statistik Österreich alle Alleinerzieherhaushalte, in denen mindestens 1<br />

Kind unter 19 Jahren lebt.<br />

13


kann, das Recht eingeräumt, eigenständig einen Antrag auf gerichtliche Regelung des<br />

Besuchsrechtes zu stellen und im Verfahren selbständig zu handeln.<br />

Die Judikatur hat zum Besuchsrecht folgende Grundsätze entwickelt:<br />

• bei Kleinkindern bis zum Alter von zwei Jahren: alle zwei Wochen ein Tag, zumindest<br />

anfänglich in Gegenwart des erziehungsberechtigten Elternteiles<br />

• bei Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren: üblicherweise ein Tag alle zwei<br />

Wochen, ohne Beisein des alleinerziehungsberechtigten Elternteiles<br />

• bei Kindern über sechs Jahren: in 14-tägigem Abstand: häufig von Samstag bis Sonntag<br />

Abend, inklusive Übernachtungsmöglichkeit; zusätzlich in den Ferien: regelmäßig<br />

während der großen Sommerferien zwei bis drei (zusammenhängende) Wochen und<br />

während der Winter- bzw. Semesterferien eine Woche.<br />

Einige dieser Grundsätze gelten, wie auch die Interviews der ExpertInnen 13 zeigen werden, als<br />

veraltet. Vor allem bei Kleinkindern sollten nach Möglichkeit die Besuchsintervalle kürzer<br />

sein, da das Zeitgefühl der Kleinkinder noch kaum ausgeprägt ist und bereits ein Zeitraum von<br />

mehreren Tagen emotional schwer überbrückt werden kann. 14<br />

Wenn die Ausübung des Besuchsrechtes durch den obsorgeberechtigten Elternteil vereitelt<br />

wird, kann das Außerstreitgericht dem Nichtobsorgeberechtigten ein zeitlich konkretisiertes<br />

Besuchsrecht einräumen und gleichzeitig dem Obsorgeberechtigten geeignete Handlungen<br />

auftragen, die dem anderen Elternteil das Besuchsrecht ermöglichen, z.B. das Kind dem<br />

anderen Elternteil zu einem bestimmten Zeitpunkt und an einem bestimmten Ort zur Ausübung<br />

des Besuchsrechtes zu übergeben.<br />

Für den Fall der Nichtbefolgung der aufgetragenen Handlungen kann das Außerstreitgericht<br />

Zwangsmittel (Verwarnungen, Geld- und Haftstrafen und äußerstenfalls Abnahme des Kindes)<br />

gemäß § 19 AußStrG androhen, oder solche Zwangsmittel, wenn der Obsorgeberechtigte das<br />

Besuchsrecht bereits über längere Zeit vereitelt hat, sogleich verhängen 15 oder aber geeignete<br />

Maßnahmen zur Durchsetzung des Besuchsrechtes, etwa im Besuchscafe des zuständigen<br />

Jugendamtes 16 , beschließen. Nach ständiger Judikatur des OGH ist das Ausserstreitgericht in<br />

der Auswahl der in § 19 AußStrG angeführten Zwangsmittel bei Missachtung seiner<br />

Verfügungen, hier zur Ausübung des Besuchsrechtes, frei. 17<br />

Mit dem am 1. Juli 2001 in Kraft getretenen KindRÄG 2001 ist das Besuchsrecht, nunmehr<br />

das „Recht auf persönlichen Verkehr“ 18 , das nach dem Wortlaut des Gesetzes bisher dem nicht<br />

mit Pflege und Erziehung betrauten Elternteil eingeräumt war, ... über das von der neueren<br />

Rechtsprechung vertretene Maß hinaus primär als Recht des Kindes normiert worden. Damit<br />

soll nicht zuletzt psychologischen und soziologischen Erkenntnissen Rechnung getragen<br />

13<br />

siehe Kapitel 4<br />

14<br />

Schweighofer, Josef: Familienrecht <strong>für</strong> Interessierte – Pflegschaftsrecht – Eherecht. Hrsg.: Institut<br />

<strong>für</strong> Ehe und Familie. Wien 2002, Seite 21<br />

15<br />

6 Ob 14/02f; u.a.<br />

16<br />

1 Ob 129/00b, u.a.<br />

17<br />

6 Ob 14/02f; 1 Ob 109/02i; u.a.<br />

18<br />

Punkt II B2a des Allgemeinen Teils der Erläuternden Bemerkungen zum KindRÄG 2001<br />

14


werden, wonach die Aufrechterhaltung ausreichender persönlicher Kontakte zwischen dem<br />

Kind und dem Elternteil, bei dem es nicht lebt, <strong>für</strong> die weitere Entwicklung des Kindes von<br />

besonderer Bedeutung ist. Auch in diesem Zusammenhang wird die Elternverantwortung ...<br />

dadurch betont, dass die Ausübung des Rechtes auf persönlichen Verkehr das Kind und die<br />

Eltern einvernehmlich regeln sollen. Nur soweit ein solches Einvernehmen nicht erzielt werden<br />

kann, wird das Gericht – wie bisher – die Ausübung dieses wechselseitigen Rechtes in einer<br />

dem Wohl des Kindes gemäßen Weise zu regeln haben. Die Erkenntnis, wonach der<br />

persönliche Verkehr des Kindes mit dem nicht betreuenden Elternteil besonders wichtig ist,<br />

und der Umstand, dass es sich nunmehr primär um ein Recht des Kindes handelt, sollen auch<br />

den Blick aller Beteiligten da<strong>für</strong> schärfen, dass es in ihrer gemeinsamen Verantwortung liegt,<br />

diesen Kontakt nach Kräften zu fördern.“ 19 Die ungeschmälerte und ungetrübte Ausübung des<br />

Besuchsrechtes dient sohin seit Inkrafttreten des KindRÄG dem Wohl des Kindes.<br />

Weiters wird in den Erläuternden Bemerkungen zum KindRÄG 2001 dargelegt: „Ein<br />

besonders wichtiger Aspekt der elterlichen Verantwortung ist es, Spannungen und<br />

Enttäuschungen aus dem zwischenmenschlichen Bereich, zB im Verhältnis zum gegenwärtigen<br />

oder früheren Lebenspartner, nicht in eigene oder fremde Erziehungsbemühungen einfließen<br />

zu lassen und diese dadurch zu stören. Dieser Erkenntnis folgend verlangt die Rechtsprechung<br />

etwa im Zusammenhang mit der Ausübung des Rechtes auf persönlichen Verkehr zunehmend<br />

von beiden Elternteilen, <strong>für</strong> einen störungsfreien Ablauf der Kontakte zu sorgen (zB KG<br />

Krems 1. 7. 1992 EFSlg 68.640 oder LGZ Wien 21. 12. 1994 EFSlg 74.976).“ 20 „Die<br />

Konzeption des Rechtes auf persönlichen Verkehr primär als Recht des Kindes enthält auch<br />

eine – gegenüber der in der Rechtsprechung bereits bisher angenommenen – verstärkte<br />

Verpflichtung des betreuenden Elternteils, die Aufrechterhaltung der Kontakte des Kindes mit<br />

dem anderen Elternteil zu fördern.“ 21<br />

Das KindRÄG 2001 „schützt nicht nur den nicht erziehenden Elternteil bei der Ausübung des<br />

Rechtes auf persönlichen Verkehr, sondern auch die Erziehungsbemühungen des mit der<br />

Obsorge betrauten Elternteils, die durch den anderen gefährdet werden, wenn er seine<br />

vermeintlichen Rechte gegenüber seinen tatsächlichen Pflichten überbetont: In Anlehnung an<br />

Vorbilder im deutschen (§ 1634 Abs. 1 BGB) und schweizerischen (Art. 274 Abs. 1 ZGB)<br />

Recht sollen die Eltern in Hinkunft – selbst in kritischen Zeiten ihrer Beziehung zueinander –<br />

alles zu unterlassen haben, was das Verhältnis des Kindes zum anderen Elternteil<br />

beeinträchtigt oder die Wahrnehmung von dessen Aufgaben erschwert<br />

(„Wohlverhaltensklausel“).“ 22<br />

„Der Leitgedanke der Förderung der Entwicklung des Kindes durch persönlichen Kontakt mit<br />

dem nicht erziehenden Elternteil soll schließlich durch gleichermaßen flexible und wirksame<br />

sowie <strong>für</strong> alle Beteiligten, insbesondere das Kind, möglichst schonende<br />

Ausübungsmechanismen unterstützt werden, damit die zwangsweise Durchsetzung von<br />

vornherein vermieden werden kann. Die im geltenden Recht zur Verfügung stehenden<br />

Sanktionsmöglichkeiten – entweder durch Beugestrafen oder durch (Teil-)Entziehung von<br />

19 Punkt II B2a des Allgemeinen Teils der Erläuternden Bemerkungen zum KindRÄG 2001<br />

20 Punkt II B1c des Allgemeinen Teils der Erläuternden Bemerkungen zum KindRÄG 2001<br />

21 Punkt II B2c des Allgemeinen Teils der Erläuternden Bemerkungen zum KindRÄG 2001<br />

22 Punkt II B1c des Allgemeinen Teils der Erläuternden Bemerkungen zum KindRÄG 2001<br />

15


Pflege und Erziehung – wurde nämlich zu Recht als unbefriedigend empfunden: Sie<br />

beeinträchtigen meist im Ergebnis die <strong>für</strong> die Entwicklung der Psyche des Kindes wichtige<br />

Eltern-Kind-Beziehung (vgl. jüngst G. Kohlegger, ÖJZ 1998, 132).“ 23<br />

Das KindRÄG 2001 konstituierte daher völlig neue Maßnahmen, die <strong>für</strong> alle Beteiligten,<br />

insbesondere das Kind, möglichst schonende Ausübungsmechanismen des Besuchsrechts<br />

(Rechts auf persönlichen Verkehr 24 ) gewährleisten sollen, damit die zwangsweise<br />

Durchsetzung des Besuchsrechtes, nunmehr „Recht auf persönlichen Verkehr“, wenn möglich<br />

von vornherein vermieden und dem Kontaktabbruch zwischen dem Nichtobsorgeberechtigten<br />

und seinen Kindern – soweit durch Gesetz möglich – vorgebeugt werden kann. Diese<br />

Maßnahmen stellen die schon bisher von den Gerichten – allerdings ohne ausdrückliche<br />

Rechtsgrundlage – im Interesse des Kindes auf Wahrung seines Rechtes auf persönlichen<br />

Verkehr und zur Kalmierung der Konflikte der Eltern um das Besuchsrecht angeordneten<br />

Maßnahmen dar, dies sind insbesondere die Besuchsbegleitung gemäß § 185c AußStrG, die<br />

Mediation gemäß § 39c FLAG iVm mit Art. XVI des KindRÄG 2001 sowie die Vermittlungs-<br />

und Schlichtungsmaßnahmen durch das Jugendamt. 25<br />

Kommt jedoch der mit der Obsorge betraute Elternteil seiner Pflicht 26 zur Wahrung des Rechts<br />

auf persönlichen Verkehr („Besuchsrechtes“) seines Kindes beharrlich nicht nach, so hat das<br />

Gericht gemäß § 178 Abs. 2 ABGB (neu) auf Antrag, sofern das Wohl des Kindes gefährdet<br />

scheint, auch von Amts wegen angemessene Verfügungen zu treffen. Wenn durch die<br />

beharrliche Vereitelung des Besuchsrechtes des Kindes das Wohl des minderjährigen Kindes<br />

gefährdet sein sollte, so hat das Gericht, von wem immer es angerufen wird, gemäß § 176 Abs.<br />

1 ABGB (neu) die zur Sicherung des Wohles des Kindes nötigen Verfügungen zu treffen.<br />

Besonders darf das Gericht die Obsorge <strong>für</strong> das Kind ganz oder teilweise bzw. auch gesetzlich<br />

vorgesehene Einwilligungs- und Zustimmungsrechte etwa <strong>für</strong> das Recht auf persönlichen<br />

Verkehr (Besuchsrecht) entziehen oder diese ersetzen, wenn keine gerechtfertigten Gründe <strong>für</strong><br />

die Weigerung vorliegen. 27 Gemäß § 253 ABGB (neu) hat das Gericht die Obsorge an eine<br />

andere Person zu übertragen, wenn das Wohl des minderjährigen Kindes dies erfordert,<br />

insbesondere wenn die mit der Obsorge betraute Person ihre Verpflichtungen aus § 145b<br />

ABGB (neu) 28 nicht erfüllt oder einer der Umstände des § 188 Abs. 2 ABGB (neu) 29 eintritt<br />

oder bekannt wird.<br />

Von den Bestimmungen des KindRÄG 2001 ist sohin zu erwarten, dass hinkünftig das Gericht<br />

bei Vereitelung des Besuchsrechtes einzelfallgerechte Durchsetzungsmöglichkeiten des<br />

Rechts auf persönlichen Verkehr (Besuchsrechtes) besitzt.<br />

23<br />

Punkt II B2c des Allgemeinen Teils der Erläuternden Bemerkungen zum KindRÄG 2001<br />

24<br />

Punkt II B2a des Allgemeinen Teils der Erläuternden Bemerkungen zum KindRÄG 2001<br />

25<br />

Punkt II B2c des Allgemeinen Teils der Erläuternden Bemerkungen zum KindRÄG 2001<br />

26<br />

vgl. auch § 145b ABGB<br />

27<br />

vgl. auch 6 Ob 511/82; u.a.<br />

28<br />

Es ist die Pflicht des Obsorgeberechtigten, das Verhältnis des Minderjährigen zu seinem<br />

nichtobsorgeberechtigten Elternteil und das Besuchsrecht des Minderjährigen zu fördern.<br />

29<br />

Personen, von denen besonders wegen einer Eigenschaft eine dem Wohl des minderjährigen<br />

förderliche Ausübung der Obsorge nicht zu erwarten ist, dürfen mit der Obsorge nicht betraut<br />

werden.<br />

16


Bereits vor Inkrafttreten des KindRÄG 2001war, wenn der bereits mündige Minderjährige das<br />

Besuchsrecht entschieden ablehnte, das Besuchsrecht nach ständiger Judikatur des OGH 30<br />

nicht durchsetzbar. 31 Der OGH begründet seine Judikatur, gegen mündige Minderjährige, die<br />

den persönlichen Verkehr mit dem antragstellenden Elternteil selbst unbegründet ablehnen,<br />

keinen Zwang auszuüben, mit der Argumentation, eine von gegenseitiger Achtung und<br />

Zuneigung getragene Begegnung könne nicht erzwungen werden und ein gegen den Willen des<br />

mündigen Minderjährigen mit Zwangsmitteln durchgesetzter persönlicher Verkehr<br />

widerspräche jedenfalls dem Kindeswohl. 32<br />

Seit Inkrafttreten des KindRÄG 2001 können Minderjährige, die einsichts- und urteilsfähig<br />

sind und das 14. Lebensjahr bereits vollendet haben, gemäß § 185b Abs. 1 AußStrG den<br />

Besuchskontakt völlig verweigern. Lehnt sohin ein Minderjähriger, der das 14. Lebensjahr<br />

bereits vollendet hat, aus eigener Überzeugung ausdrücklich die Ausübung des persönlichen<br />

Verkehrs ab und bleibt Belehrung darüber, dass die Anbahnung oder Aufrechterhaltung des<br />

persönlichen Verkehrs (Besuchsrechts) seinem Wohl entspricht, sowie der Versuch einer<br />

gütlichen Einigung erfolglos, so sind gemäß § 185b Abs. 1 AußStrG (neu) Anträge auf<br />

Regelung des persönlichen Verkehrs ohne weitere inhaltliche Prüfung abzuweisen und<br />

Verfahren über die Durchsetzung des persönlichen Verkehrs abzubrechen.<br />

Kinder jedoch, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, können auch gegen ihren<br />

Willen zu einem Besuchsrecht verhalten werden. 33 Der OGH meint hiezu, „Loyalitätskonflikte<br />

bei Kindern sind eine fast unausweichliche Folge der Trennung der Eltern (RV 296 BlgNR<br />

XXI. GP 57). Be<strong>für</strong>chtet die Mutter von der Ausübung des Besuchsrechtes des Vaters<br />

ausgehende Irritationen der Kinder, die allein auf Spannungen zurückzuführen<br />

sind, wie sie häufig nach dem Scheitern einer Ehe zu beobachten sind, dann ist es Pflicht und<br />

Aufgabe der Eltern, die Liebe und Zuneigung der Kinder zu beiden Elternteilen in gleicher<br />

Weise zu fördern (RIS-Justiz RS0048036). Beruft sich die Mutter auf den Widerstand<br />

eines der Kinder gegen ein Besuchsrecht des Vaters, dann versagt dieses Argument, wenn es<br />

an der Mutter liegt, die von ihr bzw. ihr nahestehenden Personen ausgehende negative<br />

Beeinflussung des Kindes gegenüber dem Vater abzubauen oder zumindest den Vater dem<br />

Kind neutral darzustellen (4 Ob 260/98h; RIS-Justiz RS0047942, RS0047996). Das Recht auf<br />

persönlichen Verkehr hätte nur dann zurückzustehen, wenn hiedurch das Kindeswohl gefährdet<br />

wäre.“ 34<br />

Auch dem nicht obsorgeberechtigten Elternteil steht das Recht, auf Ablehnung des<br />

persönlichen Verkehrs gemäß § 185b Abs. 2 AußStrG zu.<br />

30 7 Ob 617/87; 5 Ob 574/88; 7 Ob 1547/94; 6 Ob 2398/96g; 4 Ob 260/98h; 10 Ob 114/00p; 6 Ob<br />

173/00k; 3 Ob 273/00v; 6 Ob 194/02a; 9 Ob 201/02b; u.v.a.<br />

31 7 Ob 617/87; 5 Ob 574/88; 7 Ob 1547/94; 6 Ob 2398/96g; 4 Ob 260/98h; 10 Ob 114/00p; 6 Ob<br />

173/00k; 3 Ob 273/00v; 6 Ob 194/02a; 9 Ob 201/02b; u.v.a. u.a.<br />

32 7 Ob 617/87; 5 Ob 574/88; 7 Ob 1547/94; 6 Ob 2398/96g; 4 Ob 260/98h; 10 Ob 114/00p; 6 Ob<br />

173/00k; 3 Ob 273/00v; 6 Ob 194/02a; 9 Ob 201/02b; EFSlg 75.001; EFSlg 86.872; u.v.a.<br />

33 6 Ob 194/02a; 9 Ob 201/02b; Hopf in Ferrari/Hopf, Reform des Kindschaftsrechts, Seite 81 f; u.a.<br />

34 9 Ob 201/02b; u.a.,<br />

17


Empirische Daten darüber, ob und mit welchen Mitteln Väter ihr Besuchsrecht durchsetzen<br />

wollten, ob und wie viele Anträge nach dem AußStrG zur Durchsetzung des Besuchsrechtes<br />

gestellt wurden und wie erfolgreich Väter in der Bemühung, ihr Besuchsrecht durchzusetzen,<br />

waren, und aus welchen Gründen Väter ihr Besuchsrecht nicht durchsetzen konnten, sind<br />

allerdings nicht erhoben.<br />

2.2.2 Informations- und Äußerungsrechte<br />

Die bis zum 1. Juli 2001 bestehenden „Informations- und Äußerungsrechte“ des nicht<br />

obsorgeberechtigten Elternteiles wurden mit Inkrafttreten des KindRÄG 2001 gegenüber der<br />

bisherigen Rechtslage behutsam ausgeweitet. § 178 ABGB (neu) sichert nunmehr dem nicht<br />

obsorgeberechtigten Elternteil das Recht zu, in „wichtigen Angelegenheiten“ des Kindes<br />

informiert zu werden und sich zu diesen äußern zu können – bis zum 30. Juni 2001 bestand<br />

dieses Recht gemäß § 178 ABGB (alt) nur in „außergewöhnlichen Umständen“, die die Person<br />

des Kindes betreffen und von beabsichtigten Maßnahmen zu den im § 154 Abs. 2 und 3 ABGB<br />

genannten Angelegenheiten.<br />

Nach den Erläuternden Bemerkungen zum KindRÄG 2001 gelten beispielsweise als „wichtige<br />

Angelegenheiten“ im Sinne des § 178 ABGB (neu):<br />

• lebensbedrohende Erkrankungen oder<br />

• Unfallfolgen,<br />

• ernste chronische Erkrankungen,<br />

• Alkohol- und Drogenmissbrauch,<br />

• Straffälligkeit,<br />

• Schulversagen und Schulerfolg,<br />

• aber auch außergewöhnliche positive Umstände, wie etwa Schul- oder<br />

Berufsausbildungsabschluss,<br />

• vermögensrechtliche Angelegenheiten, auch wenn sie nicht unter §154 Abs. 3 ABGB<br />

fallen,<br />

• Sprachferien im Ausland,<br />

• ein Schulwechsel oder<br />

• eine längere Abwesenheit vom üblichen Wohnort,<br />

• jede Änderung des Wohnsitzes,<br />

• Änderung des Namens oder Familiennamens des Kindes,<br />

• Eintritt in eine Kirche oder Religionsgemeinschaft sowie Austritt aus einer solchen,<br />

• Übergabe in fremde Pflege,<br />

• Erwerb einer Staatsbürgerschaft oder Verzicht auf eine solche,<br />

• Vorzeitige Lösung eines Lehr-, Ausbildungs- oder Dienstvertrages,<br />

• Anerkennung der Vaterschaft zu einem unehelichen Kind,<br />

• Maßnahmen der außerordentlichen Vermögensverwaltung des Kindes, etc.<br />

Besondere Probleme bereitete in der Rechtsprechung vor Inkrafttreten des KindRÄG 2001 die<br />

Frage, inwieweit der mit der Obsorge betraute Elternteil den anderen vom schulischen Erfolg<br />

zu informieren hätte, ohne dass Schulversagen gegeben war. Der Schulerfolg im Sinne<br />

18


einzelner Zeugnisse oder gar Noten wurde von der Rechtsprechung im Sinne des § 178 ABGB<br />

(alt) bisher zu Recht nicht als „außergewöhnlicher Umstand“, über den zu informieren wäre,<br />

gewertet. Der Schulerfolg stellt aber nunmehr nach den Erläuternden Bemerkungen zum<br />

KindRÄG 2001, eine „wichtige Angelegenheit“ im Sinne des § 178 Abs. 1 ABGB (neu) dar.<br />

Dies bedeutet nicht, dass der mit der Obsorge betraute Elternteil nunmehr dem anderen jedes<br />

Zeugnis regelmäßig zu übermitteln hätte, er muss ihm jedoch Gelegenheit geben, sich einen<br />

informativen Überblick über den Fortgang der schulischen oder sonstigen Ausbildung seines<br />

Kindes zu verschaffen.<br />

Die Äußerung des nichtobsorgeberechtigten Elternteiles ist zu berücksichtigen, wenn der darin<br />

ausgedrückte Wunsch dem Wohl des Kindes besser entspricht, stellt jedoch kein Erfordernis<br />

der Zustimmung oder ein Vetorecht dar.<br />

Wenn der mit der Obsorge betraute Elternteil durch Vereitelung des Besuchsrechtes den<br />

einfachsten Weg des Informationsflusses beeinträchtigt, erweitern sich gemäß § 178 Abs. 1<br />

ABGB (neu) die Informations- und Äußerungsrechte des nicht obsorgeberechtigten Elternteiles<br />

auf alle Angelegenheiten des Kindes, ausgenommen jene des täglichen Lebens. Wenn sohin<br />

zwischen dem Nichtobsorgeberechtigten und seinem Kind kein persönlicher Kontakt besteht,<br />

ist nunmehr nach den Erläuternden Bemerkungen zum KindRÄG 2001 auch die Übermittlung<br />

zumindest der Jahreszeugnisse vom Informationsrecht umfasst.<br />

Bei beharrlicher Verletzung der Informationspflichten hat das Gericht gemäß § 178 Abs. 2<br />

ABGB (neu) Maßnahmen zu setzen, damit der nicht mit der Obsorge betraute Elternteil die<br />

notwendigen Informationen erlangen kann. Findet das Gericht einen darauf abzielenden Antrag<br />

des nicht mit der Obsorge betrauten Elternteils <strong>für</strong> gerechtfertigt, so wird es zunächst dem<br />

anderen Elternteil entsprechende Aufträge zu erteilen haben. Diese Aufträge sind (auf Antrag)<br />

nach § 19 AußStrG in Vollzug zu setzen. Eine weitere Stufe der „angemessenen Verfügungen“<br />

ist, dass das Gericht den nichtobsorgeberechtigten Elternteil ermächtigt, sich ohne<br />

Zustimmung des Obsorgeberechtigten etwa bei Lehrern oder behandelnden Ärzten selbst zu<br />

informieren.<br />

§ 178 Abs. 2 ABGB stellt damit ausdrücklich klar, dass beharrliche Verstöße gegen die<br />

Informationspflicht des § 178 Abs. 1 ABGB nicht – wie bisher – im Wesentlichen sanktionslos<br />

bleiben. Verfügungen nach § 178 Abs. 2 ABGB sind von FamilienrichterInnen grundsätzlich<br />

nur auf Antrag zu erlassen. Wenn jedoch das Wohl des Kindes gefährdet scheint, können<br />

solche Verfügungen (als Sonderfall des § 176 ABGB) auch von Amts wegen erlassen werden.<br />

Eine solche Gefährdung des Wohles des Kindes werden die FamilienrichterInnen vor allem<br />

dann annehmen müssen, wenn die Verweigerung der Information ausschließlich darauf abzielt,<br />

das Kind dem anderen Elternteil zu entfremden. Da sich in solchem Verhalten mangelndes<br />

Verantwortungsbewusstsein des mit der Obsorge betrauten Elternteils da<strong>für</strong>, dass dem Kind<br />

der andere Elternteil als Bezugsperson erhalten bleibt, manifestiert, käme als letzte<br />

„angemessene Verfügung“ im Sinne des § 178 Abs. 2 ABGB sogar die teilweise Entziehung<br />

der Obsorge, etwa die Regelung und Abwicklung sowie die Vertretung des Kindes in den<br />

Angelegenheiten des persönlichen Verkehrs mit dem anderen Elternteil betreffend, und die<br />

Übertragung der Obsorge an den Jugendwohlfahrtsträger, in Frage. Bei missbräuchlicher<br />

Ausübung der Informations- und Äußerungsrechte, etwa wenn bei einer chronischen<br />

Erkrankung des Kindes wöchentlich ärztliche Atteste oder Berichte über den aktuellen<br />

19


Gesundheitszustand des Kindes verlangt werden, kann dieses Recht gemäß § 178 Abs. 3<br />

ABGB eingeschränkt oder aber entzogen werden.<br />

Die Informations- und Äußerungsrechte können gemäß § 178 Abs. 3 ABGB entfallen, wenn<br />

der mit der Obsorge nicht betraute Elternteil grundlos das Recht des Kindes auf persönlichen<br />

Verkehr ablehnt.<br />

2.2.3 Die Vater-Kind-Beziehung nach der Scheidung<br />

Die Priorisierung der Mutter-Kind-Beziehung in der Rechtsprechung ist <strong>für</strong> Väter emotional<br />

sicherlich schwer zu verkraften. Wenn die gemeinsame Obsorge nicht vereinbart wurde oder<br />

durch das Gericht der Mutter die alleinige Obsorge übertragen wird, werden Väter völlig aus<br />

der Erziehungsverantwortung ausgeschlossen. Es ist allerdings bislang nicht erfasst, wie viele<br />

Väter überhaupt Obsorge <strong>für</strong> ihre Kinder beantragen.<br />

Seit Inkrafttreten des Väter-Karenzgesetzes (VKG), BGBl. Nr. 651/1989 idF BGBl I Nr.<br />

103/2001 (früher: Eltern-Karenzurlaubsgesetz) besitzen nunmehr auch Väter das Recht auf<br />

Karenzurlaub. Im September 2001 nahmen von insgesamt 77.192 Eltern allerdings nur 1.598<br />

(2,07%) Väter den Karenzurlaub in Anspruch. 35<br />

Ähnlich den Vätern in Kernfamilien beteiligen sich nichtobsorgeberechtigte Väter, selbst bei<br />

regelmäßigen Vater-Kind-Kontakten, selten an alltäglichen Betreuungs- und<br />

Versorgungsaufgaben, wie z.B. Hausaufgabenhilfe, sondern bieten Freizeitaktivitäten wie<br />

Essen, ins Kino oder Einkaufen gehen, Fernsehen und gemeinsame Sportausübungen. 36<br />

Furstenberg und Cherlin weisen aber auch darauf hin, dass der Kontakt zwischen Vater und<br />

Kind in Kernfamilien vielfach über die Mutter hergestellt wird und dem Vater deshalb nach<br />

der Trennung oft die Erfahrung fehlt, was man mit Kindern macht. 37<br />

Nave-Herz und Schmitz 38 konnten in ihrer Studie über Jugendliche aus Scheidungsfamilien<br />

zeigen, dass die „soziale Elternschaft auf Abstand” auf Grund kommunikativer Defizite in<br />

Folge des Mangels alltäglicher gemeinsamer Erfahrung und Vertraulichkeit schwer herstellbar<br />

ist. Haller 39 meint, dass das Fehlen instrumentell-routinemäßiger „Alltags-“ und „Pflicht-<br />

Elemente” in der Vater-Kind-Interaktion die Aufrechterhaltung einer dauerhaften Vater-Kind-<br />

Beziehung erschwert. Die Ergebnisse der zahlenmäßig geringen Forschung darüber, wie nahe<br />

die Beziehung zum außerhalb lebenden Elternteil vom Kind erlebt wird, sind widersprüchlich.<br />

35 SAMIS-Datenbank der Arbeitsmarktverwaltung<br />

36 Furstenberg, Frank F./Cherlin, Andrew J.: Geteilte Familien. Stuttgart 1993, Seite 62f<br />

37 Furstenberg/Cherlin, a.a.O., Seite 181ff<br />

38 Nave-Herz, Rosemarie/Schmitz, A.: Die Beziehung des Kindes zum nichtsorgeberechtigten Vater.<br />

In: Busch, Friedrich W./Nave-Herz, Rosemarie (Hrsg.): Ehe und Familie in Krisensituationen.<br />

Oldenburg 1996, Seite 104<br />

39 Haller, Max: Kinder und getrennte Eltern. Voraussetzungen und Strategien zur Bewältigung der<br />

Ehescheidung im Lichte neuer sozialwissenschaftlicher Studien. Wien 1996, Seite 39<br />

20


Wallerstein und Kelly 40 stellten im Jahr 1980 keinen Zusammenhang zwischen der<br />

Kontakthäufigkeit und der Zuneigung der Kinder zum Vater fest. Stein-Hilbers 41 vertritt die<br />

diametrale Ansicht, dass trotz gelegentlicher Kontakte die Gefühle <strong>für</strong>einander abstumpfen und<br />

Fremdheit eintritt. Ursula Ofuatey-Kodjoe 42 betont die Wichtigkeit der emotionalen<br />

Verfügbarkeit des Vaters <strong>für</strong> das Kind. Nur der regelmäßige und intensive Kontakt mit dem<br />

getrennt lebenden Vater biete die Voraussetzung <strong>für</strong> die optimale Entwicklung des Kindes.<br />

Mehrere Studien nennen folgende Faktoren als ausschlaggebend <strong>für</strong> die Beziehungsqualität<br />

zwischen dem nichtobsorgeberechtigten Vater und dem Kinde: Der Zeitfaktor, besonders die<br />

Übernachtungsmöglichkeit bei dem Vater führe zu einer dauerhaft guten Beziehung zum<br />

Vater; der Alltagsbezug, also die Möglichkeit mit dem Vater ein Stück Alltag zu erleben; die<br />

räumliche Nähe des Nichtobsorgeberechtigten Vaters und des Kindes, die die Besuchsfrequenz<br />

beeinflusse; und die Beziehung der getrennten bzw. geschiedenen Eltern zueinander.<br />

Besonders wichtig <strong>für</strong> das Kind sei, dass es die Beziehung seiner beiden Eltern zueinander als<br />

positiv und harmonisch erlebe.<br />

Die Reduktion der Kontakte nichtobsorgeberechtigter Eltern zu ihren Kindern konnte in<br />

mehreren österreichischen Studien festgestellt werden 43 .<br />

Nach den Ergebnissen einer Repräsentativerhebung im November 1988 44 war in 23 % der<br />

geschiedenen Ehen die gerichtliche Festsetzung des Besuchsrechtes erforderlich; nur 29 % der<br />

getrennt lebenden Elternteile pflegen den Kontakt zu ihren Kindern regelmäßig, sodass 71%<br />

der nicht obsorgeberechtigten Eltern ihren Nachwuchs unregelmäßig sehen. Generell nehmen<br />

die Besuchskontakte der Väter im Zeitablauf tendenziell ab.<br />

Das Ausmaß der Kontakte zum nicht obsorgeberechtigten Elternteil veranschaulichen folgende<br />

Zahlen: Der Großteil der Väter, die nicht mit ihrem leiblichen Kind zusammenleben, wohnt<br />

nicht in ihrer unmittelbaren Nähe. So kann nur jedes zehnte Kind unter 15 Jahren, 11 % der<br />

Kinder, den leiblichen Vater innerhalb von 15 Gehminuten erreichen. 38% der Väter wohnen<br />

bis zu einer halben Autostunde entfernt, 22% der Kinder leben bis zu einer Autostunde von<br />

ihren leiblichen Vätern getrennt, weitere 12% bis zu 6 Autostunden und 17% der Väter sind<br />

noch weiter entfernt.<br />

14% der Kinder unter 15 Jahren, deren Vater außer Haus lebt, treffen diesen täglich, weitere<br />

17% haben einmal wöchentlich unmittelbaren Kontakt zu ihm, 21% treffen ihren leiblichen<br />

40<br />

Wallerstein, Judith / Kelly, Joan B: Surviving the breakup: How children and parents cope with<br />

divorce. New York 1980<br />

41<br />

Stein-Hilbers, Marlene: Wem gehört das Kind? Neue Familienstrukturen und veränderte Eltern-<br />

Kindbeziehungen. Frankfurt/ New York 1994, Seite 160<br />

42<br />

Ofuatey-Kodjoe, Ursula: Zum Wohle des Kindes: Je jünger, desto weniger Kontakt? In: Deutsches<br />

Institut <strong>für</strong> Vormundschaftswesen (Hrsg.): Zentralblatt <strong>für</strong> Jugendrecht. Jugend und Familie –<br />

Jugendhilfe – Jugendgerichtshilfe. Heidelberg, 7/8/1997, Seite 233-296<br />

43<br />

Vgl.: IMAS: Situation von und Hilfsangeboten <strong>für</strong> Trennungswaisen. Unveröffentlichter<br />

Forschungsbericht. Wien 1988; Haller, a.a.O.; Findl, Peter: Verwandtschaftsstruktur und<br />

Lebensform. Eltern und Großeltern. In: Österreichisches Statistisches Zentralamt (Hg.):<br />

Statistische Nachrichten (Neue Folge). Wien 1997, Heft 10, Seite 812ff; Bundesministerium <strong>für</strong><br />

Umwelt, Jugend und Familie (BMfUJF): Neue Wege der Konfliktregelung. Familienberatung bei<br />

Gericht, Mediation, Kinderbegleitung bei Trennung der Eltern. Wien 1997; Wilk/Bacher, a.a.O.<br />

44<br />

IMAS, a.a.O., Seite 23ff<br />

21


Vater nur einmal pro Monat, 12% der Kinder haben wenigstens einmal im Jahr Kontakt zu<br />

ihm. Etwa jedes dritte Kind trifft seinen außer Haus lebenden Vater nicht einmal 1x jährlich<br />

oder hat gar keinen Kontakt zu ihm (31%). Mütter, die nicht mit ihren Kindern zusammen<br />

leben, sind <strong>für</strong> diese in nur 10% der Fälle in 15 Gehminuten erreichbar. Der Großteil der<br />

Mütter ist in bis zu 30 Autominuten (40%) bzw. in 30 bis 60 Autominuten (31,2%) erreichbar.<br />

6,7% der Kinder leben eine bis sechs Autostunden von ihren Müttern entfernt. Immerhin 12%<br />

der Kinder sind 6 und mehr Autostunden von ihren leiblichen Müttern entfernt.<br />

Im Gegensatz zu den von ihren Kindern getrennt lebenden Vätern ist die Kontakthäufigkeit der<br />

von ihren Kindern getrennt lebenden Mutter höher: 28,3% der Kinder sehen ihre leibliche<br />

Mutter täglich, weitere 16,5% haben wöchentlich mindestens einmal mit ihr Kontakt. Der<br />

Anteil der Kinder, die ihre Mutter einmal im Monat sehen, liegt ähnlich wie bei Vätern bei<br />

21%. Wenigstens einmal im Jahr haben 8,3% der Kinder unter 15 Jahren Kontakt zu ihrer<br />

Mutter. Beinahe jedes vierte Kind, das von seiner leiblichen Mutter getrennt lebt, hat zu dieser<br />

selten oder nie Kontakt. 45<br />

Die Reduktion des Kontaktes zwischen Vater und Kind wird in der Literatur unterschiedlich<br />

begründet. Findl 46 verweist „auf den nach wie vor vorherrschenden höheren Verpflichtungscharakter<br />

der Mutter – gegenüber jener der Vaterrolle und auf die normalerweise engere<br />

Beziehung von Kindern zu ihrer Mutter im Vergleich zu ihrem Vater“ 47 . Eine kleine deutsche<br />

Untersuchung 48 widerspricht dieser Pauschalverurteilung, Väter verließen „lieblos“ ihre<br />

Kinder. Beide Autoren orten in ihrer Stichprobe auch „Kämpfer“, die kompromisslos und<br />

aggressiv das Recht auf ihr Kind durchsetzen wollen und denen auf Grund ihres Verhaltens das<br />

Umgangsrecht entzogen wird. Die Studie bezeichnet eine andere Gruppe als „Resignierer“, die<br />

die schmerzliche Situation bei den kurzen Besuchen nicht ertragen können und sich deshalb<br />

von ihren Kindern zurückziehen. In dieser Gruppe finden sich auch die „neuen Väter“, die sich<br />

während aufrechter Ehe als Hausmann um das Kind gekümmert haben.<br />

Napp-Peters 49 wies in der wohl bekanntesten Langzeitstudie über 150 deutsche<br />

Scheidungsfamilien nach, dass die meisten der 169 Kinder die Scheidung der Eltern als<br />

schweren Einbruch in ihre Lebenswelt erlebten. Die stärksten Verhaltensauffälligkeiten und<br />

psychosozialen Störungen zeigen Kinder, die zu ihrem getrennt lebenden Elternteil den<br />

Kontakt nach der Scheidung verloren hatten. Damit wird die Wichtigkeit des Kontaktes beider<br />

Eltern zum Kind unterstrichen. „Kontinuierliche Familienbeziehungen sind aber nicht nur <strong>für</strong><br />

das Kind wichtig. Auch der Elternteil, der den Familienhaushalt verlässt, ist auf regelmäßige<br />

Kontakte zu seinen Kindern angewiesen. Diese helfen ihm sich seiner elterlichen Identität zu<br />

versichern und seine oft angeschlagene Stabilität wiederzuerlangen.“ 50<br />

45<br />

ebenda<br />

46<br />

Findl, Peter, a.a.O.<br />

47<br />

Wilk, a.a.O., Seite 285<br />

48<br />

Balloff, Rainer/Robert Walter: Gemeinsame elterliche Sorge als Regelfall? Einige theoretische und<br />

empirische Grundannahmen. In: Zeitschrift <strong>für</strong> das gesamte Familienrecht. 1990, Heft 37, Seite<br />

445ff<br />

49<br />

Napp-Peters, Anneke: Familien nach der Scheidung. München 1995<br />

50 Napp-Peters, a.a.O., Seite 43<br />

22


So traurig es sein mag, keine der vor Inkrafttreten des KindRÄG 2001 bestehenden<br />

Regelungen der Obsorge hat sich als überlegen erwiesen. 51 Es scheint, als ob es „unserer<br />

Gesellschaft bis heute vielfach nicht gelingt, Kindern nach einer Scheidung Vater und Mutter<br />

im vollen Umfang als elterliche Beziehungspersonen zu erhalten, und dass Scheidung im<br />

Erleben der Kinder den zumindest teilweisen Verlust einer Elternperson, und damit ein<br />

schmerzhaftes und traumatisches Ereignis bedeutet. ... Sie [die Kinder] erfahren die<br />

Diskrepanz, die in unserer Gesellschaft damit gegeben ist, dass sie zwar eine Lösung da<strong>für</strong><br />

anbietet, wie konfliktgeladene Partnerschaften beendet werden können, aber eine Lösung da<strong>für</strong><br />

schuldig bleibt, wie in weiterer Folge umfassend Elternschaft gestaltet und gelebt werden<br />

kann.“ 52<br />

2.3 Potentielle Benachteiligung auf materieller Ebene<br />

2.3.1 Unterhalt<br />

2.3.1.1 Unterhalt <strong>für</strong> Ehegatten<br />

In aufrechter Ehe stehen nach der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofes zu § 94<br />

ABGB dem haushaltführenden Ehegatten, der kein eigenes Einkommen besitzt, und mit dem<br />

anderen Ehegatten nicht im gemeinsamen Haushalt lebt, 33% des durchschnittlichen<br />

monatlichen Nettoeinkommens des anderen Ehegatten zu, wenn dieser keine weiteren<br />

Sorgepflichten hat. Beziehen beide Ehegatten ein Einkommen, steht dem<br />

Einkommensschwächeren der sogenannte „Ergänzungsanspruch“, das ist die Differenz<br />

zwischen seinem durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen und 40% des<br />

durchschnittlichen monatlichen Familiennettoeinkommens, zu.<br />

Nach der ständigen Judikatur des OGH mindern sich diese Prozentsätze, wenn der<br />

unterhaltspflichtige Ehegatte <strong>für</strong> folgende weitere Personen zu sorgen hat:<br />

je Kind: Reduktion um 3 bis 4 %,<br />

eine einkommenslose (geschiedene) Ehefrau: Reduktion um 2 %.<br />

Der Unterhalt wird nicht berechnet, sondern bemessen. Bemessungsgrundlage des Unterhalts<br />

unselbständig Erwerbstätiger ist das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen, das ist das<br />

Jahresnettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen dividiert durch zwölf. Bestandteil des<br />

Jahresnettoeinkommens und sohin der Bemessungsgrundlage sind auch Überstundenentgelte,<br />

Sonderzahlungen, das Pendlerpauschale, Renten und Abfertigungen (deren Zurechnung zur<br />

Bemessungsgrundlage wird auf mehrere Monate verteilt). Nicht einbezogen in die<br />

Bemessungsgrundlage unselbständig Erwerbstätiger werden jene Zulagen, die ausschließlich<br />

dem Ausgleich eines tatsächlichen Mehraufwandes des unselbständig Erwerbstätigen dienen,<br />

sohin reine Aufwandsentschädigungen oder aber Schmerzengeld sind. Bei selbständig<br />

Erwerbstätigen werden der Unterhaltsbemessung die letzten drei abgeschlossenen<br />

Geschäftsjahre zugrundegelegt; die Privatentnahmen können der Bemessungsgrundlage<br />

zugerechnet werden.<br />

51 Balloff, Rainer/Walter, Robert, a.a.O.<br />

52 Wilk, a.a.O., Seite 327<br />

23


Sowohl bei selbständig als auch bei unselbständig Erwerbstätigen muss das steuerpflichtige<br />

Einkommen mit dem unterhaltsrelevanten Einkommen nicht identisch sein. 53 So sind alle<br />

steuerlich absetzbaren Beträge, denen keine Einkommensminderung gegenübersteht, in die<br />

Unterhaltsbemessungsgrundlage mit einzubeziehen. 54<br />

Von der Bemessungsgrundlage abzuziehen, sind jedoch der sogenannte „Mehraufwand“ und<br />

die sogenannte „Mehrbelastung“ des Unterhaltspflichtigen. Dies sind einerseits finanzielle<br />

Aufwendungen des Unterhaltspflichtigen, die (auch) den Zwecken des Unterhaltsberechtigten<br />

dienen bzw. ihm (ausschließlich) zugute kommen, wie etwa die Kosten der gesetzlichen<br />

Sozialversicherung <strong>für</strong> den Unterhaltsberechtigten, oder die Bezahlung der Miete der<br />

Wohnung des Unterhaltsberechtigten, oder die Tilgung von Schulden oder Krediten, die<br />

Bezahlung der Lebensversicherungsprämie des Unterhaltsberechtigten oder die gesamten<br />

Kreditkosten <strong>für</strong> eine (Eigentums)Wohnung (auch wenn diese im gemeinsamen Eigentum<br />

steht), in der der Unterhaltsberechtigte wohnt, etc.<br />

Mehraufwand und Mehrbelastung sind andererseits auch Ausgaben des Unterhaltspflichtigen,<br />

die ihm selbst zum Beispiel durch sein Alter, eine Krankheit, etwa eine Diät, seine<br />

Berufstätigkeit, z.B. die Anschaffung oder Betriebskosten eines berufsbedingt unverzichtbaren<br />

PKW, u.ä. entstehen. In der Rechtsprechung wird hier ein besonders strenger Maßstab<br />

angelegt.<br />

Aufwendungen des täglichen Lebens des Unterhaltspflichtigen wie Miete, Haushaltskosten,<br />

Telefonkosten oder Versicherungen stellen jedoch keine Mehrbelastung und keinen<br />

Mehraufwand dar und sind daher von der Bemessungsgrundlage nicht abzugsfähig.<br />

Alle Unterhaltsverpflichtungen unterliegen der sogenannten „Umstandsklausel“, also dem<br />

Vorbehalt wesentlicher Änderungen der Verhältnisse. Eine solche Änderung der Verhältnisse<br />

kann sowohl beim Unterhaltspflichtigen als auch beim Unterhaltsberechtigten eintreten und<br />

bewirkt die Erhöhung, die Verringerung, das Ruhen oder das Erlöschen des Unterhalts.<br />

Der Unterhalt <strong>für</strong> den Ehegatten ist gemäß § 67 EheG dann der Höhe nach zu reduzieren oder<br />

aber hat gänzlich zu entfallen, wenn der unterhaltspflichtige Ehegatte durch diesen Unterhalt<br />

bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen den eigenen angemessenen Unterhalt<br />

(das ist das Existenzminimum in Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes nach § 293 Abs. 1<br />

ASVG) gefährden würde. Bei der Feststellung, ob der vom Unterhaltspflichtigen zu<br />

bezahlende Unterhalt seinen angemessenen Unterhalt gefährdet, sind auch die Bedürfnisse und<br />

die wirtschaftlichen Verhältnisse anderer Unterhaltsberechtigter zu berücksichtigen.<br />

Da Ehegatten die Gestaltung ihrer ehelichen Lebensverhältnisse gemäß § 94 ABGB (gemäß<br />

§ 94 ABGB sind etwa beide Ehegatten verpflichtet, einem zumutbaren Erwerb nachzugehen,<br />

soweit das der einvernehmlichen Lebensgestaltung der Ehegatten entspricht) einvernehmlich<br />

vorzunehmen haben, bindet gemeinsam Beschlossenes – solange sich die Lebensumstände<br />

nicht wesentlich ändern – jeden einzelnen Ehegatten. Wenn der Unterhaltspflichtige daher<br />

seine Einkommensverhältnisse einseitig ändert, damit die Höhe seiner Unterhaltspflicht<br />

reduziert wird, kann er auf den vor der einseitigen Änderung der Einkommensverhältnisse<br />

53 EFSlg 89.016; u.a.<br />

54 EFSlg 83.309; EFSlg 89.016; u.a.<br />

24


erzielten bzw. den von ihm auf Grund seiner Ausbildung und seinen körperlichen und<br />

geistigen Fähigkeiten erzielbaren Unterhalt „angespannt“ werden, da ein einseitiges Abgehen<br />

von dem gemeinsam Beschlossenen nicht zulässig ist. 55 Die „Anspannung“ des<br />

Unterhaltspflichtigen kann z.B. dann erfolgen, wenn der Unterhaltspflichtige grundlos auf<br />

einen schlechter bezahlten Arbeitsplatz wechselt, er grundlos nur einer Teilzeitbeschäftigung<br />

nachgeht oder er bei eingetretener Arbeitslosigkeit keine zumutbare Arbeit annimmt.<br />

Der Ehegatte eines selbständig Erwerbstätigen, muss dem trotz Bemühen im Sinne des § 94<br />

ABGB einkommenslosen Ehegatten Unterhalt leisten, soferne in absehbarer Zeit wieder<br />

Einkünfte aus dieser selbständigen Erwerbstätigkeit erwartet werden können; nur mangels<br />

Aussicht auf Konsolidierung des Unternehmens binnen angemessener Frist ist der selbständig<br />

erwerbstätige Ehegatte verpflichtet, zwecks Erreichung eines eigenen Einkommens umgehend<br />

eine andere, allenfalls auch unselbständige, Erwerbstätigkeit anzunehmen. 56 Selbständig<br />

Erwerbstätige werden daher erst dann angespannt, wenn sie es mangels Aussicht auf<br />

Konsolidierung des Unternehmens unterlassen, binnen angemessener Frist zwecks Erreichung<br />

eines eigenen Einkommens eine andere, allenfalls auch unselbständige, Erwerbstätigkeit<br />

anzunehmen.<br />

Jeder Unterhalt ist in Form einer monatlichen Rente im voraus zu leisten. Nach der ständigen<br />

Judikatur des OGH gibt es <strong>für</strong> den Ehegattenunterhalt keine Luxusgrenze. 57 Der OGH<br />

begründet diese Rechtsprechung damit, dass der Begrenzung des Kindesunterhaltes mit der<br />

Luxusgrenze in ständiger Judikatur erzieherische Überlegungen zu Grunde liegen, die <strong>für</strong> die<br />

Bemessung des Unterhaltes Erwachsener jedoch nicht in Betracht kommen können. 58<br />

Die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs ist nur bei so groben Verfehlungen eines Ehegatten<br />

anzunehmen, die die Geltendmachung des Anspruchs als Rechtsmissbrauch erscheinen<br />

lassen. 59<br />

2.3.1.2 Unterhalt <strong>für</strong> Geschiedene<br />

Unterhaltstitel aus einer bestehenden Ehe treten bei der Scheidung außer Kraft, jeder<br />

Unterhaltsanspruch nach einer Scheidung entsteht daher erst bei oder mit der Scheidung,<br />

entweder durch Vereinbarung bei einvernehmlicher Scheidung gemäß § 55a EheG oder wird<br />

vom Gericht ausdrücklich festgesetzt. Ob ein Geschiedener Anspruch auf Unterhalt von<br />

seinem geschiedenen Ehegatten hat und wie hoch dieser Unterhalt ist, hängt davon ab, aus<br />

welchem Rechtsgrund die Ehe geschieden wurde.<br />

Prinzipiell erlischt gemäß § 75 EheG die Unterhaltspflicht mit Wiederverheiratung des<br />

Unterhaltsberechtigten. Bei Eingehen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ruht der<br />

Unterhaltsanspruch jedoch nur und lebt nach Beendigung der Lebensgemeinschaft wieder auf.<br />

Sowohl der gerichtlich festgesetzte als auch der vertraglich festgelegte – sofern dies von den<br />

Beteiligten nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurde – Unterhalt unterliegen der Umstands-<br />

55<br />

OGH vom 26.6.1991, 2 Ob 532/91; u.a.<br />

56<br />

OGH vom 13. 10. 1994, 8Ob598/93; u.a.<br />

57<br />

SZ 52/6; JBl 1999, 725 = EFSlg 90.386; u.a.<br />

58<br />

1 Ob 288/98d<br />

59<br />

EFSlg 28.581; RZ 1978/45; EFSlg 42.552; EF 55.908; u.v.a.<br />

25


klausel, jede Änderung des Nettoeinkommens führt daher zur Anpassung des Unterhalts an<br />

das Nettoeinkommen durch das Gericht.<br />

Wird der Unterhalt nicht freiwillig geleistet, muss eine Unterhaltsklage im streitigen Verfahren<br />

eingebracht werden.<br />

2.3.1.2.1 Unterhalt wie in aufrechter Ehe (Scheidung gemäß § 55 EheG mit<br />

Schuldausspruch gemäß § 61 Abs. 3 EheG)<br />

Eine Scheidung gemäß § 55 EheG (auf Antrag des an der Zerrüttung der Ehe schuldigen oder<br />

überwiegend schuldigen Ehegatten, wenn die häusliche Gemeinschaft seit mindestens 3 und<br />

maximal seit 6 Jahren aufgehoben ist) mit Schuldausspruch gemäß § 61 Abs. 3 EheG bewirkt,<br />

dass der Ehegatte, der die Zerrüttung der Ehe nicht oder nur geringfügig verschuldet hat,<br />

hinsichtlich des Unterhaltes so zu stellen ist, als wäre die Ehe nicht geschieden. Dem gemäß<br />

§ 55 iVm § 61 Abs. 3 EheG schuldlos oder minder schuldigen Geschiedenen<br />

• steht daher Unterhalt wie in aufrechter Ehe 60 zu,<br />

• ein „neuer“ Ehegatte reduziert die Prozentsätze des Unterhaltes nicht – sofern dies<br />

nicht infolge des Lebensalters oder der Gesundheit des Unterhaltspflichtigen oder<br />

seines neuen Ehegatten, der Dauer ihres gemeinsamen Haushaltes und des Wohles ihrer<br />

Kinder unbillig wäre – und<br />

• der schuldlos Geschiedene, der während der Ehe nicht berufstätig war, kann zu<br />

Erwerbstätigkeit – auch wenn diese ihm zumutbar ist – nicht gezwungen werden.<br />

Nach der ständigen Judikatur des OGH gibt es <strong>für</strong> den Ehegattenunterhalt, sohin auch <strong>für</strong> den<br />

gemäß § 55 iVm § 61 Abs. 3 EheG schuldlos oder minder schuldig Geschiedenen keine Luxusgrenze.<br />

61<br />

2.3.1.2.2 „angemessener Unterhalt“ (Scheidung gemäß § 49 EheG)<br />

Der gemäß § 49 EheG allein oder überwiegend schuldig Geschiedene hat gemäß § 66 EheG<br />

dem anderen, soweit dessen Einkünfte aus Vermögen und die Erträgnisse einer<br />

Erwerbstätigkeit, die von ihm den Umständen nach erwartet werden können, nicht ausreichen,<br />

den nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten „angemessenen Unterhalt“ zu gewähren. Der<br />

„angemessene Unterhalt“ stellt jene ökonomischen Verhältnisse dar, in denen die Ehegatten<br />

zuletzt (zur Zeit der Scheidung) lebten.<br />

Der Unterhaltsberechtigte hat jedoch – im Gegensatz zu dem gemäß § 55 EheG iVm § 61 Abs.<br />

3 EheG schuldlos Geschiedenen - seine Arbeitskraft <strong>für</strong> die Beschaffung des eigenen<br />

Unterhaltes einzusetzen, d.h. er ist zu Berufstätigkeit verpflichtet.<br />

Die Rechtsprechung orientiert sich bei der Höhe des Unterhalts an den Prozentregelungen in<br />

aufrechter Ehe, daher besteht auch <strong>für</strong> den „angemessenen Unterhalt“ nach der ständigen<br />

Judikatur des OGH keine Luxusgrenze. 62<br />

60 siehe Kapitel 2.3.1.1<br />

61 EFSlg 90.386; u.a.<br />

62 ebenda<br />

26


Bei dieser Art des Unterhalts reduzieren nach der ständigen Judikatur des OGH alle<br />

Unterhaltspflichten, sohin nicht nur die <strong>für</strong> „neue“ Kinder, sondern auch neu entstehende<br />

Unterhaltspflichten <strong>für</strong> einen „neuen“ Ehegatten, die Prozentsätze des Unterhaltsanspruches:<br />

• je Kind: Reduktion um 3 bis 4 %,<br />

• eine einkommenslose (zweite) Ehefrau: Reduktion um 2 %.<br />

Zwischen dem „neuen“ Ehegatten und dem Unterhaltsberechtigten aus der geschiedenen Ehe<br />

besteht sohin Gleichrangigkeit.<br />

Der Anspruch auf den „angemessenen Unterhalt“ ist jedoch kein unbedingter. Er ist in der<br />

überwiegenden Mehrzahl der Fälle gemäß § 68a Abs. 1 und 2 EheG befristet zu gewähren und<br />

besteht nur dann, wenn<br />

• entweder das Einkommen des schuldlos oder wenig schuldig Geschiedenen aus<br />

Vermögen und Erwerbstätigkeit, das von ihm den Umständen nach erwartet werden<br />

kann, zur Deckung seines angemessenen Lebensunterhaltes nicht ausreichen, um ihm<br />

den nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt zu<br />

verschaffen oder<br />

• ihm Berufstätigkeit nicht zugemutet werden kann und<br />

• eine Gefährdung des angemessenen Unterhaltes des Unterhaltspflichtigen bei<br />

Berücksichtigung seiner sonstigen Unterhaltspflichten durch diesen Unterhalt nicht<br />

gegeben ist.<br />

Dem gemäß § 49 EheG allein oder überwiegend schuldig Geschiedenen ist gemäß § 68a EheG<br />

Berufstätigkeit insbesondere dann nicht zumutbar, wenn<br />

• ein gemeinsames Kind beider Ehegatten das fünfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat<br />

und der Unterhaltsberechtigte während der Ehe auf Grund der einvernehmlichen<br />

Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht oder nur teilweise berufstätig war<br />

oder sich in Karenzurlaub befindet; dieser Unterhalt ist bis zur Vollendung des 5.<br />

Lebensjahres des Kindes, über das fünfte Lebensjahr des jüngsten Kindes hinaus jeweils<br />

auf längstens drei Jahre zu befristen, auf Grund einer besonderen<br />

Betreuungsbedürftigkeit des Kindes kann das Gericht von einer Befristung absehen (§<br />

68a Abs. 1 EheG) oder<br />

• der Unterhaltsberechtigte sich während der Ehe auf Grund der einvernehmlichen<br />

Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft sowie gegebenenfalls der Pflege und<br />

Erziehung eines gemeinsamen Kindes oder der Betreuung eines Angehörigen eines der<br />

Ehegatten gewidmet hat, sohin während der Ehe nicht oder nur teilweise berufstätig war,<br />

und ihm auf Grund des dadurch bedingten Mangels an Erwerbsmöglichkeiten, etwa<br />

wegen mangelnder beruflicher Aus- oder Fortbildung, der Dauer der ehelichen<br />

Lebensgemeinschaft, seines Alters oder seiner Gesundheit, nicht zugemutet werden<br />

kann, sich ganz oder zum Teil selbst zu erhalten; dieser Unterhalt ist auf jeweils<br />

längstens 3 Jahre zu befristen, wenn erwartet werden kann, dass der Geschiedene nach<br />

Ablauf dieser Frist in der Lage sein wird, seinen Unterhalt, insbesondere durch eine<br />

zumutbare Erwerbstätigkeit zu sichern (§ 68 Abs. 2 EheG).<br />

Der Unterhaltspflichtige ist gemäß § 67 Abs. 2 EheG von der Unterhaltspflicht gänzlich<br />

befreit, wenn der andere seinen Unterhalt aus dem Stamm seines Vermögens bestreiten kann.<br />

27


Wenn der Unterhaltspflichtige durch den von ihm zu leistenden angemessenen Unterhalt bei<br />

Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen seinen eigenen angemessenen Unterhalt<br />

und/oder den anderer Personen, denen er ebenfalls Unterhalt schuldet, gefährdet, wird der<br />

Unterhalt gemäß § 67 Abs. 1 EheG reduziert, der Unterhaltspflichtige wird lediglich zum<br />

„Billigkeitsunterhalt“ 63 gemäß § 67 Abs. 1 EheG verpflichtet. Die Differenz auf den<br />

angemessenen Unterhalt ist von den Verwandten (in subsidiärer Reihenfolge: Eltern, Kinder,<br />

Großeltern) des Unterhaltsberechtigten zu leisten.<br />

Gemäß § 68a Abs. 3 EheG verringert sich dieser Unterhaltsanspruch oder besteht gar nicht,<br />

wenn die Gewährung des Unterhalts unbillig wäre, weil der Bedürftige einseitig besonders<br />

schwerwiegende Eheverfehlungen begangen oder seine Bedürftigkeit grob schuldhaft<br />

herbeigeführt hat oder ein gleich schwerwiegender Grund vorliegt.<br />

2.3.1.2.3 „Billigkeitsunterhalt“<br />

Der sogenannte „Billigkeitsunterhalt“ entsteht:<br />

a) wenn eine Ehe gemäß § 55 EheG ohne Schuldausspruch gemäß § 61 Abs. 3 EheG<br />

geschieden wird,<br />

b) bei einvernehmlicher Scheidung (§ 55 a EheG), die keine rechtswirksame Vereinbarung<br />

über Unterhalt enthält,<br />

c) wenn eine Ehe ohne Schuldausspruch wegen Eheverfehlungen, die auf geistiger Störung<br />

beruhen (§ 50 EheG), wegen Geisteskrankheit (§ 51 EheG) oder ansteckender oder<br />

ekelerregender Krankheit (§ 52 EheG) geschieden wird,<br />

d) wenn der schuldig geschiedene Unterhaltspflichtige (§ 49 EheG) durch den von ihm zu<br />

leistenden „angemessenen Unterhalt“ seinen eigenen angemessenen Unterhalt und/oder<br />

den anderer Personen, die nach ihm unterhaltsberechtigt sind, gefährdet.<br />

Ist die Ehe ohne Schuldausspruch (§§ 50 bis 52 und 55 EheG) geschieden worden, erhält nur<br />

der während der Ehe auf Grund der einvernehmlichen Gestaltung der ehelichen<br />

Lebensgemeinschaft nicht berufstätig gewesene Ehegatte Unterhalt, wenn<br />

• er die Scheidung nicht eingereicht hat,<br />

• er nicht oder nicht ausreichend <strong>für</strong> sich selbst sorgen oder<br />

• ihm Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann 64 , und<br />

• die Gewährung des Unterhalts mit Rücksicht auf die Bedürfnisse, die Vermögens- und<br />

Erwerbsverhältnisse des Unterhaltspflichtigen sowie der gemäß § 71 EheG<br />

unterhaltspflichtigen Verwandten (in subsidiärer Reihenfolge: Eltern, Kinder,<br />

Großeltern) des Unterhaltsberechtigten der Billigkeit entspricht.<br />

2.3.1.2.4 „Notdürftiger Unterhalt“<br />

63 siehe Kapitel 2.3.1.2.3<br />

64 siehe Kapitel 2.3.1.2.2<br />

28


Seit Inkrafttreten des Eherechtsänderungsgesetzes 1999 (EheRÄG 1999), BGBl. I Nr.<br />

125/1999, besteht zudem die Möglichkeit eines verschuldensunabhängigen Anspruches auf<br />

Unterhalt <strong>für</strong> geschiedene Ehegatten.<br />

Der „notdürftige Unterhalt“ entsteht aus den folgenden Rechtsgründen:<br />

a) Wenn beide Ehegatten an der Scheidung schuld sind, aber keiner die überwiegende<br />

Schuld trägt, so kann demjenigen, der sich nicht selbst erhalten kann, ein - auch zeitlich<br />

beschränkter - Beitrag zu seinem Unterhalt, der „notdürftige Unterhalt“- unter<br />

Umständen auf jeweils 3 Jahre befristet - zugebilligt werden, sofern dies den<br />

Einkommensverhältnissen des anderen entspricht.<br />

b) Dem schuldig Geschiedenen, der während langjähriger Ehe auf Grund der<br />

einvernehmlichen Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht berufstätig<br />

gewesen ist und dem auf Grund mangelnder beruflicher Ausbildung, der Dauer der Ehe,<br />

seines Alters oder seiner Gesundheit oder des Mangels an Erwerbsmöglichkeiten die<br />

Berufstätigkeit nicht zugemutet werden kann oder der sich nicht ganz oder zum Teil<br />

selbst erhalten kann (z.B. aus seinem Vermögen oder aus dem Stamm seines<br />

Vermögens), hat der andere Ehegatte nach der Scheidung gemäß § 68a EheG den<br />

„notdürftigen Unterhalt“ - unter Umständen auf jeweils 3 Jahre befristet - zu gewähren.<br />

Die Höhe des „notdürftigen Unterhalts“ wird immer durch den Ausgleichszulagenrichtsatz als<br />

konventionelles Existenzminimum bestimmt.<br />

Wenn der Unterhaltspflichtige jedoch durch den Unterhalt seinen eigenen angemessenen<br />

Unterhalt und den anderer Unterhaltsberechtigter gefährdet, haben ausschließlich die<br />

Verwandten Unterhalt zu leisten.<br />

Dieser Grundsatz der Subsidiarität der Unterhaltsverpflichtung des geschiedenen Ehegatten<br />

gilt jedoch dann nicht, wenn er nicht der Billigkeit entspricht. Dies ist dann der Fall, wenn der<br />

geschiedene Ehegatte über ein derart hohes Einkommen verfügt, das jenes der primär<br />

unterhaltspflichtigen Kinder um ein Vielfaches übersteigt. Ist dies der Fall, haben nicht<br />

(ausschließlich) die Kinder sondern primär der geschiedene Ehegatte den „notdürftigen<br />

Unterhalt“ zu leisten.<br />

Der Anspruch auf „notdürftigen Unterhalt“ vermindert sich oder besteht gemäß § 68a Abs. 3<br />

EheG nicht, wenn dieser unbillig wäre, weil<br />

• der Bedürftige einseitig besonders schwerwiegende Eheverfehlungen begangen, oder<br />

• seine Bedürftigkeit grob schuldhaft herbeigeführt hat, oder<br />

• ein gleich schwerwiegender Grund vorliegt, oder<br />

• die Ehe nur kurz gedauert hat.<br />

Je gewichtiger diese Gründe sind, desto eher ist vom Bedürftigen zu verlangen, seinen<br />

Unterhalt durch die Erträgnisse einer anderen als der „zumutbaren Erwerbstätigkeit" oder aus<br />

dem Stamm seines Vermögens zu decken.<br />

2.3.1.2.5 Unterhalt nach einvernehmlicher Scheidung (§ 55a EheG):<br />

29


Da „<strong>für</strong> eine Scheidung nach § 55a EheG ... das Ehegesetz (vgl. §§ 66ff) keinen gesetzlichen<br />

Unterhaltsanspruch vorsieht“ 65 , ist die Scheidungsvereinbarung ein privatrechtlicher Vertrag. 66<br />

Die Ehegatten können daher in der Scheidungsvereinbarung völlig frei untereinander<br />

vereinbaren, ob – und falls ja, wer von beiden, in welcher Höhe und <strong>für</strong> welche Zeitdauer –<br />

unterhaltsberechtigt ist.<br />

Bei wesentlicher Änderung der Einkommensverhältnisse setzt das Gericht einen mit<br />

einvernehmlicher Scheidung entstandenen Unterhaltsanspruch durch ergänzende<br />

Vertragsauslegung neu fest. Die Gerichte gehen in aller Regel – auch dann, wenn die Relation<br />

zwischen Einkommen und vereinbartem Unterhalt im Scheidungsvergleich nicht ausdrücklich<br />

vereinbart wurde – davon aus, dass die Ehegatten bei der einvernehmlichen Scheidung bei<br />

Kenntnis dieser Einkommensänderung den Unterhalt in der Höhe vereinbart hätten, wie es der<br />

aus dem Scheidungsvergleich hervorgehenden Relation zwischen Einkommen und Unterhalt<br />

entspricht. Liegt sohin eine wesentliche Änderung der Einkommensverhältnisse vor, wird der<br />

in der Scheidungsvereinbarung zuerkannte Unterhalt entsprechend der Änderung des<br />

Einkommens verringert oder aber erhöht.<br />

Auf Unterhalt kann bei der einvernehmlichen Scheidung – einseitig oder aber auch<br />

wechselseitig – auch verzichtet werden.<br />

Wenn in einer einvernehmlichen Scheidung keine (wirksame) Vereinbarung über den<br />

Unterhalt getroffen wurde, hat der Ehegatte, der während der Ehe auf Grund der<br />

einvernehmlichen Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft<br />

• wegen der Pflege und Erziehung eines gemeinsamen Kindes nicht berufstätig war –<br />

jedenfalls bis zum vollendeten 5. Lebensjahr des jüngsten Kindes, darüber<br />

hinausgehende Befristungen sind im Einzelfall zulässig – oder<br />

• wegen der Haushaltsführung sowie gegebenenfalls der Pflege und Erziehung eines<br />

gemeinsamen Kindes oder der Betreuung eines Angehörigen nicht berufstätig war und<br />

dem Erwerbstätigkeit nicht zumutbar ist,<br />

jedenfalls gemäß § 69a EheG Anspruch auf „angemessenen Unterhalt“ 67 .<br />

2.3.1.2.6 Verzicht auf Unterhalt<br />

Bei einer großen Zahl einvernehmlicher Scheidungen (§ 55a EheG) wird auf Unterhalt, oftmals<br />

unter Ausschluss der Umstandsklausel auch <strong>für</strong> den Fall der Not, verzichtet.<br />

Erweist sich jedoch ein bei einvernehmlicher Scheidung geschlossener Unterhaltsverzicht als<br />

rechtsunwirksam, kann jedem der Ehegatten in analoger Anwendung des § 69 Abs. 3 EheG der<br />

sogenannte „Billigkeitsunterhalt“ 68 zustehen. 69<br />

65 3 Ob 115/00h; 1 Ob 122/97s; 7 Ob 208/98h; u.a.<br />

66 6 Ob 2155/96x; u.a.<br />

67 vgl. Kapitel 2.3.1.2.2<br />

68 vgl. Kapitel 2.3.1.2.3<br />

69 1 Ob 2131/96f; 5 Ob 604/84; 3 Ob 550/90; 1 Ob 2131/96f; u.v.a.<br />

30


Ein gleiches gilt, d.h. „Billigkeitsunterhalt“ kann nachträglich entstehen, wenn in der<br />

Vereinbarung bei einvernehmlicher Scheidung wechselseitig auf Unterhalt verzichtet und die<br />

Umstandsklausel auch <strong>für</strong> den Fall der Not ausgeschlossen wurde, nachträglich aber einer der<br />

auf Unterhalt verzichtenden Parteien - gegenüber der Erwartungshaltung anlässlich des<br />

Vergleichsabschlusses – unerwartet (wegen schwerer Erkrankung oder ähnlicher Umstände) in<br />

Not verfällt. 70 Solche Unterhaltsverzichte werden – wenn der in Not Geratene höchstens<br />

gleichteiliges Verschulden zu vertreten und demnach grundsätzlich Anspruch auf<br />

„angemessenen Unterhalt“ 71 oder „Billigkeitsunterhalt“ 72 gehabt hätte - nach der ständigen<br />

Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes als sittenwidrig (geworden) qualifiziert, weil das<br />

Beharren auf dem bei der Scheidung vereinbarten Unterhaltsverzicht dem nachträglich wegen<br />

schwerer Erkrankung oder ähnlicher Umstände unerwartet in Not Geratenen die<br />

Existenzgrundlage entzöge. 73<br />

2.3.1.3 Unterhaltspflicht <strong>für</strong> Kinder<br />

Gemäß § 140 Abs. 1 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen<br />

angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten,<br />

Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach ihren Kräften anteilig beizutragen.<br />

Der Unterhaltsanspruch der im gemeinsamen Haushalt lebenden Kinder an ihre Eltern ist ein<br />

Anspruch auf Naturalunterhalt. Naturalunterhalt ist die unmittelbare Befriedigung der<br />

angemessenen Kindesbedürfnisse durch Sach- oder Dienstleistungen, die der<br />

Unterhaltspflichtige selbst erbringt oder deren Erbringung durch Dritte er bezahlt. Die<br />

Bezahlung von Wohnungsbenützungskosten (Betriebskosten, Reparaturen, Gas, Elektrizitäts-,<br />

Telefon- und Fernsehgebühren etc.) stellt den Naturalunterhalt der Unterkunftsgewährung an<br />

das Kind dar. Zum Naturalunterhalt gehört aber auch ein dem Kindesalter und den elterlichen<br />

Lebensverhältnissen angemessenes Taschengeld <strong>für</strong> die individuelle Befriedigung<br />

höchstpersönlicher Bedürfnisse wie etwa Konsumationen außer Haus oder von kulturellen,<br />

sportlichen oder gesellschaftlichen Freizeitbedürfnissen. Der Elternteil, der den Haushalt führt,<br />

in dem er das Kind betreut, leistet gemäß § 140 Abs. 2, 1. Satz, ABGB dadurch seinen Beitrag,<br />

das ist der sogenannte „Naturalunterhalt“. Dieser Naturalunterhalt wird auch durch Übergabe<br />

von Wirtschaftsgeld an die haushaltsführende Person <strong>für</strong> das Kind geleistet. 74<br />

Dieser Naturalunterhalt wandelt sich – ohne jedwede gerichtliche Verfügung – in<br />

Geldunterhalt, sobald ein Elternteil mit dem Kind nicht mehr im gemeinsamen Haushalt<br />

wohnhaft ist. Die Höhe des Einkommens desjenigen Elternteiles, der mit dem Kind im<br />

gemeinsamen Haushalt lebt, ist <strong>für</strong> die Bemessung der Höhe des Geldunterhaltes ohne<br />

Bedeutung. 75<br />

70<br />

3 Ob 229/98t; u.a.<br />

71<br />

Kapitel 2.3.1.2.2<br />

72<br />

Kapitel 2.3.1.2.3<br />

73<br />

EFSlg 25.102; EFSlg 35.241; EFSlg 40.045; EFSlg 69.303 u.v.a<br />

74<br />

6 Ob 230/01v; u.v.a<br />

75<br />

8 Ob 552/92; u.a.<br />

31


Diese Grundsätze gelten sowohl <strong>für</strong> den Unterhalt der Kinder sowohl während aufrechter Ehe<br />

als auch nach Scheidung als auch <strong>für</strong> den Unterhalt unehelicher Kinder. Bei einvernehmlicher<br />

Scheidung haben die Eltern gemäß § 55a Abs. 2 EheG schriftlich zu vereinbaren, bei wem von<br />

beiden das Kind sich hinkünftig aufhalten wird, und die Höhe des Unterhaltes <strong>für</strong> das Kind<br />

betragsmäßig zu fixieren. Diese Vereinbarung bedarf gemäß § 154 Abs. 3 ABGB der<br />

pflegschaftsbehördlichen Genehmigung.<br />

Die Bemessungsgrundlage des Geldunterhaltes ist nach ständiger Judikatur des OGH im<br />

Regelfall ein altersabhängiger Prozentsatz des sogenannten „durchschnittlichen monatlichen<br />

Nettoeinkommens“ 76 , da dieser nach Rechtsmeinung des OGH eine <strong>für</strong> durchschnittliche Fälle<br />

brauchbare Handhabe darstellt, um einerseits den Unterhaltsberechtigten angemessen an den<br />

Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen teilhaben zu lassen und andererseits Gewähr<br />

bietet, dass gleich gelagerte Fälle im Interesse der Rechtssicherheit und Vergleichbarkeit auch<br />

gleich behandelt werden. 77<br />

Da sich die Lebensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen nach seinem Stand, Vermögen,<br />

Einkommen, seinen familiären Verhältnissen, gesetzlichen Sorgepflichten etc. bestimmen, ist -<br />

wenn der Unterhaltspflichtige den Unterhalt aus seinem laufenden Einkommen nicht zu<br />

bestreiten vermag – zur Bemessung des Unterhaltes nicht nur das durchschnittliche monatliche<br />

Nettoeinkommen aus unselbständiger oder selbständiger Erwerbstätigkeit sondern auch die<br />

Erträgnisse aus dem Vermögen des Unterhaltspflichtigen <strong>für</strong> die wirtschaftliche<br />

Leistungsfähigkeit maßgebend, weil diese Faktoren die in § 140 Abs. 1 ABGB genannten<br />

Lebensverhältnisse wesentlich bestimmen. 78<br />

Der altersabhängige Prozentsatz beträgt <strong>für</strong> ein Kind im Alter von<br />

• bis zu 6 Jahren 16 %<br />

• 6 bis 10 Jahren 18 %<br />

• 10 bis 15 Jahren 20 %<br />

• ab 15 Jahren 22 %.<br />

Hat der Unterhaltspflichtige außer <strong>für</strong> das eine unterhaltsfordernde Kind noch <strong>für</strong> andere<br />

Personen Unterhaltspflichten zu tragen, reduzieren sich diese Prozentsätze um die folgenden<br />

Prozente:<br />

• <strong>für</strong> jede einkommenslose Ehefrau 3 %<br />

• <strong>für</strong> jede teilweise berufstätige Ehefrau 1 oder 2 %<br />

• <strong>für</strong> jedes Kind über 10 Jahren 2 %<br />

• <strong>für</strong> jedes Kind unter 10 Jahren 1 %.<br />

Der OGH erkennt in ständiger Judikatur 79 , dass wenn einem Kind weniger oder mehr<br />

zugesprochen werden soll, als sich nach der Prozentsatzmethode ergibt, es einer besonderen<br />

Rechtfertigung <strong>für</strong> die Abweichung bedarf. Diese Rechtfertigung wird bei besonders großem<br />

76 zur Definition des durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens siehe Kapitel 2.3.1.1<br />

77 2 Ob 567/95; 6 Ob 566/90; 6 Ob 2098/96i; EFSlg 61.818; u.v.a.<br />

78 6 Ob 625/91; 1 Ob 622/93; 1 Ob 509/93; u.a.<br />

79 5Ob526/94; 1Ob233/01y; u.a.<br />

32


Leistungsvermögen des Unterhaltsschuldners darin gesehen, dass es durch den Zweck der<br />

Unterhaltsleistung nicht geboten und aus pädagogischen Gründen sogar abzulehnen ist,<br />

Luxusbedürfnisse des Kindes zu befriedigen. Die Prozentkomponente ist daher nicht voll<br />

auszuschöpfen, wenn es nach diesen Kriterien zu einer verschwenderischen vom vernünftigen<br />

Bedarf eines Kindes völlig losgelösten Überalimentierung kommen würde. Wo die Grenzen<br />

einer den Bedürfnissen des Kindes und dem Leistungsvermögen des Unterhaltsschuldners<br />

angemessenen Alimentierung zu ziehen sind, lässt sich nach Rechtsansicht des OGH nur im<br />

Einzelfall beurteilen. Als Regel <strong>für</strong> den Durchschnittsfall kann gelten, dass es wegen des<br />

pädagogisch wichtigen Leistungsanreizes vermieden werden soll, die Unterhaltsleistung an das<br />

die Selbsterhaltungsfähigkeit herstellende Einkommen eines voll Erwerbstätigen<br />

heranzuführen; der OGH billigt aber auch die Praxis, den Unterhalt eines Kindes mit dem<br />

Zwei- bis Zweieinhalbfachen des „Regelbedarfes“, der sogenannten „Luxusgrenze“, zu<br />

limitieren. 80 In einer Vielzahl von Entscheidungen 81 vertritt der OGH daher die<br />

Rechtsauffassung, dass der Unterhalt diese „Luxusgrenze“, nicht überschreiten soll.<br />

Insbesondere bei jüngeren Kindern, bis zum 10. oder 12. Lebensjahr, neigt der OGH jedoch<br />

dazu, die „Luxusgrenze“ nicht voll auszuschöpfen, begrenzt den Unterhaltssatz mit dem<br />

Zweifachen des Regelbedarfssatzes 82 , und begründet dies damit, dass die „undifferenzierte<br />

Handhabung der Prozentkomponente“ der Deckung der, an den Lebensverhältnissen des<br />

Unterhaltspflichtigen orientierten Lebensbedürfnisse, sohin § 140 Abs. 1 ABGB, widerspricht.<br />

Bei Unterhaltsberechtigten ab dem 10., jedenfalls aber ab dem 12. Lebensjahr schöpft der<br />

OGH die „Luxusgrenze“ mit dem Zweieinhalbfachen des sogenannten Regelbedarfes jedoch<br />

voll aus, 83 lässt insbesondere bei Volljährigen, wenn die Überschreitung des<br />

Zweieinhalbfachen an den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen orientiert ist, auch<br />

die Überschreitung der „Luxusgrenze“ zu, und begrenzt den Unterhalt nach der<br />

Prozentkomponente nur um eine pädagogisch schädliche Überalimentierung 84 zu vermeiden.<br />

Die jeweils gültige Höhe des sogenannten „Regelbedarfes“ wird vom Bundesminister <strong>für</strong><br />

Justiz jährlich dem Verbraucherpreisindex 1966 angepasst und jeweils <strong>für</strong> den Zeitraum 1. Juli<br />

bis 30. Juni eines jeden Jahres bekannt gegeben. Der Regelbedarf ist abgestellt auf eine fiktive<br />

Durchschnittsfamilie, bestehend aus zwei Kindern und zwei Erwachsenen mit einem<br />

Verbrauchsausgaberahmen in Höhe von derzeit (Stand 1. Juli 2002) zwischen € 1.049,-- bis<br />

€ 1.536,--.<br />

Derzeit beträgt der Regelbedarf <strong>für</strong> ein Kind im Alter:<br />

80<br />

5 Ob 526/94; u.a.<br />

81<br />

4 Ob 1512/90; 3 Ob 1509/90; 6 Ob 606/90; 7 Ob 671/90; 7 Ob 652/90; 3 Ob 573/91; 3 Ob<br />

1501/91; 6 Ob 628/91; 8 Ob 602/91; 9 Ob1751/91; 4 Ob 1592/92; 5 Ob 516/92; 8 Ob 552/92; 8<br />

Ob 1688/92; 1 Ob 509/93; 1 Ob 579/93; 1 Ob 512/94; 1 Ob 531/94; 4 Ob 540/94; 4 Ob 1511/94; 5<br />

Ob 526/94; 1 Ob 504/95; 2 Ob 2029/96p; 2 Ob 2261/96f; 6 Ob 501/96; 8 Ob 2329/96z; 10 Ob<br />

2416/96h; 3 Ob 351/97g; 4 Ob 139/97p; 9Ob 399/97k; 1 Ob 8/98b; 1 Ob 311/98m; 7 Ob<br />

224/98m; 2 Ob 76/99m; 9 Ob 265/00m; 1 Ob 233/01y; 2 Ob 139/01g; EFSlg 42.682; EFSlg<br />

53.142; u.v.a<br />

82<br />

4 Ob 164/98s; u.a.<br />

83<br />

3 Ob 1509/90; EFSlg 64.660; EFSlg 64.983; u.a<br />

84<br />

1 Ob 233/01y; u.a.<br />

33


• bis drei Jahre € 155,--<br />

• von drei bis 6 Jahren € 198,--<br />

• von sechs bis zehn Jahren € 255,--<br />

• von zehn bis 15 Jahren € 293,--<br />

• von 15 bis 19 Jahren € 344,--<br />

• von 19 bis 28 Jahren € 434,--.<br />

Gitschthaler 85 führt zur Rechtsmeinung des OGH, unterhaltsberechtigte Kinder dürften nach<br />

Scheidung oder Trennung der Eltern nicht schlechter gestellt werden als bei Fortdauer der Ehe,<br />

aus, dass diesem Grundsatz durchaus beizupflichten sei. Die Annahme eines Unterhaltsstopps<br />

habe nun durchaus seine Berechtigung, wenn der OGH die Rechtsansicht vertrete, der<br />

obsorgeberechtigte Elternteil könne nicht durch sehr hohe Unterhaltsbeträge zur Vermögensbildung<br />

des Kindes gezwungen werden. Habe dem Kind aber jedes Monat der gesamte<br />

Unterhaltsbetrag tatsächlich zur Verfügung zu stehen, entstehe in der Praxis wohl weniger das<br />

Problem der Überalimentierung als vielmehr die Gefahr, dass das Kind Teile seines<br />

Unterhaltes anderen Personen (dem obsorgeberechtigten Elternteil oder Geschwistern) zugute<br />

kommen lasse. Dieser Gefahr lasse sich durch das Einziehen der Obergrenze begegnen.<br />

Prinzipiell sind gemischte Unterhaltsleistungen – einerseits Naturalunterhalt und zugleich<br />

Geldunterhalt – , wenn die Verpflichtung zu Geldunterhalt besteht, weil das Kind mit dem<br />

Unterhaltspflichtigen nicht im gemeinsamen Haushalt wohnt, unzulässig. 86<br />

Die Herabsetzung der Höhe des Unterhalts kann nach der ständigen Judikatur des OGH 87<br />

jedoch dann erfolgen, wenn sich das unterhaltsberechtigte Kind regelmäßig im Haushalt des<br />

nichtobsorgeberechtigten Elternteiles aufhält und dieser regelmäßige Aufenthalt bewirkt, dass<br />

der obsorgeberechtigte Elternteil nur einen Teil jener Aufwendungen hat, die der Geldunterhalt<br />

abgelten soll, der Unterhaltsberechtigte zur Bestreitung seines vollständigen Unterhalts sohin<br />

nur mehr eines geringeren Geldbetrages bedarf. In einem solchen Fall ist gemischter Unterhalt,<br />

bestehend auf Naturalleistung und Geldleistung, nach der Judikatur des OGH zulässig. 88<br />

Entscheidungsgrundlage bei der Bemessung des Geldunterhaltes in diesen Fällen ist nach<br />

ständiger Judikatur, wenn durch die vorübergehende Betreuung des Kindes durch den<br />

nichtobsorgeberechtigten Elternteil beim Obsorgeberechtigten einzelne Teilbereiche des<br />

Unterhalts entfallen (etwa Verköstigung oder Reinigung der Wäsche), andere Aufwendungen<br />

des Obsorgeberechtigten (etwa die Bereithaltung von Wohnraum und Anschaffung von<br />

Kleidern) jedoch unberührt bleiben. Bei der Bemessung der Höhe des „gemischten“<br />

Geldunterhaltes geht der OGH daher nicht von den tatsächlichen Aufwendungen des<br />

Unterhaltspflichtigen, sondern ausschließlich von den ersparten Aufwendungen des<br />

Obsorgeberechtigten aus. 89<br />

85<br />

Gischthaler, Edwin: Unterhaltsrecht. Wien 2001, Rz 257<br />

86<br />

10 Ob 118/97v; u.v.a.<br />

87<br />

EFSlg 42.752; EFSlg 50.441; EFSlg 61.917; EFSlg 70.715; EFSlg 73.955; 4 Ob 518/94; 3 Ob<br />

1611-1613/94; u.a.<br />

88<br />

EFSlg 42.752; EFSlg 50.441; 8 Ob 602/90; 8 Ob 1661/93; 10 Ob 2018/96d; 2 Ob 2132/96k; 6<br />

Ob 20/97b; 10 Ob 118/97v; 2 Ob 319/99x; u.a.<br />

89<br />

8 Ob 1661/93; u.a.<br />

34


Über die Höhe des Geldunterhaltes bei der seit Inkrafttreten des KindRÄG 2001 (§ 177<br />

ABGB) möglichen gemeinsamen Obsorge beider Eltern besteht noch keine Judikatur der<br />

Zweitinstanzen und des OGH. Es ist jedoch zu erwarten, dass bei der Bemessung der Höhe des<br />

Geldunterhaltes der OGH analog zur oben zitierten Judikatur entschieden werden wird, der<br />

Geldunterhalt sohin, wenn durch die vorübergehende Betreuung des Kindes durch den<br />

nichtobsorgeberechtigten Elternteil beim Obsorgeberechtigten einzelne Teilbereiche des<br />

Unterhalts entfallen, um die ersparten Aufwendungen des Obsorgeberechtigten zu reduzieren<br />

sein wird.<br />

Die Kosten der sogenannten „Besuchszeit“ der Kinder beim Vater reduzieren die Höhe des<br />

Unterhalts jedoch nicht. 90 Eine „flexible“ Besuchsregelung mit häufigen, <strong>für</strong> die Vater-Kind-<br />

Beziehung wichtigen Kontakten geht daher derzeit finanziell ausschließlich zu Lasten jener<br />

Väter, die neben ihrer Verpflichtung zu Unterhalt den Kindern die ihrem Vermögen,<br />

Einkommen und den familiären Verhältnissen entsprechende Wohnmöglichkeiten und<br />

Freizeitmöglichkeiten, etc. bieten.<br />

Auf Grund der Reduktion des Kontaktes nichtobsorgeberechtigter Väter zu ihren Kindern nach<br />

der Scheidung 91 , kann allerdings angenommen werden, dass die Anzahl geschiedener Väter,<br />

die durch große Besuchshäufigkeit finanziell wesentlich belastet sind, nicht sehr groß ist. Es<br />

stellt sich umgekehrt natürlich die Frage, ob die finanzielle Einengung der Väter nach der und<br />

durch die Scheidung gegebenenfalls Einfluss darauf hat, das Besuchsrecht nicht auf Dauer<br />

wahrzunehmen.<br />

Mehr als die Hälfte der Unterhaltsberechtigten erhalten Unterhalt zwischen € 80,-- und 145,--;<br />

fast ein Fünftel der Unterhaltsberechtigten zwischen € 44,-- bis € 73,-- und ein weiteres Fünftel<br />

Unterhalt in Höhe von mehr als € 145,--.<br />

In Sonderfällen kann zum laufenden Unterhalt der sogenannte „Sonderbedarf“ treten; dieser<br />

hat stets Ausnahmecharakter. 92 „Sonderbedarf“ stellt den, einem unterhaltsberechtigten Kind in<br />

Ausnahmefällen erwachsenden Mehrbedarf dar, der über den allgemeinen Durchschnittsbedarf<br />

eines gleichaltrigen Kindes in Österreich ohne Rücksicht auf die konkreten Lebensverhältnisse<br />

seiner Eltern hinausgeht. 93<br />

Sonderbedarf stellt nach der ständigen Judikatur des OGH zum Beispiel eine Zahnregulierung,<br />

Kindergarten, Internatsunterbringung, 94 die mit einem Auslandsaufenthalt des Kindes<br />

verbundenen erheblich höheren finanziellen Aufwendungen, 95 das Studium an einer<br />

ausländischen Privatuniversität mit hohen Studiengebühren, 96 das Schulgeld einer<br />

90<br />

4 Ob 507/92; 8 Ob 1661/93; 8 Ob 2263/96v; 6 Ob 20/97b; 6 Ob 2362/96p; 6 Ob 382/97p; 6 Ob<br />

16/98s; 2 Ob 319/99x; 6 Ob 176/00a; u.a.<br />

91<br />

vgl. Kapitel 2.2.1<br />

92<br />

1 Ob 350/98x; 1 Ob 143/02i; u.v.a.<br />

93<br />

4 Ob 108/98f; u.a.<br />

94<br />

EFSlg 35.322; EFSlg 42.699; u.a.<br />

95<br />

1 Ob 16/02p; u.a.<br />

96 3 Ob 270/98x; u.a.<br />

35


Privatschule, wenn die Aufnahme in eine öffentliche Schule trotz zeitgerechter und<br />

nachdrücklicher Bemühungen des Unterhaltsberechtigten wegen Auslastung der<br />

Aufnahmekapazität nicht möglich ist, 97 dar.<br />

Kein Sonderbedarf sind die Kosten einer Schulschiwoche oder einer Schulsportwoche, diese<br />

Kosten sind daher aus dem laufenden Unterhalt zu decken und grundsätzlich nicht als<br />

Sonderbedarf zu qualifizieren. 98 Dies auch dann, wenn nur ein unter dem sogenannten<br />

„Regelbedarf“ liegender Unterhalt geleistet wird.<br />

Bestehen gleichwertige Alternativen, die einen Sonderbedarf erübrigen, so genießt sohin<br />

immer die den Unterhaltspflichtigen weniger belastende Alternative den Vorzug. 99<br />

Wenn daher der Sonderbedarf aus öffentlichen Mitteln, insbesondere aus Mitteln der<br />

Sozialversicherungsträger, getragen wird oder zu tragen ist, kann seine Deckung dem<br />

Unterhaltspflichtigen nicht aufgetragen werden. Ebenso sind bei der Entscheidung über einen<br />

Sonderbedarf sämtliche Leistungen zu berücksichtigen, die aus welchem Grund immer von<br />

anderen Personen (z.B. dem Dienstgeber) mit der Widmung <strong>für</strong> diesen Sonderbedarf erbracht<br />

wurden. 100<br />

Ob ein solcher Sonderbedarf vom Unterhaltspflichtigen zu decken ist, hängt davon ab,<br />

wodurch dieser Sonderbedarf verursacht wurde, und ob dessen Deckung dem<br />

Unterhaltspflichtigen angesichts seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse zumutbar<br />

ist, und auch die intakte Familie bei Bedachtnahme auf die konkrete Einkommens- und<br />

Vermögenslage der gesamten Familie die Deckung dieses konkreten Sonderbedarfs unter<br />

objektiven Gesichtspunkten in Betracht zöge. 101 Immer dann, wenn der<br />

Geldunterhaltspflichtige zur Zahlung von Unterhaltsbeträgen, die den Regelbedarf deutlich<br />

übersteigen, verhalten ist, darf er nach der ständigen Judikatur des OGH in aller Regel mit dem<br />

Sonderbedarf nicht noch weiter belastet werden; die <strong>für</strong> die besonderen Aktivitäten des<br />

Unterhaltsberechtigten erforderlichen Aufwendungen sind in diesen Fällen grundsätzlich aus<br />

den, den Regelbedarf ohnehin beträchtlich übersteigenden, laufenden Unterhaltsleistungen zu<br />

bestreiten. 102<br />

Selbst dann, wenn ein in der Person des Kindes begründeter Sonderbedarf gegeben ist, ist der<br />

Unterhaltspflichtige weiters nur dann zur Tragung des Sonderbedarfes verpflichtet, wenn sich<br />

der Unterhalt samt Sonderbedarf im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen<br />

hält, da dem Unterhaltspflichtigen stets ein zur Deckung der seinen Lebensverhältnissen<br />

angemessenen Bedürfnisse entsprechender Betrag verbleiben muss. 103 Eine Überschreitung der<br />

Prozentsatzkomponente, der das Hauptgewicht bei der Unterhaltsbemessung zukommt 104 , ist<br />

97 EFSlg 70.800; 7 Ob 101/99z; u.a<br />

98 1 Ob 86/00d; u.a.<br />

99 4 Ob 108/98f; 1 Ob 350/98x; 1 Ob 39/01v; u.a.<br />

100<br />

1 Ob 350/98x; u.a.<br />

101<br />

1 Ob 350/98x; LG <strong>für</strong> ZRS Wien vom 31. 5. 2000, 42 R 180/00g; 8 Ob 651/90; 1 Ob 86/00d; u.v.a<br />

102<br />

1 Ob 143/02i; u.a.<br />

103<br />

1 Ob 2383/96i; u.a.<br />

104<br />

EFSlg 67.737; u.a.<br />

36


nach ständiger Judikatur des OGH nur bei existenznotwendigem Sonderbedarf oder bei sonst<br />

förderungswürdigen Kindern zulässig. 105<br />

Wenn der unterhaltspflichtige Elternteil zur vollen Deckung der Bedürfnisse des Kindes nicht<br />

imstande ist oder mehr leisten müsste, als seinen eigenen Lebensverhältnissen angemessen<br />

wäre, hat gemäß § 140 Abs. 2, 2. Satz, ABGB der andere Elternteil über den Naturalunterhalt<br />

hinaus zum Unterhalt des Kindes beizutragen. Der Geldunterhalt wird dann teilweise reduziert<br />

oder entfällt zur Gänze. In diesen Fällen verlagert sich gemäß § 140 Abs. 2, 2. Satz, ABGB die<br />

bisher durch den Geldunterhalt gedeckte Unterhaltspflicht teilweise oder zur Gänze auf den<br />

anderen Elternteil.<br />

Zur Leistung des Geldunterhaltes ist ein Elternteil nach der Judikatur des OGH dann gänzlich<br />

außerstande, wenn er nur über weit unter dem selbst zur Hereinbringung gesetzlicher<br />

Unterhaltsansprüche unpfändbaren Beträgen liegende, zur Deckung seiner notwendigsten<br />

Lebensbedürfnisse nicht hinreichende Mittel verfügt, weil er durch Krankheit keinem Erwerb<br />

nachgehen kann und auf die geringen Beträge angewiesen ist, die ihm an Notstandshilfe oder<br />

Krankengeld gewährt werden. 106 Niemand ist sohin verpflichtet, Unterhalt zu leisten, wenn er<br />

selbst, etwa auf Grund von Krankheit, unverschuldeter Mittellosigkeit und unverschuldeter<br />

Erwerbsunfähigkeit, nicht über die Mittel verfügt, den eigenen dürftigen Unterhalt zu decken,<br />

und auch außerstande ist, sich diese Mittel zu verschaffen.<br />

Seit der Novelle der EO im Jahr 1991 orientiert sich der OGH bei der Beurteilung der, der<br />

Vermeidung einer ungebührlichen Belastung des Unterhaltspflichtigen dienenden<br />

Belastungsgrenze, ab der der Geldunterhalt zur Gänze zu entfallen hat, an den Freibeträgen der<br />

§§ 291b und 292b EO, lässt aber deren Unterschreitung im Einzelfall zu. 107<br />

Die Unterhaltsverpflichtungen können gemäß § 140 Abs. 2, 2. Satz, ABGB auch rückwirkend<br />

aufgehoben oder eingeschränkt werden, da eine Änderung der Unterhaltsbemessung <strong>für</strong> die<br />

Vergangenheit immer dann erfolgen darf, wenn wegen einer Änderung der Verhältnisse die<br />

seinerzeitige Bemessung nicht mehr bindend blieb. 108<br />

Wenn beide Eltern nach ihren Kräften zur Leistung des Unterhalts nicht imstande sind,<br />

schulden ihn gemäß § 141 ABGB die Großeltern.<br />

Die Unterhaltspflicht der Großeltern ist nach der Judikatur des OGH jedoch nur subsidiär. 109<br />

Sie greift nur ein, wenn beide primär verpflichteten Elternteile nicht oder nicht ausreichend<br />

imstande sind, <strong>für</strong> den Unterhalt des Kindes aufzukommen: So mindert sich der<br />

Unterhaltsanspruch eines Enkels gemäß § 141, 1. Satz, 2. Halbsatz, ABGB insoweit, als ihm<br />

etwa die Heranziehung des Stammes eigenen Vermögens zumutbar ist. Außerdem hat ein<br />

Großelternteil gemäß § 141, 2. Satz, ABGB nur soweit Unterhalt zu leisten, als er dadurch bei<br />

Berücksichtigung seiner sonstigen Sorgepflichten den eigenen angemessenen Unterhalt nicht<br />

105<br />

4 Ob 108/98f; 1 Ob 350/98x; 7 Ob 101/99z; 1 Ob 86/00d; u.v.a<br />

106<br />

3 Ob 535/92; 8 Ob 522/93; 3 Ob 250/97d; 3 Ob 46/93; u.a.<br />

107<br />

3 Ob 5/94; 3 Ob 46/93; 6 Ob 251/97y; 3 Ob 46/93; EF 73.929; u.a.<br />

108<br />

3 Ob 535/92; EFSlg 63.488; EFSlg 63.301; u.a.<br />

109<br />

4 Ob 389/97f ; u.a.<br />

37


gefährdet; den Großeltern steht also der Vorbehalt des eigenen angemessenen Unterhalts (das<br />

"beneficium competentiae") zu. 110<br />

Neben diesen Umständen ist die Unterhaltspflicht der Großeltern vor allem deshalb bloß<br />

subsidiär, weil sie nur dann eingreift, wenn beide primär verpflichteten Elternteile nicht oder<br />

nicht ausreichend imstande sind, <strong>für</strong> den Unterhalt des Kindes aufzukommen. Die Eltern sind<br />

sohin vor jedweder Heranziehung der Großeltern "anzuspannen". 111<br />

Nach § 140 Abs. 3 ABGB mindert sich der Anspruch auf Unterhalt, wenn das Kind eigene<br />

Einkünfte hat. Alles, was dem Kind, sei es als Naturalleistungen oder an Geldleistungen<br />

welcher Art immer auf Grund eines Anspruches zukommt, ist nach § 140 Abs. 3 ABGB bei der<br />

Unterhaltsbemessung oder bei der Beurteilung, ob das Kind bereits selbsterhaltungsfähig sei,<br />

zu berücksichtigen. Dieser Grundsatz erleidet nur insoweit eine Ausnahme, als bestimmte<br />

Einkünfte auf Grund gesetzlicher Bestimmungen auf den Unterhalt nicht anrechenbar sind.<br />

Ein gesetzliches Verbot der Anrechnung der Lehrlingsentschädigung auf den Unterhalt besteht<br />

nicht, die Lehrlingsentschädigung fällt damit unter jene Einkünfte, die nach § 140 Abs. 3<br />

ABGB zu berücksichtigen sind. Sie ist, soferne sie nicht als Ausgleich <strong>für</strong> berufsbedingten<br />

Mehraufwand außer Betracht bleibt, Eigeneinkommen des Kindes. 112<br />

Der Unterhalt steht dem Kind gemäß § 140 Abs. 3 ABGB solange zu, bis es - auf Grund der<br />

von ihm absolvierten Ausbildung - die zur Deckung seines Unterhalts notwendigen Mittel<br />

selbst erwirbt oder zu erwerben imstande, sohin selbsterhaltungsfähig ist. Welche Ausbildung<br />

einem Kind zusteht, bestimmt sich nicht nach der beruflichen und gesellschaftlichen Stellung<br />

der Eltern, sondern mit den zu dieser Ausbildung erforderlichen Fähigkeiten des Kindes und<br />

dem Erfordernis, dass das Kind dieses Studium ernstlich, zielstrebig und mit Erfolg betreibt,<br />

und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit seiner Eltern. 113<br />

Wie der OGH in ständiger Judikatur erkennt, besteht die Kindeseigenschaft während einer<br />

Berufsausbildung nur dann im Sinne des § 252 Abs. 2 Z 1 ASVG (entsprechend § 128 Abs. 2<br />

Z 1 GSVG) über das 18. Lebensjahr hinaus weiter, wenn im Rahmen der Ausbildung kein oder<br />

nur ein geringes, die Selbsterhaltungsfähigkeit nicht sicherndes Entgelt bezogen wird. 114<br />

Selbsterhaltungsfähigkeit liegt sohin immer erst dann vor, wenn der Unterhaltsberechtigte,<br />

weil er die zur Deckung seines Unterhalts notwendigen Mittel selbst erwirbt oder zu erwerben<br />

imstande ist, zu angemessener Bedürfnisdeckung auch außerhalb des elterlichen Haushaltes<br />

fähig ist. 115 Nach der ständigen Judikatur des OGH ist die Selbsterhaltungsfähigkeit eines<br />

Unterhaltsberechtigten immer dann gegeben, wenn er ein Nettoeinkommen, etwa das<br />

110<br />

vgl. etwa EvBl 1991/166; SZ 63/88; u.a.<br />

111<br />

vgl. Kapitel 2.3.2<br />

112<br />

1 Ob 627/90; 5 Ob 567/90, 3 Ob 547/90; u.a.<br />

113<br />

EFSlg 26.522; EFSlg 31.179; 3 Ob 7/97v; 7 Ob 101/99z; EvBl 1992/73; EFSlg 71.546; u.a.<br />

114<br />

10 ObS 18/88; 10 ObS 19/90; u.a.<br />

115<br />

10 ObS 19/90; 3 Ob 547/90; 3 Ob 579/90; 10 ObS 195/90; 1 Ob 594/90; 3 Ob 577/90; 8 Ob<br />

504/91; 1 Ob 521/91; 4 Ob 511/91; 2 Ob 534/91; 5 Ob 511/91; 10 ObS 134/91; 5 Ob 513/91; 3 Ob<br />

109/91; 3 Ob 558/91; 6 Ob 608/91; 1 Ob 626/91; 8 Ob 649/91; 1 Ob 629/91; 3 Ob 580/91; 3 Ob<br />

505/92; 2 Ob 551/91; 5 Ob 508/92; 8 Ob 551/92; 8 Ob 575/92; 8 Ob 578/92; 8 Ob 555/92; 7 Ob<br />

528/93; 5 Ob 560/94; 7 Ob 569/95; 1 Ob 2102/96s; 4 Ob 507/96; 2 Ob 77/00p; u.a.<br />

38


Lehrlingsentgelt, in Höhe des Mindestpensionssatzes nach § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb<br />

ASVG 116 bezieht. 117 Nach Abschluss der Berufsausbildung ist grundsätzlich vom Eintritt der<br />

Selbsterhaltungsfähigkeit auszugehen, doch muss dem Unterhaltsberechtigten eine<br />

angemessene Frist, einen geeigneten Arbeitsplatz zu finden, eingeräumt werden. 118<br />

2.3.2 Anspannung des Unterhalts bei Einkommensminderungen<br />

Da gemäß § 140 ABGB und § 94 ABGB iVm den bezughabenden Bestimmungen des EheG<br />

unterhaltspflichtige Personen zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen<br />

Bedürfnisse Unterhaltsberechtigter nach ihren Kräften beizutragen haben, ist der sogenannte<br />

„Anspannungsgrundsatz“ sowohl auf den Kindes- als auch auf den Ehegattenunterhalt<br />

anzuwenden.<br />

Vor jeder Anspannung sind nach der ständigen Judikatur des OGH zwei Fragen zu klären, 119<br />

einerseits die Frage, ob ein Unterhaltspflichtiger überhaupt angespannt werden kann, und<br />

andererseits die Frage, ob die Voraussetzungen <strong>für</strong> eine Anspannung auf das frühere<br />

Einkommen gegeben sind:<br />

Bei der ersten Frage wird darauf abgestellt, ob den Unterhaltspflichtigen ein Verschulden trifft.<br />

Hat er, wenn auch nur leicht fahrlässig, den Verlust seines Arbeitsplatzes verschuldet, dann<br />

kommt die Anwendung des Anspannungsgrundsatzes in Betracht. 120 Trifft ihn am Verlust<br />

seines Arbeitsplatzes kein Verschulden, so kann er in keinem Fall auf das frühere Einkommen<br />

angespannt werden. 121<br />

Aber auch bei einem verschuldeten Arbeitsplatzverlust kann der Unterhaltspflichtige nicht<br />

schon deshalb auf das frühere Einkommen angespannt werden, weil ihn ein Verschulden am<br />

Verlust des Arbeitsplatzes trifft. Die Anspannung auf das frühere Einkommen setzt nach der<br />

ständigen Judikatur des OGH unabdingbar voraus, dass der Unterhaltspflichtige die Entlassung<br />

in der Absicht herbeigeführt hat, sich der Unterhaltspflicht zu entziehen bzw. die Höhe des<br />

Unterhaltes zu reduzieren. In einem solchen Fall wird die Entlassung als Indiz gewertet, dass<br />

der Unterhaltsschuldner nicht bemüht ist, all seine Kräfte anzuspannen, weshalb er den<br />

Unterhalt in der Höhe des seinerzeitigen Arbeitseinkommens weiter zu entrichten hat. 122<br />

In allen anderen Fällen – wenn der Arbeitsplatzverlust zwar verschuldet aber nicht in der<br />

Absicht, sich der Unterhaltspflicht zu entziehen bzw. die Höhe des Unterhaltes zu reduzieren<br />

herbeigeführt wurde – ist vor Anspannung zu prüfen, wie sich der Unterhaltspflichtige nach<br />

dem Verlust seines Arbeitsplatzes verhalten hat. Wer seinen Arbeitsplatz aus eigenem<br />

Verschulden verliert, hat alles zu unternehmen, um einen neuen – seinen geistigen und<br />

körperlichen Anlagen, seiner Ausbildung und seinem Können entsprechenden – Arbeitsplatz<br />

zu finden. Da<strong>für</strong> reicht es nicht aus, dass sich der Unterhaltspflichtige bei Stellen der<br />

116<br />

derzeit € 630,92<br />

117<br />

EFSlg 15.041; EFSlg 62.607; 3 Ob 547/90, 10 ObS 19/90; u.a.<br />

118<br />

EFSlg 31.170; EFSlg 33.404; EFSlg 35.814; EFSlg 59.551; EFSlg 68.492; u.a.<br />

119<br />

4 Ob 245/01k; u.a.,<br />

120<br />

1 Ob 1645/95 = EFSlg 77.052; 4 Ob 245/01k; u.a<br />

121<br />

3 Ob 547/94; 1 Ob 1645/95 = EFSlg 77.052; 4 Ob245/01k; u.a.<br />

122<br />

7 Ob 48/98d = EFSlg 87.712; 2 Ob 250/97x; 4 Ob 345/97g = EFSlg 83.324; u.a.<br />

39


Arbeitsvermittlung meldet, sondern er hat darüber hinaus initiativ zu werden. Sind seine<br />

Bemühungen nicht ausreichend, so kann er auf jenes Einkommen angespannt werden, das er<br />

auf dem Arbeitsmarkt erzielen könnte. 123 Die Höhe des vom Unterhaltspflichtigen erzielbaren<br />

Einkommens wird von Sachverständigen festgestellt.<br />

Trifft den Unterhaltspflichtigen am Verlust seines Arbeitsplatzes jedoch kein Verschulden, so<br />

kann er in keinem Fall auf das frühere Einkommen angespannt werden. Sind jedoch seine<br />

Bemühungen, einen neuen Arbeitsplatz zu erlangen, nicht ausreichend, so kann er auf jenes<br />

Einkommen angespannt werden, das er auf dem Arbeitsmarkt erzielen könnte. 124 Die Höhe des<br />

vom Unterhaltspflichtigen erzielbaren Einkommens wird von Sachverständigen festgestellt.<br />

Ein Gleiches gilt <strong>für</strong> selbstständig Erwerbstätige: Ein Unterhaltspflichtiger, der sein Vermögen<br />

ertraglos angelegt hat, kann daher auf eine erfolgversprechendere Anlageform eines<br />

Verkaufserlöses angespannt werden. 125<br />

Die Prüfung eines Antrages auf Herabsetzung des Unterhaltes nimmt einige Zeit in Anspruch.<br />

Dies bringt <strong>für</strong> Unterhaltspflichtige das Problem mit sich, bis zur Entscheidung des Gerichtes<br />

den Unterhalt in unverminderter Höhe zahlen zu müssen. Wenn die Höhe des Unterhaltes<br />

rückwirkend verringert wird, ist zu viel gezahlter Unterhalt – spätestens ab Kenntnisnahme des<br />

Herabsetzungsantrages rückzuerstatten. In der Praxis ergibt sich jedoch häufig das Problem,<br />

dass unvertretenen Unterhaltspflichtigen zu viel gezahlter Unterhalt entgegen den<br />

Bestimmungen nicht rückerstattet wird, da er bereits gutgläubig verbraucht worden sei. Dieses<br />

Problem ist insbesondere darin begründet, dass Unterhaltspflichtige, insbesondere wenn sie im<br />

Verfahren unvertreten sind, und weil sie der Bestimmungen des und der Judikatur zu § 326<br />

ABGB – Gutgläubigkeit setzt nach ständiger Judikatur des OGH 126 zwingend positive<br />

Überzeugung von der Rechtmäßigkeit oder wenigstens entschuldbaren Irrtum voraus, der<br />

schon durch Zweifel ausgeschlossen ist – unkundig sind. Daher können Unterhaltspflichtige in<br />

solchen Verfahren nicht der Rechtsordnung adäquat vorgehen und bringen daher auch nicht<br />

vor, dass ab Kenntnisnahme des Herabsetzungsantrages durch den Obsorgeberechtigten<br />

Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Höhe des Unterhaltes bestanden haben, weshalb gemäß<br />

§ 326 ABGB gutgläubiger Verbrauch sohin zweifelsfrei ab Kenntnis des<br />

Herabsetzungsantrages nicht mehr vorliegt und der zu viel gezahlte Unterhalt zurückzuzahlen<br />

ist. Offensichtlich greift hier die Manuduktionspflicht der RichterInnen gemäß §§ 432 und 435<br />

ZPO zu kurz.<br />

Nach ständiger Rechtsprechung des OGH 127 bildet der Umstand, dass der unterhaltspflichtige<br />

Vater Karenzurlaub in Anspruch nimmt, keinen Grund <strong>für</strong> die Herabsetzung der Höhe seines<br />

Unterhalts gegenüber nicht in seinem Haushalt lebenden Kindern, soweit nicht besondere<br />

Gründe eine solche Maßnahme rechtfertigten, da der nicht durch besonders<br />

berücksichtigungswürdige Umstände erzwungene Verzicht auf Erzielung eines höheren<br />

123<br />

8 Ob 509/91; 1 Ob 58/00m; 4 Ob 245/01k; u.a.<br />

124<br />

3 Ob 547/94; 4 Ob 245/01k; u.a.<br />

125<br />

4 Ob 557/94; 5 Ob 576/90; 1 Ob 509/93; u.a.<br />

126<br />

5 Ob 272/73; 4 Ob 551/75; 5 Ob 505/76; 7 Ob 549/77; 6 Ob 550/77; 8 Ob 645/93; 1 Ob<br />

598/95; 5 Ob 2090/96f; u.v.a.<br />

127<br />

6 Ob 573/91; 7 Ob 615/91; 7Ob251/98g; 1 Ob 502/94; 6 Ob 2360/96v; u.a.<br />

40


Einkommens nicht zu Lasten eines anderen Unterhaltsberechtigten gehen darf. Die nicht im<br />

Haushalt lebenden Kinder haben sohin auch weiterhin Anspruch auf Unterhalt auf Grund der<br />

fiktiven Bemessungsgrundlage des vom Vater erzielbaren Einkommens, der Unterhalt wird<br />

sohin auf das vor der Karenz des Vaters erzielte Einkommen „angespannt“. Bei der<br />

„Anspannung“ ist jedoch der durch die Karenz entstehende, fiktive Unterhaltsanspruch der<br />

Ehefrau zu berücksichtigen. 128<br />

Gerechtfertigt ist der Karenzurlaub des Vaters nach ständiger Rechtsprechung des OGH und<br />

der dadurch bewirkte Einkommensverzicht nur dann, wenn – unter Einbeziehung des<br />

Maßstabes eines pflichtbewussten Familienvaters in aufrechter Ehe – der Karenzurlaub durch<br />

besondere berücksichtigungswürdige Umstände, die die Karenz des Vaters rechtfertigen,<br />

erzwungen ist. 129 Solche berücksichtigungswürdigen Gründe stellen nach der ständigen<br />

Judikatur des OGH etwa die drastische Reduzierung des Einkommens der „neuen“ Familie,<br />

weshalb deren Lebensunterhalt gefährdet wäre; der Verlust des Arbeitsplatzes der „neuen“<br />

Ehefrau des Unterhaltspflichtigen, der gänzliche Mangel an Betreuungsmöglichkeiten und<br />

Betreuungspersonen <strong>für</strong> das „neue“ eheliche Kind, weshalb dieses ansonsten unversorgt wäre,<br />

etc. dar. 130 In der Inanspruchnahme des Karenzurlaubes zwischen dem 18. Lebensmonat und<br />

dem vollendeten zweiten Lebensjahr des Kindes durch den Vater erblickt der OGH nur dann<br />

einen besonders berücksichtigungswürdigen Grund <strong>für</strong> eine Herabsetzung oder gar Enthebung<br />

von der Unterhaltsverpflichtung gegenüber den nicht im Haushalt des unterhaltspflichtigen<br />

Vaters lebenden Kindern, wenn die Einkommensrelation der Elternteile, die sich den<br />

Karenzurlaub aufteilen, <strong>für</strong> diese Aufteilung spricht, wenn weiters weder eine<br />

Betreuungsperson noch eine Betreuungseinrichtung <strong>für</strong> das Kind zur Verfügung steht und das<br />

Kind uneingeschränkt auf die Betreuung durch einen Elternteil angewiesen ist und dieser<br />

Elternteil mit der Betreuung des Kindes derart ausgelastet ist, dass ihm eine anderwärtige<br />

(Teilzeit)Berufstätigkeit nicht zumutbar ist. 131<br />

Der OGH begründet diese Judikatur damit, dass es einerseits dem Gleichheitsgrundsatz<br />

zuwiderliefe, wenn der Unterhaltspflichtige seinen im Haushalt lebenden ehelichen Kindern<br />

die volle Unterhaltsleistung in Form der häuslichen Betreuung zuteil werden ließe, während er<br />

seinen anderen Kindern den Unterhalt unter Berufung auf seine Einkommenslosigkeit<br />

verwehrte, da Unterhaltsansprüche von Kindern aus zwei oder mehreren Ehen grundsätzlich<br />

gleichrangig sind. 132 Andererseits widerspräche es dem Gesetz, wenn der ohne<br />

Rücksichtnahme auf bestehende andere Unterhaltspflichten getroffene Entschluss, wegen der<br />

Geburt eines im gemeinsamen Haushalt lebenden Kindes Karenzurlaub in Anspruch zu<br />

nehmen, nicht zu einer Anspannung des Unterhaltspflichtigen führen würde. 133 Der OGH<br />

erkennt weiters in ständiger Judikatur, dass es nicht gegen den Grundsatz der Gleichheit und<br />

der Gleichbehandlung von Mann und Frau in Bezug auf das Recht auf Karenzurlaub verstoße,<br />

128 3 Ob 569/94; 8 Ob 207/96x; u.a.<br />

129 1 Ob 502/94; 6 Ob 573/91; u.a.<br />

130 7 Ob 251/98g; 1 Ob 502/94; u.a.<br />

131 7 Ob 251/98g; 3 Ob 12/00m; u.a<br />

132 1 Ob 595/91; 4 Ob 2333/96p; 6 Ob 573/91; 7Ob615/91; u.a<br />

133 7 Ob 615/91; 1 Ob 502/94; 3 Ob 569/94; 1Ob 43/00f; EFSlg 65.240; u.a.<br />

41


dass das Recht auf Karenzurlaub wegen bestehender weiterer Unterhaltsverpflichtungen von<br />

<strong>Männer</strong>n tatsächlich nicht in Anspruch genommen werden könne. 134<br />

Der vom Vater zu leistende Kindesunterhalt ist jedoch auf Grund der durch die Karenz der<br />

„neuen“ Ehefrau gemäß § 94 Abs. 2 ABGB neu entstehenden Unterhaltspflicht zu<br />

reduzieren. 135<br />

Von dem Grundsatz, dass es einerseits dem Gleichheitsgrundsatz zuwiderliefe, wenn der<br />

Unterhaltspflichtige seinen im Haushalt lebenden ehelichen Kindern die volle Unterhaltsleistung<br />

in Form der häuslichen Betreuung zuteil werden ließe, während er seinen anderen<br />

Kindern den Unterhalt unter Berufung auf seine Einkommenslosigkeit verwehrte, da<br />

Unterhaltsansprüche von Kindern aus zwei oder mehreren Ehen grundsätzlich gleichrangig<br />

sind und andererseits „dem Gesetz (widerspräche), wenn der ohne Rücksichtnahme auf<br />

bestehende andere Unterhaltspflichten getroffene Entschluss, wegen der Geburt eines im<br />

gemeinsamen Haushalt lebenden Kindes Karenzurlaub in Anspruch zu nehmen, nicht zu einer<br />

Anspannung des Unterhaltspflichtigen führen würde, ist die Judikatur des OGH bei<br />

unterhaltspflichtigen Müttern, die auf Grund der Geburt eines „neuen“ Kindes in Karenzurlaub<br />

gehen, jedoch nicht mehr getragen. Frauen werden nämlich nach der ständigen Judikatur des<br />

OGH während der Zeit des Mutterschutzes 136 oder der Karenz nach der Geburt eines „neuen“<br />

Kindes nicht auf ihr letztes oder ein fiktiv erzielbares Gehalt angespannt. Sofern Frauen<br />

(Teilzeit)Beschäftigung möglich und zumutbar ist, wobei die Betreuungspflichten <strong>für</strong> ihr<br />

drittes Kind zu berücksichtigen sind, werden sie im Gegensatz zu <strong>Männer</strong>n lediglich auf die<br />

Höhe eines fiktiven erzielbaren (Teilzeit)Einkommens angespannt. 137 Ist einer Frau<br />

(Teilzeit)Beschäftigung sohin nicht möglich oder nicht zumutbar oder betreut sie ein „neues“<br />

Kind, wird der von ihr zu leistende Unterhalt nach ständiger Judikatur des OGH nach dem<br />

Wochen- oder dem Karenz- oder dem Kindergeld bemessen. Ein gleiches gilt <strong>für</strong> bereits<br />

„angespannte“ Unterhalte von Frauen, die keinem Erwerb nachgehen. 138<br />

Bemessungsgrundlage der Höhe des Kindesunterhaltes unterhaltspflichtiger Frauen, die ein<br />

„neues“ Kind gebären, ist sohin nach ständiger Judikatur des OGH in aller Regel lediglich das<br />

Wochen- oder aber das Karenz- bzw. Kindergeld.<br />

Mag die ggstdl. ständige Judikatur des OGH zwar nicht den Gleichheitsgrundsatz zwischen<br />

Mann und Frau verletzen und die Interessen unterhaltsberechtigter Kinder schützen, 139 liegt in<br />

ihr dennoch zweifelsfrei eine Benachteiligung des Mannes.<br />

2.3.3 Das Existenzminimum des Unterhaltsschuldners<br />

Bei der Exekution eines Unterhaltsgläubigers zur Hereinbringung eines Rückstandes an<br />

gesetzlichem Unterhalt kann das normale Existenzminimum gemäß § 291b Exekutionsordnung<br />

134 1 Ob 502/94; 1 Ob 595/91; 4 Ob 2333/96p; u.a.<br />

135 7 Ob 615/91; EFSlg 65.240; u.a.<br />

136 Beschäftigungsverbot gemäß §§ 4a und 5 MSchG<br />

137 1 Ob 43/00f; 6 Ob 659/95; 6 Ob 208/97z; 1 Ob 43/00f; u.a.<br />

138 1 Ob 43/00f; 6 Ob 208/97z; 6 Ob 659/95; u.a.<br />

139 7 Ob 615/91; EFSlg 65.240<br />

42


(EO) um 25% unterschritten werden. Nach Anlage 2/8, Tabelle 2a m, der Existenzminimum-<br />

Verordnung 2002, BGBl. II Nr. 108/2002, liegt das Unterhaltsexistenzminimum <strong>für</strong><br />

Unterhaltsexekutionen bei einem monatlichen Nettolohn zwischen € 580,-- und € 599,99 bei<br />

einer Unterhaltspflicht <strong>für</strong> ein Kind bei € 567,--. Das Unterhaltsexistenzminimum, der<br />

unpfändbare Betrag, nach der Unterhaltsexistenzminimum-Verordnung 2002 variiert nach dem<br />

Nettolohn und der Anzahl der Unterhaltspflichten.<br />

§ 291b EO dient jedoch nur als Orientierungshilfe bei der Ermittlung der Belastungsgrenze des<br />

Unterhaltspflichtigen, da auf Antrag diese Grenze des Existenzminimums gemäß § 292b EO<br />

herabgesetzt werden kann. In Einzelfällen kann daher das Nettoeinkommen über die<br />

Unterhaltsexistenzminimumsgrenze des § 291b EO hinaus gepfändet werden, sodass der<br />

Selbstbehalt, mit dem ein Unterhaltspflichtiger auskommen muss, dann noch unter diesem<br />

Unterhaltsexistenzminimum liegt.<br />

Ein Beispiel:<br />

Eine Person verfügt über einen monatlichen Nettolohn zwischen € 720,-- und € 739,99. Bei<br />

einer Unterhaltspflicht kann der Betreffende bis zu dem Betrag von € 567,00 gepfändet<br />

werden, bei zwei Unterhaltspflichten liegt der unpfändbare Betrag bei € 661,50 und ab drei<br />

Unterhaltspflichten gilt der gesamte Lohn als unpfändbar.<br />

2.3.3.1 Anmerkungen zum Unterhaltsexistenzminimum<br />

Die Staffelung der Beträge wird von den ExpertInnen als positiv bewertet, da dies die soziale<br />

Lage der Unterhaltspflichtigen und allfällig gegebene weitere Unterhaltspflichten<br />

berücksichtige. Die Unterschreitung des üblichen Existenzminimums um 25 % wird als sozial<br />

bedenklich gewertet, da die weitere finanzielle Belastung einer Person, deren finanzielle<br />

Existenz bereits stark gefährdet ist, die Armutsfalle eröffnen könne. Andererseits seien die<br />

Bedürfnisse der Unterhaltsberechtigten, meist sind dies Kinder, deren Unterhalt der Höhe nach<br />

oft sehr gering ist, zu berücksichtigen.<br />

Überhaupt kein Anspruch auf Unterhalt besteht, wenn der Unterhaltspflichtige, etwa auf Grund<br />

von Krankheit, nicht erwerbsfähig ist, weshalb nach den Bestimmungen des<br />

Unterhaltsvorschussgesetzes (UVG) auch kein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss ge-<br />

geben ist. 140<br />

2.3.4 Unterhaltsvorschuss nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG)<br />

Wenn ein Unterhaltspflichtiger den von Gericht festgesetzten Unterhalt nicht zahlt und der<br />

Unterhalt auch nicht eintreibbar ist, kann der Bund nach dem Unterhaltsvorschussgesetz<br />

(UVG), BGBl. Nr. 451/1985 idgF, dem Obsorgeberechtigten einen Vorschuss auf den<br />

Unterhalt des minderjährigen Kindes gewähren.<br />

Im Jänner 1999 wurde <strong>für</strong> 37.066 Kinder ein durchschnittlicher Betrag in Höhe von €<br />

158,14 141 je Kind an monatlichem Unterhaltsvorschuss geleistet.<br />

140 vgl. auch Kapitel 4.7<br />

141 ATS 2.176,--<br />

43


Tabelle 1: Rückflussquote von Unterhaltsvorschussleistungen<br />

Jahr<br />

Auszahlungen Rückflüsse<br />

Mio. € Mio. ATS Mio. € Mio. ATS<br />

Rückflussquote<br />

(%)<br />

1989 40,9 562,5 20,7 284,4 50,56<br />

1990 42,7 587,7 23,5 322,7 54,91<br />

1991 44,6 614,3 25,46 350,3 57,02<br />

1992 47,1 648,5 25,0 344,7 53,16<br />

1993 51,1 702,6 25,1 345,7 49,20<br />

1994 56,5 777,4 26,8 368,4 47,38<br />

1995 61,9 852,0 27,7 381,2 44,73<br />

1996 66,7 917,5 29,9 411,8 44,88<br />

1997 71,5 983,8 30,2 415,2 42,21<br />

1998 75,7 1.041,5 32,6 448,7 43,08<br />

1999 78,8 1.084,0 33,3 458,0 42,3<br />

2000 81,4 1.120,0 37,1 511,0 45,6<br />

2001 83,7 1.152,0 37,9 522,0 45,3<br />

Quelle: Statistik Austria<br />

Auffallend an dieser Tabelle ist, dass der ausgezahlte Unterhaltsvorschuss seit dem Jahr 1989<br />

kontinuierlich angestiegen ist. Die Rückflussquote jedoch ist bis zum Jahr 1991 gestiegen, ab<br />

diesem Jahr bis zum Jahr 1997 gesunken und seither fast gleichgeblieben. Im Jahr 2001 lag die<br />

Rückflussquote bei 45,3%.<br />

2.3.5 Verletzung der Unterhaltspflicht<br />

Ein Unterhaltspflichtiger, der seine Unterhaltspflicht gröblich verletzt und dadurch bewirkt,<br />

dass der Unterhalt oder die Erziehung des Unterhaltsberechtigten gefährdet wird, oder ohne<br />

Hilfe von anderer Seite gefährdet wäre, ist gemäß § 198 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu sechs<br />

Monaten zu bestrafen. Seine Unterhaltspflicht verletzt insbesondere auch, wer es unterlässt,<br />

einem Erwerb nachzugehen, der ihm die Erfüllung dieser Pflicht ermöglichen würde. Ist der<br />

Täter rückfällig oder hat die Tat schwerwiegende Folgen auf die Gesundheit oder Entwicklung<br />

des Unterhaltsberechtigten, so erhöht sich das Strafausmaß auf eine Freiheitsstrafe bis zu 2<br />

Jahren, bei Todesfolge bis zu 3 Jahren Haft.<br />

44


Tabelle 2: Anzahl der Verurteilungen nach § 198 (Abs. 1 und Abs. 2 ) StGB<br />

700<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

1976<br />

618<br />

608 614<br />

573<br />

Quelle: Statistik Austria<br />

619<br />

561<br />

497<br />

486<br />

469 469<br />

Die Anzahl der Verurteilungen sank in den letzten Jahrzehnten. Im Jahr 2000 wurden 118<br />

<strong>Männer</strong> und 5 Frauen nach § 198 Abs. 1 und Abs. 2 StGB verurteilt. Vergleicht man die<br />

Zahlen der Tabelle 2 mit der Anzahl der gewährten Unterhaltsvorschüsse – 1999 waren es<br />

37.066 Kinder, denen Unterhaltsvorschuss gewährt wurde –, so werden weniger als 1% der<br />

Unterhaltspflichtigen, <strong>für</strong> die Unterhaltsvorschuss bezahlt werden muss, gemäß § 198 Abs. 1<br />

und Abs. 2 StGB verurteilt. Bei dieser Zahl handelt es sich um eine vorsichtige Schätzung, da<br />

Verurteilungen nicht sofort erfolgen, Unterhaltspflichtige teilweise mehr als eine<br />

Unterhaltspflicht haben, und Strafverfahren wegen Verletzung der Unterhaltspflicht auch<br />

durchgeführt werden können, wenn kein Unterhaltsvorschuss gewährt wird.<br />

2.3.6 Neue Hausstandsgründung<br />

426<br />

405<br />

386<br />

362 360<br />

300<br />

271<br />

Eine weitere ökonomische Folge der Scheidung stellt zweifellos der Anstieg der<br />

Lebenshaltungskosten beider Partner, da die Synergieeffekte des gemeinsamen Haushaltes<br />

218<br />

263<br />

210 206<br />

183<br />

149 156<br />

210 206<br />

183<br />

149 156<br />

110 118<br />

110 118<br />

46 49<br />

35 39 37<br />

46<br />

37<br />

25 25 28<br />

16 19 15 10 11 10 17 46 49<br />

35 39 37<br />

46<br />

37<br />

25 25 28<br />

16 19 15 10 11 10 15<br />

4 6 9 5 6 3 5<br />

17 15<br />

4 6 9 5 6 3 5<br />

1977<br />

1978<br />

1979<br />

1980<br />

1981<br />

1982<br />

1983<br />

1984<br />

1985<br />

1986<br />

1987<br />

1988<br />

männlich weiblich<br />

1989<br />

1990<br />

1991<br />

1992<br />

1993<br />

1994<br />

1995<br />

1996<br />

1997<br />

1998<br />

1999<br />

2000<br />

45


verloren gehen, dar. 142 Nach der Scheidung sind es zumeist die Väter, die den gemeinsamen<br />

Haushalt der Familie verlassen und einen neuen Hausstand gründen. Die dadurch entstehenden<br />

Kosten sind in der Bemessung der Unterhaltspflicht gemäß §§ 81ff EheG nicht zu<br />

berücksichtigen.<br />

Auf Grund des Wegfalls der Synergieeffekte eines gemeinsamen Haushaltes und der hiedurch<br />

erforderlichen Ausgaben (Wohnung, etc.) können während aufrechter Ehe eingegangene<br />

Kreditverbindlichkeiten, <strong>für</strong> die häufig die <strong>Männer</strong> haften, die wirtschaftliche Existenz<br />

geschiedener <strong>Männer</strong> bedrohen bzw. sogar vernichten.<br />

2.3.7 Vermögensaufteilung<br />

Zur Aufteilungsmasse gehören grundsätzlich nur jene Vermögenswerte, die während<br />

aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft von beiden Ehegatten gemeinsam geschaffen wurden<br />

und zu deren Erwerb sie gemeinsam während der Ehe beigetragen haben. 143 Wertschöpfungen,<br />

die durch die Tätigkeit eines Ehegatten erst nach Aufhebung der ehelichen<br />

Lebensgemeinschaft entstanden sind, sind in die Aufteilung nicht einzubeziehen. 144<br />

Bei einvernehmlicher Scheidung ist das eheliche Vermögen gemäß § 55a EheG in der<br />

Scheidungsvereinbarung, sohin zum Zeitpunkt der Scheidung aufzuteilen. Nach einer strittigen<br />

Scheidung können die Geschiedenen die Aufteilung des ehelichen Vermögens ebenfalls durch<br />

einvernehmliche Vereinbarung vornehmen. Diese Vereinbarung ist ein privatrechtlicher<br />

Vertrag 145 , in dem die Ehegatten (bei einvernehmlicher Scheidung) oder die Geschiedenen<br />

(nach strittiger Scheidung) die Aufteilung des ehelichen Vermögens völlig frei untereinander<br />

vereinbaren können.<br />

Wenn sich die Geschiedenen über die Aufteilung des ehelichen Vermögens nach strittiger<br />

Scheidung nicht einigen, hat hierüber auf Antrag das Gericht gemäß § 85 EheG im<br />

außerstreitigen Verfahren 146 zu entscheiden. Wird ein Antrag auf Vermögensaufteilung gemäß<br />

§ 85 EheG gestellt, so hat das Gericht von Amts wegen die Aufteilung des während der Ehe<br />

gemeinsam erworbenen ehelichen Vermögens unter Berücksichtigung der gesetzlichen<br />

Aufteilungsgrundsätze vorzunehmen.<br />

Bei der Vermögensaufteilung ist zwischen dem ehelichen Gebrauchsvermögen und den<br />

ehelichen Ersparnissen zu unterscheiden.<br />

Eheliches Gebrauchsvermögen sind gemäß § 81 Abs. 2 EheG die beweglichen oder<br />

unbeweglichen Sachen, die während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft dem Gebrauch<br />

beider Ehegatten gedient haben, etwa die Ehewohnung, der Hausrat, etc.<br />

142<br />

Vgl. auch Vaughan, Diane: Wenn Liebe keine Zukunft hat. Stationen und Strategien der Trennung.<br />

Reinbek 1991<br />

143<br />

EFSlg 51.707; EFSlg 65.525; u.v.a.<br />

144<br />

EFSlg 43.777; EFSlg 46.339; u.a.<br />

145<br />

6 Ob 2/87; 6 Ob 2155/96x; 7 Ob 2199/96z; 7 Ob 99/98d; u.a.<br />

146<br />

In außerstreitigen Verfahren gilt der dem Zivilprozessrecht innewohnende Grundsatz der strengen<br />

Bindung der RichterInnen an die Anträge nicht.<br />

46


Die ehelichen Ersparnisse sind gemäß § 81 Abs. 3 EheG Wertanlagen gleich welcher Art,<br />

sohin z.B. Bargeld, Sparbücher, Wertpapiere, etc. Bei der Aufteilung sind die Schulden, die<br />

mit dem ehelichen Gebrauchsvermögen und den ehelichen Ersparnissen in einem inneren<br />

Zusammenhang stehen, in Anschlag zu bringen.<br />

Der Aufteilung unterliegen gemäß § 82 Abs. 1 EheG nicht Sachen, die<br />

• ein Ehegatte in die Ehe eingebracht, von Todes wegen erworben oder ihm ein Dritter<br />

geschenkt hat,<br />

• dem persönlichen Gebrauch eines Ehegatten allein oder der Ausübung seines Berufes<br />

dienen,<br />

• zu einem Unternehmen gehören oder<br />

• Anteile an einem Unternehmen sind, außer es handelt sich um bloße Wertanlagen.<br />

Die Ehewohnung sowie der sogenannte Hausrat, auf deren Weiterbenützung ein Ehegatte zur<br />

Sicherung seiner Lebensbedürfnisse angewiesen ist, sind gemäß § 82 Abs. 2 EheG in die<br />

Aufteilung auch dann einzubeziehen, wenn sie ein Ehegatte in die Ehe eingebracht, von Todes<br />

wegen erworben oder ihm ein Dritter geschenkt hat.<br />

Die Aufteilung erfolgt nach den Grundsätzen des § 83 EheG, der bestimmt, dass die Aufteilung<br />

des Vermögens nach dem Grundsatz der Billigkeit vorzunehmen ist und hiebei gemäß § 83<br />

Abs. 1 EheG besonders Bedacht zu nehmen ist auf:<br />

• Gewicht und Umfang des Beitrages jedes Ehegatten zur Anschaffung des ehelichen<br />

Gebrauchsvermögens und zur Ansammlung der ehelichen Ersparnisse und<br />

• das Wohl der Kinder sowie<br />

• die Schulden, die mit dem ehelichen Lebensaufwand zusammenhängen, soweit sie mit<br />

dem aufzuteilenden Vermögen in innerem Zusammenhang stehen, oder mit dem<br />

ehelichen Lebensaufwand zusammenhängen.<br />

Als Beitrag zur Anschaffung des ehelichen Gebrauchsvermögens und zur Ansammlung der<br />

ehelichen Ersparnisse sind gemäß § 83 Abs. 2 EheG auch die Leistung des Unterhalts, die<br />

Mitwirkung im Erwerb, soweit diese nicht anders abgegolten worden ist, die Führung des<br />

gemeinsamen Haushalts, die Pflege und Erziehung gemeinsamer Kinder und jeder sonstige<br />

eheliche Beistand zu werten.<br />

Die Aufteilung soll gemäß § 84 EheG so vorgenommen werden, dass sich die Lebensbereiche<br />

der Geschiedenen hinkünftig möglichst wenig berühren.<br />

Bei der Aufteilung ehelicher Ersparnisse kann das Gericht gemäß § 89 EheG die Übertragung<br />

von Vermögenswerten, gleich welcher Art, von einem auf den anderen Ehegatten und die<br />

Begründung eines schuldrechtlichen Benützungsrechts an einer Wohnung zugunsten eines<br />

Ehegatten anordnen.<br />

Die Übertragung des Eigentums an unbeweglichen Sachen oder die Begründung dinglicher<br />

Rechte an ihnen darf gemäß § 90 EheG jedoch nur dann angeordnet werden, wenn eine billige<br />

Regelung in anderer Weise nicht erzielt werden kann.<br />

47


Soweit eine Aufteilung nach den vorstehenden Bestimmungen und Grundsätzen nicht erzielt<br />

werden kann, hat das Gericht gemäß § 94 Abs. 1 EheG durch Zahlung eines<br />

Ausgleichsbetrages, der die Existenz des zur Ausgleichszahlung verpflichteten geschiedenen<br />

Ehegatten jedoch nicht gefährden darf, einen Ausgleich zu schaffen und nach dem Grundsatz<br />

der Billigkeit dem einen geschiedenen Ehegatten eine Ausgleichszahlung an den anderen<br />

aufzuerlegen.<br />

Ausgleichszahlungen kommen nach ständiger Judikatur des OGH 147 daher nur dann in<br />

Betracht, wenn eine Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen<br />

Ersparnisse zu einem <strong>für</strong> einen Ehegatten unbilligen Ergebnis führen würde. Die Höhe und die<br />

Modalitäten einer Ausgleichszahlung sind so festzulegen, dass der ausgleichspflichtige<br />

schuldlose Teil nicht in unzumutbare wirtschaftliche Bedrängnis kommt und eine schmerzlich<br />

empfundene Einschränkung seines Lebensstandards auf sich nehmen muss. 148<br />

Andererseits darf jedoch das Optionsrecht des an der Scheidung unschuldigen Geschiedenen<br />

an dem ehelichen Gebrauchsvermögen, inklusive der ehelichen Wohnung, nach ständiger<br />

Judikatur des OGH nicht dazu führen, dass der andere Teil sein Eigentum entschädigungslos<br />

oder gegen unverhältnismäßig geringere Gegenleistung aufzugeben hätte und dadurch<br />

schlechter gestellt wird als der Optierende, wenn dieser sich nur in der Lage sieht, eine<br />

unverhältnismäßig niedrige Ausgleichszahlung zu leisten. Der übernehmende Geschiedene hat<br />

daher in diesem Fall seine Kräfte vielmehr auf das Äußerste anzuspannen. 149<br />

Bei der Festlegung der Höhe der aufzuerlegenden Ausgleichszahlung ist nach ständiger<br />

Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes 150 darauf Rücksicht zu nehmen, dass nach dem<br />

konkreten Stand der beiderseitigen Lebensverhältnisse die wirtschaftliche Grundlage der<br />

nunmehr getrennten Lebensführung <strong>für</strong> beide Teile, soweit dies möglich ist, gesichert bleibt.<br />

Jede Ausgleichszahlung eines vormaligen Ehegatten, die diesen selbst in seiner neuen<br />

wirtschaftlichen Lage nicht wohl bestehen ließe, widerspräche der nach § 94 Abs. 1 EheG zu<br />

beachtenden Billigkeit.<br />

Die Anordnung einer Ausgleichszahlung soll vielmehr ein individuell gerechtes<br />

Aufteilungsergebnis herbeiführen. Der Grundsatz der Billigkeit ist daher nicht so zu verstehen,<br />

dass dem Ausgleichspflichtigen nur jener Betrag auferlegt werden darf, den er bequem<br />

aufbringen kann; vielmehr muss derjenige, der die Übernahme von Sachwerten anstrebt, seine<br />

Kräfte, wenn erforderlich, bis zum Äußersten anspannen. Der Ausgleichspflichtige kann nach<br />

den Umständen des jeweils zu beurteilenden Einzelfalles auch zur Veräußerung eines Teiles,<br />

der in seinem Alleineigentum verbleibenden Liegenschaften nach den Grundsätzen der<br />

Billigkeit verpflichtet werden. 151<br />

Da in den bei der Aufteilung zu berücksichtigenden Gründen des § 83 EheG das, in der<br />

Scheidung ausgesprochene Verschulden an der Zerrüttung der Ehe nicht genannt ist, erkennt<br />

147 EFSlg 38.903; EFSlg 57.407; u.a.<br />

148 5 Ob 589/81; 1 Ob 804/82; 5 Ob 606/85; 4 Ob 524/90; u.v.a.<br />

149 6 Ob 640/86; 9 Ob 182/98z; u.a.<br />

150 vgl. EFSlg 43.801; 7 Ob 536/85; u.a.<br />

151 6 Ob 207/00k; 4 Ob 200/01t; 8 Ob 505/89; 8 Ob 579/88; u.a.<br />

48


der OGH in ständiger Judikatur 152 , dass „der Gesetzgeber die Aufteilung des ehelichen<br />

Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nicht zu einem Instrument der Bestrafung<br />

bzw. Belohnung <strong>für</strong> ehegerechtes oder ehewidriges Verhalten machen wollte, weshalb es<br />

dahingestellt zu bleiben vermag, ob der Verschuldensausspruch bei der Billigkeitsentscheidung<br />

des § 83 EheG überhaupt zu berücksichtigen ist. Bejahendenfalls könne daher dem<br />

Verschulden gegenüber den ausdrücklich genannten Umständen nur eine untergeordnete<br />

Bedeutung zukommen.“ 153<br />

Nach der ständigen Judikatur des OGH 154 müsse jedoch vermieden werden, dass der an der<br />

Zerrüttung der Ehe völlig Schuldlose infolge der durch das ehewidrige Verhalten des anderen<br />

ausgelösten Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens einerseits in unzumutbare<br />

wirtschaftliche Schwierigkeiten komme, weshalb er andererseits dem schuldlosen Teil eine<br />

gewisse Optionsmöglichkeit bei der Auswahl der zu verteilenden Gegenstände, die er zu<br />

behalten wünscht, zuspricht.<br />

Im Einzelfall müsse daher der Geschiedene, der durch sein Verhalten die Auflösung der Ehe<br />

und damit die Aufteilung des Gebrauchsvermögens veranlasst habe, sich mit seinem Anspruch<br />

auf Leistung der Ausgleichszahlung über das Maß des beiderseitigen Beitrags zur Anschaffung<br />

des Gebrauchsvermögens hinaus bescheiden oder einen Aufschub der Fälligkeit seines<br />

Anspruchs hinnehmen. 155 In diesen Fällen entspräche es der Billigkeit, dass der an der<br />

Scheidung Unschuldige, wenn auch nur in einem gewissen Ausmaß, besser bedacht werde als<br />

der andere. 156<br />

Der OGH 157 begründet seine ständige Rechtsprechung mit dem den §§ 83ff EheG immanenten<br />

Ziel, den Geschiedenen die bisherigen Lebensgrundlagen möglichst zu erhalten, weshalb die<br />

mit einer Scheidung verbundenen negativen wirtschaftlichen Auswirkungen <strong>für</strong> den<br />

schuldlosen Teil möglichst zu beschränken sind, dem schuldlos Geschiedenen die bisherige<br />

Lebensgrundlage möglichst zu bewahren und der Beginn eines neuen Lebensabschnittes<br />

tunlichst zu erleichtern ist.<br />

Die Optionsmöglichkeit des an der Zerrüttung der Ehe unschuldigen Geschiedenen darf nach<br />

ständiger Judikatur des OGH 158 jedoch nicht dazu führen, dass der andere Teil sein Eigentum<br />

entschädigungslos oder gegen unverhältnismäßig geringere Gegenleistung aufzugeben hätte<br />

und dadurch schlechter gestellt werde als der Optierende, wenn dieser sich nur in der Lage<br />

152<br />

7 Ob 750/80; 5 Ob 589/81; 4 Ob 600/81; 5 Ob 669/81; 7 Ob 591/82; 1 Ob 804/82; 5 Ob 776/82; 1<br />

Ob 630/83; 1 Ob 527/84; 2 Ob 581/83; 7 Ob 653/84; 7 Ob 536/85; 8 Ob 522/85; 3 Ob 624/85; 6<br />

Ob 640/86; 5 Ob 606/85; 2 Ob 547/86; 1 Ob 512/87; 3 Ob 581/91; 7 Ob 530/93; 1 Ob 2104/96k; 4<br />

Ob 121/97s; 9 Ob 182/98z; u.v.a<br />

153<br />

3 Ob 552/81; 5 Ob 669/81; 3 Ob 675/82; 4 Ob 509/82; 5 Ob 754/82; 6 Ob 714/82; 1 Ob 506/84; 1<br />

Ob 527/84; 4 Ob 516/84; 7 Ob 515/84; 7 Ob 551/84; 2 Ob 551/85; 1 Ob 541/85; 6 Ob 639/85; 8<br />

Ob 653/85; 8 Ob 621/86; 2 Ob 559/88; 8 Ob 505/89; 5 Ob 563/90; 8 Ob 638/90; 1 Ob 2104/96k; 4<br />

Ob 121/97s; u.v.a<br />

154<br />

6 Ob 714/82; 4 Ob 600/81 u. ähnlich 5 Ob 669/81; 8 Ob 704/89; 8 Ob 505/89; EFSlg 41.375; u.a.<br />

155<br />

3 Ob 624/85; 4 Ob 511/87; u.a.<br />

156<br />

6 Ob 639/85; u.a.<br />

157<br />

7 Ob 591/82; 8 Ob 579,580/84; 7 Ob 536/85; 3 Ob 622/86; EFSlg 43.801; u.v.a.<br />

158<br />

6 Ob 640/86; 9 Ob 182/98z; u.a.<br />

49


sieht, eine unverhältnismäßig niedrige Ausgleichszahlung zu leisten. Bei der Bemessung der<br />

Ausgleichszahlung ist vielmehr die äußerste Anspannung der Kräfte des übernehmenden<br />

Ehegatten vorzunehmen, da es gröblich dem Grundsatz der Billigkeit widerspräche, würde der<br />

Großteil des ehemaligen ehelichen Gebrauchsvermögens jenem ehemaligen Ehepartner<br />

zugewiesen, der auf keinen Fall in der Lage ist, eine angemessene Ausgleichszahlung zu<br />

leisten. 159<br />

2.3.7.1 Eheliche Wohnung<br />

Kraft ausdrücklicher Anführung in § 81 Abs. 2 EheG zählt die Ehewohnung zwar zum<br />

ehelichen Gebrauchsvermögen, die §§ 87, 88 und 90 EheG gehen jedoch schon nach der<br />

Gesetzessystematik von anderen Grundsätzen aus als die §§ 83 bis 86 EheG hinsichtlich der<br />

Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens. Schon § 82 Abs. 2 EheG bestimmt, dass die<br />

Ehewohnung, zumindest wenn ein Ehegatte auf deren Weiterbenützung zur Sicherung seiner<br />

Lebensbedürfnisse angewiesen ist, in die Aufteilung auch dann einzubeziehen ist, wenn sie ein<br />

Ehegatte in die Ehe eingebracht hat. 160 Dies gilt auch <strong>für</strong> ein Einfamilienhaus, soweit es als<br />

Ehewohnung gedient hat. 161<br />

Gemäß § 87 Abs. 1 EheG kann das Gericht <strong>für</strong> die Ehewohnung, wenn sie kraft Eigentum oder<br />

eines anderen dinglichen Rechtes 162 von einem oder beiden Ehegatten benützt wird, die<br />

Übertragung des Eigentums oder des dinglichen Rechtes von einem auf den anderen Ehegatten<br />

oder die Begründung eines schuldrechtlichen Rechtsverhältnisses zugunsten eines Ehegatten<br />

anordnen.<br />

Bei der Regelung der Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und der Zuteilung des Hausrates<br />

hat vielmehr nach ständiger Judikatur des OGH 163 insbesondere das Wohl der Kinder eine<br />

wichtige Rolle zu spielen. Sofern der Mutter die Obsorge über die gemeinsamen Kinder<br />

obliegt, wird der Mutter, insbesondere wenn sie an der Zerrüttung der Ehe schuldlos war,<br />

damit ihr und den gemeinsamen Kindern die bisherige Lebensgrundlage möglichst bewahrt<br />

und der Beginn eines neuen Lebensabschnittes tunlichst erleichtert wird, 164 daher in der Regel<br />

auch die gemeinsame Ehewohnung zugesprochen. 165<br />

Beruht die Benützungsbefugnis an der Ehewohnung auf einem Miet- oder Pachtvertrag, dann<br />

kann das Gericht anordnen, dass ein Ehegatte anstelle des anderen - ohne Zustimmung des<br />

Vermieters - in den Miet- oder Pachtvertrag eintritt.<br />

159<br />

7 Ob 695/85; 2 Ob 704/86; 8 Ob 579/88; 8 Ob 593/88; 6 Ob 640/88; 3 Ob 533/89; 1 Ob 655/89; 2<br />

Ob 574/90; 2 Ob 581/90; 6 Ob 603/91; 7 Ob 530/93; 1 Ob 542/95; u.v.a.<br />

160<br />

EFSlg 43.763; u.a.<br />

161<br />

3 Ob 622/86; EFSlg 41.362; u.a.;<br />

162<br />

etwa ein Miet- oder Pachtvertrag<br />

163<br />

5 Ob 776/82; 1 Ob 525/84; 3 Ob 624/85; 2 Ob 547/86; 7 Ob 661/87; 2 Ob 629/87; 7 Ob 645/88; 8<br />

Ob 503/88; 8 Ob 695/89; 7 Ob 530/93; 1 Ob 2104/96k; u.v.a.<br />

164<br />

7 Ob 591/82; 7 Ob 536/85; EFSlg 43.801; u.v.a.<br />

165<br />

3 Ob 624/85; 3 Ob 2224/96x; u.v.a.<br />

50


Eine während der Ehe gemeinsam erworbene Eigentumswohnung, darf das Gericht auch im<br />

Rahmen der gerichtlichen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens gemäß § 90 Abs. 2<br />

EheG nur einem Ehegatten allein zuweisen. Hiebei ist es völlig unerheblich, ob ein Ehegatte<br />

oder aber beide im Grundbuch als Eigentümer der Eigentumswohnung eingetragen sind. 166 Bei<br />

einer während der Ehe erworbenen Eigentumswohnung, in der beide Ehegatten während<br />

aufrechter Ehe wohnten und zu der beide Ehegatten gleich viel beitrugen, kommt sohin dem<br />

Umstand, welchem Ehegatten bisher das Eigentum zustand, nicht ausschlaggebende<br />

Bedeutung zu. 167<br />

Gemäß § 82 Abs. 2 EheG ist die Ehewohnung, zumindest wenn ein Ehegatte auf deren<br />

Weiterbenützung zur Sicherung seiner Lebensbedürfnisse angewiesen ist, in die Aufteilung<br />

auch dann einzubeziehen, wenn sie ein Ehegatte in die Ehe eingebracht hat. 168 Dies gilt auch<br />

<strong>für</strong> ein Einfamilienhaus, soweit es als Ehewohnung gedient hat. 169<br />

Die Tilgung eines laufenden Kredites <strong>für</strong> die Wohnung muss grundsätzlich derjenige<br />

übernehmen, dem das Eigentum oder ein dingliches Recht an der Wohnung zugesprochen<br />

wird. 170<br />

Da immer dann, wenn die Zuweisung der Wohnung zu einem <strong>für</strong> einen Ehegatten unbilligen<br />

Ergebnis führte, eine Ausgleichszahlung zu leisten ist, hat der Ehegatte, der die Ehewohnung<br />

erhält, nach dem Grundsatz der Billigkeit den anderen durch eine Ausgleichszahlung bei der<br />

Beschaffung einer neuen Wohnung zu unterstützen. 171<br />

Im Einzelfall müsse der Geschiedene, der durch sein Verhalten die Auflösung der Ehe und<br />

damit die Aufteilung des Gebrauchsvermögens veranlasst habe, sich mit seinem Anspruch auf<br />

Leistung der Ausgleichszahlung über das Maß des beiderseitigen Beitrags zur Anschaffung des<br />

Gebrauchsvermögens hinaus bescheiden oder einen Aufschub der Fälligkeit seines Anspruchs<br />

hinnehmen, vor allem, wenn die Durchsetzung seines Verlangens den Verlust der<br />

Wohnmöglichkeit des schuldlosen Teils und der gemeinsamen Kinder bedeutete. 172 In diesen<br />

Fällen entspräche es der Billigkeit, dass der an der Scheidung Unschuldige, wenn auch nur in<br />

einem gewissen Ausmaß, besser bedacht werde als der andere. 173<br />

Die Zuweisung der Ehewohnung an einen Geschiedenen kommt nach der ständigen Judikatur<br />

des OGH dann nicht in Betracht, wenn dieser zu deren Übernahme zum gemeinen Wert, d.h.<br />

zu der erforderlichen Ausgleichszahlung gemäß § 94 EheG, nicht in der Lage ist, weil<br />

Vermögenslosigkeit und geringeres Einkommen eines Ehegatten nicht dazu führen darf, dass<br />

der andere Gatte sein Eigentum entschädigungslos oder gegen unverhältnismäßig geringe<br />

Gegenleistung aufgeben muss. 174<br />

166<br />

EFSlg 41.411; u.a.<br />

167<br />

3 Ob 622/86; u.a.<br />

168<br />

3 Ob 622/86; EFSlg 41.362 f; EFSlg 43.763; u.a.<br />

169<br />

3 Ob 622/86; EFSlg 41.362 f; EFSlg 43.763; u.a.;<br />

170<br />

7 Ob 1506/95; u.a.<br />

171<br />

EFSlg 60.432; u.a.<br />

172<br />

3 Ob 624/85; 4 Ob 511/87; u.a.<br />

173<br />

6 Ob 639/85; u.a.<br />

174<br />

EFSlg 57.353, EFSlg 51.769, EFSlg 46.409; 7 Ob 530/93; u.a.<br />

51


Immer dann, wenn der Geschiedene, der auf die Weiterbenützung der Ehewohnung, etwa<br />

einer Eigentumswohnung oder eines Wohnhauses, zur Sicherung seiner Lebensbedürfnisse<br />

angewiesen ist, auf keinen Fall in der Lage wäre, eine angemessene Ausgleichszahlung zu<br />

leisten, wird ihm – nach dem Grundsatz, dass bei der Regelung der Rechtsverhältnisse an der<br />

Ehewohnung das Wohl der Kinder eine wichtige Rolle spielen muss 175 - lediglich die<br />

(befristete) Benützung dieser Ehewohnung zugewiesen. 176 Dieser Zuspruch über die<br />

(befristete) Benützung der Ehewohnung, stellt keine Übertragung des Eigentums an der<br />

Ehewohnung dar, sondern das Gericht legt lediglich fest, wer (befristet) diese Wohnung<br />

hinkünftig bewohnen wird, indem ein (befristetes) dingliches Recht an der ehelichen<br />

Wohnung, etwa das Alleinbenützungsrecht der je im Hälfteeigentum stehenden<br />

Eigentumswohnung oder eines Einfamilienhauses gegen Bezahlung der Betriebskosten, der<br />

laufenden öffentlichen Abgaben sowie eines angemessenen Benützungsentgeltes oder aber<br />

auch unentgeltlich, eingeräumt wird. 177<br />

In vielen Fällen nimmt das Gericht die Ausgleichszahlung an der ehelichen Wohnung durch<br />

Aufrechnung bei den ehelichen Ersparnissen vor. 178<br />

Manche AutorInnen 179 meinen, die Judikatur des OGH zur ehelichen Eigentumswohnung, <strong>für</strong><br />

die während aufrechter Ehe nur der Mann als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen war,<br />

könne zu finanziellen Nachteilen der <strong>Männer</strong> führen: „Falls nun bei der Vermögensaufteilung<br />

die Frau durch die Eigentumswohnung mehr bekommt als ihr zusteht, müsste sie eigentlich<br />

eine Ausgleichzahlung leisten. Da diese Ausgleichzahlung ihre Existenz gefährdet, wenn sie<br />

über kein eigenes Einkommen oder Vermögen verfügt, entfällt die Ausgleichzahlung.“ 180<br />

Auch bei der Tilgung eines laufenden Kredites <strong>für</strong> die Ehewohnung könne es zu finanziellen<br />

Härtefällen <strong>für</strong> <strong>Männer</strong> kommen: „Ist aber diese Kreditrückzahlung <strong>für</strong> die Exfrau existenzgefährdend,<br />

dann behält der Mann das Eigentum an der Wohnung. Dieser muss jedoch seiner<br />

Exfrau ein Benützungs- oder Mietrecht einräumen. Das bedeutet, dass im schlimmsten Fall der<br />

Mann keine Wohnung hat, die gemeinsamen Schulden übertragen bekommt und <strong>für</strong> die<br />

Kinder, aber auch noch <strong>für</strong> die Exfrau Unterhalt leisten muss. Obwohl die Exfrau die Wohnung<br />

faktisch behält und die Schulden <strong>für</strong> diese Wohnung nicht tragen muss, reduziert sich der ihr<br />

zustehende Unterhalt nicht.“ 181<br />

Obwohl nach ständiger Judikatur des OGH 182 bei der Aufteilung des ehelichen<br />

Gebrauchsvermögens auch die Interessen des weichenden geschiedenen Ehegatten<br />

berücksichtigt werden müssen, könne insbesondere das Optionsrecht an der ehelichen<br />

Wohnung im Extremfall dazu führen, dass der schuldlos Geschiedene, insbesondere dann<br />

175<br />

5 Ob 776/82; 1 Ob 525/84; 3 Ob 624/85; 2 Ob 547/86; 2 Ob 548/86; 7 Ob 661/87; 2 Ob 629/87; 7<br />

Ob 645/88; 8 Ob 503/88; 8 Ob 695/89; 7 Ob 530/93; 1 Ob 2104/96k; u.v.a.<br />

176<br />

5 Ob 52/87; u.a.<br />

177<br />

7 Ob 530/93; 3 Ob 622/86; u.a.<br />

178<br />

3 Ob 573/87; u.a.<br />

179<br />

vgl. Kempe, Jo: Die steuerliche Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen bei Familien und<br />

Geschiedenen in Österreich. Wien 2001, Univ. Diss., Seite 63<br />

180<br />

ebenda<br />

181 ebenda<br />

182 2 Ob 704/86; u.a.<br />

52


wenn ihm die Obsorge <strong>für</strong> die gemeinsamen Kinder zukommt, vermögensrechtlich besser<br />

gestellt werde als der schuldig Geschiedene. 183<br />

2.3.7.2 Eheliche Ersparnisse<br />

Auch das Ziel der nachehelichen Aufteilung der ehelichen Ersparnisse liegt in der billigen<br />

Zuweisung der real vorhandenen ehelichen Ersparnisse unter tunlichster Aufrechterhaltung der<br />

Eigentumsverhältnisse an unbeweglichen Sachen oder die Begründung dinglicher Rechte daran<br />

gemäß § 90 Abs. 1 EheG und unter Begründung von Ausgleichszahlungen gemäß § 94 EheG<br />

zum Ausgleich einer auf andere Art billigerweise nicht erzielbaren Ausgewogenheit der<br />

insgesamt dem einen und dem anderen vormaligen Ehegatten zugefallenen Rechte und Sachen<br />

aus der gesamten, sei es gerichtlich, sei es außergerichtlich aufgeteilten Vermögensmasse. 184<br />

Bei der Aufteilung der ehelichen Ersparnisse kann das Gericht gemäß § 89 EheG die<br />

Übertragung von Vermögenswerten, gleich welcher Art, von einem auf den anderen Ehegatten<br />

und die Begründung eines schuldrechtlichen Benützungsrechts an einer Wohnung zugunsten<br />

eines Ehegatten sohin nur dann anordnen, wenn eine in erster Linie zu suchende andere billige<br />

Regelung nicht gefunden werden kann. 185<br />

Oberster Aufteilungsgrundsatz ist daher die Billigkeit nach den in § 83 EheG aufgezählten<br />

Kriterien, wobei die besonderen Verhältnisse des Einzelfalles zu berücksichtigen sind, damit<br />

eine durch die Vielgestaltigkeit der Lebensverhältnisse notwendige Differenzierung<br />

vorgenommen, und eine dem natürlichen Gerechtigkeitsempfinden entsprechende<br />

Entscheidung gefällt werden kann. 186<br />

Nach der ständigen Rechtsprechung des OGH 187 kann auch bei der Aufteilung der ehelichen<br />

Ersparnisse die Frage des Verschuldens an der Zerrüttung der Ehe nicht gänzlich außer<br />

Betracht bleiben, obwohl das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe bei den bei der<br />

Aufteilung zu berücksichtigenden Gründen nicht genannt ist. Danach soll der<br />

Aufteilungswunsch des an der Auflösung der Ehe schuldlosen Teiles in gewissem Umfang<br />

Anerkennung finden, wenn nicht andere schwererwiegende Gründe, etwa ein existentielles<br />

Bedürfnis des an der Zerrüttung der Ehe schuldigen Teiles, das sonst nicht befriedigt werden<br />

könnte, berücksichtigungswürdiger erscheint oder wenn nicht die Umstände des Einzelfalles<br />

eine andere Regelung billig erscheinen lassen. 188<br />

Nach den weiter anzustellenden Billigkeitserwägungen sollen gemäß § 84 EheG auch die<br />

Lebensbereiche der geschiedenen Ehegatten einander nach der Aufteilung möglichst wenig<br />

berühren 189 und ist gemäß § 83 EheG auf das Wohl der gemeinsamen, der Pflege und<br />

Erziehung bedürftigen bzw. nicht selbsterhaltungsfähigen Kinder Bedacht zu nehmen. 190<br />

183<br />

Schweighofer, a.a.O., Seite 97<br />

184<br />

6 Ob 657/88, EFSlg 48.890; 7 Ob 530/93; u.a.<br />

185<br />

vgl. auch Pichler in Rummel 2, Rz 1 zu § 90 EheG, EvBl 1981/71; 7 Ob 530/93; u.a.<br />

186<br />

EFSlg 66.521; EFSlg 60.374: EFSlg 57.350; u.a.<br />

187<br />

EFSlg 66.523; EFSlg 46.363; u.a.<br />

188<br />

EFSlg 66.524, EFSlg 60.389 f; EFSlg 57.372; EFSlg 54.586; EFSlg 51.756; 7Ob530/93; u.a.<br />

189<br />

EFSlg 57.390; EFSlg 51.779; 7 Ob 530/93; u.a<br />

190<br />

Juristische Blätter, Wien 1991, Seite 458<br />

53


Jedoch ist auch zu berücksichtigen, dass Gegenstand des Aufteilungsverfahrens die endgültige<br />

Zuordnung des ehelichen Vermögens ist, die über die Dauer der Minderjährigkeit ehelicher<br />

Kinder fortwirkt. 191<br />

2.3.7.3 Aufteilungsschlüssel<br />

Die Ermittlung des Aufteilungsschlüssels <strong>für</strong> das eheliche Vermögen ist nach ständiger<br />

Judikatur des OGH 192 eine Frage des Einzelfalles; der Vergleich des Umfanges des Beitrages<br />

jedes einzelnen hängt von der Intensität des Arbeitseinsatzes und des Kapitaleinsatzes ab, der<br />

kausal zum Erwerb der zur Verteilung stehenden Sachen führte. Der Aufteilungsschlüssel bzw.<br />

die Höhe der Ausgleichszahlung ist daher im Sinne der §§ 81 ff EheG nicht streng rechnerisch<br />

sondern nach billigem Ermessen festzusetzen, wobei insbesondere auf Gewicht und Umfang<br />

des Beitrages jedes Ehegatten zur Anschaffung des ehelichen Gebrauchsvermögens und zur<br />

Ansammlung der ehelichen Ersparnisse, aber auch auf das Wohl der Kinder und auch auf die<br />

Möglichkeit der Aufbringung der Ausgleichszahlung Bedacht zu nehmen ist. 193<br />

In der Literatur 194 überwiegt die Rechtsmeinung, dass die Gerichte die Vermögensaufteilung<br />

meist im Verhältnis 1:1 vornehmen: „Nur dann, wenn die Frau eine Dreifachbelastung<br />

übernommen hat, also neben der vollen Haushaltsführung und Kinderbetreuung auch einer<br />

vollen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, kann es unter Umständen zu einer Aufteilung 1:2<br />

kommen. Es sind aber auch Fälle denkbar, in denen bei einer Haushaltsführung durch die<br />

geschiedene Frau in gehobenen Verhältnissen, wo ihr sowohl Hauspersonal als auch hohe<br />

Unterhaltsleistungen zur Verfügung stehen und der geschiedene Mann dem gegenüber über<br />

sehr hohe Finanzkraft verfügt, der Aufteilungsschlüssel 1:3 beträgt.“ 195<br />

Wie die Vermögensaufteilung von den Familiengerichten erster und zweiter Instanz tatsächlich<br />

vollzogen wird, und ob und falls ja, mit welcher Begründung, <strong>Männer</strong> dadurch tatsächlich<br />

benachteiligt werden, kann nur durch eine wissenschaftliche empirische Untersuchung geklärt<br />

werden.<br />

2.3.8 Steuerrechtliche Konsequenzen<br />

Der Unterhalt <strong>für</strong> Ehegatten stellt anders als der Unterhalt <strong>für</strong> Kinder gemäß § 34 Abs. 7 EStG<br />

1988 keine außergewöhnliche Belastung dar und ist daher von der Steuerbemessungsgrundlage<br />

nicht abziehbar. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat mit Erkenntnis vom 30. November<br />

2000, B 1340/00, die Beschwerde eines <strong>für</strong> (drei haushaltszugehörige Kinder und) seine<br />

Ehefrau unterhaltspflichtigen Beschwerdeführers gegen die Verweigerung der Anerkennung<br />

seiner Unterhaltslasten als außergewöhnliche Belastungen abgewiesen und dies wie folgt<br />

begründet: „Ob nämlich zwischen Ehegatten ein Unterhaltsanspruch besteht oder nicht, hängt<br />

– anders als beim Unterhalt <strong>für</strong> Kinder – von mannigfaltigen Umständen ab, die weitgehend<br />

191<br />

1 Ob 2104/96k; u.a.<br />

192<br />

1 Ob 714/86; 9 Ob 192/00a; 9 Ob 195/97k; 3 Ob 192/98a; u.a.<br />

193<br />

6 Ob 1610/94; 6 Ob 1513/96; 10 Ob 125/98z; 9 Ob 35/00p; 10 Ob 86/00w; EFSlg 72.395; EFSlg<br />

93.996; EFSlg 93.997; u.v.a.<br />

194<br />

Deixler-Hübner, Astrid: Scheidung kompakt. Wien 2001, Seite 81f<br />

195 ebenda<br />

54


der Disposition der Ehegatten unterliegen und insofern als Sache privater Lebensgestaltung<br />

oder persönlichen Risikos anzusehen sind.“ 196<br />

Der VfGH hat mit den Erkenntnissen vom 17. Oktober 1997, G168/96, G285/96, und vom<br />

28. November 1997, G 451/97-7, anlässlich die Familienbesteuerung betreffenden<br />

Bestimmungen des EStG 1988 erkannt, dass Unterhaltsleistungen an Kinder nicht bloß Sache<br />

privater Lebensgestaltung sind, weshalb, da die steuerliche Mehrbelastung<br />

Unterhaltspflichtiger durch staatliche Transfers nicht ausreichend abgedeckt wird, die<br />

Gleichbehandlung unterhaltspflichtiger und nicht unterhaltspflichtiger Einkommensbezieher<br />

wegen Widerspruchs zum Gleichheitsgrundsatz unsachlich und zum Ausgleich der<br />

steuerlichen Belastung der zur Erfüllung der Unterhaltspflicht erforderlichen Einkommensteile<br />

die Steuerfreiheit zumindest der Hälfte des <strong>für</strong> den Unterhalt erforderlichen Einkommens<br />

geboten ist.<br />

Dem <strong>für</strong> ein Kind Geldunterhaltspflichtigen steht daher gemäß § 33 Abs. 4 Z 3 lit. b iVm § 34<br />

Abs. 7 Einkommenssteuergesetz (EStG) ein beim Jahresausgleich bzw. der Veranlagung<br />

geltend zu machender Unterhaltsabsetzbetrag zu. Dieser Unterhaltsabsetzbetrag beträgt <strong>für</strong> das<br />

erste Kind monatlich € 25,50, € 38,20 <strong>für</strong> das zweite und <strong>für</strong> das dritte und jedes weitere Kind<br />

€ 50,90. Dieser Unterhaltsabsetzbetrag reduziert nicht die Bemessungsgrundlage sondern die<br />

Steuerschuld und liegt unter den in der österreichischen Rechtsprechung üblichen<br />

Unterhaltssätzen. 197<br />

Mit Erkenntnis vom 27. Juni 2001, B 1285/00, hat der VfGH die Beschwerde eines<br />

geldunterhaltspflichtigen Vaters, in der dieser den von ihm geleisteten Unterhalt zur Gänze als<br />

Minderung der Bemessungsgrundlage <strong>für</strong> seine Einkommenssteuer begehrte, abgewiesen.<br />

Dieser Vater hat seine Beschwerde damit begründet, dass, da der Elternteil, bei dem das Kind<br />

lebt, finanziell stärker gefördert werde (z.B. durch Familienbeihilfe, Kinderabsetzbetrag), als<br />

jener, bei dem das Kind nicht lebe, der Gleichheitssatz verletzt sei. Der VfGH hat sein<br />

Erkenntnis im Wesentlichen damit begründet, dass dem im gleichen Haushalt lebenden<br />

Elternteil nach gegenwärtiger Rechtslage Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zustehe,<br />

dem nicht haushaltsführenden, unterhaltspflichtigen Elternteil der Unterhaltsabsetzbetrag<br />

zukomme. Die durch Steuerersparnis indirekte Förderung eines Kindes, das im gemeinsamen<br />

Haushalt lebe, sei somit geringer als die des nicht im gemeinsamen Haushalt beider Eltern<br />

lebenden Kindes. Weiters vertrat der VfGH die Rechtsansicht, dass es der privaten<br />

Lebensgestaltung der Ehegatten überlassen sei, ob diese zusammenlebten oder getrennte<br />

Wohnsitze bezögen. Es sei daher nicht die Aufgabe des Gesetzgebers zu unterscheiden, ob<br />

Kinder im gemeinsamen Haushalt leben oder nicht, und an dieses Kriterium unterschiedlicher<br />

Lebensgestaltung auch unterschiedliche Rechtsfolgen, wie etwa die Gewährung von<br />

Förderungen, zu knüpfen, da, wenn <strong>für</strong> jedes unterhaltsberechtigte Kind dieselben Leistungen<br />

vorgesehen sind, auch der Umstand, dass die Eltern getrennt leben, diesen als Sache privater<br />

Lebensgestaltung oder persönlichen Risikos zur Last fiele. Auf aus der getrennten<br />

Haushaltsführung und aus dem Geldunterhalt allenfalls erwachsenden Mehrkosten <strong>für</strong> die<br />

Kinder brauche der Gesetzgeber nicht Bedacht zu nehmen, weshalb die Pauschalierung der<br />

196 Erkenntnis des VfGH vom 30. 11. 2000, B 1340/00,<br />

197 Vgl. auch Kempe, a.a.O., Seite 33f<br />

55


Transferleistungen, die die Unterhaltsleistung der Eltern abgelten soll, verfassungsrechtlich<br />

unbedenklich sei.<br />

Mit Erkenntnis vom 19. Juli 2002, G7/02, hat der VfGH auf Antrag des OGH und dreier<br />

Landesgerichte gemäß Art. 89 Abs. 2 iVm Art 140 B-VG den zweiten Halbsatz des § 12a<br />

Familienlastenausgleichsgesetz („...und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch.")<br />

aufgehoben. Der VfGH begründet sein Erkenntnis, dass die <strong>für</strong> die Unterhaltsbemessung<br />

zuständigen Gerichte im Wege der teleologischen Reduktion des § 12a FLAG die dem<br />

haushaltsführenden Elternteil zukommende Familienbeihilfe in jenem Ausmaß auf die<br />

Unterhaltsleistung des geldunterhaltspflichtigen und nicht haushaltszugehörigen Elternteils<br />

anzurechnen haben, soweit es erforderlich sei, um die verfassungsrechtlich gebotene<br />

steuerliche Entlastung besser verdienender geldunterhaltspflichtiger Elternteile durch die<br />

zivilgerichtliche Unterhaltsjudikatur in einer gewissen Weise zu verwirklichen, damit die<br />

Hälfte des geschuldeten Unterhalts von der Einkommenssteuerpflicht befreit wird. Da es sich<br />

dabei um Unterhaltsbeträge in einer Höhe handelt, bei denen die verfassungsrechtlich gebotene<br />

steuerliche Entlastung auch nach den in der hg. Judikatur entwickelten Maßstäben<br />

möglicherweise nicht allein durch die Gewährung des Unterhaltsabsetzbetrages erreicht<br />

werden kann, müssten hiezu auch Teile der Familienbeihilfe bzw. des Kinderabsetzbetrages<br />

herangezogen werden.<br />

Der VfGH vertritt in ständiger Judikatur die Auffassung, dass er nicht berechtigt ist, durch<br />

seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte<br />

Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichts in der<br />

Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH darf daher ein<br />

Antrag im Sinne des Art. 140 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität<br />

zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die<br />

angefochtene Gesetzesbestimmung eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden<br />

Gerichts im Anlassfall bildet. 198 Dieses Erkenntnis bindet daher - weil der VfGH einerseits<br />

gemäß Art. 137ff B-VG nicht zur Kontrolle der Vollziehung der Gerichtsbarkeit berufen ist,<br />

sohin nicht berechtigt ist, Gerichte an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, und<br />

andererseits das ggstdl. Erkenntnis zu § 12a FLAG und nicht zu § 140 ABGB ergangen ist -<br />

nicht die zur Vollziehung des § 140 ABGB berufenen Zivilgerichte, weshalb dieses Erkenntnis<br />

keinerlei präjudizielle Wirkung auf die Auslegung des § 140 ABGB oder aber die Bemessung<br />

des Kindesunterhaltes durch die Zivilgerichte entfalten kann. Die Mehrzahl der<br />

zweitinstanzlichen zivilgerichtlichen Entscheidungen lehnt daher verfassungskonform die<br />

Anwendung dieses Erkenntnisses des VfGH ab.<br />

Am 22. Oktober 2001 ist die erste Entscheidung des OGH 199 zur Anrechnung der<br />

Familienbeihilfe auf den zu leistenden Geldunterhalt <strong>für</strong> Kinder ergangen. Der OGH bezieht<br />

sich auf das Erkenntnis des VfGH und führt aus, dass der Frage, ob die verfassungsrechtlich<br />

gebotene steuerliche Entlastung der Unterhaltsleistungen an nicht haushaltszugehörige Kinder<br />

durch Anrechnung eines Teiles der Transferleistungen (Familienbeihilfe) auf den Unterhalt zu<br />

erfolgen habe, eine erhebliche Rechtsfrage sei. Diese bedarf jedoch nach Ansicht des OGH im<br />

vorliegenden Fall keiner Lösung, da der festgesetzte Unterhalt unter der „Luxusgrenze“ liege<br />

198<br />

z.B. VfSlg 9.811/1983; VfSlg 10.296/1984; VfSlg 11.565/1987; VfSlg 12.189/1989; u.a.<br />

199<br />

1 Ob 233/01y; u.a.<br />

56


und - zähle man den fiktiven Kürzungsbetrag hinzu, sich noch immer ein Betrag ergäbe, der in<br />

der von der Rechtsprechung tolerierten Bandbreite einer sachgerechten Unterhaltsbemessung<br />

läge. 200<br />

2.4 Resumee<br />

Es gibt bislang weder wissenschaftliche Erhebungen noch wissenschaftliche Literatur über die<br />

ökonomischen Folgen der Scheidung <strong>für</strong> <strong>Männer</strong> und allfällig gegebene Benachteiligungen der<br />

<strong>Männer</strong> durch die oder nach der Scheidung. Hinreichend wissenschaftlich erforscht ist jedoch<br />

die schwierige finanzielle und soziale Situation der Frauen nach der Scheidung.<br />

Die österreichische Rechtsordnung stellt in Wahrung des verfassungsrechtlich garantierten<br />

Gleichheitsgebotes Mann und Frau bei der Scheidung zweifelsfrei gleich. Dennoch bestehen in<br />

der Vollziehung des Ehe- und Familienrechts Unterschiede zwischen Mann und Frau. Diese<br />

sind vor allem in der in Österreich vorherrschenden traditionellen Rollenaufteilung zwischen<br />

Mann und Frau begründet.<br />

Solche Unterschiede in der Vollziehung, die als Benachteiligung des Mannes gewertet werden<br />

können, bestehen in der Zuteilung der Obsorge, in der „Anspannung“ des Unterhalts während<br />

der Karenz des Mannes <strong>für</strong> ein „neues“ Kind und bei der Aufteilung des ehelichen Vermögens,<br />

wenn die schuldlos geschiedene berufstätige, aber ökonomisch schwächere Frau, der das<br />

Optionsrecht an der ehelichen Wohnung und die Obsorge <strong>für</strong> die gemeinsamen Kinder<br />

zukommt, im Extremfall vermögensrechtlich besser gestellt wird als der schuldig Geschiedene.<br />

Diese Benachteiligungen sind jedoch sehr differenziert zu betrachten und werden in den<br />

folgenden Kapiteln genauer erörtert.<br />

Ökonomische Härtefälle <strong>für</strong> <strong>Männer</strong> können vor allem durch die Kumulation einzelner<br />

<strong>Scheidungsfolgen</strong> und -kosten eintreten. Schwerwiegende ökonomische Folgen <strong>für</strong> <strong>Männer</strong><br />

sind vor allem dann zu erwarten, wenn bereits während der Ehe kaum finanzielle Mittel<br />

vorhanden waren, während der Ehe Schulden angehäuft wurden und die Familie mit dem<br />

Gehalt nur einer Person finanziert wurde.<br />

Nach der derzeit aktuellen Scheidungsstatistik ist der durchschnittliche männliche Geschiedene<br />

in Österreich um die 40 Jahre alt und hat zwei minderjährige Kinder. Ihn können nach der<br />

200 Nach dem Abgabetermin der ggstdl. Studie hat der OGH auf Grund der Aufhebung der Wortfolge<br />

"und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" in § 12a FLAG durch den Verfassungsgerichtshof<br />

seine bisherige Judikatur geändert. Nunmehr erkennt der OGH in ständiger Judikatur (1 Ob 27/02f,<br />

1 Ob 79/02b, 2 Ob 196/02s, 3 Ob 40/02g, 3 Ob 56/02k, 3 Ob 81/02m, 3 Ob 141/02k, 4 Ob 42/02h,<br />

4 Ob 46/02x, 4 Ob 52/02d, 4 Ob224/02y, 7 Ob 26/02b, 7 Ob 71/02w, 7 Ob 175/02i, 8 Ob 18/02h,<br />

u.v.a.), dass der nach der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen und den Bedürfnissen des<br />

Unterhaltsberechtigten - wie bisher – <strong>für</strong> ein Kind zu bemessende Geldunterhalt im Interesse der<br />

gebotenen steuerlichen Entlastung von Unterhaltsschuldnern - bei getrennter Haushaltsführung –<br />

in verfassungskonformer Auslegung des § 140 ABGB um jenen Teil des Kinderabsetzbetrages<br />

und der Familienbeihilfe zu kürzen ist, der die steuerliche Entlastung der Hälfte des vom<br />

Geldunterhaltspflichtigen gezahlten Unterhaltes bewirkt.<br />

57


Scheidung gleich mehrere Belastungsfaktoren, etwa Unterhaltspflichten <strong>für</strong> mehrere<br />

Personen, Kreditrückzahlungen und das Erfordernis, sich selbst neuen Wohnraum zu schaffen,<br />

treffen.<br />

58


3 Forschungsergebnisse über die Ursachen von Obdachlosigkeit unter<br />

besonderer Berücksichtigung der Auswirkung der Ehescheidung<br />

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAWO) führte in den Jahren 1997/98<br />

eine österreichweite Erhebung 201 unter stationär und ambulant betreuten Wohnungslosen<br />

durch. Diese Erhebung ergab, dass über die Hälfte der Betreuten ledig sind, die zweitgrößte<br />

Gruppe sind geschiedene Wohnungslose, gefolgt von den Verheirateten. Von den 2.890<br />

befragten, stationär aufgenommenen Wohnungslosen gaben 640 Personen (22,1%) Scheidung<br />

als eine Ursache oder Mitursache ihres Wohnungsverlusts an. Nach den hochgerechneten<br />

Daten dieser Studie dürfte jeder zweite Geschiedene dieser Studie seine Wohnungslosigkeit<br />

auch auf die Scheidung zurückführen.<br />

75% der stationär untergebrachten Wohnungslosen der Gesamterhebung sind <strong>Männer</strong>,<br />

allerdings liegen keine geschlechtsspezifischen Auswertungen über die Ursachen des<br />

Wohnungsverlustes vor. 202 Lediglich die Frage nach den Ursachen des Mietzinsrückstandes<br />

wurde geschlechtsspezifisch ausgewertet: Als Hauptursache <strong>für</strong> den Mietzinsrückstand geben<br />

55 % der Frauen und 29 % der <strong>Männer</strong> „Überschuldung des Haushalts“ an, andere genannte<br />

Ursachen sind beispielsweise Haft, veränderte Finanzverhältnisse und Auslandsaufenthalt. 203<br />

201<br />

Eitel, Gerhard/Schoibl, Heinz: Grundlagenerhebung zur Wohnungslosensituation in Österreich.<br />

Wohnungslosigkeit und Wohnungslosenhilfe unter besonderer Berücksichtigung der Situation von<br />

Familien und Jugendlichen. Wien 1999<br />

202<br />

Sehr ähnliche Ergebnisse sind auch dem Statistikbericht der ARGE Wohnplätze <strong>für</strong> Bürger in Not<br />

aus dem Jahr 1996 zu entnehmen.<br />

203<br />

Eitel, Gerhard/Schoibl, Heinz, a.a.O., Seite 150<br />

59


Tabelle 3: Gründe <strong>für</strong> den Wohnungsverlust stationär aufgenommener Personen<br />

(n= 2890) 204<br />

Noch nie in eigener Wohnung<br />

gewohnt<br />

Anzahl der Fälle Prozent der<br />

Fälle 205<br />

646 22,4<br />

Ablauf des Mietverhältnisses 191 6,6<br />

Bedingtes Mietverhältnis 66 2,3<br />

Auszug aus der Wohnung wegen<br />

Scheidung<br />

Kündigung wegen<br />

Mietzinsrückstandes<br />

640 22,1<br />

493 17,1<br />

Unleidliches Verhalten 104 3,6<br />

Eigenbedarf der VermieterIn 70 2,4<br />

Anderer Kündigungsgrund der<br />

VermieterIn<br />

120 4,2<br />

Die Wohnung war zu teuer 32 1,1<br />

Sonstige Gründe 774 26,8<br />

Anzahl der Antworten 3.136 100,0<br />

Von den ambulant betreuten Wohnungslosen gaben 31,3% 206 die Scheidung als einen<br />

(Mit)Grund der Obdachlosigkeit an, unter den wohnungslosen Familien (mindestens eine<br />

erwachsene Person mit mindestens einem Kind) sind es 24%. 207 Familien nennen<br />

vergleichsweise häufig 208 den Mietzinsrückstand als Auslöser der Obdachlosigkeit. 209<br />

Die AutorInnen der Studie der BAWO interpretieren ihre Daten so, dass kurz nach einer<br />

Scheidung eher <strong>Männer</strong>, Frauen erst zu einem späteren Zeitpunkt von Wohnungslosigkeit<br />

betroffen sind.<br />

Da die Daten dieser Studie nur chronische Fälle von Obdachlosigkeit erfassen, ist bei den<br />

Ergebnissen dieser Studie zu berücksichtigen, dass Personen, die nach einer Trennung oder<br />

204<br />

Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAWO): Grundlagenerhebung zur<br />

Wohnungslosensituation in Österreich. Wien 1999, Seite 324<br />

205<br />

Die Prozentzahl bezieht sich auf die Anzahl der Nennungen in Relation zu den befragten Personen<br />

(Mehrfachauswahl möglich); 22,1% der Befragten nennen Scheidung als einen der Gründe <strong>für</strong> den<br />

Wohnungsverlust.<br />

206<br />

das sind 313 der befragten Personen<br />

207<br />

Eitel, Gerhard/Schoibl, Heinz, a.a.O., Seite 343<br />

208<br />

28 % der befragten Personen<br />

209<br />

a.a.O., Seite 358<br />

60


Scheidung kurzfristig bei FreundInnen oder in Pensionen unterkommen, von dieser Studie<br />

nicht erfasst werden. Über kurzfristige Obdachlosigkeit nach Scheidung oder Trennung<br />

bestehen weder wissenschaftliche Untersuchungen noch Daten.<br />

Nach dem derzeitigen Stand der Forschung ist das Phänomen Obdachlosigkeit bzw.<br />

Wohnungslosigkeit und dessen Hintergrund zu komplex, um es monokausal auf Scheidungen<br />

zurückzuführen: „Keiner dieser Gründe der Obdachlosigkeit kann als der einzige Grund <strong>für</strong><br />

Obdachlosigkeit identifiziert werden; vielmehr stellt eine Kombination von Ursachen das<br />

typische Muster, welches zu Obdachlosigkeit führt, dar.“ 210<br />

Die European Federation of National Organisations Working with the Homeless (FEANTSA)<br />

vertritt dieselbe Ansicht über die Gründe der Entstehung von Obdachlosigkeit: “Die<br />

strukturellen, mittelfristigen und unmittelbaren Folgen der Obdachlosigkeit sind<br />

unterschiedliche Stufen von Zusammenhängen und nicht unabhängige Variablen von<br />

Obdachlosigkeit. Die Kombination und Wechselwirkung zwischen Hintergrund und<br />

personellen Faktoren verursacht Obdachlosigkeit.” 211<br />

210 Kofler, Angelika/Mosberger, Brigitte: Youth homelessness in Austria. National report 1996 to<br />

European Federation of National Organisations Working with the Homeless (FEANTSA). Vienna<br />

1997, Seite 15<br />

211 Avramov, Dragana: The key risk factors of homelessness. In: Avramov, Dragana (Hrsg.): Youth<br />

homelessness in the european Union. Transnational report 1997 to European Federation of<br />

National Organisations Working with the Homeless (FEANTSA). Brussels 1998, Seite19<br />

61


4 Interviews der ExpertInnen 212<br />

In ein- bis zweistündigen Interviews wurden ExpertInnen 213 des Familienrechts, der<br />

Jugendwohlfahrt und der <strong>Männer</strong>- und Wohnungslosenberatung befragt. Die Schwerpunkte<br />

dieser Interviews lagen in der Fragestellung, ob praktische Konsequenzen des Ehe- und<br />

Familienrechts, und wenn ja, in welchen Bereichen und in welcher Ausformung, <strong>Männer</strong><br />

benachteiligen.<br />

Die zwischen den Ehegatten während des Scheidungsverfahrens strittigsten Punkte sehen die<br />

juristischen ExpertInnen in Obsorge und Unterhalt. 214 Der Unterhalt führe nach Tews 215 vor<br />

allem deshalb oft zu Eskalation, weil mit ihm lange Jahre andauernde, nicht unerhebliche<br />

Zahlungen verbunden sein können. Die Obsorge über die Kinder sei, wenn sie bei der<br />

Scheidung ein Streitpunkt sei, so Klaar, oft ein sehr heftiger, aber selten der wirkliche<br />

Streitpunkt: „Obsorgefragen werden oft vorgeschoben, um damit ökonomische Fragen besser<br />

durchzusetzen.“ 216 Als Ursache heftiger Auseinandersetzungen während der Scheidung sieht<br />

Kühbauer die persönlichen Verletzungen und Kränkungen, die die Ehegatten einander<br />

zugefügt haben: „Mir kommt vor, dass diese formalen Dinge, die ja durchaus geregelt gehören<br />

im Sinne des Gesetzes, sozusagen eine gute Bühne bieten, um die emotionalen Geschichten,<br />

die Bauchgeschichten, auszutragen.“ 217<br />

Keine der ExpertInnen sieht im österreichischen Ehe- und Familienrecht<br />

geschlechtsspezifische Benachteilungen. Die AnwältInnen betonen, dass sie in ihrer Beratung<br />

immer wieder darauf hinweisen, dass das österreichische Ehe- und Familienrecht keinerlei<br />

geschlechtsspezifischen Regelungen enthält, und alle „Bestimmungen völlig<br />

geschlechtsneutral gefasst sind“ 218 .<br />

In der Rechtsprechung, in erster Linie beim Zuspruch der Obsorge, orten die ExpertInnen<br />

jedoch geschlechtsspezifische Unterschiede. 219<br />

Die ExpertInnen sehen in den sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Scheidung<br />

geschlechtsspezifische Unterschiede zwischen <strong>Männer</strong>n und Frauen; diese seien allerdings<br />

nicht im Ehe- und Familienrecht sondern in der in Österreich noch immer vorherrschenden<br />

Rollenaufteilung begründet. 220 Das Gefühl subjektiver Benachteiligung durch das Ehe- und<br />

Familienrecht sei nach den ExpertInnen sowohl bei <strong>Männer</strong>n als auch bei Frauen gegeben. 221<br />

212 Dem Forschungsgegenstand der ggstdl. Studie entsprechend, wurden all jene Begriffe, die sich<br />

ausschließlich auf den Forschungsgegenstand, sohin ausschließlich auf <strong>Männer</strong>, beziehen, in der<br />

männlichen Form bezeichnet.<br />

213 Im Anhang sind die Namen und Fachbereiche aller ExpertInnen aufgelistet.<br />

214 Interviewtranskript, Erich Engl, Seite 2; Günter Tews, Seite 1<br />

215 Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 1<br />

216 Interviewtranskript, Helene Klaar, Seite 4<br />

217 Interviewtranskript, Gottfried Kühbauer, Seite 6<br />

218 Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 1;<br />

219 Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 1; Helene Klaar, Seite 1<br />

220 Interviewtranskript, Gottfried Kühbauer, Seite 1<br />

221 Interviewtranskript, Gottfried Kühbauer, Seite 1<br />

62


4.1 Obsorge<br />

Die <strong>für</strong> die Zuteilung der Obsorge anzuwendenden „gesetzlichen Bestimmungen (sind) völlig<br />

geschlechtsneutral gefasst“ 222 , da schon die Europäische Konvention <strong>für</strong> Menschenrechte<br />

bestimme, dass <strong>Männer</strong> und Frauen während der Ehe und nach deren Auflösung die gleichen<br />

Rechte gegenüber ihren Kindern haben. 223<br />

Die juristischen ExpertInnen stellen übereinstimmend fest, dass die Rechtsprechung bei der<br />

Zuteilung der Obsorge zwischen Müttern und Vätern differenziere. Vor allem Tews sieht in<br />

der von der Rechtsprechung geübten Zuteilung der Obsorge eine Benachteilung der <strong>Männer</strong>,<br />

da „aus dem tradierten Rollenverständnis heraus auch die Judikatur bis zuletzt die Mütter sehr<br />

stark präferiert. Es gibt zahlreiche Entscheidungen, in denen zwar immer betont wird,<br />

geschlechtsneutrale Beurteilungen zu machen, aber Kinder unter 7 Jahren gehören zur Mutter,<br />

ist dann der Succus. Das führt sogar so weit, dass in einzelnen Entscheidungen von Gerichten<br />

sogar Sachverständigenempfehlungen umgestoßen werden, wo der kinderpsychologische<br />

Sachverständige sagt: ,Sollte zum Vater’, und das Gericht sagt: ,Nein, Kinder unter 5 zur<br />

Mutter’.“ 224 Klaar meint, die von der Judikatur geübte Zuteilung der Obsorge könnte auch als<br />

Benachteiligung der Frauen gesehen werden: „Wie ich jung war, war ich strikt dagegen [gegen<br />

diese Form der Rechtsprechung], weil ich darin auch wieder eine geschlechtspezifische<br />

Benachteiligung der Frauen gesehen habe, und habe sehr propagiert, dass man <strong>Männer</strong> in die<br />

Kinderbetreuung einbezieht.“ 225 Heute sähe sie die Sache weniger idealistisch.<br />

Die Ursache der Ungleichbehandlung liegt nach Ansicht der ExpertInnen in dem traditionellen<br />

Rollenverständnis, der Frau käme die vorrangige Rolle bei der Kindererziehung zu, dem sich<br />

auch RichterInnen kaum entziehen könnten. 226<br />

Im Rollenverständnis des Mannes scheine sich, meint Kühbauer 227 , in den letzten Jahren ein<br />

vorsichtiger Wandel abzuzeichnen, da <strong>Männer</strong> nunmehr vermehrt dazu tendierten, in der<br />

Kindererziehung mehr Verantwortung zu übernehmen. Jackwerth 228 beurteilt die<br />

gesellschaftliche Entwicklung ähnlich, und betont, dass gerade diese „engagierten“ Väter auch<br />

nach der Scheidung mit ihren Kindern in Kontakt bleiben wollten. Wenn es gelänge, diesen<br />

Kontakt konfliktfrei zu regeln, profitierten vor allem die Scheidungskinder. Auch Tews meint,<br />

dass sich die Einstellung der RichterInnen zur Rolle des Mannes partiell zu wandeln begonnen<br />

habe: „Also, dass man heute sagt, Richter hätten ein völlig offenes Rollenverständnis, das sehe<br />

ich noch nicht ganz so. Bei einzelnen, ja, nämlich jene, die selber Kinder haben, die so im<br />

Alter bis zu 40, 45 sind, die offenbar, wenn man so durchhört manche Bemerkungen, sich<br />

selbst auch in die Erziehung der Kinder einbringen, und die sozusagen sich leichter<br />

222<br />

Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 1<br />

223<br />

ebenda<br />

224<br />

ebenda<br />

225<br />

Interviewtranskript, Helene Klaar, Seite 1<br />

226<br />

Interviewtranskript, Günter Tews, a.a.O.; Gottfried Kühbauer, Seite 2; Josef Schweighofer, Seite 2<br />

227<br />

Interviewtranskript, Gottfried Kühbauer, Seite 2f<br />

228<br />

Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 1<br />

63


hineinversetzen können in die Rolle des Mannes, der plötzlich von seinen Kindern zum Teil<br />

abgeschnitten wird. Also da erblicken wir schon einen Wandel, aber einen sehr zarten.“ 229<br />

Auch wenn es diese Gruppe der „neuen <strong>Männer</strong>“ gäbe, sei ihre Anzahl derzeit noch sehr klein.<br />

Nach Lehnbauer ergäbe sich aus Gerichtspraxis und Beratung, dass „sich eigentlich sehr wenig<br />

<strong>Männer</strong> wirklich da<strong>für</strong> einsetzen, dass sie die Kinder bekommen. Sicherlich auch benachteiligt<br />

durch den Beruf, aber ich finde, es bemühen sich auch wirklich nur wenige darum.“ 230 Klaar<br />

beurteilt die Situation ähnlich. Auch sie ist der Ansicht, dass „engagierte <strong>Männer</strong>“ eine<br />

verschwindende Minderheit darstellten und sich häufig nicht mehr <strong>für</strong> das Kind interessierten,<br />

sobald sie eine neue Partnerin gefunden hätten: „Also, ich habe da viele enttäuschende<br />

Erfahrungen gemacht, auch mit sogenannten engagierten Vätern.“ 231<br />

Dass in der Vergangenheit überwiegend den Frauen die Obsorge zugesprochen wurde, führen<br />

die ExpertInnen einerseits auf fehlendes Interesse der <strong>Männer</strong> zurück; wenn <strong>Männer</strong> aber<br />

Interesse an der Zuteilung der Obsorge <strong>für</strong> ihre Kinder zeigten, würden sie andererseits von der<br />

Judikatur ungleich behandelt. Da bei der Zuteilung der Obsorge das Wohl des Kindes zu<br />

beachten ist, würde es, wenn das Kind bisher von der Mutter versorgt wurde, dem Wohl des<br />

Kindes eher entsprechen, wenn sich an dieser Situation nichts ändere. 232 Es wäre daher auch<br />

möglich, dass <strong>Männer</strong> gerade deshalb kaum Anträge auf Obsorge einbrächten, weil sie, da<br />

Kinder im Vorschulalter zumeist von ihren Müttern versorgt werden, die Möglichkeit, die<br />

alleinige Obsorge zugesprochen zu erhalten, auf Grund der ständigen Judikatur der Gerichte<br />

als sehr gering einschätzten. Als Richter kennt Schweighofer 233 sowohl strittige Fälle in denen<br />

„engagierte“ Väter, als auch strittige Fälle in denen Frauen den Kampf um die Obsorge <strong>für</strong> ihre<br />

Kinder verloren haben. Entscheidend <strong>für</strong> die Zuteilung der Obsorge seien letztendlich die<br />

Gutachten der SozialarbeiterInnen und der ExpertInnen, welcher Elternteil das Wohl des<br />

Kindes eher gewährleiste. 234<br />

Bei einvernehmlicher Scheidung 235 haben die Eltern gemäß § 55a EheG die hinkünftige<br />

Obsorge durch schriftliche Vereinbarung einvernehmlich festzulegen. Meist vereinbaren die<br />

Ehegatten die alleinige Obsorge der Mutter, obwohl seit Inkrafttreten des KindRÄG am 1. Juli<br />

2001 auch die Obsorge beider Elternteile möglich wäre. 236 Kühbauer erlebt in der<br />

<strong>Männer</strong>beratung selten Väter, die die alleinige Obsorge anstreben, „weil welcher Mann mit<br />

Karrierestress will denn <strong>für</strong> zwei Kinder sorgen? Von der Schule abholen, Kleinkinder,<br />

sondern die wollen eher ihre Karriere weitermachen, ihr berufliches Engagement, und ihren<br />

Obolus leisten über Geld. Also, ich hab’ ganz, ganz selten <strong>Männer</strong>, die das bedauern, dass sie<br />

nicht die Alleinobsorge bekommen haben.“ 237<br />

229<br />

Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 2<br />

230<br />

Interviewtranskript, Christa Lehnbauer, Seite 1<br />

231<br />

Interviewtranskript, Helene Klaar, Seite 1<br />

232<br />

Interviewtranskript, Christa Lehnbauer, Seite 5<br />

233<br />

Interviewtranskript, Josef Schweighofer, Seite 2<br />

234<br />

ebenda<br />

235<br />

ca. 90% aller Scheidungen<br />

236<br />

Interviewtranskript, Josef Schweighofer, Seite 2<br />

237<br />

Interviewtranskript, Gottfried Kühbauer, Seite 6<br />

64


Nach übereinstimmender Aussage der ExpertInnen dürften auch von jenen <strong>Männer</strong>n, die in<br />

strittigen Verfahren 238 geschieden werden, nur wenige die alleinige Obsorge anstreben. Wenn<br />

<strong>Männer</strong> die alleinige Obsorge jedoch beantragen, werde ihnen, vor allem dann, wenn das Kind<br />

noch klein ist, und die Mutter bisher die Hauptbetreuungsperson war, seltener als Müttern die<br />

alleinige Obsorge zugesprochen.<br />

4.1.1 Immaterielle Folgen<br />

Bei engagierten Vätern, die etwa <strong>für</strong> das Kind Karenzurlaub genommen, ihre Karriere <strong>für</strong> das<br />

Kind zurückgestellt, oder sich in anderer Weise rollenuntypisch sehr zeitintensiv mit ihrem<br />

Kind beschäftigt haben, könnte die Zuteilung der alleinigen Obsorge an die Mutter, die dem<br />

Vater lediglich ein zeitlich begrenztes Besuchsrecht lässt, große psychische Belastungen<br />

hervorrufen: „Wenn die Mutter die alleinige Obsorge bekommt – weil die gemeinsame gibt es<br />

ja nur, wenn es ein Einverständnis beider gibt – dann verliert der engagierte Vater genau so,<br />

sage ich einmal, ist genau so rechtlos wie der, der Karriere gemacht hat. Und es ist auch aus<br />

Untersuchungen ersichtlich, dass genau die Gruppe, die Sie [Anm. d. Verf.: gemeint ist hier die<br />

Interviewerin] angesprochen haben, die Karenzväter und ähnliche am meisten unter den sehr<br />

restriktiven Besuchsrechtsregelungen leiden. Also, die gehen psychisch zugrunde.“ 239<br />

Vätern, die die Obsorge <strong>für</strong> ihre Kinder verlieren, würde oft erst nach der Scheidung die volle<br />

Konsequenz dieses Verlustes bewusst. Erst dann, wenn sie in der Schule keine Auskunft über<br />

ihr Kind erhielten oder ihnen von der Mutter das Besuchsrecht des Kind verweigert würde,<br />

sähen sie das volle Ausmaß der „Degradierung“ 240 , das mit dem Verlust der Obsorge<br />

einherschreitet.<br />

4.1.2 Obsorge beider Elternteile („gemeinsame Obsorge“)<br />

Die am 1. Juli 2001 in Kraft getretene Obsorge beider Elternteile („gemeinsame Obsorge“)<br />

wird von den ExpertInnen unterschiedlich beurteilt. „Die alte Rechtslage hat Machtmissbrauch<br />

sehr gut ermöglicht“ 241 stellt Tews fest und meint damit die „Macht“ der Obsorgeberechtigten,<br />

das Kind den Nichtobsorgeberechtigten soweit wie möglich zu entziehen. „...unter diesem<br />

Phänomen leiden Väter, die keine Obsorge haben, leiden aber auch Mütter. Die Mütter haben<br />

vielleicht eine Spur einen besseren Schutz, weil man da eher die Notwendigkeit des Kontaktes<br />

des Kindes zur Mutter anerkennt. Und aus dieser Situation heraus ist diese Obsorgediskussion<br />

auch entstanden. Meines Erachtens ist sie sehr notwendig gewesen. Es ist meines Erachtens<br />

wichtig, dass der Gesetzgeber den Eltern ein Signal gibt, dass er sie mit der Scheidung nicht<br />

als potentiell erziehungsunfähig ansieht, weil einen anderen Grund gibt es normalerweise in<br />

unserer Gesetzgebung nicht <strong>für</strong> die Obsorgeentziehung.“ 242 Lehnbauer begrüßt den<br />

psychologischen Effekt, dass <strong>Männer</strong> sich durch die Obsorge beider Elternteile mehr in die<br />

Erziehung ihres Kindes miteingebunden fühlen. 243<br />

238<br />

ca. 10% aller Scheidungen<br />

239<br />

Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 3<br />

240<br />

ebenda<br />

241<br />

Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 2<br />

242<br />

ebenda<br />

243<br />

Interviewtranskript, Christa Lehnbauer, Seite 4<br />

65


Als weiteren positiven Aspekt der Obsorge beider Elternteile nennt Tews den<br />

„Befriedungseffekt“: „Die Erfahrungen sind zum Teil hoch positiv, und es gibt bis jetzt aus<br />

meiner Sicht keine krass negativen Erfahrungen. Ich erwarte mir auch eine Befriedung der<br />

Scheidungsverfahren in den meisten Fällen.“ 244<br />

Derzeit bestehen, da das KindRÄG 2001 erst am 1. Juli 2001 in Kraft getreten ist, zur Obsorge<br />

beider Elternteile nur vereinzelte Judikate jedoch noch keine ständige Judikatur des OGH.<br />

„Der große Anwendungsfall der derzeitigen Regelung ist bei den einvernehmlichen<br />

Scheidungen, und einvernehmliche Scheidungen haben ja zunächst einmal einen gewissen<br />

Befriedungseffekt. Das heißt, es ist nicht zu erwarten, dass die Leute schon im ersten halben<br />

Jahr über die Obsorge streiten.“ 245<br />

Die ExpertInnen schätzen die gesetzliche Möglichkeit der Obsorge beider Elternteile als<br />

partnerschaftliches Modell, in der Praxis sieht Klaar allerdings eine Gefahr darin, dass Frauen<br />

unter Druck geraten könnten und „die Neigung der Frau auf Materielles zu verzichten, wenn<br />

der Mann ihr da<strong>für</strong> das alleinige Sorgerecht lässt, natürlich sehr groß ist“ 246 . Tews<br />

argumentiert genau entgegengesetzt: „Wenn heute sich eine Mutter vom Verlangen nach<br />

gemeinsamer Obsorge beeindrucken lässt, dann hätte sie sich früher vom Verlangen nach<br />

alleiniger Obsorge des Mannes erst recht beeindrucken lassen. Nicht wirklich eine Gefahr. Es<br />

liegt möglicherweise bei Fällen, wo keine professionelle Rechtsberatung vorliegt, wo Leute<br />

sich viel selber regeln. Es kann passieren bei Frauen mit einem geringen Selbstwert, dass also<br />

schon ein Machtungleichgewicht in der Ehe da war, dass die sich durch solche Aussagen<br />

beeindrucken lassen. Dort, wo qualifizierte Beratung geleistet wird, kann ich das nicht<br />

feststellen.“ 247<br />

Paschinger 248 hingegen macht häufig die Erfahrung, dass Mütter auf Materielles verzichten,<br />

um die alleinige Obsorge zu bekommen. Die Bereitschaft der Mütter, auf Materielles zu<br />

verzichten, gehe sogar soweit, dass bei einvernehmlichen Scheidungen <strong>für</strong> die Kinder ein<br />

geringerer Unterhalt, als er § 140 ABGB entspräche, vereinbart werde: „Wir sehen in den<br />

Fällen, wo Mütter zu uns kommen, wegen Unterhalt usw. an Hand des Scheidungsvergleiches,<br />

dass bei der Scheidung ein geringerer Unterhalt vereinbart wurde. Auf die Frage, warum das so<br />

sei, käme meistens die Antwort: ‚Weil ich da<strong>für</strong> die alleinige Obsorge habe.’.“ 249 Bei<br />

alleinerziehenden Vätern, die mit dem Jugendamt Kontakt aufnehmen, sei es umgekehrt.<br />

Alleinerziehenden Vätern scheine, obwohl sie mit den Kindern im gemeinsamen Haushalt<br />

leben, weniger an der alleinigen Obsorge gelegen, vielmehr strebten sie eher die Obsorge<br />

beider Elternteile an. 250<br />

Einen weiteren Aspekt zur Obsorge beider Elternteile bringt Tews ein: „Wir haben völlig<br />

unterschiedliche Quoten, wie Eltern das jetzt bei der Scheidung annehmen. Wir stellen fest,<br />

244<br />

Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 3<br />

245<br />

Interviewtranskript, Helene Klaar, Seite 1<br />

246<br />

Interviewtranskript, Helene Klaar, Seite 2<br />

247<br />

Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 3<br />

248<br />

Interviewtranskript, Elisabeth Paschinger, Seite 2<br />

249<br />

ebenda<br />

250<br />

ebenda<br />

66


dass es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit überproportional von der Person der Richters<br />

abhängt, was mich persönlich sehr bestürzt. Wir haben Rückmeldungen von Richtern. Es<br />

liegen die Quoten zwischen 0% – also kein einziger Fall gemeinsamer Obsorge – bis zu 80%.<br />

Und wenn ein und dasselbe Gesetz so unterschiedlich gehandhabt wird von Richtern, dann<br />

meine ich, dass diesen ein nicht gebührender Einfluss zukommt.“ 251 Jackwerth 252 schätzt die<br />

Durchschnittszahl der Obsorge beider Elternteile auf 20 bis 30 % aller Scheidungen und<br />

betont, dass es davon abhänge, wie RichterInnen die Obsorge beider Elternteile „verkauften“;<br />

hier gäbe es sehr unterschiedliche Vorgangsweisen. Jackwerth gibt an, er hätte Problemfälle<br />

erlebt, in denen zuerst die Obsorge beider Elternteile vereinbart worden sei, dann aber „die<br />

Eltern, beide muss ich schon sagen, auch die Väter, krass versagt haben, und sehr zu Lasten<br />

des Kindes“ 253 .<br />

Nach Paschinger 254 werde die Obsorge beider Elternteile, „zumindest am Papier“ 255 , sehr wohl<br />

angenommen. Doch in der Praxis blieben die Kinder trotz der von den Eltern vereinbarten<br />

Obsorge beider Elternteile ausschließlich bei der Mutter, die die Erziehungsarbeit zur Gänze<br />

übernähme, während der Vater nur den Geldunterhalt leiste und das Besuchsrecht<br />

wahrnähme. 256<br />

4.1.3 Mitspracherecht des Kindes<br />

Alle ExpertInnen beklagen die derzeitige rechtliche Situation der Kinder bei der Scheidung.<br />

Als großes Manko wird sowohl von Paschinger als auch von Tews das Fehlen von<br />

„Verfahrenspflegern“ genannt. 257 In Deutschland hingegen würden die Kinder, wenn während<br />

der Scheidung Interessenskollisionen zwischen ihren Eltern aufträten, von Verfahrenspflegern<br />

rechtlich betreut. 258 „Wir erleben immer wieder, dass Eltern ihre Kinder über die Scheidung<br />

nicht aufklären“ 259 , selbst mündige Jugendliche über 14 könnten kaum ihre Rechte<br />

wahrnehmen. 260<br />

Zur Befragung der Kinder beklagt Lehnbauer: „Ich bekomme einen rechtswirksamen<br />

Scheidungsvergleich, der muss pflegschaftsbehördlich geprüft werden, wer bekommt das Kind<br />

zugesprochen. Bei Kindern unter 10 Jahren prüft das das Jugendamt und Kinder, die älter als<br />

10 sind, muss ich befragen. Für mich ist das wahnsinnig schwierig, weil ich keinerlei Schulung<br />

dahingehend habe.“ 261 Verfahrenspfleger in Deutschland hingegen besäßen neben ihrem<br />

psychosozialen oder juristischen Quellberuf eine eigene Zusatzausbildung <strong>für</strong> diese<br />

Tätigkeit. 262<br />

251<br />

Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 3<br />

252<br />

Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 2<br />

253<br />

Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 2<br />

254<br />

Interviewtranskript, Elisabeth Paschinger, Seite 1<br />

255<br />

Interviewtranskript, Elisabeth Paschinger, Seite 1<br />

256<br />

Interviewtranskript, Josef Schweighofer, Seite 1<br />

257<br />

Interviewtranskript, Elisabeth Paschinger, Seite 1 f.; Günter Tews, Seite 4<br />

258<br />

Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 4<br />

259<br />

Interviewtranskript, Elisabeth Paschinger, Seite 2<br />

260<br />

ebenda<br />

261<br />

Interviewtranskript, Christa Lehnbauer, Seite 6<br />

262<br />

Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 4<br />

67


Obwohl die ExpertInnen das Mitspracherecht der Kinder bei der Zuteilung der Obsorge<br />

begrüßen, sehen sie die Befragung der Kinder als etwas durchaus Problematisches, weil diese<br />

Loyalitätskonflikte der Kinder erzeugen oder verschärfen könnte. 263 „Kinder, die dann von<br />

einem Vater geködert, vor Gericht erscheinen und erklären, dass die Mutter das Letzte ist,<br />

ihnen kein Taschengeld gibt, den Haushalt verkommen lässt – ich weiß nicht, wie die mit 35<br />

dann mit ihrer Verräterrolle klar kommen.“ 264<br />

Auch bei der Umsetzung des Kindschaftsrechtes in der Praxis besteht nach Ansicht der<br />

ExpertInnen Handlungsbedarf, da mündige Minderjährige ihre im Kindschaftsrecht<br />

konstituierten Rechte kaum wahrnehmen könnten.<br />

Die ExpertInnen regen eine Zusatzausbildung <strong>für</strong> RechtspflegerInnen und die Einführung von<br />

VerfahrenspflegerInnen, die mündige Minderjährige in der Wahrnehmung ihrer im<br />

Kindschaftsrecht konstituierten Rechte unterstützen, an.<br />

4.2 Besuchsrecht<br />

Nach Ansicht der ExpertInnen hat sich in den letzten Jahren die Rechtsprechung des OGH zum<br />

Besuchsrecht insofern verändert, als jüngeren Kindern und ihrem nicht obsorgeberechtigten<br />

Elternteil nun mehr Besuchszeit zugesprochen würde. Auf Grund der Gutachten der<br />

KinderpsychiaterInnen und PsychologInnen würde dem nicht obsorgeberechtigten Elternteil<br />

und seinem Kleinkind nunmehr das Besuchsrecht jede Woche bis alle 14 Tage, einmal unter<br />

der Woche und zusätzlich jedes zweite Wochenende, „zugestanden“. 265 „Also, die Judikatur,<br />

soweit sie veröffentlicht ist, insbesondere in der Sammlung ehe- und familienrechtliche<br />

Entscheidungen, ist zum Teil überholt.“ 266 RichterInnen ermöglichten nunmehr beispielsweise<br />

Kindern bereits vor dem Volksschulalter die Übernachtung bei ihrem nicht<br />

obsorgeberechtigten Vater. Ausschlaggebend <strong>für</strong> die Besuchsfrequenz sei nunmehr das<br />

Ausmaß, in dem sich der Vater während der Ehe in die Kindererziehung eingebracht habe. 267<br />

Bei Besuchsrechtsstreitigkeiten würde den Vätern von den Müttern meist vorgeworfen, nicht<br />

zu den vereinbarten Zeiten zu erscheinen, und „mit den Kindern Sachen (zu) machen, die<br />

pädagogisch sehr zweifelhaft“ 268 seien. Väter hingegen klagten, die obsorgeberechtigten<br />

Mütter vereitelten das Besuchsrecht und setzten die Kinder als Druckmittel gegen den Vater<br />

ein. 269 Alle ExpertInnen versuchen, bei Streitigkeiten zwischen den Eltern zu vermitteln, eine<br />

einvernehmliche Regelung des Besuchsrechts herbeizuführen und befriedend einzuwirken, um<br />

<strong>für</strong> das Kind eine möglichst angenehme Situation zu schaffen. Dienlich sei hiebei insbesondere<br />

die Mediation.<br />

263<br />

Interviewtranskript, Gottfried Kühbauer, Seite 3; Helene Klaar, Seite 2<br />

264<br />

Interviewtranskript, Helene Klaar, a.a.O.<br />

265<br />

Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 3<br />

266<br />

Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 4<br />

267<br />

ebenda<br />

268<br />

Interviewtranskript, Elisabeth Paschinger, Seite 2<br />

269 ebenda<br />

68


„Besuchsrechtsprobleme, die vom Jugendamt nicht gelöst werden können, können unter<br />

Umständen in einer Mediation gelöst werden. Diese hat aber unbedingt freiwillig zu<br />

erfolgen.“ 270 Klaar plädierte seit Jahren da<strong>für</strong>, die Besuchsrechtsfragen etwas aus der<br />

Jurisdiktion auszunehmen. „Wenn eine Frau, was sicher <strong>für</strong> einen Vater und wahrscheinlich<br />

auch <strong>für</strong> das Kind ein Problem ist, jeden Besuchskontakt hartnäckig verweigert, dann sind<br />

Juristen nicht die richtigen Ansprechpartner, die sie dazu bewegen könnten, ihre Einstellung zu<br />

ändern, und die Verhängung von Zwangsstrafen ist jedenfalls kontraproduktiv. In Wirklichkeit<br />

wäre das ein Feld <strong>für</strong> Psychologen und Mediation. Es sollte <strong>für</strong> diese Besuchsrechtsfragen bei<br />

allen Gerichten Schlichtungsstellen geben, wo dort, wo Besuchsrechte schlecht laufen,<br />

tatsächlich 14-tägig oder einmal im Monat, Besprechungen zwischen den Betroffenen<br />

stattfinden. Viele Besuchsrechtsstreitigkeiten sind verursacht durch Missverständnisse<br />

zwischen Eltern und Kindern.“ 271<br />

Legten die Eltern die Besuchszeiten nicht exakt fest, könnte das dem Nichtobsorgeberechtigten<br />

auf lange Sicht, insbesondere wenn Väter ihr Besuchsrecht sehr unregelmäßig oder unerwartet<br />

ausüben, Probleme bereiten. Diese Besuchsrechtsausübung führte in der Praxis irgendwann zu<br />

Konflikten und das Besuchsrecht müsste bei Gericht neuerlich beantragt und exakt festgesetzt<br />

werden. 272 Auch <strong>für</strong> die Obsorge beider Elternteile empfehlen die ExpertInnen die exakte<br />

Festsetzung der Zeiten des Besuchsrechts: „Die gemeinsame Obsorge sollte nicht dazu führen,<br />

dass es keine fixen Besuchsrechtsregelungen gibt. Es sollte eine gewisse Sicherheit und<br />

Kontinuität <strong>für</strong> das Kind geben.“ 273<br />

Die ExpertInnen sehen unter den Vätern, die nicht die alleinige Obsorge und daher das<br />

Besuchsrecht haben, zwei Extremtypen: Zum einen jene Väter, die sich aus welchen Gründen<br />

auch immer nicht um das Kind kümmerten und das Besuchsrecht nicht wahrnähmen, und<br />

andererseits jene Väter, die intensiven Kontakt zu ihren Kindern wünschten. 274 Wenn das<br />

Besuchsrecht vereitelt werde, könnte entweder, etwa durch vom Amt <strong>für</strong> Jugend und Familie<br />

oder in einer Mediation, zwischen den Eltern vermittelt oder das Besuchsrechtsverfahren bei<br />

Gericht eingeleitet werden.<br />

4.2.1 Die Durchsetzung des Besuchsrechts <strong>für</strong> Väter<br />

In Österreich werden jährlich ca. 4.000 bis 4.500 Besuchsrechtsverfahren geführt. 275 Dennoch<br />

sei es <strong>für</strong> Väter schwierig, das Besuchsrecht durch ein Besuchsrechtsverfahren gegen den<br />

Widerstand des Obsorgeberechtigten durchzusetzen, 276 weil RichterInnen kaum Zwangsstrafen<br />

gegen Mütter, die das Besuchsrecht vereiteln, verhängten. 277 „Teilweise führt das so weit, dass<br />

RichterInnen glatte Rechtsverweigerung betreiben, die neben der Mutter erklären: ,... und eine<br />

Zwangsstrafe kommt bei mir überhaupt nicht in Frage.’ Das heißt, schon eingangs solcher<br />

270 ebenda<br />

271 Interviewtranskript, Helene Klaar, Seite 2<br />

272 Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 3<br />

273 Interviewtranskript, Elisabeth Paschinger, Seite 2<br />

274 siehe z.B. Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 3<br />

275 Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 4<br />

276 Interviewtranskript, Helene Klaar, Seite 4; Christa Lehnbauer, Seite 3; Günter Tews, Seite 5<br />

277 Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 5<br />

69


Verhandlungen wird dem Obsorgeberechtigten kommuniziert: ,Von mir hast du nichts zu<br />

be<strong>für</strong>chten.’ Das andere Extrem sind Richter, die der Mutter gleich erklären: ,Ich kann Ihnen<br />

die Obsorge auch wegnehmen, wenn Sie wollen.’, was auch sehr kontraproduktiv ist.“ 278<br />

Jackwerth gibt an, er versuche immer zuerst, eine Lösung „im Guten“ herbeizuführen und<br />

verhänge erst dann Beugestrafen. 279 Als Beispiel einer von ihm verhängten Beugestrafe nennt<br />

er: „Ich habe einen Fall auch gehabt, wo die Mutter selbst einen (eigenen) Unterhaltsanspruch<br />

hatte, wo wir gesagt haben: diese krasse Art, das Besuchsrecht wirklich bösartigst zu<br />

verhindern, stellt einen Grund dar, dass sie ihren Unterhaltsanspruch gegenüber dem Vater<br />

verwirkt hat.“ 280<br />

Die Exekutive würde bei Besuchsrechtsvereitelung kaum eingesetzt, da das im Normalfall als<br />

<strong>für</strong> das Kind schädlich bewertet werde. 281 „Das Hauptinstrument ist, Überzeugungsarbeit zu<br />

leisten, und hier ist die Mediation ein gutes Mittel, weil die doch drauf baut, dass eben (das<br />

Besuchsrecht) von beiden akzeptiert wird.“ 282<br />

Manchmal könnte bereits durch genaueres Nachfragen nach den Gründen der<br />

Besuchsrechtsverweigerung und Gesprächen über die genannten Gründe zwischen den Eltern<br />

Einigung über das Besuchsrecht erzielt werden. 283 Besuchsrechtsstreitigkeiten seien <strong>für</strong><br />

RichterInnen, weil sie Außenstehende sind, schwer zu beurteilen. 284 Da der Einfluss des<br />

Obsorgeberechtigten auf das Kind in der Regel groß sei, könnte das Kind, wenn die<br />

Hauptbezugsperson des Kindes gegenüber dem anderen Elternteil äußerst negativ eingestellt<br />

sei, dessen Einstellung übernehmen und sich daher gegen den Besuch des anderen Elternteils<br />

aussprechen. „Und da die Kinder sozusagen gegen ihren eigenen Wunsch zu zwingen, ist halt<br />

auch sehr schwer.“ 285<br />

Informationsbedarf <strong>für</strong> Eltern über die Reaktion der Kinder auf die Scheidung ihrer Eltern sieht<br />

Tews: „Beispiel: Die Mutter berichtet bei Gericht, das Kind fährt nicht gern zum Vater. Es<br />

weint immer, wenn es weg muss. Der Vater sagt: die Mutter lügt. Das Kind weint immer, wenn<br />

es von mir am Abend wieder heim muss. Bei Eltern, die gut kommunizieren, oder wo sich der<br />

Streit legt, stellt sich letztlich heraus, dass beide Schilderungen richtig sind. Das ist halt ein<br />

Drama <strong>für</strong> Trennungskinder, dass sie fast nie mehr beide Eltern gemeinsam erleben. Das heißt,<br />

wenn das Kind zum Vater kommt, ist damit oft ein schmerzhaftes Trennungserlebnis von der<br />

Mutter verbunden, und wenn es zur Mutter heim kommt, bezahlt das Kind mit der Trennung<br />

vom Vater. Und da ist viel Aufklärungsarbeit erforderlich, um den Eltern das begreiflich zu<br />

machen.“ 286 Für sehr bedenklich hielte er bei Verhaltensauffälligkeiten von Kindern die<br />

vermeintlich guten Ratschläge, das Besuchsrecht vorläufig auszusetzen, damit sich das Kind<br />

278 ebenda<br />

279 Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 4<br />

280 ebenda<br />

281 Interviewtranskript, Josef Schweighofer, Seite 3<br />

282 ebenda<br />

283 Interviewtranskript, Helene Klaar, Seite 2; Reinhard Jackwerth, Seite 4<br />

284 Interviewtranskript, Josef Schweighofer, Seite 3<br />

285 ebenda<br />

286 Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 5<br />

70


eruhigte. Diese Beruhigung brächte nur scheinbar Verbesserung. 287 „Da zeigt sich, wenn<br />

man sehr rasch ein regelmäßiges Besuchsrecht installiert, dass sich die Kinder auch beruhigen<br />

und dauerhaft beruhigen, und wahrscheinlich Spätfolgen nicht sind. Bei der anderen Variante –<br />

Kontaktabbruch – ist mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Spätfolgen zu rechnen.“ 288<br />

Alle ExpertInnen betonen die große Bedeutung außergerichtlicher Maßnahmen, insbesondere<br />

der Mediation und der Hilfestellungen der Ämter <strong>für</strong> Jugend und Familie, <strong>für</strong> die erfolgreiche<br />

Schlichtung von Besuchsrechtsstreitigkeiten. Die strittige Durchsetzung des Besuchsrechts vor<br />

Gericht beurteilen die ExpertInnen als schwierig. Mit dem KindRÄG 2001, das dem Kind<br />

selbst einen Rechtsanspruch auf Besuchsrecht einräumt, sei möglicherweise die Durchsetzung<br />

des Besuchsrechts erleichtert worden, da RichterInnen lieber die Rechte der Kinder als die<br />

Rechte der Erwachsenen schützten. 289 Die Auswirkungen des KindRÄG 2001 auf die<br />

Rechtsprechung in Besuchsrechtsverfahren könnten derzeit allerdings noch nicht beurteilt<br />

werden, da seit dem Inkrafttreten des KindRÄG 2001 noch zu wenig Zeit <strong>für</strong> das Ergehen von<br />

Erkenntnissen des OGH verstrichen sei.<br />

4.3 Ehegattenunterhalt<br />

Unterhalt <strong>für</strong> geschiedene Ehegatten 290 würde in der überwiegenden Anzahl der Fälle an die<br />

Frau gezahlt, weil sie auf Grund der in Österreich herrschenden traditionellen Rollenteilung<br />

zumeist der finanziell Schwächere sei. 291<br />

Klaar sieht die Judikatur als „eher restriktiv denn extensiv“ 292 . „Der Ehegattenunterhalt ist<br />

eher eine Notlösung und nichts, worum man einer Frau neidisch sein muss.“ 293 Dennoch sei in<br />

manchen Scheidungsverfahren der hinkünftig einem der beiden Ehegatten zustehende<br />

Unterhalt Anlass zu großen, oft langandauernden Streitigkeiten zwischen den Ehegatten, weil<br />

Unterhaltsleistungen über Jahrzehnte hinaus bestehen und die Gesamthöhe der hinkünftigen<br />

finanziellen Belastung des Unterhaltspflichtigen nicht abschätzbar ist. 294 Tews kritisiert, „dass<br />

die Frage: ,Bekommt die Frau einen Job?’ bei Gericht ernsthaft schon diskutiert wird, wenn die<br />

Frau 35 ist. ... Da stellt man schon oft fest, dass die zur Schau getragene Arbeitswilligkeit nicht<br />

sehr groß ist.“ 295 Nach seiner Einschätzung fänden Frauen dann rasch einen Arbeitsplatz, wenn<br />

sie einen „zeitlich begrenzten, kleinen Unterhalt“ 296 bekämen, der unabhängig vom<br />

Einkommen der Frau ausbezahlt werde, da <strong>für</strong> Frauen wenig Anreiz, zu Berufstätigkeit<br />

bestünde, wenn sie, bis sie Arbeit finden, Unterhalt bekommen. 297<br />

287<br />

Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 4<br />

288<br />

Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 4<br />

289<br />

Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 5; ähnliche Beurteilung auch Josef Schweighofer, Seite 3<br />

290<br />

siehe auch Kapitel 3.3.1.2<br />

291<br />

Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 1<br />

292<br />

Interviewtranskript, Helene Klaar, Seite 4<br />

293<br />

ebenda<br />

294<br />

Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 1<br />

295<br />

Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 9<br />

296 ebenda<br />

297 ebenda<br />

71


Nach Jackwerth 298 ist der Unterhalt <strong>für</strong> Geschiedene einerseits auf Grund der vermehrten<br />

Berufstätigkeit der Ehefrauen rückläufig und neigten andererseits Frauen nicht dazu, „wegen<br />

ein paar Groscherln“ 299 Unterhalt zu fordern. Schweighofer 300 meint, wenn auf Unterhalt<br />

ausdrücklich verzichtet worden sei, gäbe es keine Möglichkeit, nachträglich Unterhalt zu<br />

erlangen, es sei denn, der Verzicht auf Unterhalt wäre sittenwidrig gewesen. 301<br />

Wie viel Unterhalt <strong>für</strong> Geschiedene in Österreich gezahlt wird, ist kaum abschätzbar, da 90 %<br />

der Ehen gemäß § 55a EheG einvernehmlich geschieden werden. 302 In der Praxis würde der<br />

Unterhalt des Geschiedenen oft mit anderem gegengerechnet, „die Frauen bekommen eine<br />

Abgeltung <strong>für</strong> einen Unterhaltsverzicht, d.h. entweder eine ausdrücklich so titulierte<br />

Unterhaltsabfindung in oft beträchtlicher Höhe, oder dass sie mehr Ausgleichszahlung erhält,<br />

als ihr rechnerisch zustehen würde, oder dass sie weniger Ausgleichszahlung leistet <strong>für</strong><br />

Wohnung oder Haus oder ähnliches. Und da glaube ich, dass das einfach nicht erfasst wird und<br />

auch zum Teil nicht erfassbar ist, weil wenn eine Ausgleichzahlung vereinbart ist, woher soll<br />

man das statistisch erfassen, ob da eine versteckte Unterhaltskomponente drinnen ist?“ 303<br />

Kühbauer 304 beschreibt die schwierige Situation von Frauen nach der Scheidung, sieht aber<br />

auch bei <strong>Männer</strong>n, insbesondere dann wenn diese mehrere Unterhaltspflichten zu tragen haben,<br />

Härtefälle. Meistens läge die finanzielle Situation der <strong>Männer</strong> „so im guten Mittelfeld, d.h. der<br />

Mann kriegt das irgendwie hin, nur Luxus ist halt keiner möglich, außer er ist ein<br />

Topmanager“ 305 .<br />

4.3.1 Verschuldensunabhängiger Unterhalt 306<br />

Seit dem Eherechtsänderungsgesetz 1999, das am 1. Januar 2000 in Kraft getreten ist, gibt es<br />

gemäß § 68 Abs. 2 EheG den sogenannten „notdürftigen“ Unterhalt <strong>für</strong> während langjähriger<br />

Ehe nicht berufstätig gewesene, schuldig Geschiedene, denen nicht zugemutet werden kann,<br />

sich ganz oder zum Teil selbst zu erhalten. 307 Durch diese Bestimmung wird die finanzielle<br />

Situation von nach langjähriger Hausfrauenehe schuldig geschiedenen Frauen abgefedert.<br />

„Verschuldensunabhängig“ sei laut Tews 308 ein geschönter Begriff, da § 68a Abs. 2 EheG<br />

eigentlich „Unterhalt auch dann, wenn der Unterhaltsberechtigte das überwiegende oder<br />

alleinige Verschulden trägt“ 309 bedeute. Die in Kapitel 4.3 dargestellte Kritik äußert Tews auch<br />

hier.<br />

298 Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 14<br />

299 ebenda<br />

300 Interviewtranskript, Josef Schweighofer, Seite 5<br />

301 vgl. hiezu jedoch die derzeit geltenden rechtlichen Bestimmungen samt Judikatur in Kapitel<br />

2.3.1.2.6<br />

302 schriftliche Auskunft der Statistik Austria vom 10. Juli 2002; vgl. auch Kapitel 1<br />

303 Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 10<br />

304 Interviewtranskript, Gottfried Kühbauer, Seite 5<br />

305 ebenda<br />

306 siehe Kapitel 2.3.1.2.4<br />

307 die derzeit geltenden rechtlichen Bestimmungen sind in Kapitel 2.3.1.2.4 dargestellt<br />

308 Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 1<br />

309 ebenda<br />

72


Derzeit gibt es zu § 68a EheG noch keine Judikatur des OGH. 310 Nach übereinstimmender<br />

Meinung der ExpertInnen beeinflusse § 68a Abs. 2 EheG jedoch die bei einvernehmlichen<br />

Scheidungen getroffenen Unterhaltsvereinbarungen, da diese Vereinbarungen sich an den<br />

Bestimmungen des EheG orientierten. 311 „Bei einvernehmlichen Scheidungen gibt es schon<br />

eine gewisse Neigung, einen Mann, unter Hinweis auf diese Bestimmung, dazu zu bringen, der<br />

Frau eine kleine Geldrente zu zahlen.“ 312<br />

4.4 Kindesunterhalt<br />

Von den Interviewten werden die rechtlichen Bestimmungen über den Unterhalt <strong>für</strong> Kinder im<br />

Allgemeinen als ausreichend und großteils positiv bewertet. 313 Die auf Grund der ständigen<br />

Judikatur des OGH zu § 140 ABGB angewandten Prozentsätze 314 werden von Klaar und Engl<br />

als angemessen bewertet. 315 Tews kritisiert die „mangelnde wirtschaftswissenschaftliche<br />

Basis“ dieser Prozentsatzmethode und plädiert <strong>für</strong> eine „wissenschaftliche Erhebung des<br />

Bedarfs von Kindern“ 316 . Eine Begünstigung Besserverdienender sieht Klaar 317 in der<br />

Obergrenze des Unterhalts, der sogenannten „Luxusgrenze“. Jackwerth 318 begrüßt, dass der<br />

OGH seit einigen Jahren auch in Fragen der Bemessung des Unterhalts angerufen werden<br />

kann.<br />

Da bei der Bemessung des Kindesunterhaltes zwischen Müttern und Vätern nicht<br />

unterschieden wird, beinhalteten weder § 140 ABGB noch die bezughabende ständige<br />

Judikatur des OGH geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Bemessung des Unterhaltes<br />

des Kindes. Nach Ansicht der Interviewten bestehen in der Judikatur einzelne<br />

geschlechtsspezifische Problembereiche, die samt ihren praktischen Konsequenzen <strong>für</strong> die<br />

Betroffenen im Folgenden dargestellt werden:<br />

310<br />

Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 1; Reinhard Jackwerth, Seite 14; Helene Klaar, Seite 4;<br />

Josef Schweighofer, Seite 5<br />

311<br />

Interviewtranskript, Helene Klaar, Seite 4; Günter Tews, Seite 1; Josef Schweighofer, Seite 5<br />

312<br />

Interviewtranskript, Helene Klaar, a.a.O<br />

313<br />

Interviewtranskript, Elisabeth Paschinger, Seite 4; Helene Klaar, Seite 4; Erich Engl, Seite 2;<br />

Reinhard Jackwerth, Seite 15<br />

314<br />

siehe Kapitel 2.3.1.3<br />

315<br />

Interviewtranskript, Helene Klaar, Seite 2; Erich Engl, Seite 2<br />

316<br />

Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 5<br />

317<br />

Interviewtranskript, Helene Klaar, Seite 2<br />

318<br />

Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 5<br />

73


4.4.1 geschlechtsspezifische Unterschiede in der Judikatur<br />

Die ständige Judikatur des OGH macht bei der Festsetzung der Bemessungsgrundlage <strong>für</strong> den<br />

Unterhalt des Kindes, wenn Unterhaltspflichtige, die sich wegen eines weiteren Kindes aus<br />

einer nachfolgenden Beziehung in Karenzurlaub befinden, die Herabsetzung der Höhe des<br />

Unterhaltes beantragen, geschlechtsspezifische Unterschiede 319 :<br />

Beantragt eine unterhaltspflichtige Mutter, weil sie sich wegen eines weiteren Kindes aus einer<br />

nachfolgenden Beziehung in Karenzurlaub befindet, die Herabsetzung der Höhe des<br />

Unterhaltes, werde dieser auf ihren Antrag hin reduziert, indem das Karenzgeld als<br />

Bemessungsgrundlage des Unterhaltes festgesetzt wird. Wenn jedoch ein unterhaltspflichtiger<br />

Vater aus demselben Grund die Herabsetzung seines Unterhaltes beantragt, sind nach ständiger<br />

Judikatur des OGH 320 zuerst die Gründe, weshalb der Vater in Karenz gegangen sei, zu prüfen.<br />

Nur dann, wenn besonders berücksichtigungswürdige Umstände <strong>für</strong> den Karenzurlaub des<br />

Vaters, etwa das Einkommen der Mutter des neuen Kindes ist wesentlich höher als das<br />

Einkommen des Unterhaltspflichtigen, vorliegen, wird der Unterhalt reduziert, indem das<br />

Karenzgeld als Bemessungsgrundlage des Unterhaltes festgesetzt wird. Wenn jedoch keine<br />

„besondere berücksichtigungswürdige Umstände“ vorliegen, wird der unterhaltspflichtige<br />

Vater auf das von ihm vor dem Karenzurlaub erzielte Einkommen „angespannt“ 321 .<br />

Der OGH 322 begründet diese ständige Judikatur damit, dass der Verzicht auf die Erzielung<br />

eines höheren Einkommens, der nicht durch besonders berücksichtigungswürdige Umstände<br />

erzwungen ist, nicht zu Lasten des Unterhaltsberechtigten gehen darf, und das „alte“ Kind,<br />

dem Unterhaltsansprüche zustehen, schon im Sinne des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht<br />

benachteiligt werden darf, der Vater sohin vor Antritt des Karenzurlaubes auf bereits<br />

bestehende Unterhaltspflichten Rücksicht zu nehmen hat.<br />

Der Vater „kann nicht sagen, jetzt gehe ich in Karenz, weil ich will auch einmal daheim<br />

bleiben. Das geht nicht. Der Grund ist der, dass er dem Kind, bei dem er ist, seine volle<br />

Betreuungspflicht gibt, und das Kind aus der vorigen Beziehung soll deswegen weniger<br />

bekommen. Dann sind sie ja nicht gleichgestellt. Also, da sind sicher die <strong>Männer</strong> benachteiligt.<br />

Eine Herabsetzung kann es unter Umständen schon geben, aber keine Enthebung.“ 323 Die<br />

geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Rechtsprechung seien nach Lehnbauer 324 darauf<br />

zurückzuführen, dass Mütter nicht gezwungen werden könnten, gleich nach Ablauf der<br />

Mutterschutzfrist wieder arbeiten zu gehen.<br />

Da Frauen in Österreich generell weniger als <strong>Männer</strong> verdienen, ist einerseits der Unterhalt,<br />

den sie <strong>für</strong> ihr Kind dem obsorgeberechtigten Vater bezahlen, geringer, andererseits wird<br />

dieser geringere Unterhalt, wenn Frauen den Karenzurlaub in Anspruch nehmen, nochmals<br />

319<br />

siehe Kapitel 2.3.2<br />

320<br />

6 Ob 573/91; 7 Ob 615/91; 1 Ob 502/94; 7 Ob 251/98g; 6 Ob 2360/96v; u.v.a.<br />

321<br />

siehe auch Kapitel 2.3.2<br />

322<br />

1 Ob 595/91; 1 Ob 502/94; 4 Ob 2333/96p; 6 Ob 573/91; 7 Ob 615/91; u.v.a.<br />

323<br />

Interviewtranskript, Christa Lehnbauer, Seite 5<br />

324 ebenda<br />

74


eduziert. <strong>Männer</strong> sind daher bei der Bemessung des Unterhaltes <strong>für</strong> Kinder finanziell<br />

schlechter gestellt. 325<br />

4.4.2 Kindesunterhalt nur <strong>für</strong> das Kind?<br />

Der Kindesunterhalt dient gemäß § 140 Abs. 1 ABGB der Deckung der den<br />

Lebensverhältnissen der Eltern angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung<br />

seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten. Tews 326 moniert,<br />

dass manchmal auch „die Mutter und sogar deren neuer Lebensgefährte mitfinanziert“ 327<br />

würden, wenn der Unterhalt <strong>für</strong> das Kind entsprechend hoch bemessen sei. Laut Tews 328 läge<br />

die „Luxusgrenze“ <strong>für</strong> Kinder zwischen 15 bis 18 Jahren knapp unter ca. € 872,-- 329 . „Und<br />

wenn man dann das Einkommen der Mutter dazu sieht, wäre es oft lebensfremd zu sagen, sie<br />

profitiert überhaupt nicht.“ 330 Tews kritisiert weiters, dass sich die Gerichte strikt weigern<br />

herauszufinden, wo<strong>für</strong> die Mütter den Unterhalt verwenden. 331<br />

Weiters blieben nach Tews 332 die Synergieeffekte der Restfamilie zu wenig beachtet und<br />

flössen in die Unterhaltsbemessung nicht ein: „Synergieeffekte, die es im Zusammenleben<br />

gibt, die gehen bei der Scheidung nur <strong>für</strong> den verloren, der auszieht ohne Kinder. Dem anderen<br />

bleiben Großteile der Synergieeffekte sehr wohl erhalten, weil er bekommt entweder Unterhalt<br />

<strong>für</strong> sich oder hat ein Eigeneinkommen oder aber bei den Kindern ist ja auch ein Anteil <strong>für</strong><br />

Wohnen natürlich im Unterhalt. Das wird berücksichtigt. Nicht berücksichtigt wird, wenn die<br />

Mutter mit einem Lebensgefährten zusammenlebt, das wird dann berücksichtigt, wenn die<br />

Mutter selbst Unterhaltsanspruch hätte, weil der dann ruht, aber beispielsweise, dass plötzlich<br />

in derselben Wohnung zwei Erwachsene statt einer wohnen, schlägt sich auf den<br />

Kindesunterhalt nicht nieder, obwohl natürlich der zweite Erwachsene in der Regel dazu<br />

beiträgt. Das heißt, das kommt nur der Haushaltskasse der Mutter zugute, obwohl der Bedarf<br />

der Kinder realistisch geringer ist.“ 333<br />

4.4.3 Sonderbedarf 334<br />

Die Judikatur des OGH 335 , Sonderbedarf nur in Sonderfällen abhängig von der Höhe des<br />

Unterhalts zu gewähren, würde, sagt Klaar 336 , zur Diskriminierung der Scheidungskinder<br />

gegenüber anderen Kindern führen. „Da steht zum Beispiel, dass <strong>für</strong> ein 8-jähriges Mädchen,<br />

eine Brillenfassung von 1.800,-- Schilling [ca. € 130,--, Anm. d. Verf.], wovon der Vater die<br />

325<br />

Interviewtranskript, Christa Lehnbauer, Seite 1<br />

326<br />

Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 6<br />

327<br />

ebenda<br />

328<br />

ebenda<br />

329<br />

vgl. Kapitel 2.3.2; die „Luxusgrenze“ <strong>für</strong> ein Kind im Alter zwischen 15 und 19 Jahren liegt<br />

derzeit bei € 860,--.<br />

330<br />

Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 6<br />

331<br />

ebenda<br />

332<br />

ebenda<br />

333<br />

ebenda<br />

334<br />

siehe auch Kapitel 2.3.1.3<br />

335<br />

EFSlg 35.322; EFSlg 42.699; u.a.<br />

336<br />

Interviewtranskript, Helene Klaar, Seite 2<br />

75


Hälfte zahlen sollte, kein Sonderbedarf ist, weil die Mutter das Kind durch pädagogische<br />

Maßnahmen von der Notwendigkeit des Brillentragens überzeugen soll und nicht durch<br />

Ankauf einer hübschen, modernen Brillenfassung. Da könnte ich Ihnen einige solcher<br />

Beispiele nennen.“ 337<br />

Als positiv bewertet Tews 338 , dass jeder Sonderbedarf der „Abrechnungspflicht“ unterliegt. Bei<br />

Unterhaltszahlungen nahe an der sogenannten „Luxusgrenze“ wird vom Obsorgeberechtigten<br />

überdies erwartet, <strong>für</strong> Sonderausgaben Rücklagen zu bilden. Wird dennoch Sonderbedarf<br />

beantragt, wird geprüft, warum der hohe Unterhalt zur Bildung von Rücklagen nicht<br />

ausgereicht hat. 339<br />

4.4.4 Nichtberücksichtigung der Besuchskosten und der Ausgaben des<br />

Unterhaltspflichtigen <strong>für</strong> das Kind bei Festsetzung der Höhe des Unterhalts<br />

Nach der ständigen Judikatur des OGH 340 können Aufwendungen im Rahmen des üblichen<br />

Besuchsrechtes die Höhe des Unterhalts grundsätzlich nicht schmälern. Die Kosten <strong>für</strong><br />

gemeinsame Urlaube des Vaters mit seinem Kind sind als Aufwendungen im Rahmen des<br />

Besuchsrechtes anzusehen. 341 Die Rechtsprechung geht nach Jackwerth 342 davon aus, dass<br />

bereits in den festgelegten Prozentzahlen berücksichtigt ist, dass der Unterhaltspflichtige je<br />

nach seinem sozialen Status mit dem Besuchsrecht auch gewisse Auslagen hat.<br />

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung 343 des OGH und der Gerichte zweiter Instanz, dass<br />

ein die übliche Dauer überschreitendes Besuchsrecht, etwa wenn das Kind tagsüber ständig<br />

beim Geldunterhaltspflichtigen aufhältig ist, zu einer Reduzierung der Unterhaltsverpflichtung<br />

führen kann. Bei der Reduzierung des Geldunterhalts ist nicht von den Aufwendungen des<br />

Geldunterhaltspflichtigen, sondern ausschließlich von den ersparten Aufwendungen des<br />

Obsorgeberechtigten auszugehen. 344 Nähme der Unterhaltspflichtige sein Kind im Sommer<br />

einen Monat oder länger zu sich, so wirkte sich das nach Jackwerth 345 daher unterhaltsmindernd<br />

aus, „wobei die Rechtsprechung nicht sagt, in dem Monat muss er gar nichts zahlen,<br />

weil manche Kosten laufen ja weiter, sondern er muss um das weniger zahlen, was sich die<br />

Mutter erspart, sprich, vor allem die Lebensmittel und diese Sachen. Und das wird natürlich<br />

geschätzt. Also er muss ein bisschen weniger zahlen.“ 346<br />

337 Interviewtranskript, Helene Klaar, a.a.O.<br />

338 Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 6<br />

339 Interviewtranskript, Günter Tews, a.a.O.<br />

340 4 Ob 507/92; 8 Ob 1661/93; 8 Ob 2263/96v; 6 Ob 20/97b; 6 Ob 2362/96p; 6 Ob 382/97p; 6 Ob<br />

16/98s; 2 Ob 319/99x; 6 Ob 176/00a; u.v.a.<br />

341 6 Ob 176/00a; 10 Ob 502/96; 10 Ob 2018/96d; u.a.<br />

342 Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 11<br />

343 8 Ob 602/90; 8 Ob 1661/93; 4 Ob 518/94; 3 Ob 1611/94; 10 Ob 2018/96d; 6 Ob 20/97b; 2 Ob<br />

2132/96k; 2 Ob 319/99x; EFSlg 42752; EFSlg 5044; u.v.a.<br />

344 8 Ob 1661/93; 4 Ob 518/94; u.a.<br />

345 Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 11<br />

346 ebenda<br />

76


Nach Engl gehören die Kosten <strong>für</strong> den Besuch des Kindes zu den „freiwilligen Leistungen des<br />

nichtobsorgeberechtigten Elternteils“ 347 . Kaufte dieser Elternteil <strong>für</strong> das Kind ein und trüge er<br />

damit zu den Kosten des Lebensunterhalts des Kindes bei, könnte das den Unterhalt mindern,<br />

wenn der obsorgeberechtigte Elternteil den Käufen zustimmt und die „pflegschaftsbehördliche<br />

Genehmigung“ 348 hie<strong>für</strong> erteilt wird. 349 In strittigen Fällen zählten solche Kosten jedoch zu den<br />

freiwilligen Leistungen des Unterhaltspflichtigen und könnten vom Unterhalt nicht abgezogen<br />

werden. 350<br />

Schweighofer bemerkt, man könnte „dann bei Gericht argumentieren, dass diese<br />

Prozentrechtsprechung zu hoch oder zu niedrig ist, da gibt es immer wieder Argumente in die<br />

eine oder andere Richtung. Man geht eben davon aus, dass der Nichtobsorgeberechtigte neben<br />

dem unmittelbaren Geldunterhalt auch im Rahmen seiner Kontakte zum Kind auch diese<br />

Kontakte finanziert, sei es auch das Schlafen bei ihm und so weiter ... . Natürlich, wenn die<br />

Kontakte umfangreicher werden, erspart sich der andere schon ein bisschen was. Aber das<br />

pauschaliert man halt. Natürlich kann man da in die eine oder andere Richtung<br />

argumentieren.“ 351<br />

Nach Jackwerth sei die „Gesetzeslage ... in diesem Bereich – abgesehen von Signalstellungen<br />

– im Wesentlichen immer dieselbe: Es ist angemessen nach den Verhältnissen des Vaters, nach<br />

den Bedürfnissen des Kindes Unterhalt zu leisten. Die Rechtsprechung hat das zu<br />

interpretieren.“ 352 Vollzöge sich nun ein gesellschaftlicher Wandel und versorgten<br />

infolgedessen unterhaltspflichtige Väter die Kinder tageweise, so änderte sich möglicherweise<br />

auch die Interpretation des Gesetzes. Es gelte Althergebrachtes zu überdenken, die<br />

Rechtsprechung sei hier in Warteposition und beobachte, inwieweit sich die<br />

Besuchsgewohnheiten tatsächlich änderten. 353 Jackwerth vertritt die Ansicht, jüngere<br />

RichterInnen seien eher bereit, neue Wege zu gehen, und besonders großes Engagement von<br />

Unterhaltszahlenden bei der Festsetzung der Höhe des Unterhalts zu berücksichtigen.<br />

Allgemeines Umdenken und daher auch die Änderung der Judikatur erfolgte jedoch nur sehr<br />

langsam. 354<br />

Auch Paschinger zeigt sich abwartend und äußert besorgt: „Die Gefahr jetzt beim<br />

gemeinsamen Sorgerecht ist, dass der sogenannte Naturalunterhalt wieder zu Tage kommt. Das<br />

heißt, der gute Herr Papa kauft, sagen wir, Gewand und zieht diese Ausgaben vom Unterhalt<br />

ab. Da wird man sehen, wie das von den Gerichten beurteilt werden wird, und inwieweit diese<br />

Dinge die Zustimmung der Mutter haben.“ 355 Klaar be<strong>für</strong>chtet von der Obsorge beider<br />

Elternteile die Schlechterstellung des Obsorgeberechtigten in der Rechtsprechung. 356<br />

347<br />

Interviewtranskript, Erich Engl, Seite 4<br />

348<br />

Engl meint hier wohl eine Entscheidung des Familiengerichtes gemäß § 140 ABGB<br />

349<br />

Engl, a.a.O.<br />

350<br />

Interviewtranskript, Christa Lehnbauer, Seite 1<br />

351<br />

Interviewtranskript, Josef Schweighofer, Seite 4f<br />

352<br />

Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 12<br />

353<br />

Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 11<br />

354<br />

Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 12<br />

355<br />

Interviewtranskript, Elisabeth Paschinger, Seite 2f<br />

356<br />

Interviewtranskript, Helene Klaar, Seite 3<br />

77


4.5 Herabsetzung des Unterhalts versus Anspannungsgrundsatz<br />

Wenn der Unterhaltspflichtige seinen Arbeitsplatz in der Absicht, sich der Unterhaltspflicht zu<br />

entziehen, verloren hat, und danach nicht alles unternimmt, um einen neuen Arbeitsplatz zu<br />

finden, kann er auf jenes Einkommen angespannt werden, das er auf dem Arbeitsmarkt<br />

erzielen könnte. 357<br />

Die Herabsetzung des Unterhalts auf Grund geringeren Einkommens oder Arbeitslosigkeit<br />

erfolgt laut Lehnbauer 358 erst nach Verzögerung: „Wenn der Vater zum Beispiel € 290,-- 359<br />

zahlt, intern versetzt wird, und dadurch weniger zahlen müsste, kommt er zu mir, beantragt<br />

das. Nur ich kann ja nicht sofort entscheiden. Ich muss erst schauen, wie entwickelt sich sein<br />

Gehalt wirklich. Das kann bis zu drei bis vier Monate dauern. Der Vater muss im Prinzip das<br />

Volle weiter bezahlen, bis er herabgesetzt wird. Wenn er dann zur Mutter sagt, bitte gib mir<br />

das Geld zurück oder ich zahle da<strong>für</strong> weniger, kann sie sagen, dass sie es in gutem Glauben 360<br />

verbraucht hat. Und da sind die Väter sicherlich oft benachteiligt.“ 361 Hier stelle es sich <strong>für</strong><br />

Unterhaltspflichtige als Vorteil heraus, wenn sie den Unterhalt über das Jugendamt zahlen, das<br />

„Jugendamt verrechnet gegen“. 362<br />

Das grundsätzliche Problem bei der Unterhaltsbemessung sehen die ExpertInnen darin, dass<br />

viele Unterhaltsschuldner in die Arbeitslosigkeit flüchteten. 363 Bei der „Anspannung“ auf das<br />

auf dem Arbeitsmarkt erzielbare Einkommen, gelte es unter Berücksichtigung verschiedener<br />

Faktoren abzuwägen, wieviel der Unterhaltszahlende tatsächlich verdienen könnte. Lehnbauer<br />

sagt über ihren Berufsalltag: „Mir fällt auf, die Reaktion der Väter ist einfach die, dass sie<br />

nicht mehr arbeiten gehen. Ich habe wahnsinnig viele Fälle von Notstandsbeziehern, die bei<br />

mir sitzen und beteuern, ich bekomme ja keine Arbeit.“ Überdies kämen Unterhaltspflichtige<br />

in vielen Fällen nicht einmal gerichtlichen Ladungen nach. „Sie können sich nicht vorstellen,<br />

wie viele Ladungen ich habe und keiner kommt.“ 364 Nach Lehnbauer sei es oft erforderlich<br />

anzuspannen; das angespannte Einkommen läge immer unter dem Betrag, den „solche Leute<br />

tatsächlich verdienen könnten“ 365 .<br />

357<br />

siehe Kapitel 2.3.2<br />

358<br />

Interviewtranskript, Christa Lehnbauer, Seite 6<br />

359<br />

ca. ATS 4.000,--<br />

360<br />

Der gute Glaube fällt nach der ständigen Judikatur des OGH zu § 326 ABGB in jenem Zeitpunkt<br />

weg, wenn der Obsorgeberechtigte Zweifel an der Höhe des vom Unterhaltspflichtigen zu<br />

bezahlenden Unterhaltes haben muss. Der gute Glaube des Obsorgeberechtigten ist sohin<br />

jedenfalls ab jenem Zeitpunkt nicht mehr gegeben, in dem der Obsorgeberechtigte davon Kenntnis<br />

erlangt, dass Zweifel an der Höhe des Unterhalts bestehen. Sohin ist zu viel bezahlter Unterhalt ab<br />

jenem Zeitpunkt, in dem dem Obsorgeberechtigten der Antrag auf Reduzierung des Unterhalts<br />

bekannt wird, das ist jedenfalls das Datum der Zustellung des Schreibens des Gerichtes, dass ein<br />

Antrag auf Reduzierung des Unterhaltes eingebracht worden ist, zurückzuzahlen (vgl. auch<br />

Dittrich/Tades, Das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, Wien 1995, Seite 108; MietSlg 32.251;<br />

u.a.).<br />

361<br />

Interviewtranskript, Christa Lehnbauer, Seite 6<br />

362<br />

ebenda<br />

363<br />

Interviewtranskript, Erich Engl, Seite 2<br />

364<br />

Interviewtranskript, Christa Lehnbauer, Seite 2<br />

365 ebenda<br />

78


Eine Schwierigkeit bei der Bemessung des Unterhalts stellten die unangemeldeten Einkünfte<br />

Unterhaltspflichtiger dar: „Es ist halt das Problem, dass wahnsinnig viele unangemeldet<br />

beschäftigt sind. Denen ist es oft egal, ob sie vom Arbeitsmarktservice 7.000,-- oder 8.000,--<br />

Schilling [ca. € 509,-- oder € 581,--, Anm. d. Verf.] bekommen, weil er das eh’ zusätzlich zu<br />

irgend etwas dazu hat. Und das zu beurteilen ist halt schwierig.“ 366 Der vermeintlich<br />

Arbeitslose, der seinen Lebensunterhalt als Schwarzarbeiter beschafft, zahlt daher den<br />

Unterhalt nur von dem Betrag, den er vom Arbeitsmarktservice erhält, solange er nicht auf<br />

einen höheren Betrag angespannt werde. Das würde verhindert, hätte der Unterhaltspflichtige,<br />

solange „nicht eine absolute Leistungsunfähigkeit des Vaters vorliegt“ 367 , immer einen fixen<br />

Mindestunterhalt zu bezahlen. Dies könnte natürlich, ebenso wie eine weitere Herabsetzung<br />

der Pfändungsgrenze, kritisiert werden. 368<br />

Vor der Entscheidung, ob ein arbeitsloser Unterhaltspflichtiger anzuspannen ist, stellt meist ein<br />

Sachverständiger mit Gutachten fest, wie lange jemand zur Arbeitssuche braucht, oder aber es<br />

wird auf Erfahrungswerte zurückgegriffen. Jackwerth 369 berichtet, dass Väter trotz eines<br />

Handicaps, weil sie überaus außerordentlich bemüht waren, Arbeit fanden. Es gäbe aber auch<br />

Väter, die jahrelang arbeitslos seien und sich nicht vermitteln lassen wollten. Manche<br />

Arbeitsuchenden seien sicher geschickter als andere, manche hätten bei der Arbeitssuche<br />

vielleicht besonderes Pech. Bei der Beurteilung der Situation könnte es in Ausnahmefällen zu<br />

Fehleinschätzungen kommen, wenn die Lage des Einzelfalls durch das Gutachten des<br />

Sachverständigen oder bei Rückgriff auf Erfahrungswerte zu wenig berücksichtigt werde. 370<br />

Die Rechtsprechung hätte sich <strong>für</strong> Unterhaltspflichtige in den letzten Jahren positiv entwickelt,<br />

da Arbeitslose nunmehr nur dann bis zu ihrem zuletzt verdienten Lohn angespannt würden,<br />

wenn ihre Absicht, sich der Unterhaltspflicht zu entziehen, sehr offensichtlich und wiederholt<br />

erfolgt sei. 371 In allen anderen Fällen urteile die Justiz heute: „Er ist jetzt arbeitslos geworden,<br />

und unabhängig von dem, was vorher passiert ist. Wie lange braucht er, um wieder einen<br />

Arbeitsplatz zu bekommen?“ 372 Arbeitslosigkeit bewirke sohin heute auch dann die<br />

Reduzierung des Unterhalts, wenn der Unterhaltspflichtige seinen Arbeitsplatzverlust selbst<br />

verschuldet hat. Unterhaltspflichtige könnten dies ausnutzen und immer wieder arbeitslos<br />

werden, um weniger Unterhalt zu zahlen. Unterhaltspflichtige hätten hier solange einen relativ<br />

großen Spielraum, bis ihre Absicht, sich der Unterhaltspflicht zu entziehen, deutlich werde und<br />

der Anspannungsgrundsatz angewandt werde. 373<br />

366 Interviewtranskript, Elisabeth Paschinger, Seite 2<br />

367 Interviewtranskript, Erich Engl, Seite 2<br />

368 ebenda<br />

369 Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 8f<br />

370 ebenda<br />

371 vgl. Kapitel 2.3.2<br />

372 Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 8<br />

373 ebenda<br />

79


Schweighofer meint, die Anspannungstheorie würde sehr restriktiv angewandt: „Also, das<br />

muss schon sehr klar auf der Hand liegen, dass der Unterhaltspflichtige mehr verdienen<br />

könnte“ 374 , bevor angespannt würde.<br />

Arbeitslose und Notstandsbezieher würden auch nicht auf die volle Höhe des von ihnen<br />

erzielbaren Gehalts sondern einen weit darunter liegenden Betrag angespannt. 375 Angespannt<br />

würden nur jene Personen, die den Unterhalt absichtlich nicht bezahlen wollten, und mutwillig<br />

in die Erwerbslosigkeit bzw. Schwarzarbeit flüchteten. Diese Mutwilligkeit sei ausschlaggebend<br />

<strong>für</strong> die Anwendung des Anspannungsgrundsatzes. 376<br />

Zur Anspannung gäbe es, meint Schweighofer, eine umfangreiche Judikatur, die sehr Einzelfall<br />

bezogen, und im Allgemeinen „moderat ist, d.h. die ist nicht so hart, dass man da Unmögliches<br />

verlangt von Menschen, sondern im Gegenteil“ 377 . Jackwerth vertritt dagegen die Ansicht, bei<br />

Selbständigen würde manchmal zu wenig individuell entschieden.<br />

Inwieweit jemandem eine Arbeit außerhalb seiner Ausbildung und Qualifikation zugemutet<br />

werden könnte, würde in den Gutachten der Sachverständigen berücksichtigt: „Durch<br />

Gutachten wird das genau geprüft, durch Sachverständigengutachten, wie weit jemand<br />

eventuell außerhalb seiner unmittelbaren Qualifikation einen Job finden könnte. Aber diese<br />

Klischeebeispiele, dass der Akademiker dann Hilfsarbeiter sein muss, das ist lächerlich.“ 378<br />

4.6 Die Unterhaltsbemessung bei Selbständigen<br />

Zur Bemessung des Unterhaltes selbständig Erwerbstätiger wird das Durchschnittseinkommen<br />

der letzten drei Wirtschaftsjahre, sofern das Einkommen dieser Jahre repräsentativ ist,<br />

herangezogen. 379 Ist das Einkommen der letzten drei Wirtschaftsjahre nicht repräsentativ, kann<br />

der Unterhalt <strong>für</strong> diese Jahre getrennt festgesetzt werden. Die Obergrenze des Unterhaltes <strong>für</strong><br />

Kinder ist auch hier der sogenannte „Luxusbedarf“, das Zwei- bis Zweieinhalbfache des<br />

Regelbedarfes. 380<br />

In Extremfällen, wenn ein selbständig Erwerbstätiger in einem Jahr Millionen und im nächsten<br />

Jahr gerade einmal das Existenzminimum einnimmt, könnte der Betroffene im Folgejahr<br />

angespannt werden, weil der Unterhaltspflichtige wie ein pflichtbewusster Familienvater das<br />

Geld aufzusparen und auf die Jahre zu verteilen hat. „Hier könnte es schon sein, dass man sagt:<br />

Na ja, ein ordentlicher Familienvater würde hier sehr wohl auch das so umschichten auf eine<br />

längere Zeit. Das ist ja genauso bei den Abfertigungen.“ 381<br />

374 Interviewtranskript, Josef Schweighofer, Seite 4<br />

375 Interviewtranskript, Christa Lehnbauer, Seite 2<br />

376 Interviewtranskript, Christa Lehnbauer, Seite 4<br />

377 Interviewtranskript, Josef Schweighofer, Seite 4<br />

378 Interviewtranskript, Josef Schweighofer, Seite 4<br />

379 vgl. auch Kapitel 2.3.1.1<br />

380 vgl. Kapitel 2.3.1.3<br />

381 Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 9<br />

80


Bei der Feststellung der Bemessungsgrundlage des Einkommens unselbständig Erwerbstätiger<br />

müsse immer fast „detektivisch“ genau vorgegangen werden. Hier stoße man bald an die<br />

Grenzen der Machbarkeit. Andererseits neige die Rechtsprechung manchmal dazu, zu wenig<br />

individuell vorzugehen. Bei Anträgen auf Unterhaltsminderung würde eher streng, nach dem<br />

Motto, „wenn wir da jetzt nachgeben, dass wir das anerkennen als unterhaltsmindernd, dann<br />

kommt ein jeder daher“ 382 vorgegangen. Die Gesetzeslage selbst hält Jackwerth <strong>für</strong> völlig<br />

ausreichend. 383<br />

Geben selbständig Erwerbstätige ein sehr geringes Einkommen an und liegt der Verdacht, dass<br />

höhere Einkünfte vorliegen, nahe, werden die Privatentnahmen des Unterhaltspflichtigen<br />

festgestellt. Liegen übermäßig hohe Privatentnahmen vor, werden diese in die<br />

Bemessungsgrundlage einbezogen. Jackwerth erläutert dies an einem erstinstanzlichen<br />

Beispiel: „Es kann ja sein, dass zwar sein Unternehmen im Schnitt monatlich nur 9.000,--<br />

Schilling [ca. € 650,--, Anm. d. Verf.] abwirft, zumindest laut Unterlagen, aber wir sehen, er<br />

hat Privatentnahmen vom Konto, die an und <strong>für</strong> sich durch den Gewinn nicht gedeckt sind –<br />

wodurch er natürlich auch die finanzielle Basis seines Unternehmens untergräbt – von<br />

monatlich 20.000,-- Schilling [ca. € 1.450,--, Anm. d. Verf.]. Und dann werden die Privatentnahmen<br />

herangezogen. Und das fällt mir auf. Häufig geht es gar nicht so sehr, dass Leute,<br />

die eben kaum ein Einkommen aus ihrem Unternehmen haben, dass man denen keine Zeit gibt,<br />

wieder zu einem Einkommen zu kommen, sondern sehr häufig behilft man sich damit, na ja, er<br />

entnimmt aus dem Unternehmen <strong>für</strong> sein Leben so viel, also muss er daran auch sein Kind<br />

teilhaben lassen. Aber der Fall, dass der Vater sozusagen in seinem Unternehmen nichts<br />

verdient und dann auf ein sagenhaftes Einkommen angespannt wird, als hätte er alle<br />

Auftragsbücher voll, der passiert selten.“ 384<br />

Wenn ein ehemals selbständig Erwerbstätiger, der nunmehr unselbständig erwerbstätig ist,<br />

über längere Zeit nur einen Halbtagsjob annimmt, obwohl er eine Vollzeitarbeit verrichten<br />

könnte, wird er auf das Gehalt eines Vollzeitjobs angespannt. 385<br />

Nimmt ein selbständig Erwerbstätiger einen Kredit auf, um damit sein Leben zu finanzieren,<br />

wird dieser Kredit nach dem Motto „Wenn er es sich selber gönnt, auf Pump zu leben ... muss<br />

er davon einen Teil dem Kind geben.“ 386 , in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einbezogen.<br />

Nimmt daher ein selbständig Erwerbstätiger einen Kredit auf, um die Strom- und Mietkosten<br />

zu zahlen, weil sein Geschäft nichts einbringt, kann es, da der Kredit in die<br />

Unterhaltsbemessungsgrundlage einbezogen wird, zu Härtefällen kommen: „... dann wird er<br />

darauf angespannt, und man sagt: ‚Wenn du das Geld, wenn du <strong>für</strong> dein persönliches Leben dir<br />

das Geld ausborgst, dann musst du einen Teil davon dem Kind geben. Das ist ein eherner<br />

Grundsatz in der Rechtsprechung, und ist, wie gesagt, oft der einzige Ausweg überhaupt, noch<br />

zu einem zu kommen, weil bei manchen Leuten wissen wir wirklich nicht, wovon sie leben.<br />

Aber sie leben.“ 387 Privat aufgenommene Kredite, zum Beispiel von Verwandten, können, da<br />

382<br />

Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 6<br />

383<br />

ebenda<br />

384<br />

Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 10<br />

385<br />

Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 9f<br />

386<br />

Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 10<br />

387 ebenda<br />

81


sie nirgends aufscheinen, in die Unterhaltsbemessungsgrundlage jedoch nicht einbezogen<br />

werden. 388 Solange ein Unternehmer zumindest den Durchschnittsbedarf zahle, würde er nicht<br />

höher eingestuft, solange nicht sehr offensichtlich und nachweisbar sei, dass er mehr<br />

verdient. 389<br />

4.7 Unterhaltsvorschuss und die Folgen <strong>für</strong> den Unterhaltspflichtigen<br />

Obsorgeberechtigte können gemäß § 212 ABGB den Jugendwohlfahrtsträger in<br />

Unterhaltsangelegenheiten mit schriftlicher Zustimmung als (zusätzlichen) Vertreter des<br />

Kindes („Unterhaltssachwalter“) ernennen. Gemäß § 212 Abs. 4 ABGB wird durch die<br />

Vertretungsbefugnis des Jugendwohlfahrtsträgers die Vertretungsbefugnis des<br />

Obsorgeberechtigten nicht eingeschränkt, der Obsorgeberechtigte behält sohin das Recht, alle<br />

verfahrensrechtlichen Schritte in Unterhaltsangelegenheiten zu stellen. Diese Zustimmung zur<br />

(zusätzlichen) Vertretung kann gemäß § 212 Abs. 5 ABGB vom Obsorgeberechtigten jederzeit<br />

widerrufen werden.<br />

Gemäß § 9 Abs. 2 Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) wird der Jugendwohlfahrtsträger mit<br />

Zustellung des Beschlusses, mit dem Unterhaltsvorschüsse gewährt werden, alleiniger<br />

gesetzlicher Vertreter des Kindes. Ab diesem Zeitpunkt verliert der Obsorgeberechtigte sohin<br />

das Recht, in Unterhaltsangelegenheiten gegen den Unterhaltspflichtigen vorzugehen. „In dem<br />

Augenblick, wo Unterhaltsvorschuss bewilligt wird, und dieser Beschluss muss dann dem<br />

zuständigen Jugendamt zugestellt werden, und ab der Zustellung sind sie automatisch<br />

besonderer Vertreter in der Unterhaltssache mit Ausschluss der Mutter.“ 390<br />

Einem Unterhaltspflichtigen, der seinen Zahlungen mit Schädigungsabsicht nicht nachkommt,<br />

droht nach § 198 StGB eine Strafanzeige. Allerdings werde Müttern eher davon abgeraten,<br />

zahlungssäumige Väter anzuzeigen, „weil ein Vater, sofern er überhaupt verurteilt wird, im<br />

Gefängnis erst recht keinen Unterhalt zahlen kann“ 391 .<br />

Sofern der Kindesunterhalt vom Unterhaltspflichtigen nicht freiwillig bezahlt wird, und dieser<br />

auch durch Zwangsmaßnahmen wie zum Beispiel Lohnpfändung oder Exekution nicht oder<br />

nicht zur Gänze eingebracht werden kann, besteht Rechtsanspruch auf Unterhaltsvorschuss<br />

nach den Bestimmungen des UVG aus den Mitteln des Ausgleichsfonds <strong>für</strong> Familienbeihilfen.<br />

Unterhaltsvorschuss wird auf Grund eines gerichtlich bewilligten Beschlusses vom Präsidenten<br />

des Oberlandesgerichtes gemäß § 17 Abs. 1 UVG als Vorschuss jeweils am Ersten eines jeden<br />

Monats im Voraus ausgezahlt und kann, wenn der Jugendwohlfahrtsträger dies beantragt,<br />

gemäß § 17 Abs. 2 UVG auch an den Jugendwohlfahrtsträger übermittelt werden. 392<br />

Rechtsanspruch auf Unterhaltsvorschuss besitzen gemäß § 2 UVG minderjährige Kinder, die<br />

ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben und entweder österreichische<br />

388<br />

ebenda<br />

389<br />

Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 9<br />

390<br />

Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 5<br />

391<br />

ebenda<br />

392<br />

Interviewtranskript, Elisabeth Paschinger, Seite 2<br />

82


StaatsbürgerInnen, StaatsbürgerInnen eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union 393 oder<br />

staatenlos sind. Weiters besitzen auch jene minderjährigen Kinder, die BürgerInnen des EWR<br />

sind, und in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Österreich wohnen,<br />

Rechtsanspruch auf Unterhaltsvorschuss, wenn der Unterhaltspflichtige des Kindes in<br />

Österreich Arbeitnehmer oder arbeitsloser Arbeitnehmer ist, und daher Anspruch auf<br />

„Familienleistung“ im Sinne der Verordnung des Rates Nr. 1408/71 hat. 394<br />

Für diese Personen ist Unterhaltsvorschuss gemäß §§ 3 und 4 UVG dann zu gewähren, wenn<br />

• <strong>für</strong> den gesetzlichen Unterhaltsanspruch ein im Inland vollstreckbarer Exekutionstitel<br />

besteht und eine wegen der laufenden Unterhaltsbeiträge geführte Exekution teilweise<br />

oder zur Gänze erfolglos blieb oder aussichtslos erscheint; oder<br />

• die Festsetzung des Unterhaltsbeitrags überhaupt oder<br />

• wenn der Exekutionstitel älter als drei Jahre ist, die Erhöhung des Unterhalts aus<br />

Gründen, die auf Seite des Unterhaltsschuldners liegen, nicht gelingt, außer der<br />

Unterhaltsschuldner ist nach seinen Kräften offenbar zu einer Unterhaltsleistung<br />

beziehungsweise einer höheren Unterhaltsleistung nicht imstande; oder<br />

• dem Unterhaltsschuldner auf Grund einer Anordnung in einem strafgerichtlichen<br />

Verfahren länger als einen Monat im Inland die Freiheit entzogen wird und er deshalb<br />

seine Unterhaltspflicht nicht erfüllen kann; oder<br />

• die Vaterschaft zu einem unehelichen Kind in erster Instanz festgestellt und einem mit<br />

der Klage auf Feststellung der Vaterschaft verbundenen Unterhaltsbegehren entweder,<br />

zumindest mit einem Teilbetrag, in erster Instanz stattgegeben oder hierüber <strong>für</strong> den<br />

Fall der rechtskräftigen Feststellung der Vaterschaft ein gerichtlicher Vergleich<br />

geschlossen worden ist; oder<br />

• der Unterhaltsschuldner den vorläufigen Unterhalt nach § 382a EO (d.i. ein<br />

rechtskräftiger Exekutionstitel auf vorläufigen Unterhalt, der dann ergehen kann, wenn<br />

gleichzeitig das Verfahren zur Bemessung des Unterhalts bereits anhängig ist oder<br />

anhängig gemacht wurde) nicht innerhalb eines Monats ab Zustellung der einstweiligen<br />

Verfügung an ihn voll erbringt.<br />

Als Voraussetzung der Gewährung des Unterhaltsvorschusses nennt Lehnbauer 395 folgende<br />

Kriterien: „Zuerst muss man versuchen, Exekution zu führen, dann muss er [der<br />

Unterhaltspflichtige, Anm. d. Verf.] arbeitsfähig sein, sonst geht es nicht. Er muss<br />

österreichischer Staatsbürger sein, außer, das ist jetzt auch neu, er ist EU-Staatsbürger und<br />

befindet sich in Österreich; kriegt er auch Vorschuss.“ 396<br />

Der Unterhaltspflichtige muss den gewährten Unterhaltsvorschuss entweder an das Jugendamt<br />

oder an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes zurückzahlen. Die Rückzahlungsforderungen<br />

gegenüber dem Unterhaltspflichtigen fangen teilweise sofort ab Gewährung des Vorschusses<br />

an und verjähren nicht. „Solange das Kind noch nicht volljährig ist, treiben die Jugendämter<br />

393 auf Grund des Urteils des Europäischen Gerichtshofes vom 15. März 2001, Dokument Nr.<br />

61999J0885, Sammlung der Rechtsprechung 2001 Seite I-02261, Vincent und Esther Offermanns<br />

394 Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 5. Februar 2002, Dokument Nr. 61999J0255,<br />

Sammlung der Rechtsprechung 2002, Seite I-01205, Anna Humer<br />

395 Interviewtranskript, Christa Lehnbauer, Seite 3<br />

396 ebenda<br />

83


ein und erst bei Volljährigkeit des Kindes treiben wir [der Präsident des Oberlandesgerichts,<br />

Anm. d. Verf.] ein.“ 397<br />

In Österreich wurden im Jahr 2001 € 83,7 Millionen an Unterhaltsvorschuss ausbezahlt, die<br />

Rückflussquote betrug 45,3%. 398 Diese Rückflussquote sei im internationalen Vergleich relativ<br />

hoch. 399 Da Unterhaltsvorschuss immer erst dann gewährt werde, wenn eine Exekution<br />

erfolglos war, bewertet auch Engl die Rückflussquote als „gar nicht so wenig“ 400 . „Von Leuten<br />

die sich absetzen und wir überhaupt nicht wissen, wo die sind, fragen wir in regelmäßigen<br />

Abständen nach. Unsere Forderung gilt auch als Unterhaltsforderung, das heißt, bei Exekution<br />

sind wir besser gestellt als ein normaler Gläubiger. Es darf tiefer herunter gepfändet werden.<br />

Das Existenzminimum wird um ein Viertel verringert.“ 401 Tews führt Deutschland, wo die<br />

Rückflussquote bei 13% liegt, als Vergleich an. Die Rückflussquote wird von den ExpertInnen<br />

als durchaus gut bewertet.<br />

Folgende Gründe <strong>für</strong> den Rückgang der Rückflussquote in den letzten Jahren nennen die<br />

ExpertInnen:<br />

• Personalmangel in der Jugendwohlfahrt: „Immer mehr Fälle müssen von immer<br />

weniger Rechts<strong>für</strong>sorgern bewältigt werden. Dadurch kommt es zu Verzögerungen und<br />

manchmal sogar zu Verlusten.“ 402<br />

• Konkursrecht: „Wenn sehr viele Schulden bei einem Privatmann da sind, dann gibt es<br />

die Möglichkeit, in Konkurs zu gehen. Wenn das alles genehmigt wird, dann wird die<br />

Restschuld erlassen, und dazu gehören auch Schulden, die er gegenüber dem Staat im<br />

Rahmen des Unterhaltsvorschusses hat. Das heißt, er zahlt nur einen Teil zurück und<br />

der Rest wird ihm quasi erlassen. Das macht ziemliche Beträge aus.“ 403<br />

• Wirtschaftssituation: „Wenn die Arbeitslosigkeit steigt, wird auch weniger Unterhalt<br />

geleistet.“ 404<br />

• Auszahlungshöhe: Laut Lehnbauer ist die Auszahlungshöhe der Vorschussbetrages in<br />

den letzten Jahren stark gestiegen. 405 Tews vermutet die maximale Höhe des<br />

Unterhaltsvorschusses bei € 410,-- bis € 420,--. 406<br />

• Mangelnde Zahlungsmoral und Abtauchen der Unterhaltspflichtigen: Lehnbauer<br />

vermutet in manchen Fällen mangelnde Zahlungsmoral als Ursache. 407 Engl begründet<br />

übereinstimmend, dass Unterhaltspflichtige manchmal einfach verschwinden: „Wir<br />

haben einige Fälle, wo wir viel auszahlen und Null herein kommt, weil die Väter<br />

abgetaucht sind. In Prozenten kann ich das nicht sagen ... . Wobei aber die Unwilligkeit<br />

397<br />

Interviewtranskript, Erich Engl, Seite 1<br />

398<br />

vgl. Tabelle 1<br />

399<br />

Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 4<br />

400<br />

Interviewtranskript, Erich Engl, Seite 3<br />

401<br />

ebenda<br />

402<br />

Interviewtranskript, Elisabeth Paschinger, Seite 2<br />

403<br />

ebenda<br />

404<br />

ebenda<br />

405<br />

Interviewtranskript, Christa Lehnbauer, Seite 3<br />

406<br />

Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 7<br />

407<br />

Interviewtranskript, Christa Lehnbauer, Seite 3<br />

84


oft nur temporär ist, er versucht das auszureizen, zahlt aber dann letztlich doch.“ 408<br />

Laut Engl machen aber viele Väter einen Lernprozess durch. 409<br />

• Auch die Österreicher, die in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union leben,<br />

müssen <strong>für</strong> ihre in Österreich wohnhaften Kinder den Unterhalt bzw. die Rückzahlung<br />

gewährter Unterhaltsvorschüsse leisten. „Nur die Verfahren mit Vätern im Ausland<br />

dauern alle sehr lange.“ 410<br />

Tews 411 bespricht das Thema Zahlungsmoral sehr ausführlich, weil in der Öffentlichkeit immer<br />

wieder die Diskussion um die Zahlungswilligkeit Unterhaltspflichtiger aufkeime: „Diese<br />

Diskussionen gibt es natürlich europaweit und immer wieder angefragt wird, wie weit<br />

Unterhaltsflucht, wie weit kann man die Väter noch zwicken und auch Mütter. Da tauchen<br />

dann die Diskussionen auf: Führerschein wegnehmen, Auto wegnehmen, sozusagen Dinge<br />

wegnehmen, die besonders wichtig sind, was völlig kontraproduktiv ist in Wahrheit.“ 412 Ein<br />

Indiz da<strong>für</strong>, dass nur wenige Unterhaltspflichtige vorsätzlich den Unterhalt nicht bezahlten,<br />

sieht Tews in der geringe Zahl der Verurteilungen nach § 198 StGB. In Deutschland sei die<br />

Frage der Unterhaltsflucht im Bundestag beantwortet worden; nach dieser Beantwortung seien<br />

in Deutschland ca. 20% der Unterhaltssäumigen Unterhaltsflüchter. „80% können schlicht und<br />

einfach nicht, wegen Arbeitslosigkeit, geringem Einkommen, Haft – bitte auch bei Häftlingen<br />

wird Unterhaltsvorschuss bezahlt – und bei den Stundenlöhnen, die dort bezahlt werden, ist es<br />

selbst den gegen <strong>Männer</strong> Feindseligsten klar, dass man davon nichts mehr bezahlen kann,<br />

realistisch. Man kommt also in Deutschland zur sehr unbestrittenen Annahme, dass nicht mehr<br />

als 20% überhaupt <strong>für</strong> Unterhaltsflucht in Frage kommen.“ 413<br />

Als die „wirklich tragischen Fälle“ bezeichnet Paschinger 414 jene Kinder, denen auf Grund der<br />

Bestimmungen des UVG der Unterhaltsvorschuss nicht gewährt werden kann. „In diesem Fall<br />

gibt es dann <strong>für</strong> das Kind überhaupt nichts.“ 415 Daher sollte der Unterhalt von der Leistungsfähigkeit<br />

des unterhaltspflichtigen Elternteiles entkoppelt werden: „Das würde unter<br />

Umständen auch zur Entlastung der armen Väter führen. Wenn der Staat herginge und den<br />

Unterhalt des Kindes mit einem bestimmten Mindestbetrag absichert, dann sichert er die<br />

Kinder ab. Das müsste unabhängig von der Leistungsfähigkeit der Väter sein. Von den<br />

Unterhaltspflichtigen verlange ich den Teil, der halt immer möglich ist. Ich gebe Ihnen ein<br />

Beispiel: Ein 10-jähriges Kind bekommt einen Unterhaltsvorschuss von etwa ATS 2.000,--<br />

[circa € 145,-- Anm. d. Verf.], der Vater könnte auf Grund seines Einkommens ATS 4.000,--<br />

[circa € 290,--, Anm. d. Verf.] leisten. Diese ATS 4.000,-- [circa € 290,-- Anm. d. Verf.]<br />

kommen ans Jugendamt, ATS 2.000,-- [circa € 145,-- Anm. d. Verf.] gehen zurück an den<br />

Staat und ATS 2.000,-- [circa € 145,-- Anm. d. Verf.] bekommt die Mutter, sprich das Kind.<br />

Anderes Beispiel, ebenfalls ein 10-jähriges Kind. Der Vater kann aus irgend einem Grund nur<br />

ATS 1.000,-- [€ 73,-- Anm. d. Verf.] zahlen, dann bekommt das Kind trotzdem ATS 2.000,--<br />

408<br />

Interviewtranskript, Helene Klaar, Seite 3<br />

409<br />

Interviewtranskript, Erich Engl, Seite 3<br />

410<br />

Interviewtranskript, Christa Lehnbauer, Seite 3<br />

411<br />

Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 6<br />

412<br />

ebenda<br />

413<br />

ebenda<br />

414<br />

Interviewtranskript, Elisabeth Paschinger, Seite 2<br />

415 ebenda<br />

85


[€ 146,-- Anm. d. Verf.]. Der Unterhaltsvorschuss, den der Staat leistet, wird entkoppelt. Das<br />

würde zu einer wesentlichen Entlastung in den verschiedensten Bereichen führen. Die<br />

obsorgeberechtigten Mütter wüssten, diesen Betrag bekomme ich sicher, während es jetzt so<br />

ist, dass wenn der Vater arbeitslos ist, wird das ganze auf ATS 400,--[€ 30,--, Anm. d. Verf.]<br />

herunter gesetzt, denn das ist der Familienzuschuss. Ich könnte mir vorstellen, dass das sehr<br />

viel Entkrampfung zwischen den Elternteilen bringt.“ 416 Paschinger betont in diesem<br />

Zusammenhang, dass dies eine Idee sei, die entsprechend durchkalkuliert und geprüft werden<br />

müsse. Auch Engl 417 regt, allerdings in einem anderen Zusammenhang, einen Mindestunterhalt<br />

an. 418<br />

4.8 Finanzielle Folgen <strong>für</strong> den Unterhaltspflichtigen<br />

Alle ExpertInnen betonen, dass durch Scheidung und Trennung jeder Elternteil finanziell<br />

stärker belastet sei: „Die Mühe, die derjenige hat, der die Kinder hat, ist eigentlich ein irrsinnig<br />

großer Aufwand. Das kann man mit Geld gar nicht bezahlen. Für den Vater ist es natürlich<br />

schwer, je nachdem wie viele Kinder er hat, einen doch so hohen Betrag monatlich weg zu<br />

geben.“ 419 Besonders schwierig sei die finanzielle Situation derjenigen Unterhaltspflichtigen,<br />

„die eher wenig verdienen, weil da die Prozente mehr ins Gewicht fallen. Ein überwiegender<br />

Anteil sind Verdiener zwischen 14.000,-- [etwa € 1.020,--, Anm. d. Verf.] und 18.000,--<br />

Schilling [etwa € 1.310,--, Anm. d. Verf. ].“ 420 „Der Vater kann es sich nicht leisten, die<br />

Mutter als Vertreterin des Kindes würde es [den Unterhalt, Anm. d. Verf.] dringend<br />

brauchen.“ 421<br />

Die Finanzierung des getrennten Lebens und die Bezahlung des Unterhaltes führe nach<br />

Ansicht der ExpertInnen zu massiven finanziellen Einbußen im Leben des Mannes. 422 Die<br />

finanzielle Einschnürung des Geldunterhaltspflichtigen beginnt <strong>für</strong> Tews dann, wenn dieser <strong>für</strong><br />

mehr als ein Kind Unterhalt zu leisten habe. 423 Lehnbauer expliziert dies an einem Beispiel:<br />

„Es gibt wirklich schlimme Einzelfälle. Meiner Erfahrung nach lebt ein durchschnittlicher<br />

Verdiener mit 3 Kindern schon am Existenzminimum. Er hat z.B. 15.000,-- Schilling [etwa €<br />

1.090,--, Anm. d. Verf.] im Monat, sind das mit Urlaubs- und Weihnachtsgeld ca. 16.517,--<br />

Schilling [etwa € 1.200,--, Anm. d. Verf.] und jetzt zahlt er <strong>für</strong> die Kinder 7.000,-- Schilling<br />

[etwa € 510,--, Anm. d. Verf. ] im Monat oder mehr, dem bleiben oft nur 7.000,-- Schilling<br />

[etwa € 510,--, Anm. d. Verf. ] zum Leben. Ich verpflichte oft Väter, wo ich mir denke, ich<br />

wüsste nicht, wie ich so leben könnte. Nur mir selbst bleibt auch nichts anderes über, und<br />

andererseits muss man sich halt überlegen, wenn man Kinder in die Welt setzt.“ 424<br />

Jackwerth führt aus, dass der Unterhaltspflichtige zu einer Unterhaltshöhe verpflichtet werden<br />

könnte, die ihn zwinge, unter dem Existenzminimum zu leben. „Die Überlegung des OGH<br />

416<br />

Interviewtranskript, Elisabeth Paschinger, Seite 4<br />

417<br />

Interviewtranskript, Erich Engl, Seite 2<br />

418<br />

siehe Kapitel 7.5<br />

419<br />

Interviewtranskript, Christa Lehnbauer, Seite 2<br />

420<br />

Interviewtranskript, Christa Lehnbauer, Seite 2<br />

421<br />

Interviewtranskript, Erich Engl, Seite 2<br />

422<br />

Interviewtranskript, Josef Schweighofer, Seite 3<br />

423<br />

Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 5<br />

424<br />

Interviewtranskript, Christa Lehnbauer, Seite 3<br />

86


dahinter ist: Auch ein armer Vater hat das Kind an seinen kärglichen Lebensverhältnissen<br />

teilhaben zu lassen. Und es gab vereinzelt Fälle, in denen der Unterhaltspflichtige mit weniger<br />

als 5.000,-- Schilling [etwa € 360,--, Anm. d. Verf.] pro Monat auskommen musste.“ 425<br />

Nach der ständigen Judikatur des OGH 426 zu §140 Abs. 2, 2. Satz, ABGB ist in jenen Fällen, in<br />

denen der Unterhaltspflichtige am Existenzminimum lebt und daher zur vollen Deckung der<br />

Bedürfnisse des Kindes nicht imstande ist oder mehr leisten müsste, als seinen eigenen<br />

Lebensverhältnissen angemessen wäre, die Höhe des Unterhalts nicht nach der Prozentsatzmethode<br />

zu bemessen. In diesen Fällen ist vielmehr jener Teil des durchschnittlichen<br />

Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen, der dem Unterhaltspflichtigen auch im Falle der<br />

exekutiven Durchsetzung des Unterhaltstitels gemäß § 291b EO zu verbleiben hat, von der<br />

Bemessung auszunehmen. Der der Pfändung nicht unterworfene Bezugsteil stellt den<br />

Geldunterhalt dar bzw. ist entsprechend dem festgestellten Bedarf der Unterhaltsberechtigten<br />

auf die miteinander konkurrierenden Unterhaltsberechtigungen aufzuteilen.<br />

Gemäß § 291b Abs. 2 EO hat dem Unterhaltsschuldner im Falle der exekutiven Durchsetzung<br />

des Unterhaltstitels 75 % der unpfändbaren Beträge nach § 291a Abs. 1 bis 4 EO zu<br />

verbleiben.<br />

Die Höhe dieser unpfändbaren Beträge beträgt gemäß § 291a Abs. 1 EO 75 % des allgemeinen<br />

Grundbetrages gemäß § 293 ASVG, sohin <strong>für</strong> Alleinstehende 75 % von € 630,92 und <strong>für</strong> den<br />

mit dem Ehegatten im gemeinsamen Haushalt Lebenden 75 % von € 900,13. Dem<br />

alleinstehenden Unterhaltsschuldner hat sohin auf Grund der ständigen Judikatur des OGH 427<br />

ein Existenzminimum in Höhe von € 473,19 und dem mit seinem einkommenslosen Ehegatten<br />

im gemeinsamen Haushalt lebenden Unterhaltspflichtigen in Höhe von € 675,10 zu verbleiben.<br />

Unterhaltspflichten gegen weitere Personen, mit denen der Unterhaltspflichtige im<br />

gemeinsamen Haushalt lebt, erhöhen das zu verbleibende Existenzminimum.<br />

Unterhaltszahlungen, die bewirken, dass der Unterhaltspflichtige mit weniger als € 360,-- pro<br />

Monat auskommen muss, entsprechen sohin nicht den Bestimmungen des § 140 Abs. 2, 2.<br />

Satz, ABGB. 428 Jenen Teil des Unterhaltes des Kindes, den der Unterhaltspflichtige nicht<br />

bestreiten kann, hat gemäß § 140 Abs. 2, 2. Satz ABGB der Obsorgeberechtigte zu tragen.<br />

Das ggstdl. Beispiel belegt eindrucksvoll, das Dilemma der nicht durch einen im Ehe- und<br />

Familienrecht versierten Rechtsanwalt vertretenen Partei in zivilgerichtlichen Verfahren, das<br />

noch dadurch verstärkt wird, dass<br />

• in außerstreitigen Verfahren, hier Verfahren über den Unterhalt <strong>für</strong> Minderjährige,<br />

keine Manuduktionspflicht besteht,<br />

• RichterInnen in streitigen Verfahren, hier Verfahren über den Unterhalt <strong>für</strong> Volljährige,<br />

gemäß § 405 ZPO nur über die in der Hauptsache gestellten Anträge nicht aber – wie<br />

425 Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 5<br />

426 8 Ob 615/90; 6 Ob 563/90; u.v.a<br />

427 8 Ob 615/90; 6 Ob 563/90; u.v.a<br />

428 siehe auch Kapitel 2.3.1.3<br />

87


etwa im außerstreitigen Verfahren 429 oder in Verwaltungsverfahren nach amtswegiger<br />

Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes – in der Sache selbst zu entscheiden haben,<br />

• die Manuduktionspflicht in streitigen Verfahren (§§ 432 und 435 ZPO) <strong>für</strong> unvertretene<br />

Parteien bedauerlicherweise noch immer zu kurz greift,<br />

• die rechtsunkundige, unvertretene Partei mit dem Geltungsbereich des außerstreitigen<br />

und streitigen Verfahren und deren verfahrensrechtlichen Unterschieden überfordert ist<br />

und<br />

• der Spezialisierungsgrad der RichterInnen, je nach geographischer Lage des Gerichtes,<br />

höchst unterschiedlich ist.<br />

Dass Scheidung einer der Faktoren sein kann, die zu Obdachlosigkeit von <strong>Männer</strong>n führen,<br />

wird von den ExpertInnen allgemein anerkannt. Allerdings betonen sie, dass es mehr als nur<br />

der Scheidung bedarf, damit ein Mann auf Dauer obdachlos wird. <strong>Männer</strong> sind jedoch nach der<br />

Scheidung vergleichsweise schneller von Obdachlosigkeit bedroht als Frauen, weil meist die<br />

<strong>Männer</strong> aus der ehelichen Wohnung ausziehen. 430<br />

Die Verpflichtung zu Kindesunterhalt alleine, führe keinesfalls zu Obdachlosigkeit. „Erstens<br />

dauert es eine Weile, bis wir anfangen den Unterhalt einzutreiben. Die Toleranz zum Zuwarten<br />

bis eine Zahlung erfolgt, ist in der Regel bei vielen Frauen eine große. Zweitens, wenn jemand<br />

arbeitet und ein regelmäßiges Einkommen hat, wird versucht, eine Regelung zu treffen. Erst<br />

wenn er dieser nicht nachkommt, wird eine Lohnpfändung gemacht. Wenn nur der Unterhalt<br />

gepfändet wird, und er sonst keine Schulden hat, ist das Existenzminimum ein relativ hohes.<br />

Und selbst dann ist noch eine Regelung zwischen dem Jugendamt und dem<br />

Zahlungspflichtigen möglich. All das hängt von einer gewissen Kooperationsbereitschaft und<br />

einer gewissen Zahlungsmoral ab. Warum es dann dennoch zu Obdachlosigkeit kommen kann,<br />

ist, wenn auch andere Pfändungen vorliegen. Wenn dann noch Arbeitslosigkeit dazu kommt,<br />

wird es haarig. Dass er mit einer Arbeitslosenunterstützung von 5.000,-- Schilling [etwa<br />

€ 363,--, Anm. d. Verf.] auf Dauer keine Wohnung erhalten kann, ist klar. Aber der Unterhalt<br />

ist kein Auslöser, sondern höchstens ein Teil, der dazu kommt.“ 431 Vielfach seien<br />

Alkoholismus und psychische Probleme unter den Ursachen, die bewirkten, dass ein Mann<br />

keine Verantwortung <strong>für</strong> sein Leben oder das der Kinder übernimmt. Er ließe sich hängen und<br />

kümmerte sich um nichts mehr. 432 Das soziale Netz <strong>für</strong> <strong>Männer</strong> wird von den ExpertInnen<br />

positiv beurteilt, die betroffenen <strong>Männer</strong> müssten jedoch aktiv werden, um dieses Netz in<br />

Anspruch nehmen zu können.<br />

Engl macht deutlich, welche Konsequenzen die Nichtbezahlung des Kindesunterhaltes nach<br />

sich ziehen kann, und in welche Spirale Unterhaltspflichtige geraten können: „Die Folgen sind,<br />

dass der, der die Kinder betreut, zum Bittsteller wird, und der, der zahlt, wird zum Schuldner.<br />

Er flüchtet aus der Arbeitswelt, um als U-Boot zu leben, hat beim Staat Schulden, die sich aus<br />

Unterhaltsvorschüssen ergeben, die er aber auch nach 20 Jahren noch zurückzahlen muss. Zu<br />

429<br />

Im außerstreitigen Verfahren gilt der dem Zivilprozessrecht innewohnende Grundsatz der strengen<br />

Bindung der RichterInnen an die Anträge nicht.<br />

430<br />

Interviewtranskript Stefan Ohmacht, Seite 2; siehe hiezu auch das Kapitel 5.9,<br />

„Vermögensaufteilung“<br />

431<br />

Interviewtranskript, Elisabeth Paschinger, Seite 3<br />

432<br />

Interviewtranskript, Christa Lehnbauer, Seite 4<br />

88


einem Zeitpunkt, wo er vielleicht mit einer neuen Partnerin ein geordnetes Leben führen<br />

möchte, kommen dann wir und sagen, bei uns hast du noch 200.000,-- Schilling [etwa €<br />

14.535,-- Anm. d. Verf.] Schulden. Und die Frau wird zur Bittstellerin, wenn sich der Mann<br />

geschickt verhält, braucht er vielleicht fast nichts zu zahlen. Die Frau wird gezwungen,<br />

Zuschüsse zu begehren, sie wird also zu einer Behörden-Türschnallen-Drückerin.“ 433 Da der<br />

Anspruch auf Rückzahlung des Unterhaltsvorschusses nicht verjährt, können<br />

Unterhaltsschulden vom Staat auch noch nach Jahrzehnten gefordert werden, und bei der<br />

Exekution darf unter das normale Existenzminimum gepfändet werden. 434<br />

4.9 Vermögensaufteilung<br />

Die Vermögensaufteilung gehört laut Klaar „zu den gelungensten Bereichen des bestehenden<br />

Ehe- und Familienrechtes. Es gibt natürlich auch hier immer wieder Ungerechtigkeiten. Es ist<br />

auch interessanter Weise so, dass immer noch viele Frauen glauben, dass der Mann, der die<br />

Familie verlassen hat, nichts bekommt. Da besteht immer noch ein gewisser<br />

Aufklärungsbedarf.“ 435<br />

Die Vermögensaufteilung 436 erfolgt in ständiger Judikatur nach bestimmten Kriterien, die<br />

gegeneinander abgewogen werden. Ob nun ein Kriterium mehr berücksichtigt werden soll als<br />

ein anderes, ist <strong>für</strong> Schweighofer 437 eine reine Wertungsfrage. In der Judikatur sieht er keine<br />

Benachteiligungen <strong>für</strong> <strong>Männer</strong> oder Frauen, sondern lediglich unterschiedliche Konsequenzen<br />

<strong>für</strong> die Geschlechter. Da kleine Kinder eher bei der Mutter bleiben und die Mutter auf Grund<br />

der Kinderbetreuung und anderer Gründe finanziell schlechter gestellt sei, würde ihr eher die<br />

Ehewohnung zugesprochen. Da Mütter meist über wenig Einkommen oder Vermögen<br />

verfügten, könnte sie bei den Ausgleichszahlungen zusätzlich begünstigt werden. „Also, sie<br />

braucht nicht genau die Hälfte bezahlen, sondern es kann weniger festgesetzt werden. ... Der<br />

Grund da<strong>für</strong> ist eben der Umstand, dass hier beide weiterbestehen können sollen, dass hier die<br />

Kinder auch die Wohnung brauchen, dass der andere eben finanziell eine schwächere Position<br />

hat, der die Kinder betreut.“ 438<br />

Tews bezeichnet gerade diese Rechtsprechung als eine „faktische Benachteiligung“ des<br />

Mannes, erwähnt aber, dass Frauen nur in absoluten Ausnahmefällen weniger als ein Drittel<br />

des tatsächlichen Wertes als Ausgleichzahlung leisten müssten.<br />

Da das EheG die Vermögensaufteilung nach dem Grundsatz des „Wohlbestehens“, beide<br />

Ehegatten sollen nach der Scheidung „wohl bestehen können“, vorzunehmen ist, haben die<br />

RichterInnen bei der Vermögensaufteilung auch zu berücksichtigen, dass der Mann nach<br />

Verlassen der Ehewohnung „eine den Lebensverhältnissen der Ehegattin entsprechende<br />

Startmöglichkeit hat. Zu sagen, – ja der soll sich halt eine Garconniere nehmen, wenn vorher<br />

433<br />

Interviewtranskript, Erich Engl, Seite 1<br />

434<br />

ebenda<br />

435<br />

Interviewtranskript, Helene Klaar, S 4<br />

436<br />

siehe auch Kapitel 2.3.7<br />

437<br />

Interviewtranskript, Josef Schweighofer, Seite 6<br />

438<br />

Interviewtranskript, Josef Schweighofer, Seite 6<br />

89


ganz gehobene Lebensverhältnisse waren, – das würde man nicht sagen können.“ 439 Auch<br />

dann wenn der Mann die Zerrüttung der Ehe alleine verschuldet hat, müsse er da<strong>für</strong><br />

entschädigt werden, dass die Frau die Ehewohnung behält. 440<br />

4.9.1 Kreditmithaftung<br />

Klaar 441 und Tews 442 sehen in der Übernahme einer Bürgschaft oder eines Kredites kein<br />

typisch scheidungsspezifisches Problem, die Scheidung verschärfe jedoch bereits bestehende<br />

finanzielle Probleme.<br />

In vielen Fällen nähmen die <strong>Männer</strong> den Kredit auf, die Ehefrauen bürgten <strong>für</strong> diesen<br />

Kredit. 443 Im Scheidungsvergleich könne nun zwar vereinbart werden, dass nur die<br />

HauptschuldnerIn die Rückzahlung zu leisten hat, durch diese Vereinbarung wird die BürgIn<br />

oder MitschuldnerIn allerdings nicht völlig aus der Haftung entlassen, da die Banken durch<br />

eine solche Vereinbarung lediglich verpflichtet sind, mit der Eintreibung der Schuld bei der<br />

HauptschuldnerIn zu beginnen. „Aber das schiebt die Sache in vielen Fällen nur auf“ 444 , die<br />

BürgInnen müssen dann zur Begleichung des aushaftenden Kredites einspringen. Tews regt an,<br />

solche Bürgschaften mit Gesetz zu verbieten bzw. die Haftung einzuschränken, damit Frauen<br />

nicht mehr unter den „moralischen Druck“ geraten können, eine solche Bürgschaft eingehen zu<br />

müssen: „Wenn eine Frau Unterhaltsanspruch von nicht mehr als 8.000,-- Schilling [etwa €<br />

580,--, Anm. d. Verf.] hat, darf sie Bürgschaftsverpflichtungen gar nicht eingehen. Ich meine,<br />

das kommt natürlich einer brutalen Entmündigung gleich, nur anders wird man das Problem<br />

gar nicht in den Griff kriegen.“ 445<br />

4.10 Ehewohnung – Wohnraumschaffung – Unterhalt<br />

In die Unterhaltsbemessung fließe laut Schweighofer auch ein, dass der Mann, wenn er aus der<br />

gemeinsamen Ehewohnung ausziehe, sich neuen Wohnraum schaffen müsse: „Die existenznotwendige<br />

Wohnraumschaffung ist grundsätzlich bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen.“<br />

446<br />

Tews hingegen meint, die Wohnraumschaffung würde in der Unterhaltsbemessung zu wenig<br />

berücksichtigt. Erst dann, wenn ein Mann vor Gericht klar vorbrächte, er stehe vor einer<br />

„Plastiksackerlscheidung“, er „nur mit einem Plastiksackerl mit seinem Gewand ausziehe“ 447 ,<br />

und klar mache, dass er einen Kredit aufnehmen müsse, um sich Wohnraum zu beschaffen,<br />

fließe diese Tatsache in die Unterhaltsberechnung ein: „Aber wie gesagt, das bringen die so<br />

schlecht rüber, die Väter, so dass oft nicht anerkannt wird, weil sie einfach mit dem Verfahren<br />

439 ebenda<br />

440 Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 15<br />

441 Interviewtranskript, Helene Klaar, Seite 4<br />

442 Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 10<br />

443 Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 10; Elisabeth Paschinger, Seite 3<br />

444 Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 16<br />

445 Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 11<br />

446 Interviewtranskript, Josef Schweighofer, Seite 6<br />

447 Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 10<br />

90


nicht zurecht kommen. Das heißt also, die Diskriminierung liegt oft darin, dass die Belehrung<br />

und Beratung bei Gericht so schlecht ist, weil man sich zu wenig Zeit nimmt. Da heißt es, das<br />

wird nicht anerkannt, da macht er es nicht geltend, dann hat er eh’ schon verloren, oder er<br />

versucht´s laienhaft, und das geht schief.“ 448 Eine geschlechtsspezifische Diskriminierung liege<br />

darin jedoch nicht. 449<br />

Jackwerth beurteilt die Rechtsprechung bei der Anrechnung von Krediten, die <strong>für</strong> die<br />

Wohnraumbeschaffung nach der Scheidung aufgenommen werden, als relativ streng. Damit<br />

ein Kredit als unterhaltsmindernd angerechnet werden könne, müsste der Mann der Frau die<br />

Wohnung überlassen haben, ohne da<strong>für</strong> eine angemessene Ausgleichszahlung erhalten zu<br />

haben; weiters müsse bewiesen werden, dass der Mann das Geld <strong>für</strong> die Schaffung seines<br />

eigenen Wohnraums verwende; der zeitliche Zusammenhang müsse gegeben sein.<br />

„Klarerweise, wenn er [der Mann, Anm.d.Verf.] da<strong>für</strong>, dass er die Wohnung der Frau<br />

überlassen hat, 500.000,-- Schilling [etwa € 36.340,--, Anm.d.Verf.] bekommen hat, kann er<br />

nicht sagen: ich habe mir einen Kredit aufnehmen müssen, um die neue Wohnung zu zahlen.<br />

Ein anrechenbarer Kredit mindert die Unterhaltszahlungen in folgender Form: Ein Mann mit<br />

einem durchschnittlichen Monatseinkommen von 25.000,-- Schilling [etwa € 1.815,--, Anm. d.<br />

Verf.] und einer monatlichen Kreditrückzahlungsrate von 2.000,-- Schilling [etwa € 145,--,<br />

Anm. d. Verf.] zahlt auf der Basis von 23.000,-- Schilling [etwa € 1.670,-- , Anm. d. Verf.]<br />

Unterhalt. Zur Unterhaltsberechnung werden nur mehr 23.000,-- Schilling [etwa € 1.670,--,<br />

Anm. d. Verf.]herangezogen.“ 450<br />

Jackwerth schildert in diesem Zusammenhang einen von der Rechtsprechung verursachten<br />

hypothetischen Härtefall: Ein Mann sei im Rahmen einer einvernehmlichen Scheidung<br />

übermäßig großzügig, weil er sich selbst die Schuld am Scheitern der Ehe zuschreibe. Er lasse<br />

der Frau und den Kinder die Ehewohnung, behalte sich selbst nur wenig und übernehme die<br />

gemeinsamen Schulden. Seine Leistung gehe weit über eine Halbe-Halbe-Aufteilung hinaus.<br />

Trete nun im Laufe der Jahre eine Veränderung in seinem Unterhalt bzw. Einkommen ein, so<br />

könne er den Kredit möglicherweise nicht als unterhaltsmindernd geltend machen. Denn das ist<br />

nur dann möglich, wenn aus dem Scheidungsvergleich klar ersichtlich ist, dass er den Kredit<br />

als zusätzliche Leistung <strong>für</strong> Frau und Kind übernommen hat. Die Rechtsprechung geht davon<br />

aus, dass bereits bei der einvernehmlichen Scheidung ein Ausgleich geschaffen wurde, der<br />

Mann den Kredit sohin als Ausgleich <strong>für</strong> etwas anderes übernommen hat, und dieser Kredit bei<br />

der Unterhaltsbemessung <strong>für</strong> die geschiedene Ehegattin und das Kind bereits berücksichtigt<br />

worden ist, eine neuerliche Anrechnung des Kredits sohin unfair sei. Jackwerth sieht hier ein<br />

„Misstrauen der Rechtsprechung gegenüber Krediten“ 451 , was in diesem Fall durchaus zu<br />

Härte führen kann, wenn der Scheidungsvergleich nicht sorgfältig genug ausgearbeitet ist. Da<br />

zum Zeitpunkt der Scheidung dieses Rechtsproblem oft nicht bedacht werde, und „dass nicht<br />

genau festgehalten wird, dass dieser Kredit eigentlich über diese im Idealfall ‚Halbe-Halbe’-<br />

Aufteilung hinausgeht“ 452 , sei „die Rechtsprechung oft ziemlich hart“ 453 bei nachträglicher<br />

Geltendmachung des Kredits.<br />

448 ebenda<br />

449 ebenda<br />

450 Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 15<br />

451 Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 15<br />

452 ebenda<br />

91


Obwohl die Kosten der Wohnraumschaffung des Mannes unterhaltsmindernd wirken können,<br />

dürfen geringere Ausgleichszahlungen dennoch nicht mit dem Unterhalt gegengerechnet<br />

werden. Kann sohin eine Frau nicht die volle Ausgleichszahlung <strong>für</strong> die Ehewohnung<br />

erbringen, darf sich aus diesem Grunde ihr Unterhalt und der ihrer Kinder, wenn sie die<br />

Obsorge hat, nicht verringern. 454<br />

Im dargelegten Beispiel sind „Mann“ und „Frau“ austauschbar, Gesetz und Rechtsprechung<br />

unterscheiden nicht nach dem Geschlecht. Da quantitativ gesehen jedoch überwiegend den<br />

Frauen mit den Kindern die Ehewohnung zugesprochen wird, ergeben sich hieraus tatsächlich<br />

unterschiedliche Folgen <strong>für</strong> Mann und Frau. Tews spricht in diesem Zusammenhang von der<br />

„faktischen Benachteiligung des Mannes“ 455 und nicht von geschlechtsspezifischer<br />

Diskriminierung des Mannes. 456<br />

In der Praxis dürfte es nicht immer möglich sein, Geldflüsse bei der Vermögensaufteilung klar<br />

zu trennen und zuzuordnen. Vor allem bei der einvernehmlichen Scheidung erfolgen zwischen<br />

den Ehegatten häufig Kompensations- und Tauschgeschäfte. Oft erkaufen sich Frauen die<br />

alleinige Obsorge durch den Verzicht auf den Ehegattenunterhalt oder geringeren<br />

Kindesunterhalt. 457 In Ausgleichszahlungen findet sich versteckter Ehegattenunterhalt oder die<br />

Abfindung <strong>für</strong> den Ehegattenunterhalt, etc. 458 Manche <strong>Männer</strong> seien, weil sie sich am<br />

Scheitern der Ehe schuldig fühlten, bei der Vermögensaufteilung unverhältnismäßig<br />

großzügig. Erst dann, wenn finanzielle Engpässe bei einem der geschiedenen Ehegatten<br />

aufträten, komme es zu Problemen, weshalb der Gang zu Jugendamt oder Gericht erfolge. 459<br />

4.11 Steuerliche Konsequenzen der Unterhaltszahlung<br />

In Österreich können Unterhaltszahlungen nur in Höhe des Unterhaltsabsetzbetrages steuerlich<br />

geltend gemacht werden. Die ExpertInnen äußern sich zur Diskussion um die Absetzbarkeit<br />

der Steuern vorsichtig. Engl 460 plädiert da<strong>für</strong>, diese Steuerdiskussion vom Familienrecht strikt<br />

getrennt zu halten: „Es ist Sache des Steuergesetzgebers zu sagen, ob und in welcher Form<br />

Unterhalt absetzbar ist. Den Umweg des Unterhaltsverfahrens, wie es momentan beim<br />

Verfassungsgerichtshof anklingt, halte ich <strong>für</strong> bedenklich. Das sind einfach zwei paar Schuhe:<br />

Hier habe ich das Steuerrecht und hier das Unterhaltsrecht.“ 461 Engl will auf jeden Fall<br />

vermeiden, dass bereits im Pflegschaftsverfahren an die steuerlichen Konsequenzen gedacht<br />

werden muss, da dies ihm als eine sehr unbefriedigende Lösung erscheint. 462<br />

453<br />

ebenda<br />

454<br />

ebenda<br />

455<br />

Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 10f<br />

456<br />

ebenda<br />

457<br />

Interviewtranskript, Elisabeth Paschinger, Seite 1<br />

458<br />

Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 10<br />

459<br />

Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 15<br />

460<br />

Interviewtranskript, Erich Engl, Seite 2<br />

461 ebenda<br />

462 ebenda<br />

92


Ursprünglich wollte der Gesetzgeber Transferzahlungen, wie die Familienbeihilfe, den<br />

Alleinverdienerabsetzbetrag, den Kinderabsetzbetrag, die finanzielle Benachteiligung von<br />

Familien gegenüber Erwachsenen ohne Kinder mindern. 463 In einer intakten Familie kommen<br />

die Transferzahlungen allen zu Gute. Leisteten sich die Erwachsenen den „Luxus, getrennt zu<br />

leben“ 464 , dann ist das nach ständiger Judikatur des OGH ausschließlich eine Angelegenheit<br />

der privaten Lebensgestaltung. „Da hat sich der Steuergesetzgeber von der Familienbeihilfe ein<br />

biss’l aus dem Staub gemacht und gesagt: ‚Okay, die sollen sich das selber aufteilen’.“ 465<br />

Da jedoch unklar war, wie diese Aufteilung erfolgen soll, wurde, da der Unterhaltspflichtige<br />

lediglich den Unterhaltsabsetzbetrag in der Höhe von 300,-- oder 400,-- Schilling [etwa € 22,--<br />

bzw. € 29,--, Anm. d. Verf.], der Obsorgeberechtigte jedoch die um einiges höhere<br />

Familienbeihilfe erhält, der Verfassungsgerichtshof wegen Verletzung des<br />

Gleichheitsgrundsatzes angerufen. „Und da hat der Verfassungsgerichtshof wieder gesagt: Das<br />

ist Ihre Privatsache, aber man könnte das ja beim Unterhaltsrecht berücksichtigen. Das ist jetzt<br />

im Augenblick ein eher formeller Streit, denn das Familienlastenausgleichsgesetz hat<br />

ausdrücklich seinerzeit normiert: Die Familienbeihilfe ist kein Einkommen des Kindes. Das ist<br />

mehrmals, wenn man sich das anschaut, hin- und hergegangen, wie, wo, was, .... .“ 466<br />

Jackwerth äußert die Rechtsmeinung, der Verfassungsgerichtshof habe einen Formalfehler<br />

begangen, als er die Familienbeihilfe wie ein Einkommen des Kindes behandelte. 467 „Der<br />

Verfassungsgerichtshof darf nämlich keine neuen Gesetze machen; er darf Gesetze nur<br />

aufheben. Und wenn er jetzt sagt, das Gesetz ist so und so auszulegen, nämlich, obwohl dort<br />

wortwörtlich ganz was anderes drinnen steht, hier ist es doch wie ein Einkommen des Kindes<br />

zu behandeln, dann soll er diese Gesetzesstelle als verfassungswidrig aufheben, wenn er das<br />

meint, aber nicht im kalten Weg Gesetzgeber spielen. Und dort stehen wir jetzt. Das muss jetzt<br />

ausdiskutiert werden, ob man den 12a Familienlastenausgleichsgesetz eben hier aufhebt oder<br />

nicht.“ 468<br />

Grundsätzlich sieht Jackwerth bei den steuerlichen Konsequenzen nach einer Scheidung ein<br />

„gewisses Ungleichgewicht“ 469 zwischen dem unterhaltspflichtigen und dem<br />

obsorgeberechtigten Elternteil, das eher zu Lasten des Unterhaltspflichtigen geht. Jedoch sei<br />

auch das Argument der Mütter zu beachten: „Die Familienbeihilfe hat der Gesetzgeber<br />

ausdrücklich als besondere Betreuungshilfe gesehen, weil die Betreuung ja als solches sonst<br />

nicht abgegolten wird.“ 470<br />

Tews sieht in der steuerrechtlichen Situation eine eindeutige steuerliche Benachteiligung des<br />

Unterhaltspflichtigen, die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Juni<br />

2001, B 1285/00, 471 bestätigt worden sei. Durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs<br />

463<br />

Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 15<br />

464<br />

Interviewtranskript, Erich Engl, Seite 2<br />

465<br />

ebenda<br />

466<br />

Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 16<br />

467<br />

ebenda<br />

468<br />

ebenda<br />

469<br />

ebenda<br />

470<br />

ebenda<br />

471<br />

siehe Kapitel 2.3.8<br />

93


vom 19. Juni 2002, G 7/02, 472 wonach 12a FLAG anders auszulegen und an die Zivilgerichte<br />

verwiesen worden sei, sei eine in Österreich „einmalige rechtshistorische Situation“ 473<br />

entstanden, da die „zuständigen Zivilgerichte, die Rekurssenate der Landesgerichte, das sind<br />

13 oder 14, sich überwiegend geweigert haben, diesen aufgezeigten Weg des<br />

Verfassungsgerichtshofes zu befolgen. Das ist auch auf meiner Homepage genau dargestellt,<br />

und es ist derzeit so, dass der Oberste Gerichtshof, der jetzt mit sehr vielen Revisionsrekursen<br />

befasst ist, weitere Anträge an den Verfassungsgerichtshof gestellt hat, derzeit 20, indem er<br />

gesagt hat, er kann dem Weg des Verfassungsgerichtshofes nicht folgen – das ist genau<br />

dargestellt – und hat Anträge gestellt, dass der Verfassungsgerichtshof § 12 a<br />

Familienlastenausgleichsgesetz aufheben möge, weil dadurch, durch diese Bestimmung, die<br />

Geldunterhaltspflichtigen diskriminiert werden. Also der Verfassungsgerichtshof wird jetzt<br />

wieder damit befasst. Aber die Benachteiligung ist eklatant und ist auch historisch beweisbar.<br />

Im Jahr 1991 hat es eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes gegeben, der generell<br />

diese Familienbesteuerung als verfassungswidrig erkannt hat, aber dort wurden insbesondere<br />

die Unterhaltszahler benachteiligt. Dann hat man eine Änderung gemacht, wo die<br />

Kinderabsetzbeträge und die Unterhaltsabsetzbeträge eingeführt wurden. 1997 – da war ich<br />

dann auch schon beteiligt – hat der Verfassungsgerichtshof entschieden, diese Änderung war<br />

noch zu wenig. Jetzt ist es so, dass die Förderung von Eltern, die mit den Kindern im gemeinsamen<br />

Haushalt leben, ausreichend ist. Da gibt es die Entscheidung von 2000, vom November,<br />

und in der von mir erwirkten Entscheidung hat er gesagt, die Gerichte legen die Bestimmungen<br />

falsch aus, weil so ... sind die Unterhaltspflichtigen durch faktische Handhabung<br />

verfassungsrechtlich benachteiligt. Das heißt ..., jetzt werden seit elf Jahren die<br />

Unterhaltszahler gepflanzt. Und jetzt ist es noch skurriler: Der Verfassungsgerichtshof hat<br />

gesagt: ‚Ihr dürft nicht zum Finanzminister gehen, ihr müsst zu den Zivilgerichten gehen’, –<br />

sind alle hinter mir nach zu den Zivilgerichten gegangen – und die sagen: ‚Ihr müsst jetzt<br />

wieder zum Verfassungsgerichtshof, weil vielleicht ist doch der Finanzminister [zuständig].’<br />

Und das löst Reaktionen bei den Betroffenen aus, maßlose Wut gegen den Staat.“ 474<br />

Klaar sieht die Diskussion um die steuerliche Absetzbarkeit aus dem Blickwinkel der Familie<br />

und vergleicht intakte Familien mit Scheidungsfamilien: „Ein Verheirateter hat ja auch keine<br />

steuerlichen Vorteile, da muss ja die Scheidung nicht noch steuerlich gefördert werden.“ 475<br />

4.12 Informations- und Äußerungsrecht<br />

§ 178 ABGB bestimmt, von welchen Angelegenheiten der Obsorgeberechtigte den<br />

unterhaltspflichtigen Elternteil rechtzeitig zu informieren hat. 476 Zu diesen Angelegenheiten<br />

kann sich der Unterhaltspflichtige äußern, diese Äußerung ist zu berücksichtigen, wenn sie<br />

dem Wohl des Kindes besser entspricht. Erhält der Nichtobsorgeberechtigte diese<br />

Informationen nicht oder hat er den Eindruck, nicht ausreichend informiert zu werden, kann er<br />

diese Informationen bei Gericht einklagen. 477 Wenn das Besuchsrecht regelmäßig geübt wird,<br />

472<br />

vgl. auch Kapitel 2.3.8<br />

473<br />

Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 11f<br />

474<br />

ebenda<br />

475<br />

Interviewtranskript, Helene Klaar, Seite 4<br />

476<br />

siehe auch Kapitel 2.2.2<br />

477<br />

Interviewtranskript, Elisabeth Paschinger, Seite 3<br />

94


hat der Obsorgeberechtigte nur über wichtige Angelegenheiten informiert zu werden. Seit<br />

Inkrafttreten des KindRÄG 2001 besitzt der unterhaltspflichtige Elternteil, wenn das<br />

Besuchsrechts trotz seiner Bereitschaft nicht regelmäßig stattfindet, das Informations- und<br />

Äußerungsrecht auch in minderwichtigen Angelegenheiten, sofern es sich dabei nicht bloß um<br />

Angelegenheiten des täglichen Lebens handelt.<br />

Tews beklagt, dass es, wenn das Besuchsrecht nicht gewahrt wurde, kaum möglich gewesen<br />

sei, das Informationsrecht durchzusetzen. 478 Die Durchsetzung des Informationsrechts sei auch<br />

sehr vom Engagement der RichterInnen abhängig. Da FamilienrichterInnen im Schnitt zu<br />

115% ausgelastet seien, hätten sie „<strong>für</strong> derartige Dinge“ 479 kaum Zeit. Er betrachtet es nicht als<br />

<strong>für</strong> sinnvoll, Prozesse wegen „der Kopie eines Zeugnisses“ über drei Instanzen zu führen, wie<br />

dies bereits der Fall gewesen sei. 480<br />

„Abzuwarten wird sein, wie sich jetzt die Gesetzesänderung ab 1. Juli 2001 auswirkt, weil hier<br />

vorgesehen ist, wenn es keinen Kontakt [zwischen den Eltern] gibt, dann erweitern sich die<br />

Informationsrechte sehr stark auch auf nicht nur wichtige Sachen. Da muss man abwarten, in<br />

welche Richtung das gehen wird.“ 481<br />

Auch Klaar 482 beurteilt wie Tews, die mit dem KindRÄG 2001 vorgenommene Änderung des<br />

Informationsrechts, insbesondere hinsichtlich des Namens- und Wohnortswechsels als<br />

begrüßenswert. Im Äußerungsrecht 483 sieht sie jedoch grundsätzlich eine Entmündigung des<br />

Obsorgeberechtigten, denn „was immer der Obsorgeberechtigte in Zukunft <strong>für</strong> das Kind<br />

entscheiden will, kann der andere Teil zu unterlaufen versuchen, in dem er sich bei Gericht<br />

äußert“ 484 . Tews hingegen meint, nur wenige Nichtobsorgeberechtigte machten vom<br />

Äußerungsrecht Gebrauch, weil dies einen großen Aufwand darstelle, etwa bei medizinischen<br />

Eingriffen ein Sachverständigengutachten einzuholen sei. Überdies sei es möglich, dass die<br />

Entscheidung des Obsorgeberechtigten bereits realisiert wurde, die Entscheidung des Gerichts<br />

sohin zu spät komme. 485<br />

Vom Äußerungsrecht machten Väter vor allem bei der Schulwahl des Kindes Gebrauch. 486<br />

„Unsere Erfahrung [des Jugendamtes, Anm. d. Verf.] ist die, dass viele Väter bei der<br />

Schulwahl darauf drängen, dass die Kinder eine Lehre machen und somit relativ schnell<br />

selbsterhaltungsfähig werden und sich somit ihre Unterhaltsverpflichtungen verringern.“ 487<br />

478<br />

Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 9<br />

479<br />

ebenda<br />

480<br />

ebenda<br />

481<br />

ebenda<br />

482<br />

Interviewtranskript, Helene Klaar, Seite 4<br />

483<br />

siehe Kapitel 2.2.2<br />

484<br />

ebenda<br />

485<br />

Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 9<br />

486<br />

Interviewtranskript, Elisabeth Paschinger, Seite 3<br />

487 ebenda<br />

95


Die juristischen ExpertInnen sehen einerseits das Informations- und das Äußerungsrecht<br />

durch das KindRÄG 2001 aufgewertet, andererseits seien Kontrolle und Exekution jedoch<br />

schwierig oder kaum vorhanden. 488<br />

4.13 Folgen der Scheidung<br />

Alle Interviewten stimmen überein, dass die ökonomischen Folgen der Scheidung <strong>für</strong> Personen<br />

mit mittlerem oder geringem Einkommen schwerwiegend sind: „Ich sehe das Problem darin,<br />

dass sich Leute mit einem Durchschnittseinkommen eine Scheidung nicht leisten können,<br />

ungeachtet der gesetzlichen Bestimmungen.“ 489 Das ökonomische Problem mit dem manche<br />

<strong>Männer</strong> konfrontiert sind, bestehe darin, dass sie nach einer Scheidung den gemeinsamen<br />

Haushalt verlassen, einen neuen Hausstand gründen, und gegebenenfalls Unterhaltszahlungen<br />

leisten müssen. Auf die geschiedene Frau mit den Kindern kommen die Kosten eines<br />

eigenständigen Haushalts zu. 490 Das traditionelle Familienmodell, nach dem der Mann die<br />

Rolle des Ernährers übernimmt, scheint besonders krisenanfällig zu sein. 491 „Wenn es zu einer<br />

Scheidung kommt, muss der Mann im oberen Einkommensdrittel sein, um zwei Haushalte<br />

finanzieren zu können. “492<br />

Wie bereits in den Kapiteln 2.3.1 und 2.3.3 dargelegt, kann bei der Scheidung einer Ehe nach<br />

dem traditionellen Familienmodell die Summe der finanziellen Belastungen erheblich sein und<br />

gravierende Einschränkungen des Lebensstandards bewirken. Da in der Rechtsprechung die<br />

Bedürfnisse des Mannes genauso zu berücksichtigen sind, dürften Härtefälle nicht entstehen,<br />

wenn in der Vollziehung des Ehe- und Familienrechts keine Fehler gemacht werden. 493 Es<br />

kann jedoch geschehen, dass jemand die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommt,<br />

angespannt und unter das Existenzminimum gepfändet wird. „Das sind dann schon so Fälle,<br />

die wirklich die Armutsgrenze unterschreiten, wo man sagt: Gratisunterkunft oder halt ein<br />

Zimmer, oder Gemeindewohnung mit Mietzinsbeihilfe und so schafft er das schon. Aber der<br />

muss dann schon schwerst den Gürtel enger schnallen.“ 494<br />

Auch Tews 495 kritisiert heftig, dass bei unterhaltsrechtlichen Exekutionen bis auf 75% des<br />

Existenzminimums gepfändet und in Extremfällen diese Grenze sogar noch unterschritten<br />

werden kann: „Es sind zwar extreme Fälle, aber trotzdem sind die inakzeptabel.“ 496<br />

Solche Extremfälle können entstehen, wenn sich der Mann nicht rechtzeitig um die<br />

Herabsetzung des Unterhalts gekümmert oder Unterhaltsschulden angehäuft hat. Tragisch ist<br />

die finanzielle Situation auch dort, wo bereits in der Ehe Schulden angehäuft, jahrelang in<br />

488<br />

vgl. Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 13; Josef Schweighofer, Seite 5; Erich Engl,<br />

Seite 3f<br />

489<br />

Interviewtranskript, Erich Engl, Seite 1<br />

490<br />

Interviewtranskript, Elisabeth Paschinger, Seite 2<br />

491<br />

Interviewtranskript, Stefan Ohmacht, Seite 1<br />

492<br />

ebenda<br />

493<br />

Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 18<br />

494<br />

ebenda<br />

495<br />

Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 10<br />

496 ebenda<br />

96


einer trügerischen finanziellen Sicherheit gelebt wurde, und es dann durch die Scheidung<br />

endgültig zur finanziellen Katastrophe kommt. „Und dann haben den Kredit beide<br />

unterschrieben und dann sind beide schwerstens unter Druck, und dann kriegt die Frau unter<br />

Umständen vom Mann – ja es gibt ja genügend, die keinerlei Unterhalt kriegen, egal jetzt was<br />

das Gericht sagt, wie viel er zahlen müsste. Sie kriegen es einfach nicht, weil es nicht zu holen<br />

ist. Der ist ständig arbeitslos, und man kann ja oft, was wir hier zum Teil also sagen, was legal,<br />

gesetzmäßig wäre, ist ja oft nicht das, was durchgesetzt wird.“ 497<br />

Für Engl 498 ist die finanzielle Situation mancher Familien so schlecht, dass sie sich eine<br />

Scheidung eigentlich nicht leisten können. „Es ist einfach der zu teilende Kuchen nicht groß<br />

genug.“ 499 Obwohl Armutsgefährdung nach der Scheidung eher Frauen treffe, könnten auch<br />

<strong>Männer</strong> nach der Scheidung in der Armutsfalle landen. 500 Kühbauer kennt aus seiner Tätigkeit<br />

in der <strong>Männer</strong>beratung keinen einzigen Fall, bei dem nur die Scheidung zur Obdachlosigkeit<br />

geführt habe. Es liege meist ein ganzes Paket an Problemen vor, bei dem vor allem<br />

Misswirtschaft eine wichtige Rolle spiele. 501 Ähnlich sehen Lehnbauer, Paschinger, Ohmacht<br />

und Schweighofer die Situation.<br />

Klaar beurteilt den Zusammenhang zwischen Armut und Scheidung so: „Ich würde hier nicht<br />

den Konnex mit der Scheidung ziehen. Das ist nur ein markantes Ereignis, wo diese<br />

Problematik des betroffenen Mannes evident wird.“ 502 Für Ohmacht gelten <strong>für</strong> geschiedene<br />

Personen die selben Risikofaktoren <strong>für</strong> Armut wie <strong>für</strong> andere Personen auch. Der Unterschied<br />

liege nur darin, dass nach der Scheidung dem Einzelnen weniger Geld zur Verfügung steht.<br />

Die Risikofaktoren <strong>für</strong> Armut seien unter anderem schlechte Schulbildung, geringes<br />

Einkommen und schlechter Umgang mit Geld, manche Personen kämen etwa <strong>für</strong><br />

Handyrechnungen auf, obwohl sie ihre Miete schon seit Monaten nicht bezahlt haben. 503<br />

Alle ExpertInnen berichten, dass einige <strong>Männer</strong> die Scheidung schwer verkraften, sich selbst<br />

„hängen ließen“ und sich um nichts mehr kümmern. „Ich habe jetzt 2 Väter gehabt, die die<br />

Trennung nicht verkraftet haben und depressiv wurden. Es hat sicher <strong>für</strong> viele psychische<br />

Folgen, oder auch das Absacken in gar nichts mehr tun zu wollen.“ 504<br />

Wenn <strong>Männer</strong> sich selbst aufgeben, begäben sie sich sowohl in den sozialen wie auch den<br />

finanziellen Abstieg: „Ich glaube, dass es doch viele <strong>Männer</strong> gibt, die den Hut drauf hauen, die<br />

von Durchschnittsexistenzen zu Sozialhilfeempfängern werden.“ 505 Jackwerth stimmt dieser<br />

Einschätzung explizit zu: „Wenn er [der geschiedene Mann] ein Einkommen hat von 25.000,--<br />

Schilling [circa € 1.816,--, Anm. d. Verf.], und er hat eine Frau im Haushalt gehabt und 3<br />

Kinder, dann kommt er auf mehr als 50%, die er Unterhalt zahlen muss. Wenn er nicht jemand<br />

497 Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 18<br />

498 Interviewtranskript, Erich Engl, Seite 4<br />

499 ebenda<br />

500 Interviewtranskript, Gottfried Kühbauer, Seite 7<br />

501 ebenda<br />

502 Interviewtranskript Helene Klaar, Seite 4<br />

503 Interviewtranskript, Stefan Ohmacht, Seite 3<br />

504 Interviewtranskript, Christa Lehnbauer, Seite 3<br />

505 Interviewtranskript, Erich Engl, Seite 4<br />

97


ist, der geschickt ist, und im Schwarzbereich verdienen kann, nachher sagt er: ‚Da geh ich gar<br />

nicht mehr hin und lebe von der Sozialhilfe.’“ 506<br />

Wenn ein Unterhaltspflichtiger immer wieder arbeitslos wird, wird sein Gehalt, weil<br />

Unterhaltsvorschuss bewilligt wurde, ab jenem Zeitpunkt in dem er eine neue Arbeit findet,<br />

immer wieder exekutiert, weshalb ihn sein neuer Arbeitgeber wieder kündigen wird. Jackwerth<br />

kann nachvollziehen, dass manche <strong>Männer</strong>, die in dieser Spirale stecken, aufgeben. Wenn dann<br />

noch Einsamkeit und Alkoholprobleme hinzukommen, sind die Perspektiven sehr schlecht. 507<br />

„Möglicherweise sind auch emotionelle Gründe da sehr mittragend. Eine massive Kränkung,<br />

Hass, Wut, die veranlassen, sich aufzugeben oder vielleicht auch justament auszusteigen.<br />

Natürlich sind auch tatsächliche Zwänge gegeben, die einen schon leicht dazu treiben können,<br />

in Extremsituationen.“ 508<br />

Das soziale Auffangnetz mit Arbeitslosenunterstützung, Sozialhilfe, Wohnbeihilfen und<br />

diversen oft kostenlosen Hilfsangeboten in Österreich beurteilen die ExpertInnen 509<br />

durchgehend als sehr positiv und ausreichend. Nur müssten sich die <strong>Männer</strong> auch aktiv darum<br />

bemühen. Und hier sehen die ExpertInnen das Problem, dass sich manche <strong>Männer</strong> nicht<br />

bemühen oder nicht bemühen können, weil sie der emotional stark belasteten<br />

Scheidungssituation nicht gewachsen sind. Ein vermehrtes und leicht zugängliches<br />

psychosoziales Beratungs- und Betreuungsangebot wäre hier sehr wichtig. 510 Im<br />

psychosozialen Bereich ist das Beratungsangebot <strong>für</strong> Frauen besser ausgebaut, da in früherer<br />

Zeit, aus der Tradition heraus, kaum Bedarf an <strong>Männer</strong>beratung bestand. 511<br />

Die ExpertInnen beschreiben eine soziale Abwärtsspirale, in die <strong>Männer</strong> nach der Scheidung<br />

durch die Wechselwirkung finanzieller Einschränkung, psychischer Belastung und<br />

Selbstaufgabe geraten können.<br />

4.14 Die Vorschläge der ExpertInnen zur Verbesserung der Situation der <strong>Männer</strong><br />

nach der Scheidung<br />

4.14.1 Finanzielle Entlastung<br />

Die derzeitige Situation unterhaltspflichtiger <strong>Männer</strong> könne nach Engl 512 durch gesetzliche<br />

Veränderungen nicht verbessert werden. Eine Möglichkeit der Verbesserung bestehe in den die<br />

Sozialhilfe begleitenden Unterstützungsmaßnahmen, allerdings würden <strong>Männer</strong> dadurch zu<br />

Sozialhilfeempfängern stigmatisiert. Dieses Problem könne nur dann gelöst werden, wenn<br />

jeder Österreicher über ein Grundeinkommen verfüge; hier stelle sich allerdings die Frage, ob<br />

506 Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 18<br />

507 Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 18f<br />

508 Interviewtranskript, Josef Schweighofer, Seite 7<br />

509 Interviewtranskript, Elisabeth Paschinger, Seite 4, Gottfried Kühbauer, Seite 7<br />

510 Interviewtranskript, Josef Schweighofer, Seite 7<br />

511 Interviewtranskript, Gottfried Kühbauer, Seite 8<br />

512 Interviewtranskript, Erich Engl, Seite 4<br />

98


dies leistbar sei, und welche anderen sozialen Leistungen auf Grund dieses Grundeinkommens<br />

wegfielen. 513<br />

Der Selbstbehalt <strong>für</strong> <strong>Männer</strong> nach der Scheidung, also der Betrag mit dem der Mann nach der<br />

Scheidung auskommen können muss, sollte erhöht, und die bisher mögliche Pfändung des<br />

Einkommens unter das Existenzminimum und unter das Unterhaltsexistenzminimum durch<br />

Novellierung der EO außer Rechtskraft gesetzt werden. 514 „Und da muss einfach der Staat<br />

sagen: ‚Diesen Teil übernehme ich’, beispielsweise schwedisches Modell. Ein gewisses<br />

Minimum übernehmen wir.“ 515<br />

Eine andere Möglichkeit, die finanzielle Lage der <strong>Männer</strong> nach der Scheidung zu verbessern,<br />

bestehe in einem neuen Unterhaltsvorschussmodell, mit dem der Unterhalt <strong>für</strong> jedes Kind<br />

abgesichert werde. 516 Der Unterhaltspflichtige zahle einen Beitrag in die Unterhaltskasse ein<br />

und jedes Kind erhalte, unabhängig davon wie viel der eigene unterhaltspflichtige Vater oder<br />

die unterhaltspflichtige Mutter tatsächlich bezahlen können, aus dieser Kasse einen fixen<br />

Betrag. Dieses System entlaste sowohl ärmere Väter als auch obsorgeberechtigte Mütter und<br />

die Beziehung der Geschiedenen zueinander. 517<br />

Um die finanzielle Belastung Geschiedener zu reduzieren, wird eine Verstärkung des sozialen<br />

Wohnbaus vorgeschlagen, „damit es <strong>für</strong> Einzelpersonen eine große Anzahl billiger Kleinwohnungen<br />

gibt“ 518 .<br />

Wünschenswert wäre die Lösung der steuerlichen Absetzbarkeit des Unterhalts; derzeit seien<br />

die Unterhaltspflichtigen finanziell im Nachteil. 519<br />

Die Prozentsatzmethode und der Regelbedarf sollen überprüft und der tatsächliche<br />

Unterhaltsbedarf von Kindern wissenschaftlich erhoben werden. 520<br />

Jede Frau solle ein eigenes Einkommen haben; das würde größeren finanziellen Rückhalt <strong>für</strong><br />

die Frau mit sich bringen und sich auch auf den Ehegattenunterhalt auswirken, der derzeit<br />

hauptsächlich von <strong>Männer</strong>n bezahlt wird. Hier sei Bedarf an gesellschaftspolitischer Änderung<br />

gegeben. 521<br />

513<br />

ebenda<br />

514<br />

Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 13<br />

515<br />

ebenda<br />

516<br />

Interviewtranskript, Elisabeth Paschinger, Seite 4<br />

517<br />

ebenda<br />

518<br />

Interviewtranskript, Helene Klaar, Seite 5<br />

519<br />

Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 11f<br />

520<br />

Interviewtranskript, Reinhard Jackwerth, Seite 19; Günter Tews, Seite 5<br />

521<br />

Interviewtranskript, Elisabeth Paschinger, Seite 4<br />

99


4.14.2 Weitere Unterstützungsmöglichkeiten<br />

Schweighofer sieht bei <strong>Männer</strong>n vor allem im psychischen Bereich Beratungs- und<br />

Betreuungsbedarf . 522<br />

Durch mangelnde juristische Beratung seien <strong>Männer</strong> im Nachteil; die Gerichte sollten mehr<br />

Zeit in Beratung und Belehrung investieren und diese intensivieren. 523<br />

Zur Schlichtung von Besuchsrechtsstreitigkeiten bestehe Bedarf an Beratung <strong>für</strong> die Eltern und<br />

an außergerichtlichen Maßnahmen, wie Mediation, Beratung durch das Jugendamt, die<br />

Scheidungs- und Trennungsbegleitung des Bundesministeriums <strong>für</strong> soziale Sicherheit und<br />

Generationen und Informationsaustausch zwischen betroffenen Eltern und ExpertInnen.<br />

Den mündigen Minderjährigen sollte - ähnlich wie in Deutschland - ein Verfahrenspfleger zur<br />

Seite gestellt werden soll, damit sie ihre Rechte besser wahren können; dies sei unzweifelhaft<br />

auch im Interesse unterhaltspflichtiger Väter. 524 Derzeit ist es ein Leichtes, die an den<br />

mündigen Minderjährigen gerichteten postalischen Verständigungen zu unterschlagen. 525<br />

Verbesserungsmöglichkeiten in der Rechtsprechung werden vor allem im Bereich der<br />

Zuteilung der Obsorge, in rascherer Entscheidung über Anträge auf Herabsetzung des<br />

Unterhalts und individuellerer Handhabung des Anspannungsgrundsatzes gewünscht.<br />

4. 15 Resumee aus den ExpertInneninterviews: Potentielle Benachteiligung von<br />

<strong>Männer</strong>n während und nach der Scheidung 526<br />

Das Ehe- und Familienrecht selbst ist völlig geschlechtsneutral, zwischen <strong>Männer</strong>n und Frauen<br />

sind keinerlei unterschiedliche Rechtsfolgen normiert.<br />

Aus der Scheidung selbst ergeben sich jedoch unterschiedliche Folgen <strong>für</strong> <strong>Männer</strong> und Frauen,<br />

die nach Ansicht der ExpertInnen die folgende potentielle Benachteiligung des Mannes<br />

bewirken oder beinhalten.<br />

4.15.1 Die Obsorge in der Judikatur<br />

Da überwiegend den Müttern die alleinige Obsorge oder bei Obsorge beider Elternteile die<br />

Hauptversorgung des Kindes 527 zugeteilt wird, den Vätern sohin lediglich das Besuchsrecht<br />

sowie das Informations- und Äußerungsrecht verbleibt, wohnt der österreichischen<br />

Rechtsprechung heute noch ungeachtet des fortschreitenden Abbaues tradierter<br />

522<br />

Interviewtranskript, Josef Schweighofer, Seite 7<br />

523<br />

Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 10<br />

524<br />

Interviewtranskript, Günter Tews, Seite 10<br />

525<br />

ebenda<br />

526<br />

Im Resumee wird auf die wiederholte namentliche Zitierung der ExpertInnen verzichtet.<br />

527<br />

Im Jahr 2000 waren in Österreich 14,76 %, im Jahr 2001 bereits 18,29% aller Alleinerzieher<br />

alleinerziehende Väter<br />

100


Rollenklischees im Familienverband ein signifikant überwiegender „Muttervorrang“ 528 bei der<br />

Entscheidung über die Obsorge inne.<br />

Begründet wird diese Rechtspraxis mit dem Grundsatz der Kontinuität, der das bei der<br />

Zuteilung der Obsorge streng zu beachtende Wohl des Kindes gemäß § 178a ABGB garantiere.<br />

Da nach dem Grundsatz der Kontinuität dem Kind der Wechsel der Betreuungsperson und des<br />

sozialen Umfeldes möglichst erspart bleiben soll, erhalten Mütter, da in aller Regel nach der<br />

Geburt des Kindes die Mutter in Karenz geht und auch danach das Kind fast ausschließlich<br />

allein betreut, die Obsorge <strong>für</strong> Kleinkinder eher zugesprochen als <strong>Männer</strong>.<br />

Vätern werde, nach Aussage der ExpertInnen, auch dann kaum die Obsorge zugesprochen,<br />

wenn sie intensiv in die Kinderbetreuung eingebunden waren, und nach der Geburt des Kindes<br />

Karenzurlaub in Anspruch genommen haben.<br />

Zwar hätten Väter durch den sanften gesellschaftlichen Wandel, der sich langsam auch in der<br />

Rechtsprechung der FamilienrichterInnen bemerkbar mache, in jüngerer Zeit größere Chancen,<br />

die Obsorge über ihre Kinder zugesprochen zu erhalten. Im Regelfall, insbesondere bei noch<br />

nicht schulpflichtigen Kindern, erhalten aber immer noch die Mütter die Obsorge <strong>für</strong> die<br />

Kinder. Dies wird von vielen ExpertInnen als klare Benachteiligung der <strong>Männer</strong> qualifiziert.<br />

Besonders belastend sei der Verlust der Obsorge <strong>für</strong> die „neuen Väter“, die in aufrechter Ehe<br />

stark in die Kindererziehung eingebunden waren. Dieser Eindruck der ExpertInnen wird auch<br />

durch die Ergebnisse der psychologischen Studie von Rosemarie Nave-Herz und A. Schmitz 529<br />

gestützt.<br />

Quantitativ gesehen, dürfte nur um eine kleine Minderheit von Vätern die alleinige Obsorge<br />

bzw. die Hauptversorgung der Kinder bei gemeinsamer Obsorge anstreben. Statistisch<br />

signifikante Daten, wieviele Väter die alleinige Obsorge beantragt haben bzw. die<br />

Hauptversorgung der Kinder bei gemeinsamer Obsorge übernommen haben, bestehen nicht.<br />

4.15.2 Informations- und Äußerungsrecht sowie Besuchsrecht<br />

Der „Muttervorrang“ 530 reduziert die während aufrechter Ehe bestehenden Rechte und<br />

Pflichten des Vaters <strong>für</strong> seine Kinder auf das Informations- und Äußerungsrecht und das<br />

Besuchsrecht.<br />

Dies habe zur Folge, dass der Vater als nicht obsorgeberechtigter Elternteil nach den familien-<br />

und kindschaftsrechtlichen Bestimmungen als nicht mehr zur Familie gehörig angesehen wird<br />

und nur mehr dann Beachtung erfährt, wenn er etwa seinen Unterhaltszahlungen nicht<br />

nachkommt oder sein Besuchsrecht strittig wird. „Er wird eher als störender Faktor angesehen<br />

528 Vgl. auch Kurt Ebert: First Call for Children! Zur Notwendigkeit einer verfassungs- und<br />

völkerrechtskonformen Familienrechtsreform in Österreich. In: Juristische Blätter 1995, Seite 69<br />

529 vgl. Nave-Herz, Rosemarie/Schmitz, A.: Die Beziehung des Kindes zum nichtsorgeberechtigten<br />

Vater. In: Busch, Friedrich W./Nave-Herz, Rosemarie (Hrsg.): Ehe und Familie in<br />

Krisensituationen. Oldenburg 1996, Seite 99ff<br />

530 siehe Kapitel 4.15.1<br />

101


denn als Elternteil, der auch nach einer Scheidung weiterhin Verantwortung trägt.“ 531<br />

Besonders belastend sei dies <strong>für</strong> die „neuen Väter“, da sie nach der Scheidung entgegen der<br />

von ihnen während aufrechter Ehe geübten Praxis gehindert sind, aktiv Pflichten und<br />

Verantwortung in der Erziehung ihrer Kinder zu übernehmen. 532<br />

Da in der österreichischen Rechtsprechung sohin noch heute ein signifikant überwiegender<br />

"Muttervorrang" 533 bei der Entscheidung über die Obsorge festzustellen ist, habe sohin das<br />

Besuchsrecht sowie das Informations- und Äußerungsrecht <strong>für</strong> geschiedene Väter weitaus<br />

größere emotionale Relevanz als <strong>für</strong> geschiedene Mütter.<br />

Weiters verstärkten die gerade bei Kleinkindern zeitlich restriktiven Besuchszeiten 534 die<br />

emotionale Belastung, insbesondere der „neuen“ Väter. Die Häufigkeit, das Ausmaß und die<br />

„Andauer“ 535 der tatsächlichen Kontakte des Kindes zum nichtobsorgeberechtigten Elternteil<br />

differierten eklatant nach dem Geschlecht; nichtobsorgeberechtigte Mütter sähen ihre Kinder<br />

weitaus häufiger und über wesentlich längere Zeit als nichtobsorgeberechtigte Väter. 536 Die<br />

Gründe dieser Differenz sind sozialwissenschaftlich nicht erhoben.<br />

Da drittens manche Mütter „ihr Bedürfnis nach einem Schlussstrich und einem Neubeginn<br />

auch auf die Kinder übertragen, wobei sie die Diskrepanz zwischen den eigenen Bedürfnissen<br />

und den Bedürfnissen des Kindes oft nicht wahrnehmen“ 537 , neigten einige dieser Mütter dazu,<br />

das Besuchsrecht zu vereiteln und ihrer Informations- und Äußerungspflicht nicht<br />

nachzukommen.<br />

Diese sich aus der Scheidung <strong>für</strong> <strong>Männer</strong> und Frauen ergebenden unterschiedlichen Folgen<br />

beinhalten potentielle Benachteiligung des Mannes.<br />

Das Informations- und Äußerungsrecht ist, die erforderlichen juristischen Kenntnisse<br />

vorausgesetzt, relativ einfach durchsetzbar. 538<br />

Anders als das Informations- und Äußerungsrecht war die Durchsetzung des Besuchsrechtes<br />

gemäß § 19 AußStrG gegen den Widerstand der obsorgeberechtigten Mutter in der<br />

Vergangenheit vor Inkrafttreten des KindRÄG 2001 schwierig und jedenfalls ein zeitlich<br />

höchst langwieriger Vorgang, der der Vertretung durch einen Rechtsanwalt mit besten<br />

familien- und kindschaftsrechtlichen Kenntnissen bedurfte, und überdies nur vor der<br />

Vollendung des 14. Lebensjahr des Kindes Aussicht auf Erfolg hatte. 539<br />

531<br />

Fthenakis, Wassilios Emmanuel: Väter, Band II, Zur Vater-Kind-Beziehung in verschiedenen<br />

Familienstrukturen. München 1988, Seite 54<br />

532<br />

Napp-Peters, Anneke: Familien nach der Scheidung. München 1995<br />

533<br />

vgl. Kapitel 4.15.1<br />

534<br />

vgl. Kapitel 2.2.3<br />

535<br />

das Wort „Andauer“ wird als über Jahre hinweg verstanden<br />

536<br />

IMAS-Austria: Situation von und Hilfsangebote <strong>für</strong> Trennungswaisen. Linz 1988, Seite 23ff<br />

537 Fthenakis, a.a.O., Seite 192<br />

538 siehe Kapitel 2.2.2<br />

539 siehe Kapitel 2.2.1<br />

102


Die durch das KindRÄG 2001 novellierten bezughabenden Bestimmungen lassen hoffen, dass<br />

der Vereitelung des Besuchsrechtes durch adäquate gesetzliche Maßnahmen vorgebeugt und<br />

die Durchsetzung des Besuchsrechtes erleichtert ist.<br />

Der Durchsetzung des Besuchsrechtes bei einem mündigen Minderjährigen, der das 14.<br />

Lebensjahr bereits vollendet hat, der aus eigener Überzeugung ausdrücklich die Ausübung des<br />

persönlichen Verkehrs ablehnt, ist gemäß § 185b Abs. 1 ABGB jedoch auch nach Inkrafttreten<br />

des KindRÄG 2001 jegliche Aussicht auf Erfolg versagt.<br />

Andererseits ist unbekannt, ob jemals ein Vater den Zuspruch der alleinigen Obsorge mit der<br />

Begründung, die Mutter gefährde durch nachhaltige Vereitelung des Besuchsrechtes das Wohl<br />

des Kindes, beantragt hat, obwohl die nachhaltige Vereitelung des Besuchsrechtes von der<br />

Judikatur bereits vor Inkrafttreten des KindRÄG 2001 als Gefährdung des Wohles des Kindes<br />

klassifiziert wurde. Über solche Anträge war auch Judikatur des OGH oder der Zweitinstanzen<br />

nicht feststellbar.<br />

4.15.3 Unterhalt<br />

4. 15.3.1 Unterhaltsbemessung bei Karenz<br />

Nehmen unterhaltspflichtige Frauen <strong>für</strong> ein „neues“ Kind mit einem anderen Mann den<br />

Karenzurlaub in Anspruch, wird auf ihren Antrag hin der <strong>für</strong> das „alte“ Kind zu entrichtende<br />

Geldunterhalt herabgesetzt und das Karenzgeld als Bemessungsgrundlage des Unterhalts<br />

herangezogen.<br />

Nach ständiger Judikatur des OGH 540 stellt der Karenzurlaub eines unterhaltspflichtigen Vaters<br />

<strong>für</strong> ein „neues“ Kind mit einer anderen Frau jedoch keinen Grund <strong>für</strong> die Herabsetzung seines<br />

Unterhalts dar, soweit nicht besondere berücksichtigungswürdige Gründe den Karenzurlaub<br />

des Vaters rechtfertigten. Solche besonders berücksichtigungswürdigen Gründe stellen nach<br />

der ständigen Judikatur des OGH etwa die drastische Reduzierung des Einkommens der<br />

„neuen“ Familie, weshalb deren Lebensunterhalt gefährdet wäre, der Verlust des<br />

Arbeitsplatzes der „neuen“ Ehefrau des Unterhaltspflichtigen, der gänzliche Mangel an<br />

Betreuungspersonen und Betreuungsmöglichkeiten <strong>für</strong> das „neue“ eheliche Kind, weshalb<br />

dieses ansonsten unversorgt wäre, etc. dar.<br />

Liegen diese besonders berücksichtigungswürdigen Gründe nicht vor, wird der <strong>für</strong> das „alte“<br />

Kind zu bezahlende Unterhalt auf das vor der Karenz des Vaters erzielte Einkommen<br />

angespannt. Bei der Anspannung ist jedoch der durch die Karenz entstehende, fiktive<br />

Unterhaltsanspruch der Ehefrau zu berücksichtigen.<br />

Dieser geschlechtsspezifische Unterschied in der Rechtsprechung ist nach Meinung der<br />

ExpertInnen darauf zurückzuführen, dass Mütter nicht gezwungen werden könnten, ihre Arbeit<br />

gleich nach Ablauf des Mutterschutzes wieder aufzunehmen, <strong>Männer</strong> diese „Rechtsstellung“<br />

jedoch nicht besäßen.<br />

540 siehe Kapitel 2.3.2<br />

103


Dieser sich aus dem traditionellen Rollenverständnis ergebende geschlechtsspezifische<br />

Unterschied in der Rechtsprechung benachteilige <strong>Männer</strong> und deren „neue“ Kinder.<br />

Da Frauen weiters in aller Regel weniger als <strong>Männer</strong> verdienen, ist auch der Unterhalt, den<br />

Mütter <strong>für</strong> Kinder, <strong>für</strong> die der Vater obsorgepflichtig ist, bezahlen, entsprechend geringer. Da<br />

andererseits dieser geringere Unterhalt während der Dauer ihres Karenzurlaubes nochmals<br />

reduziert wird, zahlen auf Grund des in unserer Gesellschaft noch immer vorherrschenden<br />

Rollenverständnisses unterhaltspflichtige Mütter tatsächlich weniger Unterhalt als<br />

unterhaltspflichtige Väter, obwohl <strong>für</strong> beide bei der Bemessung des Unterhaltes dieselben<br />

völlig geschlechtsneutralen Bestimmungen des Ehe- und Familienrechts angewandt werden.<br />

Dies stellt de facto eine eklatante Benachteiligung alleinerziehender Väter und deren Kinder<br />

dar.<br />

4.15.3.2 Verbrauch des Unterhalts im „guten Glauben“<br />

Nach der Scheidung zahlt der Geschiedene einerseits in aller Regel Geldunterhalt <strong>für</strong> die<br />

Kinder und andererseits möglicherweise Unterhalt <strong>für</strong> seine geschiedene Ehegattin.<br />

Ändern sich seine Einkommensverhältnisse wird der Unterhalt auf Antrag hin angepasst. Diese<br />

Anpassung kann mehrere Monate dauern, weil, wenn etwa der Unterhaltspflichtige an seinem<br />

Arbeitsplatz versetzt wird, sein neues Einkommen, oder bei Arbeitslosigkeit die erste Zahlung<br />

des Arbeitsmarktservices abgewartet werden muss, um den Unterhalt korrekt bemessen zu<br />

können. Bis zur Neubemessung ist der Unterhalt auf der Basis des ehemaligen Einkommens<br />

weiter zu leisten.<br />

Der bis zur tatsächlichen Herabsetzung zuviel gezahlte Unterhalt braucht nach Meinung<br />

einiger ExpertInnen nicht zurückbezahlt zu werden, weil das Geld im „guten Glauben“ bereits<br />

verbraucht worden sei. Darin bestehe nach Meinung der ExpertInnen eine Benachteiligung<br />

jener Väter, die den Unterhalt direkt an die geschiedene Ehegattin zahlen, gegenüber jenen, die<br />

den Unterhalt <strong>für</strong> das Kind über das Jugendamt leisten, da das Jugendamt zu viel bezahlten<br />

Unterhalt <strong>für</strong> das Kind zurückerstattet.<br />

Das Problem besteht tatsächlich, resultiert jedoch nicht aus den bezughabenden Bestimmungen<br />

des ABGB sondern aus den verfahrensrechtlichen Vorschriften des Zivilrechts 541 und daraus,<br />

dass im außerstreitigen Verfahren „Belehrung und Beratung bei Gericht so schlecht ist, weil<br />

man sich zu wenig Zeit nimmt“ 542 und es belegt dieses Beispiel zugleich eindrucksvoll das<br />

Dilemma der nicht durch einen versierten Rechtsanwalt vertretenen Partei in zivilgerichtlichen<br />

Verfahren:<br />

Unterhaltspflichtige sind in aller Regel in Verfahren über die Herabsetzung des Unterhaltes,<br />

obwohl sie des Ehe- und Familienrechts und der bezughabenden Bestimmungen des AußStrG<br />

541 siehe Kapitel 2.2.2<br />

542 Interviewtranskript, Tews, Seite 10<br />

104


oder der ZPO 543 völlig unkundig sind, schon aus Kostengründen nicht durch einen Anwalt<br />

vertreten.<br />

Unvertretenen Unterhaltspflichtigen ist jedoch unbekannt, dass Gutgläubigkeit gemäß § 326<br />

ABGB zwingend die positive Überzeugung von der Rechtmäßigkeit oder wenigstens<br />

entschuldbaren Irrtum voraussetzt, sohin schon durch Zweifel ausgeschlossen ist. Da die<br />

Obsorgeberechtigte bzw. die (geschiedene) Ehegattin spätestens ab Kenntnisnahme des<br />

Herabsetzungsantrages des Unterhaltspflichtigen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Höhe des<br />

Unterhaltes haben musste, ist sohin zu viel bezahlter Unterhalt jedenfalls ab dem Datum der<br />

Zustellung des Schreibens des Gerichtes, dass der Unterhaltspflichtige einen Antrag auf<br />

Reduzierung des Unterhaltes gestellt hat, nicht mehr in gutem Glauben verbraucht worden und<br />

daher ungeschmälert zurückzubezahlen.<br />

Das Problem des Rückerhaltes zu viel gezahlten Unterhaltes besteht ausschließlich im<br />

gerichtlichen Verfahrensrecht: Über die Höhe des Unterhaltes <strong>für</strong> Minderjährige ist im<br />

außerstreitigen Verfahren, über die Rückzahlung des zu viel gezahlten Unterhaltes jedoch im<br />

streitigen Verfahren zu entscheiden.<br />

Sohin ist folgende Vorgangsweise vor Gericht zwingend erforderlich:<br />

1. Zuerst hat der Vater die Herabsetzung des Unterhaltes <strong>für</strong> sein minderjähriges Kind zu<br />

beantragen. Über diesen Antrag haben die RichterInnen im außerstreitigen Verfahren<br />

nach den Bestimmungen des AußStrG zu entscheiden. Sollten die erforderlichen<br />

Voraussetzungen gegeben sein, wird der Unterhalt herabgesetzt.<br />

2. Erst nachdem das Gericht seinem Antrag auf Herabsetzung des Unterhaltes stattgegeben<br />

hat, kann der Vater die Rückforderung des von ihm zu viel gezahlten Unterhaltes mit<br />

einem zweiten, gesonderten Antrag begehren. Über diesen Antrag haben die<br />

RichterInnen, da nicht mehr über den Unterhalt eines Minderjährigen sondern über den<br />

sogenannten Bereicherungsanspruch zwischen Vater und Mutter zu entscheiden ist, im<br />

streitigen Verfahren nach den Bestimmungen der ZPO zu entscheiden.<br />

Da jedoch der rechtsunkundige, nicht vertretene Geldunterhaltspflichtige meist zugleich mit<br />

dem Antrag auf Herabsetzung des Unterhalts <strong>für</strong> sein minderjähriges Kind oder im laufenden<br />

außerstreitigen Verfahren auch den Antrag auf Rückzahlung des zu viel bezahlten Unterhalts<br />

stellt, haben die RichterInnen diesen Antrag auf Rückzahlung des zu viel bezahlten Unterhalts<br />

abzuweisen, da es RichterInnen verwehrt ist, in außerstreitigen Verfahren über Anträge, die<br />

dem streitigen Verfahren unterliegen, zu entscheiden.<br />

Da weiters RichterInnen in streitigen Verfahren gemäß § 405 ZPO nicht befugt sind, einer<br />

Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt wurde, dürfen RichterInnen nicht anschließend<br />

an das außerstreitige Verfahren amtswegig, d.h. ohne Antrag des Unterhaltspflichtigen, ein<br />

streitiges Verfahren über die Rückzahlung des zu viel gezahlten Unterhaltes einleiten, können<br />

sohin - selbst dann wenn dies gerechtfertigt wäre – den Obsorgeberechtigten nicht verpflichten,<br />

die Differenz auf den gesetzmäßigen Unterhalt zurückzuzahlen.<br />

543<br />

die ZPO ist nur in Verfahren über die Herabsetzung des Unterhaltes <strong>für</strong> (geschiedene) Ehegatten<br />

und volljährige Kinder anzuwenden<br />

105


Da unvertretene Unterhaltspflichtige in aller Regel die erforderlichen juristischen Kenntnisse<br />

nicht besitzen, können sie nicht der Rechtsordnung adäquat vorgehen, werden sohin die<br />

zwingend erforderlichen Anträge auf Rückzahlung des zu viel gezahlten Unterhalts nicht<br />

stellen, weshalb sie daher auch den von ihnen zu viel gezahlten Unterhalt nicht rückerstattet<br />

erhalten können.<br />

Erschwerend wirkt hier weiters, dass das AußStrG die RichterInnen nicht zur Manuduktion<br />

verpflichtet.<br />

Da in aller Regel <strong>Männer</strong> nach der Scheidung Geldunterhalt zahlen, bewirkt das dargestellte<br />

Dilemma die eklatante Benachteiligung der <strong>Männer</strong>.<br />

Einige ExpertInnen meinen, dass dieses Dilemma auch deshalb ein geschlechtsspezifisches sei,<br />

weil Frauen eher als <strong>Männer</strong> zeitgerecht juristischen Rat einholen würden, dies <strong>für</strong> Frauen<br />

leichter wäre, weil der Jugendwohlfahrtsträger gemäß § 212 ff ABGB zur Unterstützung<br />

obsorgeberechtigter Mütter verpflichtet sei, und flächendeckend Frauenberatungsstellen<br />

eingerichtet seien, an <strong>Männer</strong>beratungsstellen hingegen Mangel herrsche.<br />

4.15.3.3 Unterhaltsmindernder Einfluss von Krediten<br />

Die Rechtsprechung wertet Kredite nur dann als unterhaltsmindernd, wenn der Kredit eine<br />

Mehrbelastung oder einen Mehraufwand des Unterhaltspflichtigen darstellt, sohin etwa <strong>für</strong> die<br />

eheliche Wohnung aufgenommen wurde, die der Unterhaltsberechtigte nach der ehelichen<br />

Vermögensaufteilung behält, <strong>für</strong> die aber der Unterhaltspflichtige den Kredit tilgt. 544<br />

Einzelne ExpertInnen monieren, Kredite flössen nur selten in die Unterhaltsbemessung ein.<br />

Dies resultiere zum einen daraus, dass in Scheidungsvereinbarungen oft nicht genau<br />

konkretisiert und so unkonkretisiert von den Gerichten zur Kenntnis genommen würde, was<br />

mit dem Kredit bezahlt worden sei, und somit rechtskonform gegebene Ansprüche auf Unterhaltsminderung<br />

verloren gingen.<br />

Auch dieses Beispiel belegt eindrucksvoll, das Dilemma der nicht durch einen versierten<br />

Rechtsanwalt vertretenen Partei in außerstreitigen Verfahren. 545<br />

4.15.3.4 Anspannung<br />

Anspannung produziere nach Meinung der ExpertInnen bei Fehleinschätzung durch<br />

Sachverständige oder RichterInnen vereinzelt Härtefälle; eine individuellere Vorgangsweise<br />

der Gerichte wird gewünscht, da sie Härtefälle vermeiden helfen könnte.<br />

Aus der Sicht einiger ExpertInnen fehle es einigen wenigen Unterhaltspflichtigen an der<br />

Einsicht, dass sie nach der Scheidung ihr Leben und ihre Erwerbstätigkeit nicht nur nach ihren<br />

persönlichen Interessen und Wünschen gestalten können, sondern <strong>für</strong> ihre Kinder weiterhin<br />

Verantwortung tragen, weshalb sie mit finanziellen Leistungen zum Wohlergehen ihrer Kinder<br />

544 siehe auch die Kapitel 2.3.1 und 2.3.7<br />

545 siehe Kapitel 2.3.1.2<br />

106


eizutragen haben. Diese Unterhaltspflichtigen würden sich dann, wenn sie angespannt<br />

werden, als ein Opfer der Justiz sehen.<br />

4.15.3.5 Unterhaltsminderung bei Kinderbetreuung durch den Unterhaltspflichtigen<br />

Die Kosten, die dem Nichtobsorgeberechtigten durch das Besuchsrecht entstehen, sind vom<br />

Nichtobsorgeberechtigten zu tragen. Eine Gegenrechnung der Betreuungsleistung mit dem<br />

Unterhalt erfolgt erst dann, wenn die übliche Dauer des Besuchsrechtes überschritten wird,<br />

etwa wenn sich das Kind tagsüber ständig beim Unterhaltspflichtigen aufhält, oder die Eltern<br />

untereinander vereinbaren, dass der Unterhaltspflichtige gegen Reduktion des Unterhalts<br />

bestimmte Aufwendungen <strong>für</strong> das Kind trägt. 546<br />

Einige ExpertInnen sehen hierin eine Benachteiligung des Unterhaltsverpflichteten, andere<br />

argumentieren, dass die Kosten des Besuchsrechts bereits in der Unterhaltsbemessung<br />

berücksichtigt sind.<br />

Viele ExpertInnen sehen die Gerichte, vor allem bei der Bemessung des Unterhalts <strong>für</strong> die<br />

Obsorge beider Elternteile, derzeit in einer Warteposition. Sollten in Zukunft<br />

unterhaltspflichtige Väter vermehrt die Betreuung der Kinder, insbesondere bei gemeinsamer<br />

Obsorge, übernehmen, werde sich an der Gegenrechnung der Unterhaltspflicht etwas ändern<br />

müssen. Einige ExpertInnen äußerten ihre Bedenken zu einem möglichen „Naturalunterhalt“<br />

und warnten davor, großzügige Geschenke des Unterhaltspflichtigen an die Kinder mit deren<br />

Lebenshaltungskosten gegenzurechnen.<br />

4.15.3.6 Absetzbarkeit des Unterhalts<br />

In der steuerlichen Absetzbarkeit des Unterhalts über den derzeit geltenden fixen Absetzbetrag<br />

hinaus sind die ExpertInnen unterschiedlicher Ansicht. Die einen sehen in der Absetzbarkeit<br />

eine Benachteiligung des Unterhaltspflichtigen gegenüber dem anderen Elternteil, andere<br />

bewerten die Absetzbarkeit als Benachteiligung der Familien und indirekte „Förderung der<br />

Scheidung“.<br />

Alle ExpertInnen werten die derzeitige Situation sowohl <strong>für</strong> die Unterhaltspflichtigen als auch<br />

aus rechtlicher Sicht als unbefriedigend, weshalb eine endgültige Entscheidung auf Grundlage<br />

des Steuerrechts und nicht auf Grundlage des Familienrechts gewünscht wird.<br />

4.15.4 Vermögensaufteilung<br />

Bei der Vermögensaufteilung kann es zu faktischer Benachteiligung desjenigen Ehegatten<br />

kommen, der aus der gemeinsamen Ehewohnung auszieht, und nicht die volle<br />

Ausgleichszahlung <strong>für</strong> diese erhält, da der in der Wohnung verbleibende Ehegatte nicht über<br />

die nötigen finanziellen Mittel, zur Leistung der „vollen“ Ausgleichszahlung verfügt.<br />

4.15.5 Finanzielle Belastung des Mannes durch Vermögensaufteilung, Ehegatten-<br />

und Kindesunterhalt<br />

546 siehe die Kapitel 2..3.1.3 und 4.4.4<br />

107


Die ExpertInnen sind in der Beurteilung der Judikatur zu Vermögensaufteilung und Unterhalt<br />

sehr unterschiedlicher Ansicht.<br />

Einigkeit besteht jedoch darin, dass durch die Scheidung jeder Ehegatte finanziell belastet<br />

werde und die Synergieeffekte des gemeinsamen Haushaltes verloren gingen. Viele<br />

geschiedene <strong>Männer</strong> und nicht nur die alleinerziehenden Mütter, deren zumeist sehr schwierige<br />

soziale und finanzielle Situation in zahlreichen Studien und Publikationen dargestellt ist, hätten<br />

daher erhebliche soziale und finanzielle Einschränkungen zu bewältigen.<br />

Diese Einschränkungen seien umso gravierender, je mehr der folgenden Faktoren erfüllt seien:<br />

• Der Mann war vor der Scheidung alleine <strong>für</strong> den finanziellen Erhalt der Familie<br />

zuständig und ist nun unterhaltspflichtig,<br />

• der Mann hat mehrere Unterhaltspflichten zu tragen,<br />

• der Mann wird immer wieder arbeitslos und besitzt auf dem Arbeitsmarkt, etwa wegen<br />

mangelnder Ausbildung, schlechte Chancen, weshalb sein Unterhalt gegebenenfalls<br />

angespannt wird,<br />

• bereits vor der Scheidung bestanden Schulden,<br />

• die Schuld an der Scheidung trägt alleine oder überwiegend der Mann,<br />

• bereits vor der Scheidung bestand nur ein geringes Familieneinkommen,<br />

• der Mann ist aus der gemeinsamen Ehewohnung ausgezogen und die Frau kann die<br />

„volle“ Ausgleichszahlung <strong>für</strong> diese Wohnung nicht leisten,<br />

• der Mann steht durch die Trennung in Verbindung mit kontraproduktiven Coping-<br />

Strategien, wie etwa Alkohol oder dem Sichzurückziehen von jeglicher Verantwortung<br />

<strong>für</strong> die Familie und <strong>für</strong> sich selbst, etc., unter hoher psychischer Belastung.<br />

Würden die meisten oder alle der oben genannten Punkte auf einen Mann zutreffen, so sei<br />

dieser als nach der Scheidung benachteiligt zu bezeichnen.<br />

Wie sowohl die Analyse der Literatur als auch der Interviews der ExpertInnen ergibt, führt die<br />

Erfüllung eines einzigen Faktors, etwa die Verpflichtung zu einer Unterhaltsleistung,<br />

keinesfalls zu finanzieller oder sozialer Gefährdung. Treffen jedoch mehrere Faktoren der<br />

Belastung zu und reagiert der Betroffene gar nicht oder mit ungeeigneten Maßnahmen, wie<br />

etwa Unterhaltsflucht, kann das die finanzielle und soziale Abwärtsspirale auslösen.<br />

Von den ExpertInnen werden die bestehenden Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen 547 zwar<br />

als sehr positiv und in Wien hinsichtlich des Angebotes als ausreichend bewertet, die<br />

betroffenen <strong>Männer</strong> müssten allerdings aktiv werden und diese Hilfsangebote auch in<br />

Anspruch nehmen. Das begänne bereits bei der Scheidung und setze sich in der Beantragung<br />

der Herabsetzung des Unterhalts fort. Von der ExpertInnen wird bemängelt, dass manche<br />

<strong>Männer</strong> die gegebenen Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen – teilweise auch aus<br />

nachvollziehbaren Gründen – zu wenig in Anspruch nähmen, und andererseits die Beratung an<br />

den Amtstagen der Bezirksgerichte und die von den RichterInnen geübte Manuduktion<br />

keineswegs ausreichend sei.<br />

547<br />

wie etwa Sozialhilfe, Wohnbeihilfe, <strong>Männer</strong>beratungseinrichtungen, Schuldnerberatung,<br />

Wohnheime, etc.<br />

108


Die ExpertInnen appellieren an das Verantwortungsbewusstsein der <strong>Männer</strong> <strong>für</strong> deren weitere<br />

Lebensgestaltung. <strong>Männer</strong> müssten insbesondere bei Gründung einer neuen Familie alle ihre<br />

Unterhaltspflichten - die gegenüber der alten Familie bestehenden und die gegenüber der<br />

neuen Familie neu entstehenden - bedenken.<br />

Die ExpertInnen meinen, viele Unterhaltspflichtige würden in Arbeitslosigkeit und<br />

Schwarzarbeit 548 flüchten, und das <strong>für</strong> ihr Leben erforderliche Geld nicht nur an der Steuer<br />

sondern auch am Unterhalt vorbei verdienen. Selbst wenn bei der Bemessung des Unterhalts<br />

der Anspannungsgrundsatz herangezogen wird, d.h. der Unterhalt auf Basis des erzielbaren<br />

Einkommens bemessen wird, scheine sich das <strong>für</strong> die Unterhaltspflichtigen, zumindest <strong>für</strong> den<br />

Moment, zu rentieren. Neben dem Risiko, bei der Schwarzarbeit erwischt zu werden, habe der<br />

Unterhaltspflichtige jedoch langfristig mit Nachteilen zu rechnen, vor allem dann wenn er<br />

Unterhaltsschulden entstehen lasse. Da staatlich bevorschusste Unterhaltsschulden nicht<br />

verjähren, könnten sie den geschiedenen Mann zu einem späteren Zeitpunkt, wenn er sich<br />

wieder in den regulären Arbeitsprozess einbinden will, oder ein neues Leben mit einer neuen<br />

Partnerin beginnen möchte, einholen.<br />

Die ExpertInnen vertreten die Ansicht, <strong>für</strong> Geschiedene würden generell dieselben<br />

Risikofaktoren <strong>für</strong> Armut wie <strong>für</strong> alle anderen Personen auch gelten. Durch die Scheidung<br />

würden überdies die in der Ehe bereits vorhandenen, latenten finanziellen Probleme virulent.<br />

Die Scheidung könnte die bereits latent vorhandenen Risikofaktoren <strong>für</strong> Armut und<br />

Obdachlosigkeit nur verstärken. Scheidung alleine sei jedoch niemals der alleinige Auslöser<br />

und die einzige Ursache von Armut und Obdachlosigkeit, da immer mehrere Risikofaktoren<br />

zusammenspielen müssten.<br />

Von kurzfristiger Wohnungslosigkeit nach der Scheidung dürften nach Meinung der<br />

ExpertInnen allerdings relativ viele Personen mit geringem Einkommen betroffen sein. Über<br />

die Anzahl jener <strong>Männer</strong>, die über einen befristeten Zeitraum bei Freunden oder der Familie<br />

unterkommen, bestehen keine gesicherten statistischen Daten; diese Zahl kann auch nicht<br />

abgeschätzt werden. 549<br />

Einige ExpertInnen vertreten die Ansicht, das Unterhaltsexistenzminimum, das 75% des<br />

Existenzminimums beträgt, sei zu gering. Die Möglichkeit der Pfändung des Einkommens bis<br />

zur Grenze des Unterhaltsexistenzminimums und in Ausnahmefällen sogar darunter wird von<br />

den ExpertInnen kritisiert. Scheine eine Erhöhung des Unterhaltsexistenzminimums, das<br />

derzeit bei € 472,50 550 liegt, auch als sehr wünschenswert, so sollten die Auswirkungen dieser<br />

548 F. Schneider schätzt in seinem Buch „Der Umfang der Schwarzarbeit des Jahres 2002 in<br />

Deutschland, Österreich und der Schweiz – Weiteres Anwachsen der Schwarzarbeit.“, Linz 2002,<br />

die Erträge aus Schwarzarbeit in Österreich im Jahr 2002, berechnet nach dem Bargeldansatz, auf<br />

€ 21,8 Mrd.<br />

549 siehe auch Kapitel 3<br />

550 das derzeitige Unterhaltsexistenzminimum gemäß Anlage 2/8 der Existenzminimum-Verordnung<br />

2002, BGBl. II 22/2002 idgF, unabhängig von der Anzahl der Unterhaltspflichten bei einem<br />

Gehalt bis zu € 559,99 monatlich, berechnet von dem Grundbetrag von € 630,--<br />

109


Erhöhung auf den Unterhaltsvorschuss und die damit verbundene Schuldenlast <strong>für</strong> den<br />

Unterhaltspflichtigen in die Überlegung miteinbezogen werden.<br />

Die ExpertInnen stimmen überein, dass bei allen Maßnahmen zur Verbesserung der Situation<br />

Unterhaltspflichtiger zu berücksichtigen ist, dass der Geldunterhalt die Existenz der<br />

Unterhaltsempfänger sichere, weshalb die oft schwierige Situation Alleinerziehender nicht<br />

durch die Entlastung Unterhaltspflichtiger verschlechtert werden dürfe, und Rücksicht auf den<br />

Staatshaushalt genommen werden müsse.<br />

Die Vorschläge der ExpertInnen zur Entlastung Unterhaltspflichtiger reichen von der<br />

Verbesserung des Beratungsangebotes bis zur Verstärkung des sozialen Wohnbaus, der<br />

Einführung eines Grundeinkommens bis zu einem neuen Unterhaltsvorschussmodell, das den<br />

Unterhalt von der Leistungsfähigkeit des einzelnen Unterhaltspflichtigen entkoppeln, und <strong>für</strong><br />

jedes Kind eine garantierte Höhe an Mindestunterhalt vorsehen würde.<br />

Einige ExpertInnen fordern die Erhebung des Bedarfes der Kinder durch eine<br />

wirtschaftswissenschaftliche Studie, da nur diese eine „faire Bemessung“ des Unterhalts<br />

ermögliche, der dem heutigen Lebensstandard von Kindern entspräche, und die Diskussion um<br />

den Durchschnittsbedarf obsolet mache.<br />

110


5 Auswertung der Betroffeneninterviews<br />

Interviewt wurden zehn unterhaltspflichtige geschiedene <strong>Männer</strong> aus verschiedenen<br />

Einkommens- und Vermögensverhältnissen. Acht der Interviewten ließen sich einvernehmlich,<br />

zwei strittig scheiden. Alle Interviews wurden ausschließlich von <strong>Männer</strong>n durchgeführt und<br />

dauerten zwischen ein bis zwei Stunden.<br />

Die Auswertung dieser Interviews erfolgte nach dem Modell E. Sanders 551 , das eine<br />

Weiterentwicklung des Modells von L. A. Kurdek 552 und eine Konklusion mit dem<br />

sozioökonomischen Modell Bronfenbrenners 553 darstellt und die Bedingungsgefüge des<br />

Scheidungsprozesses in sozioökologischem Kontext betrachtet. Es wurden 4 sozioökologische<br />

Ebenen angenommen, auf denen jeweils Belastungs- und Stützfaktoren, die Personen nach der<br />

Scheidung behindern oder helfen können, gegeben sind. Dieses Modell geht von der Prämisse<br />

aus, dass Faktoren auf der höheren Ebene die Bedingungen auf der nächst niedrigeren Ebene<br />

direkt und die Bedingungen auf den weiter darunter liegenden Ebenen indirekt beeinflussen.<br />

Grundsätzlich wird auf jeder der 4 Ebenen zwischen der subjektiven Betrachtungsweise des<br />

Geschiedenen und den objektiven Gegebenheiten unterschieden. In der Auswertung der<br />

Interviews der Betroffenen wird der subjektiven Betrachtungsweise der interviewten <strong>Männer</strong><br />

der Vorrang eingeräumt, da dies der persönlich erlebten Realität der Interviewten entspricht.<br />

5.1 Gesellschaftliche Ebene<br />

Auf Grund der Häufigkeit von Scheidung ist davon auszugehen, dass Scheidung heute ein<br />

gesellschaftlich anerkanntes Phänomen ist. Einzelne Betroffene fühlen sich dennoch als<br />

„Geschiedene“ sozial stigmatisiert und durch diese Stigmatisierung belastet. In den Interviews<br />

der Betroffenen wurde diese gesellschaftliche Ebene kaum problematisiert, weshalb hier auch<br />

nicht näher darauf eingegangen wird.<br />

Im Weiteren wird die von den <strong>Männer</strong>n gegenüber Gesetz und Institutionen geäußerte Kritik,<br />

nach Schwerpunkten geordnet, dargestellt. Es wird ausschließlich das subjektive Erleben der<br />

<strong>Männer</strong> wiedergegeben und analysiert, jedoch keine Wertung vorgenommen. An einigen<br />

Stellen wird auf geltendes Recht bzw. Literatur verwiesen und Vergleiche mit den Interviews<br />

der ExpertInnen gezogen.<br />

5.2 Institutionen und soziale Netzwerke<br />

5.2.1 Institutionen<br />

Die Gerichte und das Jugendamt zählen zu jenen Institutionen, die <strong>für</strong> Geschiedene bei<br />

Scheidung und Unterhalt eine maßgebliche Rolle spielen. Die Tätigkeit dieser Institutionen<br />

551 Sander, E.: Trennung und Scheidung: Die Perspektive betroffener Eltern. Weinheim 1999.<br />

552 Kurdek, L. A.: "An Integrative Perspective on Children's Divorce Adjustment." In: American<br />

Psychologist. New York 1981, Heft 36, Seite 856ff<br />

553 Bronfenbrenner, Uri: The ecology of human development: Experiment by nature and design.<br />

Cambridge 1979; und derselbe: Die Ökologie der menschlichen Entwicklung. Stuttgart 1981<br />

111


wird von geschiedenen <strong>Männer</strong>n als zu Hilfestellung und Unterstützung nicht ausreichend,<br />

teilweise auch als Belastung empfunden. Die Kritik der <strong>Männer</strong> richtet sich sowohl gegen die<br />

Handlungen der Personen, die diese Institutionen vertreten, als auch gegen die gesetzlichen<br />

Bestimmungen.<br />

Die befragten Väter äußern über die RechtspflegerInnen und die RichterInnen, die im Bereich<br />

der Rechts<strong>für</strong>sorge tätigen Bediensteten und die von diesen vertretenen Institutionen immer<br />

wieder das Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit. In den Interviews werden großer Ärger,<br />

Enttäuschung, Wut und Resignation sichtbar, auch wenn dies nicht immer direkt<br />

ausgesprochen wird. Der Gesetzgeber wird beschuldigt, <strong>Männer</strong> zu benachteiligen oder zu<br />

wenig zu unterstützen. Einzelne Personen werden als sehr voreingenommen oder<br />

desinteressiert beschrieben.<br />

So fühlt sich beispielsweise ein Vater vom Jugendamt in seiner Sorge um sein Kind nicht ernst<br />

genommen. Er möchte seinem Kind aufgrund dessen emotionaler Probleme gerne eine<br />

Therapie ermöglichen. Die obsorgeberechtigte Mutter, die psychisch krank, und wiederholt in<br />

Kliniken behandelt worden sei, leiste nach Angabe des Vaters jedoch Widerstand. „Ich habe<br />

das dem Jugendamt schon erzählt. Aber mein Eindruck ist, dass das Jugendamt nur eine<br />

Notfallpolizei ist. Für diese alltäglichen Dinge haben sie überhaupt keinen Kopf. Manche<br />

Mitarbeiter, habe ich den Eindruck, stehen noch immer auf dem Standpunkt: ‚Der Vater ist<br />

entbehrlich, ein Kind braucht seine Mutter.’“ 554<br />

Ein Vater, der selbst die Scheidungsklage bei Gericht eingebracht hat, moniert: „Es ist allein<br />

schon bei Gericht furchtbar. Ich bin mir vorgekommen, wie ein zwölfjähriger Bub. Der Richter<br />

hat zu mir gesagt, er weiß eh’, was ich verdiene. Ich tu’ ihm nicht leid. Das hat der wörtlich zu<br />

mir gesagt. Es ist furchtbar gewesen. Mittlerweile ist er in Pension gegangen, aber das war ein<br />

Wahnsinn. Der war total <strong>für</strong> die Frau.“ 555<br />

Die interviewten <strong>Männer</strong> fühlen sich umso mehr benachteiligt, je mehr Kontakt sie mit<br />

Jugendamt und Gericht hatten.<br />

5.2.1.1 Obsorge<br />

Die interviewten <strong>Männer</strong> kritisieren, dass Müttern bereits in aufrechter Ehe die Obsorge <strong>für</strong> die<br />

Kinder, manchmal „vorübergehend“ zugesprochen wird. Ein Interviewter beschreibt die<br />

Situation so: „Die Frau hat noch während der Ehe die alleinige Obsorge beantragt und sie dann<br />

auch bekommen.“ 556 Er selbst sei dem Gerichtsverfahren nicht beigezogen worden und<br />

plötzlich mit einer Forderung nach Unterhaltsnachzahlung konfrontiert gewesen. „Bei Gericht<br />

hat es immer geheißen, warum ich mich da nicht kümmere, aber ich habe ja von nichts<br />

gewusst.“ 557<br />

554 Interviewtranskript B2, Seite 5<br />

555 Interviewtranskript B4, Seite 1<br />

556 Interviewtranskript B2, Seite 5<br />

557 ebenda<br />

112


Die „vorübergehende“ Zuteilung der alleinigen Obsorge während aufrechter Ehe versetzt den<br />

Vater bei der endgültigen Entscheidung über die Obsorge in eine schlechte Ausgangsposition,<br />

da die Mutter in den letzten Monaten die Hauptbetreuungsperson war. 558 Auch die ExpertInnen<br />

meinen, solche „vorübergehenden Obsorgeentscheidungen“ würden, lägen nicht sehr triftige<br />

Gründe vor, kaum revidiert.<br />

Die Interviews der Betroffenen machen deutlich, dass manche <strong>Männer</strong> mit der Scheidung, den<br />

damit verbundenen Angelegenheiten und daraus resultierenden Folgen völlig überfordert sind,<br />

weshalb sie sich außerstande fühlen, ihre Kinder alleine zu versorgen. Aus diesem Grund<br />

beantragen <strong>Männer</strong> so selten die alleinige Obsorge <strong>für</strong> ihre Kinder, obwohl sie sehr an ihnen<br />

hängen.<br />

Zu einem späteren Zeitpunkt bereuen das manche Väter: „Das habe ich mir einmal überlegt,<br />

aber mir hat komplett die Perspektive gefehlt, wie das überhaupt gehen soll. Ich hätte meine<br />

Arbeit aufgeben müssen.“ 559 Die Meinung der ExpertInnen, dass Väter oftmals erst einige Zeit<br />

nach Rechtskraft der Entscheidung über die Obsorge entdecken, welche Folgen der Verlust der<br />

Obsorge <strong>für</strong> sie hat, wird durch die Interviews der Betroffenen bestätigt. Ein Geschiedener, der<br />

zuerst freiwillig der Frau die Obsorge überließ, weil er sich im Zeitpunkt der Trennung mit der<br />

Wohnungssuche und anderen Verpflichtungen überfordert fühlte, berichtet empört, dass ihm<br />

die Schule die Auskunft über sein Kind verweigert habe, weil er keine Vollmacht hatte. 560 Ein<br />

anderer Vater drückt dies so aus: „Nein, das war überhaupt nicht o.k. von mir, ihr die alleinige<br />

Obsorge zu überlassen. Ich hätte damals schon sagen müssen, du kannst das nicht, du bist nicht<br />

in der Lage dazu, teilen wir uns das auf oder beide Kinder zu mir.“ 561 Für sein weiteres Kind<br />

aus einer neuen Beziehung habe er daher mit seiner Partnerin die Obsorge beider Elternteile<br />

vereinbart. Die Obsorge beider Elternteile beurteilt dieser Vater als sehr positiv und würde sich<br />

diese auch <strong>für</strong> seine anderen Kinder wünschen, bedauerlicherweise lehne seine geschiedene<br />

Ehefrau dies jedoch ab.<br />

Einige der interviewten Väter vertrauen auch darauf, dass ihre Kinder, wenn sie älter sein<br />

werden, „von sich aus zu mir ziehen“ 562 .<br />

558 siehe auch Kapitel 2.2<br />

559 Interviewtranskript B2, Seite 3<br />

560 Interviewtranskript B1, Seite 7<br />

561 Interviewtranskript B2, Seite 4<br />

562 Interviewtranskript B1, a.a.O.; Interviewtranskript B2, a.a.O.;<br />

113


5.2.1.1.1 Obsorge beider Elternteile („gemeinsame Obsorge“) 563<br />

Bei gutem Einvernehmen mit der geschiedenen Ehefrau würden in vielen vor Inkrafttreten des<br />

KindRÄG 2001 geschiedenen Ehen die bei der Scheidung vereinbarte alleinige Obsorge der<br />

Mutter als „nur nach außen hin erforderliches formales Kriterium“ betrachtet und tatsächlich<br />

die Obsorge beider Elternteile [die sogenannte „gemeinsame Obsorge“, Anm. d. Verf.]gelebt,<br />

die Väter daher weiterhin stark in die Betreuung und Erziehung ihrer Kinder eingebunden.<br />

Diese Väter werteten, wie andere engagierte Väter, die vor Inkrafttreten des KindRÄG 2001<br />

geltende Bestimmung, die die gemeinsame Obsorge nur bei gemeinsamem Wohnsitz der<br />

geschiedenen Eltern zuließ, als stark diskriminierend.<br />

Die Obsorge beider Elternteile räume nach übereinstimmender Ansicht aller Interviewten den<br />

Vätern mehr Möglichkeiten ein und stelle auch die Anerkennung der Vaterrolle nach außen<br />

dar. Aber auch an der Obsorge beider Elternteile wird kritisiert, dass diese keine „echte Halbe-<br />

Halbe-Aufteilung“ der Betreuung und Erziehung darstelle. Ein Vater, der die Obsorge beider<br />

Elternteile vereinbart hat, wünscht sich diese „echte Halbe-Halbe-Aufteilung“, da das Kind, je<br />

nach seinem Wunsch, phasenweise die Hälfte und mehr als die Hälfte der Zeit bei ihm<br />

verbringe, phasenweise lebe es mehr bei der Mutter: „Also da gibt es insofern ein Problem,<br />

dass es nicht möglich ist, das Sorgerecht 50:50 zu machen. Wir haben es 49:51 gemacht, und<br />

das finde ich im Grund eine schwachsinnige Sache. Eigentlich finde ich, es müsste 50:50 auch<br />

möglich sein, wobei 49:51 ja fast dasselbe ist. Das finde ich juristisch schon etwas<br />

komisch.“ 564<br />

Ein anderer Vater berichtet, die mit seiner geschiedenen Ehefrau vereinbarte Obsorge beider<br />

Elternteile bestehe nur auf dem Papier. Bereits in aufrechter Ehe habe die Mutter den Kontakt<br />

zwischen Vater und Kind behindert; da die Obsorge beider Elternteile vereinbart sei, würde<br />

kein Besuchsrechtstitel bestehen und habe er sohin keine Möglichkeit, sein Kind zu sehen.<br />

Derzeit sei ein Obsorgerechtsverfahren bei Gericht anhängig, weil beide Eltern die alleinige<br />

Obsorge beantragt hätten. Da beide Eltern bei Gericht seit Jahren gegeneinander Anträge<br />

einbrächten, die Mutter mit dem Kind eine Zeitlang nach Ungarn „geflohen“ sei und sich<br />

weigere, dem Vater Besuche des Kindes zu gestatten, habe dieser Vater sein Kind schon seit<br />

mehr als 3 Jahren nicht gesehen. 565<br />

Die ExpertInnen gaben in den Interviews 566 an, bei Vereinbarung der Obsorge beider<br />

Elternteile bleibe der hauptsächliche Aufenthaltsort des Kindes, zumindest offiziell, bei der<br />

Mutter. Problematisch sei die Lage der Väter, wenn Konflikte zwischen den Eltern über die<br />

Obsorge entstehen, da die Gerichte die alleinige Obsorge eher den Müttern zusprechen. Die<br />

Interviews der Väter ergaben dieselbe Einschätzung.<br />

Vor allem die „engagierten Väter“ fühlen sich, wenn kein gutes Einvernehmen mit der<br />

geschiedenen Ehefrau besteht, im Nachteil: „Wenn es Probleme gibt, dann sind es eher die<br />

Väter, die benachteiligt sind. Wenn es Streitigkeiten gibt, werden doch zu einem großen Teil<br />

563 Vgl. Kapitel 2.2 und 4.1<br />

564 Interviewtranskript B5, Seite 3<br />

565 Interviewtranskript B1, Seite 2<br />

566 siehe Kapitel 4.1<br />

114


die Kinder den Müttern zugesprochen, mag sein, dass das in vielen Fällen gut ist, sicher nicht<br />

in allen. Das kann man, glaube ich, eindeutig so sehen.“ 567<br />

5.2.1.2 Besuchsrecht, Informations- und Äußerungsrecht<br />

In jenen „geschiedenen“ Familien, in denen zumindest einigermaßen Einvernehmen zwischen<br />

den Geschiedenen besteht, funktioniere das Besuchsrecht gut. Nach und während strittiger<br />

Scheidungen sei die Wahrnehmung des Besuchsrechtes schwierig.<br />

Ein interviewter Vater erzählt, die Mutter vereitle mit der Behauptung, die Kinder seien krank,<br />

das Besuchsrecht. Auch nachdem das Gericht die Besuchsbegleitung 568 angeordnet habe, hätte<br />

er seine Kinder nicht gesehen. Bei Befragung vor Gericht hätten sich beide Kinder in<br />

Begleitung seines Schwiegervaters gegen den Besuch des Vaters ausgesprochen, wobei <strong>für</strong> ihn<br />

klar gewesen sei, dass der Schwiegervater den Kindern die Worte vorgegeben habe. Seither<br />

bestehe kein Kontakt mehr zu seinen Kindern: „Ich habe einmal Weihnachtsgeschenke hinauf<br />

gebracht, die habe ich vor die Tür legen müssen. Das interessiert mich einfach nicht mehr. Das<br />

ist demütigend“ 569 , berichtet der Vater resignierend.<br />

Das KindRÄG 2001 wird von den Interviewten insofern positiv beurteilt, als, wenn das<br />

Besuchsrecht nicht wahrgenommen werden kann, zumindest bei Gericht Auskunft über die<br />

Situation der Kinder eingeholt werden könne.<br />

5.2.1.3 Unterhalt<br />

Einige unterhaltspflichtige <strong>Männer</strong> kritisieren heftig, dass die Mutter den Geldunterhalt <strong>für</strong> das<br />

Kind auch <strong>für</strong> sich selbst verwende. Dies bringen vor allem jene Väter, die höhere Beträge an<br />

Unterhalt leisten, vor.<br />

Alle <strong>Männer</strong> wünschen mehr Transparenz, sie möchten wissen, wo<strong>für</strong> der von ihnen bezahlte<br />

Unterhalt tatsächlich verwendet wird. Ein Vater möchte, dass seine Unterhaltsnachzahlung<br />

mündelsicher angelegt wird, weil er be<strong>für</strong>chtet, dass die Frau das Geld <strong>für</strong> sich selbst ausgibt:<br />

„Es gibt theoretisch die Möglichkeit, dass man beim Pflegschaftsgericht eine mündelsichere<br />

Anlage verlangt. Das wird aber nicht durchgeführt. Das ist mir auch klipp und klar gesagt<br />

worden.“ 570<br />

Weiters kritisieren die Interviewten, dass die Unterhaltsleistung der Mutter <strong>für</strong> die Kinder mit<br />

dem Naturalunterhalt, „der Versorgung der Kinder“ 571 , abgedeckt ist, und die Mutter, auch<br />

dann wenn die Kinder bereits älter sind, keiner beruflichen Tätigkeit nachgehen müsse. Einige<br />

der interviewten <strong>Männer</strong> fühlen sich aus diesem Grund gegenüber der Mutter benachteiligt,<br />

weil sie „sehr wohl <strong>für</strong> den Kindesunterhalt arbeiten müssen und dazu angespannt werden“ 572 .<br />

567<br />

Interviewtranskript B5, Seite 4<br />

568<br />

gemäß § 185c AußStrG<br />

569<br />

Interviewtranskript B4, Seite 5<br />

570<br />

Interviewtranskript B2, Seite 7<br />

571<br />

ebenda<br />

572<br />

ebenda<br />

115


§ 140 Abs. 2, 2. Satz, ABGB 573 lasse den Gerichten zu großen Spielraum, kritisieren die<br />

Interviewten, da diese Bestimmung von den Gerichten lediglich bei niedrigem Einkommen und<br />

Existenzgefährdung angewendet werde, und selbst betrachteten die Gerichte es als<br />

„angemessen“, das Existenzminimum bei Unterhaltspflichtigen zu unterschreiten. 574<br />

Die selbständig Erwerbstätigen unter den Interviewten beklagen ihre Benachteiligung<br />

gegenüber unselbständig Erwerbstätigen, da der Unterhalt, wenn er einmal festgesetzt sei,<br />

nicht mehr reduziert werde, ausgenommen die selbständige Erwerbstätigkeit werde<br />

aufgegeben. „Man hat beim Pflegschaftsgericht keine Chance. Das Protokoll wird erst gar<br />

nicht aufgenommen, weil sie sagen: ,Sie haben die und die Ausbildung. Sie könnten so und so<br />

viel verdienen. Sie haben keine Chance. Sie brauchen erst gar nicht zu kommen.’ Dadurch hat<br />

man eigentlich nie die Chance, einen einmal beschlossenen Unterhaltstitel den eigentlichen<br />

Einkommensgegebenheiten anzupassen. Solange man selbständig ist, hat man die Möglichkeit<br />

nicht. Man muss sich in einen anderen Status begeben, nämlich arbeitslos sein. Als<br />

Selbständiger bekommt man normalerweise keine Arbeitslosenunterstützung. Und die letzte<br />

Möglichkeit Einkommenslosigkeit nachzuweisen, ist es, in die Sozialhilfe zu gehen, und das ist<br />

ein relativ harter Weg. Also als Selbständiger zu wenig Einkommen zu haben, wird von<br />

niemandem wirklich anerkannt.“ 575<br />

Leiste der selbständig Erwerbstätige den Unterhalt nicht vollständig, werde gegen ihn<br />

Exekution geführt und er wegen Verletzung der Unterhaltspflicht geklagt: „Man entkommt<br />

dem fast nicht, weil man dann in die Beweisnotlage kommt. Zu sagen, ich habe mich in dieser<br />

Zeit sehr wohl um Aufträge bemüht, nur Aufträge nicht bekommen, ist fast nicht zu<br />

rechtfertigen. Der Vorwurf, zu wenig getan zu haben, wird immer an einem hängen bleiben.<br />

Das passiert in einem Angestelltenstatus nicht.“ 576<br />

Die in den Interviews befragten unselbständig Beschäftigten berichten, die Herabsetzung des<br />

Unterhaltes auf Grund von Einkommensveränderungen funktioniere problemlos.<br />

Die Interviewten meinen, die Mütter ließen die Kinder deshalb nicht längere Zeit in der Obhut<br />

der Väter, damit der Unterhalt nicht verloren gehe, und die Mütter Abstriche von ihrem<br />

Lebensstandard machen und ihre derzeitige Wohnung oder das Haus aufgeben müssten. Die<br />

interviewten Väter fühlen sich insbesondere dann ungerecht behandelt, wenn sie <strong>für</strong> die Kinder<br />

ihrer Ansicht nach zusätzlich zu den Unterhaltszahlungen große finanzielle Leistungen<br />

erbringen. Kritisiert wird insbesondere, dass die Kosten des Urlaubs mit den Kindern nicht<br />

unterhaltsmindernd wirken: „Ich habe die Kinder immer im Sommer zwei bis drei Wochen bei<br />

mir gehabt bei voller Alimentezahlung. Ich habe versucht, das <strong>für</strong> diese Zeit anders zu regeln,<br />

aber chancenlos. Bei Gericht ist das auch nicht durchgegangen. Bei solchen Sachen denke ich<br />

573<br />

siehe Kapitel 2.3.1.3<br />

574<br />

Interviewtranskript B2, a.a.O.; Interviewtranskript B10, Seite 4; Interviewtranskript B1, Seite 7;<br />

u.a.<br />

575<br />

Interviewtranskript B10, Seite 4<br />

576 ebenda<br />

116


mir, was ist da gerecht? Ich war meistens mit den Kindern in Kärnten auf einem Bauernhof<br />

auf Urlaub. Ich wollte meinen Kindern immer etwas bieten.“ 577<br />

Weiters kritisieren die interviewten Betroffenen, dass ihre Kosten <strong>für</strong> die nach der Scheidung<br />

erforderliche Schaffung eigenen Wohnraums in der Bemessung der Höhe des Unterhalts zu<br />

wenig berücksichtigt würden: „... ich bin damals bei meinen Eltern eingezogen, habe dann<br />

einen Dachboden ausgebaut, und da ist einfach viel Geld hinein geronnen. Ich habe einfach<br />

mehr gearbeitet, aber dass mir das dann 3 Jahre später derartig um die Ohren fliegt. Sie wollten<br />

mich dann auf 13.400,-- Schilling [circa € 975,--, Anm. d. Verf.] festsetzen <strong>für</strong> beide Kinder<br />

plus Nachzahlung von knapp 160.000,-- Schilling [circa € 11.630,-- , Anm. d. Verf.] <strong>für</strong> drei<br />

Jahre. Das hat mich wahnsinnig getroffen. Erstens habe ich das gar nicht, weil das steckt in der<br />

Wohnung, und wie soll ich mit dem leben?“ 578<br />

Die Interviews machen deutlich, dass nicht jedem Geschiedenen bekannt ist, dass auch das<br />

„außerordentliche Einkommen“, etwa die Abfertigung, in die Unterhaltsbemessungsgrundlage<br />

einfließt. Diese Geschiedenen haben dann Unterhaltsnachzahlungen zu leisten, obwohl sie das<br />

„außerordentliche Einkommen“ bereits, etwa <strong>für</strong> die Schaffung eigenen Wohnraums,<br />

verbraucht haben.<br />

An der Prozentsatzmethode wird kritisiert, dass sie ab drei Kindern eine zu hohe finanzielle<br />

Belastung ergäbe. „Die Prozentmethode finde ich sowieso nicht korrekt, weil <strong>für</strong> einen<br />

geschiedenen Mann ab dem dritten Kind das Leben aufhört. Das darf nicht sein.“ 579 Ein<br />

anderer Interviewter empfindet es als sehr unfair, dass er seiner geschiedenen Ehefrau umso<br />

mehr Unterhalt bezahlen müsse, je mehr er arbeite. Um sich eine neue Existenz mit einer<br />

neuen Partnerin aufbauen zu können, gehe er daher zusätzlich einer Schwarzarbeit nach. 580<br />

Einer der Befragten beklagt zwar die hohe finanzielle Belastung, bringt aber keinen Antrag auf<br />

Herabsetzung des Unterhalts ein. In der Vergangenheit habe er manchen ‚Strauss vor Gericht’<br />

ausgetragen, nunmehr zahle er ohne Widerspruch den gerichtlich festgesetzten Unterhalt.<br />

Manchen <strong>Männer</strong>n scheinen, wenn das Gericht mehrere ihrer Anträge, etwa auf Änderung der<br />

Besuchszeit oder des Unterhalts im Urlaub etc. abgelehnt hat, zu resignieren, keine Anträge<br />

mehr einzubringen und unwidersprochen alles hinzunehmen.<br />

Als benachteiligt gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau sieht sich ein Vater, bei dem eines<br />

der beiden gemeinsamen Kinder lebt. Er zahlt ATS 4.000,-- [etwa € 290,--, Anm. d. Verf.] an<br />

Unterhalt <strong>für</strong> das Kind, das bei seiner geschiedenen Ehefrau wohnt, und freiwillig ein kleines<br />

Taschengeld. Für das bei ihm lebende Kind erhält er von seiner geschiedenen Ehefrau, die seit<br />

2 Jahren den Karenzurlaub in Anspruch nimmt, keinen Unterhalt; sein Antrag auf Unterhalt <strong>für</strong><br />

dieses Kind sei derzeit bei Gericht anhängig.<br />

Einige Väter geben an, weiterhin Unterhalt zu bezahlen, obwohl die Kinder bereits seit<br />

Monaten bei ihnen wohnen, ihre Pflicht Geldunterhalt zu leisten, sohin nicht (mehr) besteht.<br />

Alle interviewten <strong>Männer</strong>n sehen durchaus die Notwendigkeit des Geldunterhalts <strong>für</strong> die<br />

577 Interviewtranskript B1, Seite 7<br />

578 Interviewtranskript B2, Seite 4<br />

579 Interviewtranskript B2, Seite 3<br />

580 Interviewtranskript B4, Seite 5<br />

117


Kinder, einige sind trotz ihrer angespannten finanziellen Lage mit der Höhe des Unterhalts<br />

einverstanden und sehen diese als durchaus gerechtfertigt an. So kritisiert zwar ein<br />

wohnungsloser Sozialhilfeempfänger sein niedriges Einkommen, den Betrag von € 14,50<br />

monatlich als Unterhalt <strong>für</strong> sein Kind empfindet er dennoch als durchaus angemessen. Sobald<br />

er mehr verdiene, wolle er auch gerne mehr bezahlen. Einer der Befragten empfindet die<br />

geregelte Höhe des Unterhalts, weil sie Transparenz erzeuge, als einen Gewinn: „Mir geht es<br />

jetzt besser als früher. Ich habe mir vor kurzem ein neues Motorrad gekauft, das habe ich mir<br />

früher nicht leisten können ... . Jetzt kriegt meine Frau einen fixen Betrag, und mit dem muss<br />

sie auskommen. Früher hatte sie Kreditkarte, Bankomatkarte, und sie hat immer mehr<br />

ausgegeben. Wir waren immer im Minus.“ 581<br />

Kritisiert wird von den Betroffenen, übereinstimmend mit den ExpertInnen, dass Exekutionen<br />

bis auf das Unterhaltsexistenzminimum zu wenig Geld <strong>für</strong> das eigene Leben übrig ließen.<br />

5.2.1.4 Vermögensaufteilung<br />

Über die bei der Scheidung vorgenommene einvernehmliche Vermögensaufteilung äußern sich<br />

die Betroffenen durchwegs zufrieden bzw. erachten diese als akzeptabel, auch wenn sie die<br />

erhaltenen Ausgleichszahlungen als zu gering erachten.<br />

Ein Interviewter 582 führt aus, während der Scheidung habe seine geschiedene Ehefrau das<br />

eheliche Vermögen „so geschickt verschoben“ 583 , dass es bei der Vermögensaufteilung nicht<br />

mehr vorhanden gewesen sei. Das Haus, in dem sie während aufrechter Ehe gemeinsam gelebt<br />

hätten, sei ein Geschenk des Vaters seiner geschiedenen Ehefrau gewesen. In dieses Haus habe<br />

er <strong>für</strong> die Renovierung viel Geld investiert. Während der Scheidung habe die Ehefrau das Haus<br />

ihrem Vater „zurückgeschenkt“, sie sei sohin bei der Scheidung einkommens- und mittellos<br />

gewesen. Sie wohne zwar weiterhin in diesem Haus, zahle aber jetzt an den Vater Miete. Die<br />

von ihm <strong>für</strong> die Renovierungsarbeiten aufgenommenen Kredite, die nicht unterhaltsmindernd<br />

wirkten, zahle der Mann noch immer zurück. Dies empfindet der Betroffene als sehr unfair,<br />

weiß sich aber nicht zu wehren. 584<br />

5.2.1.5 Mediation<br />

Der Scheidungsvergleich eines Betroffenen kam durch Mediation zustande. Der Betroffene ist<br />

mit der Scheidungsvereinbarung weitgehend zufrieden, weil ihm durch die Mediation die<br />

Bedürfnisse seiner geschiedenen Ehefrau und seiner Kinder bewusst wurden und in der<br />

Scheidungsvereinbarung auch seine Wünsche berücksichtigt sind. Die Mediation bewirkte<br />

auch die Vereinbarung der Obsorge beider Elternteile, als die <strong>für</strong> alle Beteiligten beste Lösung.<br />

Die Mediation kam sohin dieser Familie sehr entgegen, andererseits ließ sie Verständnis <strong>für</strong><br />

die Situation des anderen Elternteils und Zufriedenheit mit der Unterhaltsvereinbarung <strong>für</strong> die<br />

geschiedene Ehefrau und die Kinder entstehen. Die Mediation ist daher <strong>für</strong> diese Familie als<br />

institutionaler Stützmechanismus anzusehen.<br />

581<br />

Interviewtranskript B3, Seite 4<br />

582<br />

Interviewtranskript B4, Seite 1<br />

583<br />

ebenda<br />

584<br />

ebenda<br />

118


Einige Betroffene geben an, die Mediation wäre abgebrochen worden, oder sei nicht zustande<br />

gekommen, weil sich die Ehefrau durch die Mediation von vorne herein im Nachteil gesehen<br />

habe. Alle Interviewten äußern sich auch dann über die Mediation positiv, wenn diese nicht<br />

zum erwünschten Ziel geführt hat.<br />

5.2.1.6 Beratungsangebot<br />

Ganz deutlich wird in den Interviews, dass <strong>Männer</strong> kaum ehe- und familienrechtliche<br />

Kenntnisse besitzen, und, wenn sie Hilfe durch Anwälte oder Sozialarbeiter nicht in Anspruch<br />

nehmen, durch den „juristischen Aufwand“, überfordert sind.<br />

Der Kampf einiger <strong>Männer</strong> gegen Gericht und Behörden stellt sich diesen <strong>Männer</strong>n als Kampf<br />

gegen Windmühlen dar. Diese <strong>Männer</strong> versuchen, obwohl sie immer wieder scheitern, ihre<br />

Anliegen mit aller Kraft durchzusetzen. Das führt letztendlich zu enormem finanziellen<br />

Aufwand und hoher psychischer Belastung. Andere <strong>Männer</strong> wiederum, die sich anwaltliche<br />

Vertretung nicht leisten und das finanzielle Risiko eines Gerichtsprozesses nicht tragen<br />

können, müssen sich mit dem bei Gericht formulierten Scheidungsvergleich zufrieden geben.<br />

Durchwegs alle <strong>Männer</strong> wünschen sich – auch bei einvernehmlicher Scheidung – von den<br />

Gerichten mehr Beratung und Hilfestellung bei der Scheidung und mehr Information über die<br />

Rechtsfolgen der Scheidung. Bestehende Hilfsangebote werden gerne angenommen. Bei den<br />

entgeltlichen Maßnahmen, wie der psychologischen Beratung und Therapie, stellt sich die<br />

Frage der Leistbarkeit: „Ich wollte auch zu einem Psychologen gehen, aber das ist bis jetzt<br />

noch nicht zustande gekommen, weil das auch wieder eine Kostenfrage ist. Da bin ich eh’<br />

angefressen. Eine Gesprächstherapie ist auch nicht zustande gekommen. Ich versuche mir<br />

eigentlich immer wieder selber einzureden, positiv denken, weiter kämpfen.“ 585 Soziale<br />

Einrichtungen, in denen Sozialarbeiter zur Existenzsicherung qualifizierte Hilfe leisten,<br />

werden sehr positiv bewertet.<br />

Fühlen sich <strong>Männer</strong> jedoch schlecht beraten und durch das Gericht benachteiligt, kann das<br />

wiederholten Anwalts- und Beraterwechsel verursachen. Ein Geschiedener, der seine<br />

Beziehung zu seiner geschiedenen Ehefrau als „Rosenkrieg“ bezeichnet, und sich von Gericht<br />

und Jugendamt unfair behandelt fühlt, hat bereits seinen vierten Anwalt. Die Wiener<br />

<strong>Männer</strong>beratungsstelle und die Auskünfte des Bundesministeriums <strong>für</strong> soziale Sicherheit und<br />

Generationen hätten ihm nicht helfen können. 586 Er sieht sich auf allen Ebenen als ein<br />

Scheidungsopfer.<br />

Die Vertretung durch Anwälte wird von den Interviewten sehr unterschiedlich bewertet. Ein<br />

Interviewter berichtet, sein Anwalt habe schließlich alle Streitfragen einvernehmlich schlichten<br />

können, die Ehe wurde sodann einvernehmlich geschieden. Für den Interviewten war das,<br />

nachdem die Mediation gescheitert war, eine sehr zufriedenstellende Lösung. Ein anderer<br />

Interviewter beschuldigt seine Anwälte, die Scheidung erst so richtig zum Eskalieren gebracht<br />

zu haben.<br />

585 Interviewtranskript B8, Seite 3<br />

586 Interviewtranskript B4, Seite 6<br />

119


Die RichterInnen und Sachverständigen werden von den interviewten Vätern als sehr mächtig<br />

erlebt. Manche Väter reagieren auf die Äußerungen der RichterInnen und Sachverständigen<br />

mit Widerstand, andere nehmen diese hin und akzeptieren sie ohne sie weiter zu hinterfragen.<br />

Vor allem nach strittigen Scheidungen werden den RichterInnen und Sachverständigen heftige<br />

Vorwürfe, die Frustration deutlich werden lassen, gemacht: „Ich fühle mich vom Gerichtsurteil<br />

völlig benachteiligt. Auf Grund von falschen Behauptungen wurde mir die ganze Schuld zu<br />

gesprochen.“ 587 „Der Richter glaubt meiner Frau und nicht mir. Die Psychologin hat die<br />

Fragen schon so einseitig gestellt, dass sie sich gegen mich richten mussten.“ 588 „Meine<br />

Einstellung ist die, dass man als Mann eh’ keine Chance hat. Als Mann bleibt man immer über.<br />

Ich kenne nur solche Fälle“ 589 , urteilt ein anderer.<br />

5.2.2 Soziale Netzwerke<br />

Die sozialen Netzwerke „der zweiten Ebene“ sind jene Netzwerke, in denen der Betroffene<br />

lebt. Herkunftsfamilie, Freunde und Bekannte können, wenn sie tatkräftige Hilfe leisten, eine<br />

bedeutende Stütze während und nach der Scheidung sein. Lange Gespräche mit Freunden und<br />

Treffen mit ebenfalls geschiedenen Bekannten werden von den interviewten <strong>Männer</strong>n daher<br />

auch als große Stütze in schwerer Zeit geschätzt. Auch die Möglichkeit, vorübergehend bei<br />

Freunden oder der Herkunftsfamilie zu wohnen, stützt den Geschiedenen. „Wenn ich dann<br />

auch noch keinen Rückhalt aus der Familie habe, dann wird es sehr schwer. Das soziale Netz<br />

ist sehr wichtig“ 590 , formuliert ein Geschiedener.<br />

Andererseits kann der Bekanntenkreis, wenn er nicht hinter dem Geschiedenen steht, auch zum<br />

Belastungsfaktor werden, die Anpassung an die nach der Scheidung neue Lebenssituation kann<br />

dadurch behindert werden. Ein Betroffener beschreibt die Situation so: „Ich musste im Prinzip<br />

meinen ganzen Bekanntenkreis ändern. Ich habe immer das Gefühl gehabt, dass man als<br />

Geschiedener anders angesehen wird.“ 591 Auch <strong>Männer</strong> verlassen bei der Scheidung einen Teil<br />

ihres sozialen Umfeldes. Die Herkunftsfamilie der Ehefrau und gemeinsame Freunde fallen<br />

aus, durch den Umzug ändert sich auch der Bekanntenkreis.<br />

Einigen der Interviewten fehlte nach der Scheidung das soziale Netz. Kommt zu dieser<br />

Situation noch finanzielle Not, ist es höchst empfehlenswert, professionelle Hilfseinrichtungen<br />

als Ersatz <strong>für</strong> das soziale Netz in Anspruch zu nehmen. Sozialarbeiter treten dann an die Stelle<br />

der Bekannten und Freunde, übernehmen teilweise deren Rolle und können zudem noch<br />

qualifizierte und tatkräftige Unterstützung im Umgang mit Schulden und Wohnungslosigkeit<br />

leisten. Ein Betroffener, der nach der Scheidung ohne soziales Netz völlig alleine dastand und<br />

innerhalb kurzer Zeit keine günstige Wohnung fand, wandte sich an die Sozialarbeiter in der<br />

„Gruft“, einer Einrichtung der Caritas <strong>für</strong> Obdachlose in Wien: „Da weiß ich, ich kann mich<br />

hocharbeiten und zu einer Wohnung kommen. Und dann kann ich ein geregeltes Leben führen,<br />

587 Interviewtranskript B8, Seite 6<br />

588 Interviewtranskript B8, Seite 6<br />

589 Interviewtranskript B8, Seite 6<br />

590 Interviewtranskript B2, Seite 7<br />

591 Interviewtranskript B1, Seite 5<br />

120


kann meine Schulden regeln. Da hab ich eine Hilfe. Da weiß ich, dass ich SozialarbeiterInnen<br />

hab’, die mir helfen. Das, was du sonst nicht hast.“ 592<br />

Zu den sozialen Netzwerken zählen auch Selbsthilfegruppen. 593 Nach Angabe der interviewten<br />

<strong>Männer</strong> ist die Nachfrage nach solchen Gruppen durchaus gegeben. Einer der Interviewten<br />

denkt sogar daran selbst eine solche Gruppe zu gründen, weil er in seiner Umgebung keine<br />

Selbsthilfegruppe fand.<br />

Zu den sozialen Netzwerken zähle aber auch durch die öffentliche Hand geförderte<br />

psychologische Hilfestellung <strong>für</strong> <strong>Männer</strong> bei ihren von Scheidung und Trennung ausgelösten<br />

emotionalen Problemen. Bedauerlicherweise bestehen solche Hilfestellungen jedoch <strong>für</strong><br />

<strong>Männer</strong> – im Gegensatz zu jenen <strong>für</strong> Kinder und Frauen – nicht.<br />

5.3 Die „geschiedene Familie“<br />

Auf dieser Ebene ist die ehemalige Familie des Geschiedenen angesiedelt. Die Beziehung zu<br />

den Kindern und zur geschiedenen Ehefrau bildet einen maßgeblichen Faktor, die finanziellen<br />

und materiellen Ressourcen den zweiten Faktor dieser Ebene. Das Modell von Sander 594 muss<br />

hier ergänzt werden, da sich in den Interviews herausstellte, dass der neuen Partnerin bzw. dem<br />

Wunsch nach einer neuen Partnerin und einer neuen Familie eine wichtige Rolle im Leben des<br />

Mannes nach der Scheidung zukommt.<br />

5.3.1 Beziehung zu den Kindern und zur geschiedenen Ehefrau<br />

Nach der Scheidung ist die emotionale Belastung <strong>für</strong> den Mann hoch, wenn während<br />

aufrechter Ehe die psychische und soziale Abhängigkeit von seiner Ehefrau groß war, und<br />

nach der Scheidung noch Gefühle <strong>für</strong> die geschiedene Ehefrau bestehen. Aus vielen,<br />

unterschiedlichen Forschungsergebnissen ist bekannt, dass eine kooperativ distanzierte<br />

Beziehung zu dem geschiedenen Ehegatten am besten geeignet ist, um mit der neuen<br />

Lebenssituation zurecht zu kommen. Auch in den Interviews wird deutlich, dass eine gute<br />

Gesprächsbasis zwischen den geschiedenen Ehegatten von den Interviewten selbst dann als<br />

positiv erlebt wird, wenn die Gerichte über den Unterhalt entscheiden mussten. Eine<br />

kooperative Beziehung zur geschiedenen Ehefrau lässt, wenn finanzielle Angelegenheiten mit<br />

gegenseitigem Verständnis und Rücksicht behandelt werden, auch finanzielle Probleme nach<br />

der Scheidung besser bewältigen.<br />

Die Beziehung zur geschiedenen Ehefrau ist bei den Interviewten höchst unterschiedlich.<br />

Unter den Interviewten finden sich <strong>Männer</strong>, die eine kooperative Beziehung zu ihrer<br />

geschiedenen Ehefrau pflegen, und auch solche, die einen Rosenkrieg führen.<br />

592 Interviewtranskript B6, Seite 12<br />

593 Der in Österreich sehr aktive Verein „Dialog <strong>für</strong> Kinder – Österreich“, dessen Vereinsziel nach<br />

seinem Statut die Förderung der Rechte von Scheidungskindern darstellt, hat sich in der<br />

Vergangenheit auch <strong>für</strong> die Rechte geschiedener <strong>Männer</strong> sehr engagiert.<br />

594 Sander, E.: Trennung und Scheidung: Die Perspektive betroffener Eltern. Weinheim 1999.<br />

121


Die Trennungsvarianten „Nicht-Los-Lassen-Können“, verbunden mit vergeblichem<br />

Liebesmühen um die geschiedene Ehefrau, und die Trennungsvariante „Rosenkrieg“ sind die<br />

denkbar schlechtesten Möglichkeiten, Scheidung emotional zu bewältigen. Vor allem die<br />

gelebte Variante „Rosenkrieg“ führte bei den Interviewten dazu, dass sie sich sehr stark als<br />

Opfer wahrnehmen, aber auch sehr aktiv um ihre Rechte kämpfen. Die betroffenen<br />

Interviewten berichten von Verleumdungen, Lügen, dem Verschieben von Vermögenswerten<br />

und regelrechten Vernichtungskämpfen. Beiden (geschiedenen) Ehegatten kosten die mit<br />

dieser Trennungsvariante verbundenen Gerichtsprozesse Unsummen. Solange dieser<br />

„Rosenkrieg“ nicht beigelegt wird, ist die emotionale Lösung von der geschiedenen Ehefrau<br />

nicht möglich.<br />

Eine gute Beziehung zu den Kindern kann dem Vater Rückhalt in schwierigen Zeiten geben.<br />

Die Beziehung zu den Kindern wird aber durch schlechte finanzielle Lage und Konflikte mit<br />

der Kindesmutter belastet.<br />

Die interviewten Väter sprechen nicht direkt aus, dass sie sich von ihrer geschiedenen Ehefrau<br />

über ihre Beziehung zu den Kindern unter Druck setzen lassen. Einige Bemerkungen der<br />

<strong>Männer</strong> gehen allerdings sehr deutlich in diese Richtung. Beispielsweise berichtet ein Vater,<br />

dass er eine Änderung des Besuchsrechts beantragt habe, damit er die Kinder häufiger als alle<br />

14 Tage sehen kann. „... und ich bin von meiner Ex’ beschuldigt worden, was ich mir<br />

unterstehe. Die Kinder müssen zum Psychologen. Ob das gestimmt hat, weiß ich nicht. Ich<br />

habe den Antrag jedenfalls dann zurück gezogen. Es ist dann bei den 14 Tagen geblieben.“ 595<br />

<strong>Männer</strong> mit starker Bindung zu ihren Kindern neigen dazu, der geschiedenen Ehefrau<br />

materielle Zugeständnisse zu machen, wenn sie dadurch mehr Zeit mit ihren Kindern<br />

verbringen können. 596 Wurde in der Forschungsliteratur und auch in der öffentlichen<br />

Diskussion sowie auch in den ExpertInneninterviews zum Thema Obsorge beider Elternteile<br />

aufgezeigt, dass sich Mütter über die Beziehung zu ihren Kindern von ihren geschiedenen<br />

Ehemännern erpressen lassen, so wird an Hand der Scheidungsbiographie einzelner Väter<br />

deutlich, dass es auch den umgekehrten Fall gibt.<br />

5.3.2 Neue Partnerin - neue Familie<br />

Neue Partner werden von den geschiedenen <strong>Männer</strong>n als große emotionale Stütze erlebt. Sie<br />

können, wie ein Betroffener berichtet, zusätzlich finanzielle Hilfe <strong>für</strong> den Geschiedenen sein.<br />

„Ich zahle 18.000,-- Schilling [etwa € 1.308,--, Anm. d. Verf.] alleine <strong>für</strong> die andere Familie.<br />

Wenn ich meine neue Lebensgefährtin nicht hätte, könnte ich es nicht überleben.“ 597 , berichtet<br />

ein Betroffener.<br />

Viele Interviewte bedauern, dass ihre Unterhaltspflichten die Gründung eine neuen Familie<br />

schwierig bis unmöglich machen. „Eine weitere Benachteiligung ist, dass man in diesen<br />

Lebensverhältnissen nicht mehr das sein kann <strong>für</strong> einen Neubeginn, <strong>für</strong> eine neue<br />

Partnerschaft, was man so allgemein eine gute Partie nennt. Man ist eigentlich dann weg vom<br />

595 Interviewtranskript B1, Seite 2<br />

596 vgl. Interviewtranskript B9<br />

597 Interviewtranskript B10, Seite 6<br />

122


Fenster. Also in bescheidensten Wohnverhältnissen, angenommen es wäre eine Single-<br />

Garconniere mit einem Raum, da kann man zur Not einmal zwei Kinder beherbergen, aber<br />

sicherlich keine Patchwork-Familie, die sich neu zusammen findet, wo auch noch andere<br />

Kinder dazu kommen. Das war bei uns jetzt eine Zeit lang so, dass wir zu fünft [in] einem<br />

Zimmer das Wochenende verbracht haben. Und da sieht man die Grenzen, die <strong>für</strong> einen<br />

Neubeginn da sind.“ 598<br />

5.3.3 Finanzielle, emotionale und soziale Lage<br />

Nach den bisherigen Forschungsergebnissen 599 stellen geringes Einkommen und schlechte<br />

soziale Lage schwere Belastungsfaktoren nach der Scheidung dar. Auch die Interviews machen<br />

das sehr deutlich. Die meisten der befragten <strong>Männer</strong> erleben die finanziellen Einschränkungen<br />

durch die Scheidung und die langjährigen Unterhaltsverpflichtungen als große Belastung. In<br />

allen Interviews stellt diese Belastung ein durchgehendes Hauptthema der Betroffenen dar.<br />

Das Ausmaß der erlebten finanziellen Belastung korreliert jedoch nicht bei jedem Betroffenen<br />

mit dem ihm zur Verfügung stehenden Geld. Manche Interviewten sind mit dem wenigen Geld,<br />

dass ihnen zur Verfügung steht, durchaus zufrieden. Einige der befragten Mittelverdiener<br />

hingegen klagen massiv darüber, dass ihr Einkommen nach Abzug des Unterhalts <strong>für</strong> ihren<br />

persönlichen Lebensbedarf nicht ausreiche, und bewerten den von ihnen zu bezahlenden<br />

Unterhalt als zu hoch. Ein Vater versteht durchaus die Position seiner geschiedenen Ehefrau,<br />

die genau darauf achte, dass die Kinder nicht zu oft und zu lange bei ihm seien, damit sie nicht<br />

die vollen Unterhaltszahlungen <strong>für</strong> die Kinder verliere. Dennoch empfindet er es als ungerecht,<br />

dass er, obwohl die Kinder sehr häufig bei ihm sind, ungeschmälert Unterhalt zu zahlen habe.<br />

Ein anderer Vater in der selben Situation fände es zwar wünschenswert, wären die Kosten <strong>für</strong><br />

die Kinder transparent, hat aber keine Probleme damit, den vollen Unterhalt zu bezahlen,<br />

obwohl die Kinder 40% der Zeit bei ihm leben. Zum einen könne er sich die<br />

Unterhaltszahlungen leisten, und zum anderen würden die Kosten <strong>für</strong> das Haus, in dem die<br />

Kinder leben, und ihr Alltagsbedarf an Kleidung etc., die Höhe des Unterhalts rechtfertigen.<br />

Dieser Interviewte ist mit dem Scheidungsvergleich weitgehend zufrieden, obwohl er auch <strong>für</strong><br />

seine geschiedene Ehefrau Unterhalt bezahlt. 600<br />

Aus der Scheidungsbiographie eines Interviewten 601 geht hervor, dass Scheidung durchaus ein<br />

Auslöser <strong>für</strong> Obdachlosigkeit sein kann. Der Betroffene konnte nach der Scheidung weder bei<br />

Freunden noch bei seiner eigenen Familie unterkommen und fand auch innerhalb kürzester<br />

Zeit keine günstige, von ihm finanzierbare Wohnung. Bei Scheidungen können überdies die<br />

„Frühwarnsysteme“, wie sie etwa die Stadt Wien eingerichtet hat, der drohende Delogierungen<br />

gemeldet werden, und die daraufhin versucht, Obdachlosigkeit abzuwenden, nicht greifen. Ein<br />

neues Leben gerade in einer Zeit hoher psychischer Belastung aufzubauen, ist bei schlechter<br />

Finanzlage – etwa bei Arbeitslosigkeit, Schulden oder Haftstrafen – und ohne stützendes<br />

soziales Umfeld nahezu unmöglich. Das Schicksal des Obdachlosen zeigt, dass aktives<br />

Zugehen auf Betreuungseinrichtungen unabdingbar erforderlich ist, um wieder Fuß zu fassen<br />

598 Interviewtranskript B10, Seite 6<br />

599 Sander, E., a.a.O.<br />

600 Interviewtranskript B3<br />

601 Interviewtranskript B6<br />

123


und sich „hängen zu lassen“ in solcher Situation fatal ist. Zu diesem Schluss gelangt man auch<br />

durch die ExpertInneninterviews.<br />

Die befragten Mittelverdiener müssen ohne professionelle Hilfe auskommen. Einerseits<br />

können sie sich diese nicht leisten, andererseits haben sie - vor Abzug der Unterhaltspflichten -<br />

ein zu hohes Einkommen, um Sozialleistungen in Anspruch nehmen zu können. Wie in den<br />

ExpertInneninterviews bereits angeklungen ist, versuchen <strong>Männer</strong> oft neue Geldquellen<br />

aufzutreiben, um ihre finanziellen Einbußen auszugleichen. „Ich gehe pfuschen. Ich arbeite<br />

wie ein Blöder, sonst könnten wir uns das gar nicht leisten!“ 602 , berichtet ein Vater. Ein<br />

anderer finanziert den Großteil seiner Wohnkosten, indem er untervermietet, obwohl er das<br />

nach dem Mietrechtsgesetz nicht dürfte.<br />

Eine Scheidungsbiographie 603 zeigt, dass lang andauernde „Rosenkriege“ auch bei gutem<br />

monatlichen Nettoeinkommen von 23.000,-- Schilling [etwa € 1.670,--, Anm. d. Verf.] und nur<br />

einer Unterhaltspflicht die finanzielle und soziale Lage des Betroffenen gefährden und<br />

beeinträchtigen können. Der Interviewte erzählt, er habe aus seiner strittigen Scheidung<br />

Schulden in Höhe von 3 Millionen Schilling [etwa € 218.000,--, Anm. d. Verf.], das eheliche<br />

Vermögen sei ein Jahr nach Rechtskraft der strittigen Scheidung noch nicht aufgeteilt. Er sehe<br />

sich gezwungen, den teuren Rechtsstreit weiter aufrecht zu halten, um einen Teil der Schulden<br />

vielleicht auf seine geschiedene Ehefrau abwälzen zu können.<br />

Den Interviews ist auch die Furcht vor Diskriminierung zu entnehmen. Die Betroffenen fühlen<br />

sich von der Furcht, „Sozialhilfeempfänger“ zu werden, erheblich psychisch belastet.<br />

Einen Interviewten, der nach einer strittigen Scheidung neben seinen Kindern auch <strong>für</strong> seine<br />

geschiedene Ehefrau unterhaltspflichtig ist, trifft vor allem, dass der Unterhalt <strong>für</strong> die<br />

geschiedene Ehefrau unbefristet ist und sich diese nicht gewillt zeige, einen Beruf auszuüben.<br />

Die Interviews lassen den Eindruck, den auch die ExpertInnen teilweise äußerten, entstehen,<br />

dass sich manche <strong>Männer</strong> während der Scheidung in finanziellen Belangen sehr großzügig<br />

verhalten, einige diese Großzügigkeit jedoch später bereuen. Ein Familienvater formuliert es<br />

so: „Ich bereue im Nachhinein, dass ich mich nicht habe beraten lassen, einerseits in Bezug auf<br />

die Kinder, andererseits auch in Bezug auf Geld. Aus meinem dringenden Wunsch heraus habe<br />

ich mich dazu überreden lassen, die Wohnung nur mit meiner Bekleidung zu verlassen. Alles,<br />

was ich mitgenommen habe, war ein Sparbuch mit 100.000,-- Schilling [etwa € 7.270,--, Anm.<br />

d. Verf.].“ 604 Zum Zeitpunkt des Scheidungsbegehrens dürfte der Wunsch nach rascher<br />

Scheidung, das Bestreben den Kindern weiterhin ein gutes Zuhause bieten zu können und<br />

teilweise auch ein latent schlechtes Gewissen gegenüber der Familie, die im Stich gelassen<br />

wird, den Verzicht auf Materielles bewirken. Später zeigen sich die Betroffenen nicht mehr<br />

großzügig.<br />

Alle <strong>Männer</strong> berichten von einem „Aha-Erlebnis“, das erst nach der Scheidung - gleichgültig<br />

ob es die Folgen des Verlustes der Obsorge oder die finanziellen Folgen durch den zu<br />

602 Interviewtranskript B4, Seite 2<br />

603 Interviewtranskript B8<br />

604 Interviewtranskript B2, Seite 7<br />

124


zahlenden Unterhalt betraf - eintrat. „Zuerst habe ich keine Vorstellung gehabt, was alles auf<br />

mich zukommt. Ich habe viel nicht verstanden, das mit der Abfertigung zum Beispiel. Warum<br />

muss ich davon so viel hergeben, dass mir so wenig zum Leben bleibt?“ 605 Die Unwissenheit<br />

über die Auswirkungen der Abfertigung auf den Unterhalt führte bei diesem Interviewten dazu,<br />

dass er das Geld bereits verbraucht hatte, als er mit Nachzahlungsforderungen konfrontiert<br />

war. Mangelndes rechtliches Wissen führt zu unvorhergesehener finanzieller Belastung und<br />

lässt das Gefühl der Benachteiligung entstehen.<br />

Die Interviews vermitteln den Eindruck, dass engagierte Väter ihren Kindern gerne möglichst<br />

viel, sei es gemeinsame Zeit, gute Ausbildung oder auch materielle Güter, bieten wollen.<br />

Gerne greifen sie ihren Kindern, auch dann wenn sie selbst kaum über finanzielle Mittel<br />

verfügen, bei Handyrechnungen, Kleidung oder Taschengeld unter die Arme. Beim Unterhalt<br />

hingegen reagieren die Interviewten ganz anders. Offensichtlich empfinden manche den<br />

Kindesunterhalt als Zahlung an die geschiedene Ehefrau, diese wollen die Interviewten aber<br />

nicht unterstützen. Bedeutsam <strong>für</strong> diese Einstellung scheint zu sein, dass die Interviewten nicht<br />

sehen, wo<strong>für</strong> der Unterhalt verwendet wird, da sie über die Verwendung ihrer<br />

Unterhaltszahlung keine Kontrolle haben.<br />

Die interviewten <strong>Männer</strong> stört bei den Unterhaltszahlungen am meisten die zeitliche Dauer<br />

dieser Zahlungen. Ein Interviewter formuliert das so: „Bei einer Scheidung verlieren immer<br />

beide. Die Frau hat auch Probleme, nur kann sie es sich mit der Zeit finanziell besser machen.<br />

Dagegen ein Mann hat das finanzielle Pflaster schwer zu schleppen.“ 606<br />

Besonders bei unbefristetem Unterhalt <strong>für</strong> die geschiedene Ehefrau entsteht ein Gefühl der<br />

Hilflosigkeit und Benachteiligung bei den Betroffenen, da sie, je mehr sie verdienen, umso<br />

mehr abgeben müssen.<br />

Von Kreditmithaftung sind auch die <strong>Männer</strong>, deren Frauen Schulden gemacht haben, betroffen.<br />

So schildert ein Betroffener 607 , der von der Sozialhilfe lebt, dass er nun auch die Schulden, die<br />

seine geschiedene Ehefrau bei Versandhauskatalogen gemacht habe, übernehmen müsse,<br />

obwohl bei der Scheidung vereinbart worden sei, dass sie diese Rückzahlung übernähme. Da<br />

sie offensichtlich nicht mehr zahlungsfähig sei, werde nun er zur Rückzahlung herangezogen.<br />

605 Interviewtranskript B1, Seite 5<br />

606 Interviewtranskript B1, Seite 7<br />

607 Interviewtranskript B6<br />

125


5.4 Individuelle Persönlichkeit mit Kompetenzen und Schwächen<br />

Bei der Scheidung durchlaufen die Betroffenen verschiedene Stadien der Trennung und deren<br />

Bewältigung; hier gibt es einige Verlaufsmodelle 608 , die einander insgesamt durchaus sehr<br />

ähnlich sind. Geprägt wird der Scheidungs- und Trennungsverlauf durch die Persönlichkeit<br />

beider Partner und durch deren Fähigkeit mit der Trennung und dem Alltag danach<br />

umzugehen. Um hier nicht bei den unveränderbaren Dispositionen des Individuums zu<br />

verbleiben, wird im Folgenden auf der Basis der Interviews auf die Coping-Strategien der<br />

<strong>Männer</strong> eingegangen.<br />

Sehr deutlich kommt in den Interviews heraus, dass der Einstellung des geschiedenen Mannes<br />

zu seiner Vaterrolle große Bedeutung im Hinblick auf die Belastungs- und Stützfaktoren<br />

zukommt. Umso mehr sich der Vater <strong>für</strong> ihre Kinder engagiert und umso schlechter das<br />

Einvernehmen mit der Mutter der Kinder ist, desto größer ist die Unzufriedenheit mit den<br />

gesetzlichen Bestimmungen.<br />

Von einigen <strong>Männer</strong>n wird in den Interviews angeführt, dass es ihnen im Verhältnis zu<br />

anderen Geschiedenen noch ganz gut gehe. Diese an und <strong>für</strong> sich typische Strategie <strong>für</strong><br />

Leistungskrisen, scheint auch bei Scheidung gut zu funktionieren und fördert die Zufriedenheit<br />

der Betroffenen, was sich letztendlich positiv auf deren Selbstwertgefühl auswirkt. Der<br />

Gedanke, dass es anderen noch schlechter gehe als einem selbst, hat etwas Tröstliches. Einige<br />

der Befragten stellen auch Aufwärtsvergleiche an. Sind sie der Ansicht, dass die geschiedene<br />

Ehefrau besser gestellt sei, so führe das zu einem Benachteiligungsgefühl. „... aber mich ärgert<br />

das, weil um so mehr ich mache, um so mehr bekommt sie wieder. Ich drück’ mich schon vor<br />

allem, was geht“ 609 , sagt ein Betroffener, der der Schwarzarbeit nachgeht. Wie dieser Mann<br />

übernehmen auch andere dann eine sehr aktive Rolle, bringen Anträge bei Gericht ein und<br />

setzen sich <strong>für</strong> ihre Rechte ein. Die Übernahme von Eigenverantwortung und Aktivität ist<br />

eigentlich zu begrüßen. Wenn dies jedoch dazu führt, dass trotz geringer Erfolgsaussichten<br />

immer wieder Prozesse angestrebt oder Unterhalt zurückgehalten werden, wirkt sich das<br />

langfristig sowohl auf die Psyche als auch die Finanzlage negativ aus.<br />

Die Befragten reagieren auf das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden, sehr unterschiedlich.<br />

Manche gehen mit Tatkraft ans Werk und kämpfen, unternehmen Spießrutenläufe bei Beratern<br />

und Ämtern. Aber auch Wut, Ohnmachtgefühle und letztlich Resignation werden bei den<br />

Interviewten sichtbar.<br />

„Das muss gehen. Wir sind jedes Monat stolz, wenn wir es wieder geschafft haben“ 610 , sagt ein<br />

Mann, der eine neue Partnerin hat, und über den Unterhalt <strong>für</strong> seine geschiedene Ehefrau klagt.<br />

Er verfolgt die Strategie, auch der negativen Situation etwas abzugewinnen und sieht die<br />

Chance, sich etwas Neues aufzubauen. „Ich versuche nicht aufzugeben“ 611 , äußert ein anderer.<br />

608 vgl. Sander, E., a.a.O.<br />

609 Interviewtranskript B4, Seite 8<br />

610 Interviewtranskript B4, Seite 5<br />

611 Interviewtranskript B8, Seite 3<br />

126


Resilienz 612 zeigt sich auch in der folgenden Aussage eines Befragten: „Ich habe gelernt<br />

daraus“ 613 , und meint damit, dass er sich künftige Partnerinnen „genau anschauen“ 614 werde.<br />

Alle interviewten <strong>Männer</strong> sind letztlich froh, von ihrer Ehefrau geschieden zu sein. Bei<br />

manchen entwickelte sich diese Einstellung erst einige Zeit nach der Scheidung.<br />

Auf Grund der bisher dargelegten Analysen der Interviews und des unterschiedlichen<br />

Umgangs der interviewten <strong>Männer</strong> mit Scheidung und deren Folgen überrascht es wenig, dass<br />

das subjektive Gefühl ein „Scheidungsopfer“ zu sein, oder durch die Scheidung<br />

Benachteiligungen zu erfahren, nichts mit der objektiven Situation des Mannes zu tun haben<br />

muss. So sieht sich der bereits erwähnte wohnungslose Geschiedene, der Sozialhilfe empfängt,<br />

und sein Kind alle ein bis zwei Monate sieht, zwei Jahre nach der Scheidung gegenüber seiner<br />

Frau, die weiter in der ehemaligen Ehewohnung wohnt, als nicht benachteiligt. Er ist auch mit<br />

den Regelungen, die der RichterIn bei der Scheidung traf, durchaus zufrieden, obwohl er an<br />

diesen nicht mitbestimmen konnte. Seine Tochter weiß er bei ihrer Mutter in guten Händen,<br />

obwohl seine geschiedene Ehefrau ihm Hausverbot gegeben habe. Fiel ihm am Anfang die<br />

Trennung von seiner Tochter nach jedem Treffen schwer, so hat er sich an diese Situation<br />

gewöhnt, und freut sich auf kommende Treffen. Er hat seine Situation akzeptiert. Andere<br />

<strong>Männer</strong> hingegen, deren Existenz sehr gut abgesichert ist, fühlen sich als Scheidungsopfer.<br />

Besonders jene beiden <strong>Männer</strong>, die strittige Scheidungen hinter sich haben, sehen sich als<br />

Opfer. Das soll nicht heißen, dass sich gut situierte Personen eher als Scheidungsopfer sehen,<br />

sondern lediglich verdeutlichen, dass <strong>für</strong> die Selbstbeurteilung und <strong>für</strong> die Beurteilung der<br />

familien- und eherechtlichen Bestimmungen das subjektive Empfinden der Betroffenen ihrer<br />

Situation ausschlaggebend ist.<br />

5.5 Typologie<br />

Sowohl aus Kapitel 2, der Darstellung der ehe- und familienrechtlichen Bestimmungen, der<br />

Analyse der Literatur, als auch aus dem Resumee der Interviews der ExpertInnen 615 ist<br />

ersichtlich, dass das Zusammentreffen mehrerer Belastungsfaktoren den Geschiedenen in<br />

sozialer und finanzieller Hinsicht zum Verlierer machen kann. Auch aus den Interviews der<br />

Betroffenen wird deutlich, dass die Anzahl und die Art der Belastungsfaktoren <strong>für</strong> die<br />

Situation der <strong>Männer</strong> ausschlaggebend ist. Um der Darstellung der Wechselwirkungen der<br />

einzelnen Faktoren besser gerecht werden zu können, und die Gesamtheit der Belastungen zu<br />

zeigen, werden in einem weiteren Schritt der Auswertung Typen konstruiert, die den<br />

Menschen sichtbar machen sollen.<br />

Wie bei jeder mit qualitativer Analyse entwickelten Typologie, handelt es sich um Idealtypen,<br />

die die einzelnen Pole der Gesellschaft darstellen. Nicht jeder Geschiedene kann daher zu<br />

100% einem Typus zugeordnet werden; in der sozialen Realität wird es immer Mischformen<br />

geben. Da sich ein Mann im Laufe seines Lebens überdies verändern kann, ist die<br />

612<br />

Mit „Resilienz“ wird in der psychologischen Forschung die psychische und physische Stärke<br />

bezeichnet, die es Menschen ermöglicht, Lebenskrisen zu meistern.<br />

613<br />

Interviewtranskript B6, Seite 7<br />

614<br />

ebenda<br />

615<br />

Kapitel 4.15<br />

127


Typenzuordnung auch keine stabile lebenslange Disposition. Insbesondere die verwendeten<br />

Bezeichnungen „neuer Mann“ und „traditioneller Mann“ sind als Konstrukte zu sehen.<br />

Aus den drei Faktoren, die sich in den Ergebnissen der Interviews als <strong>für</strong> die Situation nach der<br />

Scheidung des Mannes als entscheidende und weitest reichende Einflussparameter darstellen,<br />

wurde ein dreidimensionales Feld aufgespannt. Jeder Faktor wurde bipolar ausgelegt: Der<br />

Faktor „Einkommen“ enthält die Ausprägungen hohes und niedriges Einkommen, der Faktor<br />

„Einvernehmen“ die Ausprägungen gutes Einvernehmen und schlechtes Einvernehmen mit der<br />

Exfrau. Die Ausprägungen „neuer“ und „traditioneller“ Mann stellen im dritten Faktor die<br />

Einstellung des Mannes zu Beruf, Familie und Kindererziehung und dessen Rolle in der<br />

Gesellschaft dar.<br />

Tabelle 4: Entwicklung der Typologie<br />

Traditioneller<br />

Mann<br />

Einkommen + Einkommen -<br />

Einvernehmen + Einvernehmen +<br />

Typ C<br />

Einvernehmen -<br />

Neuer Mann Einvernehmen +<br />

Typ B<br />

Einvernehmen -<br />

Einvernehmen -<br />

Einvernehmen +<br />

Typ A<br />

Einvernehmen -<br />

In der Tabelle sind die drei Faktoren mit jeweils zwei Ausprägungen dargestellt, auf deren<br />

Basis die Typen konstruiert werden. Je nach Zuordnung ergibt sich <strong>für</strong> den Geschiedenen eine<br />

starke oder weniger starke emotional-psychische und finanziell-existenzielle Belastung. Aus<br />

den 8 möglichen Kombinationen wurden <strong>für</strong> die weitere Darstellung drei ausgewählt. Diese<br />

sind als Typ A, Typ B und Typ C gekennzeichnet.<br />

In weiterer Folge werden markante Typen herausgegriffen, die annähernd auch in den<br />

Interviews der Betroffen gefunden wurden, und über die auch die meiste Information vorliegt.<br />

Zuvor werden noch die drei Faktoren umrissen, soweit diese noch nicht erschöpfend dargestellt<br />

wurden:<br />

5.5.1 Traditioneller Mann – Neuer Mann<br />

Als „traditioneller Mann“ werden im Rahmen der Auswertung jene <strong>Männer</strong> bezeichnet, die das<br />

traditionelle Rollenbild erfüllen, voll im Erwerbsleben stehen und deren berufliche Tätigkeit<br />

stark mit ihrer Identität verbunden ist. Sie sichern das Familieneinkommen, während ihre<br />

128


Ehefrauen vornehmlich den Haushalt und die Kinder versorgen. Zwischen Ehefrau und<br />

Ehemann besteht eine klare Aufgabenteilung bzw. Aufgabentrennung.<br />

Der „neue Mann“ ist vergleichsweise stark familienorientiert und verbringt viel Zeit mit seinen<br />

Kindern. Er übernimmt zumindest teilweise die Erziehung und auch die Haushaltstätigkeiten.<br />

Er versucht Erwerbs- und Familienleben zu vereinbaren. Die gemeinsame Obsorge kommt ihm<br />

sehr entgegen.<br />

5.5.2 Einvernehmen<br />

Auch das Kriterium „Einvernehmen“ mit der geschiedenen Ehefrau beeinflusst die<br />

Lebensqualität des Mannes nach der Scheidung. Wie bereits dargestellt, können „Rosenkriege“<br />

neben hoher psychischer Belastung auch finanziellen Ruin bedeuten. Ein distanzierter und<br />

kooperativer Umgang zwischen den geschiedenen Ehegatten, der von gegenseitigem<br />

Verständnis geprägt ist, ist dagegen <strong>für</strong> alle Beteiligten, insbesondere auch <strong>für</strong> die<br />

Scheidungskinder, ein Gewinn.<br />

5.5.3 Einkommenssituation<br />

Hohes Einkommen des Mannes bedeutet in den meisten Fällen hohe Unterhaltspflichten. Die<br />

Existenz des Mannes mit hohem Einkommen ist, obwohl ihn die Unterhaltszahlungen schwer<br />

treffen, durch die Scheidung nicht gefährdet. Anders sieht die Situation aus, wenn sich<br />

Familien bereits vor der Scheidung in einer prekären Einkommenssituation befunden haben.<br />

Diese <strong>Männer</strong> sind nach einer Scheidung besonders armutsgefährdet. Das Prekäre ihrer<br />

finanziellen Situation kann durch unterschiedliche Umstände entstehen:<br />

• geringes Erwerbseinkommen (Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Gefängnisaufenthalt;<br />

Wirtschaftslage, Ausbildung),<br />

• Kreditrückzahlungen, die einkommensmindernd wirken,<br />

• bereits vorhandene Unterhaltspflichten <strong>für</strong> Kinder oder eine frühere Ehefrau.<br />

Die Einkommenssituation nach der Scheidung verschlechtert sich im Vergleich zu der davor<br />

oft dramatisch. War es bei aufrechter Ehe möglich, gemeinsam zu sparen, so fällt nach der<br />

Scheidung diese Möglichkeit durch die Pflicht zur Leistung fixer Unterhaltsbeträge weg.<br />

Ein weiterer Umstand, der zu einem sozial-finanziellen Abstieg führen kann, sind plötzlich<br />

auftretende (unfreiwillige) Einkommensverluste, die zu einer Anzeige wegen Verletzung der<br />

Unterhaltspflicht und in weiterer Folge zu Anspannung des Unterhaltes führen können. Hievon<br />

sind folgende Gruppen betroffen:<br />

• Selbständige, deren Auftrags- und damit Einkommenssituation sich verschlechtert,<br />

• Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger,<br />

• Jobwechsler mit geringerem Einkommen.<br />

Väter, die ihre Unterhaltspflicht bewusst zu umgehen versuchen, zählen nicht zu dieser<br />

Gruppe. Es kann Vätern auch nicht unterstellt werden, dass sie immer bewusst die Zahlung des<br />

Unterhaltes zu minimieren oder zu umgehen versuchen.<br />

129


Wenn eine Person überdies kein soziales Auffangnetz hat, also keine Bekannten oder<br />

Verwandten, bei denen sie vorübergehend wohnen kann, und sich auf dem freien Markt keine<br />

Wohnung leisten kann, wird sie zum Wohnungslosen. „Ich habe im Zuge der Scheidung die<br />

Arbeit verloren, weil ich kann ja nicht arbeiten gehen und auf der Straße – also da hab ich<br />

geschlafen – also das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Und dann hab ich gekündigt und bin<br />

nach der Scheidung wieder nach Wien gefahren.“ 616 Der Betreffende zog nach Wien, weil er<br />

bereits aus früherer Zeit die Gruft kannte, in der er unterkommen kann.<br />

Sowohl den traditionellen als auch den neuen Mann können solche <strong>Scheidungsfolgen</strong> treffen.<br />

Wie bereits in den vorherigen Kapiteln dargelegt, ist die Summe der gegebenen finanziellen<br />

Belastungen vor der Scheidung ausschlaggebend <strong>für</strong> die prekäre Situation nach der Scheidung.<br />

5.5.4 Typ A: „Neuer Mann“ + prekäre Einkommenssituation + schlechtes<br />

Einvernehmen<br />

Die Kinder- und Familienorientierung dieses Typs Mann war während aufrechter Ehe stärker<br />

als seine Erwerbsorientierung. Der neue Mann, der in schlechtem Einvernehmen mit der Frau<br />

steht, sieht sich als Verlierer auf allen Ebenen: finanziell-existentiell (Unterhalt, Wohnung)<br />

und emotional (Partnerin, Kinder). War er mit der Scheidung nicht einverstanden, wirkt dies<br />

verschärfend.<br />

Dieser Typ Mann widmete einen großen Teil seiner Freizeit und möglicherweise auch seiner<br />

Arbeitszeit den Kindern und der Familie und ist von der Scheidung insbesondere deshalb<br />

besonders betroffen, weil er der Meinung ist, alles richtig gemacht, und mit der starken<br />

Wahrnehmung der Vaterrolle sozial erwünschtem Verhalten entsprochen zu haben. Dieser Typ<br />

bereut, sich nicht stärker der beruflichen Karriere statt der Familie gewidmet, und seine<br />

beruflichen Chancen nicht besser genutzt zu haben.<br />

Andererseits profitiert gerade dieser Typ Mann von seinem guten Verhältnis zu seinen<br />

Kindern. Die Zeit, die er mit ihren Kindern verbracht hat, möchte er, trotz der finanziellen<br />

Nachteile die sich daraus <strong>für</strong> ihn ergaben, um nichts in der Welt missen.<br />

Besteht zwischen den Eltern zumindest über das Besuchsrecht noch Übereinstimmung, kann<br />

dieser Typ Mann die Kinder häufig sehen, und die Kinder können bei ihm auch übernachten.<br />

Dieser Typ Mann kann seine Vaterrolle weiterhin wahrnehmen und findet darin Sinnerfüllung.<br />

Er kann seinen Kindern zwar kaum, weil es seine Finanzen nicht erlauben, Materielles bieten,<br />

verbringt aber gerne Zeit mit ihnen und erlebt die Kontakte sehr intensiv.<br />

Wenn mit der Mutter der Kinder keine Einigung über die Senkung des Unterhalts erzielt wird,<br />

muss Typ A den Unterhalt <strong>für</strong> die Kinder auch dann zur Gänze leisten, wenn sich die Kinder<br />

fast die Hälfte der Zeit bei ihm aufhalten. Der geschiedene Ehefrau gegenüber ist Typ A kaum<br />

unterhaltspflichtig, weil diese selbst berufstätig ist. Wenn er jedoch auch <strong>für</strong> sie Unterhalt<br />

entrichten muss, ist seine finanzielle Situation besonders prekär. „Der geschiedene Mann, der<br />

sich nicht wirklich intensiv um seine Kinder kümmert, der soll vielleicht auch mehr zahlen.<br />

Der, der sich aber voll einsetzt, dem soll das auch honoriert werden. Ich kaufe den Kindern ja<br />

auch Schuhe, wenn sie welche brauchen, oder koche <strong>für</strong> sie, wenn sie bei mir sind, und zahle<br />

616 Interviewtranskript B6, Seite 6<br />

130


den vollen Unterhalt weiter“ 617 , argumentiert einer dieser engagierten „neuen Väter“. „Das<br />

Problem kommt hinten nach. Wenn man seine Vaterrolle intensiv erfüllen möchte, dann bauen<br />

sich die Probleme auf, und es kommt dann noch Jahre oder Monate später zu Streitereien“ 618 ,<br />

berichtet ein anderer.<br />

Weil ihm die intensive Beziehung zu seinen Kindern wichtig ist, neigt dieser Typ Mann dazu,<br />

sich über die Kinder unter Druck setzen zu lassen, und erfüllt den Kindern zu liebe finanzielle<br />

Forderungen der geschiedenen Ehefrau, um den Kindern psychische Belastung zu ersparen,<br />

und ihnen ein finanziell unbelastetes Leben zu ermöglichen.<br />

Diese „neuen <strong>Männer</strong>“ trifft es schwer, wenn sich ihr Einvernehmen zur Mutter ihrer Kinder<br />

verschlechtert, und ihre Beziehung zu ihren Kindern auf die in der Rechtsprechung üblichen<br />

Besuchszeiten reduziert wird. „Ein ganz klassischer Vorfall, der mich irrsinnig gekränkt hat,<br />

war die Umstellung des Besuchsrechtes von einer Woche auf alle 14 Tage. Das hat auch die<br />

Beziehung der Kinder zu mir beeinträchtigt. Das Jugendamt hat gesagt, da kann man gar nichts<br />

machen.“ 619<br />

Vereitelt die Mutter der Kinder das Besuchsrecht des Vaters, so ist das <strong>für</strong> diesen Typ Mann<br />

besonders schmerzlich. Den Weg der gerichtlichen Durchsetzung des Besuchsrechtes, der im<br />

übrigen ein schwieriger und ein zeitlich langwieriger Prozess ist, will dieser Typ Mann auch<br />

nur widerwillig beschreiten, um seinen Kindern durch die Verschärfung des elterlichen<br />

Konfliktes nicht zu schaden. Er sieht seine Kinder nur selten, jeder Besuch ist mit Problemen<br />

verbunden und läuft nicht konfliktfrei ab.<br />

Hat dieser Mann das Gefühl, dass die Mutter die Kinder nicht optimal versorgt, stellt dies eine<br />

weitere massive emotionale Belastung dar. Da er <strong>für</strong> seine Kinder nicht obsorgeberechtigt ist,<br />

kann er, solange das Wohl seiner Kinder nicht nachweislich gefährdet ist, keinerlei Schritte zur<br />

Verbesserung der Situation seiner Kinder setzen. Sein Kampf um die Kinder gleicht einem<br />

Kampf gegen Windmühlen.<br />

Möchte bzw. muss dieser Typ Mann in das Berufsleben wieder voll einsteigen, so ist er damit<br />

konfrontiert, dass ihm, da er Karenzurlaub in Anspruch genommen, und/oder Teilzeitarbeit<br />

geleistet hat, im Vergleich zu seinen Alters- und Berufskollegen berufliche Erfahrung fehlt,<br />

und er daher vergleichbares Einkommen nicht erzielen kann.<br />

Wenn der Unterhalt dieses Typs Mann angespannt wird, berücksichtigen die Gerichte nicht<br />

immer, dass dieser Typ Mann, weil er <strong>für</strong> seine Kinder Karenzurlaub in Anspruch genommen,<br />

und/oder Teilzeitarbeit geleistet hat, das seiner Ausbildung sowie seinen körperlichen und<br />

geistigen Fähigkeiten entsprechende Einkommen nicht erzielen kann.<br />

Je mehr der oben genannten prekären Situationen erfüllt sind, umso höher die Armutsgefährdung<br />

dieses Typs Mann. Da die Trennung von Ehefrau und Kindern destabilisierend auf<br />

617 Interviewtranskript B2, Seite 8<br />

618 Interviewtranskript B2, Seite 2<br />

619 Interviewtranskript B2, Seite 7<br />

131


die Psyche wird, sind, wenn diesen Typ Mann zusätzlich massive finanzielle Probleme<br />

treffen, positive Copingstrategien zur Befreiung aus dieser prekären Lage besonders wichtig.<br />

5.5.5 Typ B: „Neuer Mann“ + gute Einkommensverhältnisse + gutes Einvernehmen<br />

Die Kinder- und Familienorientierung dieses Typs Mann ist ebenso stark wie seine<br />

Erwerbsorientierung. Auch wenn dieser Typ Mann gegen seinen Willen geschieden wurde,<br />

belastet ihn die Scheidung auf Grund seines guten Einvernehmens mit der geschiedenen<br />

Ehefrau emotional nicht so stark wie Typ A.<br />

Wie Typ A ist auch Typ B sehr um seine Kinder bemüht, verbringt mit ihnen viel Zeit und<br />

möchte ihr Leben mitgestalten. Auf Grund seiner guten finanziellen Verhältnisse fällt es ihm<br />

leicht, <strong>für</strong> sich <strong>für</strong> die Kinder genügend großen neuen Wohnraum zu beschaffen, mit den<br />

Kindern auf Urlaub zu fahren, etc.<br />

Dieser Typ Mann strebt grundsätzlich die alleinige Obsorge an, vereinbart mit der Mutter aber<br />

auch die Obsorge beider Elternteile.<br />

Bei diesem Typ Mann sind die wenigsten Verluste zu verzeichnen: Zwischen den Eltern war<br />

bereits zum Zeitpunkt der Scheidung alles einvernehmlich geregelt. Eventuell wurde zur<br />

Herstellung des Einvernehmens Mediation in Anspruch genommen. Da in der Mediation auf<br />

die Bedürfnisse beider Partner intensiv eingegangen wird und Vereinbarungen nur bei<br />

beidseitigem Einvernehmen zustande kommen, bietet die Mediation gute Voraussetzungen zur<br />

Erzielung einer einvernehmlichen Vereinbarung, die allen Beteiligten entgegen kommt und<br />

lange hält.<br />

Dieser Typ Mann verfügt auch über die finanziellen Mittel, Streitigkeiten über Unterhaltszahlungen<br />

aus dem Weg zu gehen, indem er den vollen Unterhalt zahlt, auch wenn die Kinder<br />

viel Zeit bei ihm verbringen, und von ihm versorgt werden: „Sie hat immer die Be<strong>für</strong>chtung<br />

gehabt, dass sie weniger Geld kriegt. Wie ich gesagt habe, sie bekommt gleich viel Geld, war<br />

sie dann einverstanden.“ 620 , kommentiert ein Mann, der Typ B entspricht, das<br />

Zustandekommen des Scheidungsvergleiches. Seinem Bedürfnis, die Kinder häufig um sich zu<br />

haben, wurde weitgehend entsprochen. Finanzielle Einbußen belasten ihn auf Grund seiner<br />

guten Einkommensverhältnisse nicht.<br />

Obwohl er mit seinen Kindern seit der Scheidung nicht mehr ständig im gemeinsamen<br />

Haushalt lebt und sie daher nicht täglich sieht, und das ein Belastungsfaktor sein kann, kann es<br />

ihm gelingen, den zeitlich eingeschränkten Kontakt mit seinen Kindern sehr intensiv zu<br />

gestalten. „Es hat sich eher positiv verändert, weil ich jetzt viel mehr Zeit intensiv mit den<br />

Kindern verbringe. Vorher war ich zwar zeitlich mehr mit ihnen zusammen, aber nicht so<br />

intensiv.“ 621<br />

Charakteristisch <strong>für</strong> diesen Typ Mann ist, dass er auch noch nach der Scheidung gutes<br />

Einvernehmen zur Mutter seiner Kinder besitzt. Dies wirkt sich positiv auf den Kontakt der<br />

Eltern zueinander und seinen Kontakt zu den Kindern aus.<br />

620 Interviewtranskript B3, Seite 2<br />

621 Interviewtranskript B3, Seite 2<br />

132


Zu be<strong>für</strong>chten ist, dass bei Verschlechterung der finanziellen Verhältnisse des Vaters, die<br />

insbesondere die Einstellung von Unterhaltszahlungen an die geschiedene Ehefrau bewirken,<br />

das Einvernehmen mit ihr beeinträchtigt wird. In weiterer Folge könnte dies zu dramatischen<br />

Veränderungen im Leben des Mannes und zur Annäherung an Typ A führen. Bleibt jedoch das<br />

gute Einvernehmen, etwa bei finanziellen Engpässen des Vaters zwischen den Eltern bestehen,<br />

können eventuelle finanzielle Engpässe des Mannes konfliktfrei geregelt werden, indem der<br />

Vater etwa ein größeres Maß an der Betreuung der Kinder übernimmt und die Mutter mit<br />

geringeren Unterhaltszahlungen einverstanden ist.<br />

5.5.6 Typ C: Traditioneller Mann + gute Einkommenssituation + schlechtes<br />

Einvernehmen<br />

Die Erwerbsorientierung dieses Typs Mann ist deutlich höher als seine Familien- und<br />

Kinderorientierung, sein Einkommen überdurchschnittlich hoch.<br />

Dieser Typ Mann wird wegen seiner geringen bis mäßigen Familienorientierung und seiner<br />

guten oder sogar hervorragenden Einkommenssituation geringe Verluste auf emotionalpsychischer<br />

Ebene aufweisen. Auf ihn kommt, absolut gesehen, durch die Scheidung hoher<br />

finanzieller Aufwand zu, er zählt jedoch, da er finanziell-existentiell abgesichert ist, nicht zu<br />

einer der Risikogruppen der potentiell Armutsgefährdeten. Solange das Einvernehmen<br />

zwischen ihm und seiner geschiedene Ehefrau einigermaßen gut ist, ist er sohin auch nicht<br />

gefährdet, in eine emotionale oder finanzielle Krise zu stürzen.<br />

Ist jedoch das Einvernehmen mit der geschiedenen Ehefrau extrem schlecht, wie es hier <strong>für</strong><br />

Typ C postuliert wird, kann die Scheidung im Rosenkrieg enden, es wird um Vermögen und<br />

Unterhalt gestritten. Der geschiedene Ehemann kämpft um seinen Lebensstandard, die<br />

geschiedene Ehefrau möglicherweise um ihre Existenz oder einen annehmbaren<br />

Lebensstandard. Das Besuchsrecht wird ihm verwehrt oder per Gerichtsbeschluss<br />

(vorübergehend) ausgesetzt. „Auch sollte ich, wenn ich Alimente zahle, ein Recht auf ein<br />

Besuchsrecht bekommen. Da mir schon so viel unterstellt wurde, würde ich selbst sogar darauf<br />

bestehen, dass ein Besuch in Anwesenheit eines Psychologen statt findet.“ 622 Die finanziellen<br />

Mittel <strong>für</strong> jahrelange Prozesse stehen zumindest zu Beginn zur Verfügung.<br />

Dieser Typ Mann sieht sich insbesondere dann als Scheidungsopfer, wenn ihm bei der<br />

Scheidung die Schuld an der Zerrüttung der Ehe zugesprochen wurde. Der aus dem<br />

Schuldspruch resultierende vermeintlich hohe Unterhalt <strong>für</strong> seine geschiedene Ehefrau ist ihm<br />

ein Dorn im Auge: „Jeder ist verpflichtet, nach seinen Verhältnissen etwas beizutragen. Sie<br />

[die geschiedene Ehefrau] hat nie etwas getan. Sie hat nie gearbeitet und im Grund genommen<br />

wirst du bestraft, wenn du korrekt bist, und immer alles in Ordnung machst.“ 623 Obwohl dieser<br />

Typ beruflich gefestigt ist, und über ein hohes Einkommen verfügt, können ihn Prozesskosten<br />

vor allem dann finanziell erheblich belasten, wenn er überdies hohe Unterhaltsnachzahlungen<br />

hat, oder die Vermögensaufteilung anders als erwartet ausfällt. Das steigert sein Gefühl,<br />

ungerecht behandelt zu werden.<br />

622 Interviewtranskript B8, Seite 5<br />

623 Interviewtranskript B8, Seite 6<br />

133


Da seine Identität großteils auf seiner beruflichen Karriere fußt, besteht jedoch kaum Gefahr,<br />

dass er in eine Krise stürzt, solange seine berufliche Karriere aufrecht bleibt.<br />

5.6 Resumee<br />

Wie man aus den Betroffenen- und ExpertInneninterviews ableiten kann, besteht<br />

Handlungsbedarf bei der Festsetzung des Unterhalts von Selbstständigen und<br />

Karenzgeldbeziehern.<br />

Es ist sowohl gesellschaftspolitisch und <strong>für</strong> die Förderung der optimalen Entwicklung der<br />

Kinder erwünscht, dass <strong>Männer</strong>, auch nach einer Scheidung, stärker in die Erziehung der<br />

Kinder eingebunden sind. Die Väterkarenz wird beworben, die sozial- und arbeitsrechtlichen<br />

Rahmenbedingungen hie<strong>für</strong> sind in den letzten Jahren geschaffen worden. Nach der Scheidung<br />

jedoch sind <strong>Männer</strong>, wenn ihnen nicht die alleinige oder gemeinsame Obsorge zugesprochen<br />

wird, in der Ausübung ihrer Vaterrolle erheblich eingeschränkt. Die alleinige Obsorge<br />

bekommen <strong>Männer</strong> in strittigen Verfahren weniger leicht als Frauen zugeteilt, vor allem dann,<br />

wenn die Kinder noch klein sind. Auch bei der Obsorge beider Elternteile sind die <strong>Männer</strong> auf<br />

ein gutes Einvernehmen mit der Expartnerin angewiesen. Solange dieses besteht, werden<br />

Unterhaltszahlungen individuell zwischen den Eltern geregelt und mit den Betreuungszeiten<br />

und Ausgaben <strong>für</strong> das Kind gegengerechnet. Besteht jedoch kein ausreichendes Einvernehmen,<br />

wird auf die gesetzlichen Bestimmungen bzw. deren Auslegung durch die Rechtsprechung<br />

zurückgegriffen. Dann müssen Väter die vollen Unterhaltszahlungen leisten und die<br />

Kinderbetreuungskosten, solange die Kinder nicht mehr als 50% der Zeit bei ihnen leben,<br />

selbst tragen.<br />

Setzt sich der gesellschaftliche Trend, dass Väter zunehmend mehr Verantwortung in der<br />

Kindererziehung übernehmen, durch, wird dies ein Umdenken der Rechtssprechung nötig<br />

machen. Die Kinderbetreuung, die <strong>Männer</strong> übernehmen, sollte auch in der Judikatur als Wert<br />

anerkannt und finanziell abgegolten werden, und zwar auch dann, wenn Väter nicht die<br />

alleinige Obsorge bzw. die hauptsächliche Betreuung der Kinder haben. Es ist zu überlegen, ob<br />

die 50%-Regelung der Judikatur über die Kinderbetreuung geändert werden sollte und bereits<br />

ein geringerer Zeitraum an Kinderbetreuung und -versorgung zu einer Unterhaltsminderung<br />

führen sollte. Diese Forderung ist im Interesse des Wohles der Kinder ethisch und moralisch<br />

gerechtfertigt, da in der sozialen Realität das Geld bereits bei einem knapp<br />

unterdurchschnittlichen Familien(Nachscheidungsfamilien-)einkommen und mehreren Kindern<br />

nicht ausreicht, um den Kindern bei beiden getrennt lebenden Eltern einen eigenen Wohnraum<br />

zur Verfügung zu stellen.<br />

Das Argument, dass in der Unterhaltsbemessung bereits der Besuchsaufwand berücksichtigt<br />

ist, wird von den Unterhaltspflichtigen nicht wahrgenommen, da die Unterhaltsbemessung <strong>für</strong><br />

alle Unterhaltspflichtigen nach denselben Grundsätzen erfolgt. Engagiert sich nun ein<br />

Unterhaltspflichtiger mehr als andere in der Versorgung seiner Kinder, ist er gegenüber jenen<br />

Vätern, die das nicht tun, finanziell benachteiligt. Eine Berücksichtigung des<br />

Betreuungsaufwandes in der Unterhaltszahlung käme diesen engagierten <strong>Männer</strong>n einerseits<br />

entgegen, andererseits hätten Unterhaltspflichtige, die keine Kinderbetreuung übernehmen,<br />

höheren Unterhalt zu zahlen als jene Väter, die ihre Kinder regelmäßig versorgen. Da diese<br />

134


Differenzierung nicht zu Lasten des Kindes gehen darf, ist zu überlegen, in welche Richtung<br />

eine Anpassung sinnvoll und sozial verträglich wäre.<br />

Die ExpertInnen und die Interviewten stimmen überein, dass es weiten Kreisen der<br />

Bevölkerung an jeglichem Wissen über die ehe- und familienrechtlichen Bestimmungen der<br />

österreichischen Rechtsordnung mangelt. Daher bedürfen weite Kreise der Bevölkerung in<br />

ehe- und familienrechtlichen Verfahren der juristischen Beratung und – im Verfahren selbst –<br />

der Vertretung durch eine im Ehe- und Familienrecht versierte RechtsanwältIn, um die eigenen<br />

Interessen wahren zu können. Die finanziellen Mittel <strong>für</strong> die Vertretung durch eine im Ehe-<br />

und Familienrecht versierte RechtsanwältIn, sind jedoch oft nicht vorhanden. Mediation,<br />

obwohl diese juristische Beratung enthält und vom Bundesminister <strong>für</strong> soziale Sicherheit und<br />

Generationen einkommensabhängig gefördert wird und daher <strong>für</strong> geringe Einkommen leistbar<br />

ist, wird oft nicht in Anspruch genommen. So bleibt die Beratung bei Gericht, die teilweise als<br />

unzureichend und zu kurz kritisiert wird.<br />

Im Vorherigen, etwa unter Punkt 3.2.2 und Punkt 4.15.3.2, wurde das Dilemma der nicht<br />

durch einen im Ehe- und Familienrecht versierte RechtsanwältIn vertretenen Partei in<br />

zivilgerechtlichen Verfahren bereits aufgezeigt:<br />

• RichterInnen in zivilgerichtlichen Verfahren gemäß §§ 404 f ZPO nur über die in der<br />

Hauptsache betreffenden Anträge nicht aber – wie etwa im Verwaltungsverfahren nach<br />

amtswegiger Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes – in der Sache selbst zu<br />

entscheiden haben,<br />

• die Manuduktionspflicht (§§ 432 und 435 ZPO) <strong>für</strong> unvertretene Parteien zu kurz greift<br />

und<br />

• der Spezialisierungsgrad der RichterInnen, je nach geographischer Lage des Gerichtes,<br />

höchst unterschiedlich ist.<br />

Verstärkt wird dieses Dilemma noch durch eine geschlechtsspezifische Eigenheit der <strong>Männer</strong>,<br />

weil<br />

• <strong>Männer</strong> weniger häufig als Frauen Beratungsstellen aufsuchen, um sich das <strong>für</strong> ehe-<br />

und familienrechtliche Verfahren erforderliche Wissen anzueignen,<br />

• <strong>Männer</strong> aus eigenem seltener als Frauen die vom Bundesminister <strong>für</strong> soziale Sicherheit<br />

und Generationen einkommensabhängig geförderte Mediation beantragen und<br />

• wesentlich weniger <strong>Männer</strong>beratungs- als Frauenberatungsstellen bestehen.<br />

Rechtsunkundige, nicht durch eine versierte RechtsanwältIn vertretene <strong>Männer</strong> stellen daher<br />

in ehe- und familienrechtlichen Verfahren nicht die in der Sache selbst erforderlichen Anträge<br />

und können aus diesem Grund – und weil RichterInnen gemäß §§ 404f ZPO nur über die<br />

gestellten Anträge entscheiden dürfen – ihre ihnen in den familien- und eherechtlichen<br />

Bestimmungen eingeräumten Rechte selten durchsetzen.<br />

Weiters ist zu bezweifeln, dass die Ehepartner bereits bei der Heirat über die Konsequenzen<br />

einer Scheidung Bescheid wissen.<br />

135


6 Zusammenfassung<br />

In der bisherigen Forschungsliteratur wird die Situation geschiedener <strong>Männer</strong> kaum<br />

berücksichtigt. Die vorliegende Studie widmet sich genau dieser Gruppe. Mittels ExpertInnen-<br />

und Betroffeneninterviews, einem Vergleich Europäischer Unterhaltssysteme und der<br />

Darstellung des österreichischen Scheidungsrechts wird die Situation von Familienvätern<br />

während und nach einer Scheidung beleuchtet. Es wird auf besondere Belastungsfaktoren und<br />

potentielle Benachteiligungen eingegangen und eine Personengruppe identifiziert, die durch<br />

die <strong>Scheidungsfolgen</strong> besonders stark finanziell-materiell und emotional belastet ist.<br />

Bei Veränderungen in der Rechtsprechung oder im Gesetz sollte bzw. muss die soziale Realität<br />

berücksichtigt werden. Auf der einen Seite betrifft das die quantitativen Verteilungen: so gibt<br />

es zwar die Gruppe der „neuen <strong>Männer</strong>“, die <strong>Scheidungsfolgen</strong> besonders hart treffen können,<br />

sie bilden nach Einschätzung der Experten und nach dem Ergebnis der Literaturanalyse zu<br />

urteilen aber eine sehr kleine Gruppe. Auf der anderen Seite sind damit auch die<br />

geschlechtsspezifischen Disparitäten gemeint, die in unserer Gesellschaft vorhanden sind, im<br />

Speziellen Unterschiede in der Erwerbs- und Haushaltstätigkeit und Einkommensunterschiede<br />

zwischen Frau und Mann. Bei Veränderung der bestehenden Unterhalts- und<br />

Scheidungsregelungen muss da<strong>für</strong> Sorge getragen werden, dass durch eine Verbesserung der<br />

Situation <strong>für</strong> Unterhaltspflichtige nicht Personen, die auf den Unterhalt angewiesen sind,<br />

belastet werden.<br />

6.1 Potentielle Benachteiligungen und Belastungspunkte<br />

Das Scheidungsrecht selbst wird von den ExpertInnen weitgehend positiv beurteilt. Die Kritik<br />

der ExpertInnen gilt in erster Linie der Rechtsprechung. Derzeit werden in Österreich zwar<br />

90% aller Ehen einvernehmlich geschieden 624 , die Rechtsprechung zu strittigen Scheidungen<br />

ist aber auch <strong>für</strong> einvernehmliche Scheidungen von Bedeutung, da die zwischen den<br />

Ehepartnern getroffenen Vereinbarungen indirekt von der Rechtsprechung beeinflusst werden.<br />

Folgende potentielle Benachteiligungen der <strong>Männer</strong> bei Scheidung und Unterhaltsbemessung<br />

durch die Rechtsprechung bestehen:<br />

� <strong>Männer</strong>, die die alleinige Obsorge <strong>für</strong> ihre Kinder anstreben, obsiegen vor allem dann,<br />

wenn die Kinder noch klein sind, selten.<br />

� Unterhaltspflichtige <strong>Männer</strong>, die <strong>für</strong> ein weiteres Kind aus einer neuen Beziehung in<br />

Karenz gehen, können nur unter besonderes berücksichtigungswürdigen Umständen die<br />

624 Im Jahr 2001 wurden 20.582 Ehen geschieden (Gesamtscheidungsrate 46%). 18.517 davon waren<br />

Scheidungen nach § 55a Ehegesetz, also Scheidungen im Einvernehmen. Nach §55, Auflösung<br />

häuslicher Gemeinschaft, wurden 791 Ehen geschieden, 1.274 wegen anderer Gründe. Die mittlere<br />

Ehedauer (Median) betrug dabei 9,5 Jahre. Im Durchschnitt betrug das Alter der <strong>Männer</strong> bei der<br />

Scheidung 40,4 Jahre, das der Frauen 37,7 Jahre. Schriftliche Auskunft der Statistik Austria vom<br />

10.07.2002<br />

136


Herabsetzung des bisherigen Unterhalts bewirken; <strong>Männer</strong> werden während ihrer<br />

Karenz meist auf den Unterhalt ihres Arbeitseinkommens angespannt.<br />

� Unterhaltsanpassungen bei veränderter Einkommenslage durch Arbeitslosigkeit oder<br />

Berufswechsel dauern bis zu 4 Monate. Bis dahin muss der Unterhalt auf Basis des<br />

alten Einkommens gezahlt werden.<br />

� Zahlt der Unterhaltspflichtige zu hohen Unterhalt, muss der Obsorgeberechtigte meist<br />

den Überbezug mit der Begründung, das Geld sei bereits im „guten Glauben“<br />

verbraucht worden, nicht zurückerstatten.<br />

� Kredite wirken sich, da bei der Scheidung meist verabsäumt wird, schriftlich<br />

festzuhalten, wo<strong>für</strong> die Kredite aufgenommen bzw. ausgegeben wurden, nur in sehr<br />

spezifischen Fällen unterhaltsmindernd aus.<br />

� Geht das Gericht bei Anspannung zu wenig fallspezifisch vor oder unterbleibt ein<br />

Antrag gemäß § 140 Abs. 2, 2. Satz ABGB, können soziale Härtefälle produziert<br />

werden. Besonders selbstständig Erwerbstätige kritisieren, dass sich unverschuldete<br />

Einkommenseinbußen nicht unterhaltsmindernd auswirken und einmal festgesetzte<br />

Unterhaltsbeträge nicht herabgesetzt werden.<br />

� Kinderbetreuungsleistungen wirken nicht unterhaltsmindernd, solange die<br />

Betreuungszeit nicht regelmäßig mehr als 50% beträgt.<br />

� Informations-, Äußerungs- und Besuchsrecht können schwer durchgesetzt werden.<br />

Betrachtet man einzelne der genannten Punkte vor dem gesellschaftlichen und<br />

sozialökonomischen Hintergrund, so relativieren sich einige Benachteiligungsaspekte.<br />

6.2 <strong>Scheidungsfolgen</strong><br />

Eine Scheidung ist vor allem bei mittlerem bis niedrigem Familieneinkommen eine sehr große<br />

finanzielle Belastung. Durch die Trennung kommt es <strong>für</strong> alle Beteiligten zu massiven<br />

Einbußen des Lebensstandards. Synergieeffekte des Zusammenlebens gehen verloren, es<br />

müssen in der Regel zwei anstelle eines Haushaltes finanziert werden. Auf geschiedene Väter<br />

kommen erhebliche soziale und finanzielle Einschränkungen zu.<br />

Dies gilt umso eher, je mehr der folgenden Kriterien erfüllt sind:<br />

� Der Mann war vor der Scheidung Alleinverdiener und ist nun <strong>für</strong> die Exehefrau und die<br />

Kinder unterhaltspflichtig.<br />

� Den Mann treffen mehrere Unterhaltspflichten aus früheren Beziehungen und/oder<br />

Kindern daraus.<br />

� Der Mann befindet sich in einer prekären Erwerbssituation (wiederkehrende<br />

Arbeitslosigkeit, schlechte Chancen am Arbeitsmarkt z.B. durch mangelnde<br />

Ausbildung) oder auf Grund von „Anspannung“ in einer prekären finanziellen<br />

Situation.<br />

� Bereits vor der Scheidung bestanden Schulden.<br />

� Der Mann hat mit der Exehefrau schlechtes Einvernehmen, wodurch hohe<br />

Gerichtskosten entstanden sind und keine Kooperation bei finanziellen Engpässen<br />

besteht.<br />

� Die Schuld an der Scheidung trägt überwiegend oder alleine der Mann.<br />

137


� Der Mann besitzt keine Kenntnisse über ehe- und familienrechtliche Bestimmungen,<br />

hat keine Rechtsberatung eingeholt und war bei Scheidung und/oder<br />

Unterhaltsfestsetzung nicht anwaltlich vertreten.<br />

� Das Familieneinkommen vor der Scheidung war gering.<br />

� Der Mann ist aus der gemeinsamen Ehewohnung ausgezogen, die Ehefrau konnte nicht<br />

die volle Ausgleichszahlung leisten.<br />

� Der Mann hat hohe psychische Belastungen durch die Trennung und verfolgt eine<br />

kontraproduktive Coping-Strategie (Alkohol; Selbstaufgabe; das Zurückziehen von<br />

jeglicher Verantwortung <strong>für</strong> die Familie und <strong>für</strong> sich selbst; Passivität; auch<br />

Schwarzarbeit und Unterhaltsflucht sind auf Dauer als Risiko <strong>für</strong> den Betreffenden zu<br />

klassifizieren).<br />

Ein Kriterium alleine, beispielsweise die Verpflichtung zu einer Unterhaltsleistung, führt nicht<br />

zu finanziell-existentieller Gefährdung. Kumulieren jedoch die Belastungsfaktoren, kann die<br />

Wechselwirkung von finanziellen Einschränkungen, psychischer Belastung und Selbstaufgabe<br />

zur sozialen Abwärtsspirale führen.<br />

Scheidung kann dann ein Auslöser von momentaner Wohnungslosigkeit sein, wenn der<br />

Geschiedene über keine ausreichenden Vermögensreserven verfügt, sich in einer prekären<br />

Erwerbssituation befindet und ein soziales Auffangnetz fehlt. Für chronische<br />

Wohnungslosigkeit müssen mehrere Armutskriterien zusammentreffen.<br />

Zu einer emotional stark belasteten Gruppe von Geschiedenen zählen <strong>Männer</strong>, die sich in<br />

aufrechter Ehe sehr in der Kindererziehung engagiert und da<strong>für</strong> auf berufliche Karriere<br />

verzichtet haben. Besteht schlechtes Einvernehmen mit der Expartnerin und bekommen Väter<br />

nicht die Obsorge <strong>für</strong> ihre Kinder, verlieren sie durch die Scheidung sowohl auf materiellfinanzieller<br />

als auch auf emotional-psychischer Ebene.<br />

6.3 Schlussfolgerung<br />

� Da es bis dato in Österreich keine Erhebung zur Alimentationshöhe der<br />

Unterhaltspflichtigen gibt, wäre eine solche im Hinblick auf sozialpolitische<br />

Überlegungen sowie als wichtiger Beitrag zur Grundlagenforschung zu überdenken.<br />

� Die rechtliche Zulässigkeit, das Existenzminimum bei Unterhaltszahlungen um 25% zu<br />

unterschreiten, ist sozial als sehr kritisch zu werten. Benötigen die Unterhaltsempfänger<br />

das Geld auch dringend, so ist dennoch zu überlegen, ob nicht Regelungen gefunden<br />

werden könnten, die alle Betroffenen, auch die Väter, entlasten. ExpertInnen<br />

entwickelten in den Interviews hiezu Veränderungsvorschläge.<br />

� Die Kinderbetreuung, die Väter über den Rahmen des Besuchsrechtes hinaus leisten,<br />

sollte bei der Bemessung des Unterhaltes, insbesondere dann, wenn sich die Kinder<br />

nicht im Sinne des § 177 Abs. 2 ABGB hauptsächlich (mehr als 50 %) beim Vater<br />

aufhalten, Berücksichtigung finden.<br />

138


.<br />

� Der überwiegenden Mehrheit der betroffenen <strong>Männer</strong> mangelt es an dem<br />

erforderlichen Wissen über die ehe- und familienrechtlichen Bestimmungen der<br />

österreichischen Rechtsordnung, die finanziellen Mittel <strong>für</strong> die Vertretung durch einen<br />

im Ehe- und Familienrecht versierten Rechtsanwalt sind oft nicht vorhanden. Die<br />

Erfahrung zeigt, dass die Manuduktionspflicht der Richter (§§ 432 und 435 ZPO) <strong>für</strong><br />

unvertretene Parteien zu kurz greift. Damit <strong>Männer</strong>, auch im Interesse des Wohles ihrer<br />

Kinder, die ihnen vom Gesetzgeber eingeräumten Rechte wahrnehmen (und in<br />

Verfahren durchsetzen) können, sollte es in ehe- und familienrechtlichen Verfahren -<br />

abweichend von den Bestimmungen der §§ 404 und 405 ZPO - Richtern analog zu §§<br />

37 und 39 Abs. 2 AVG 1990 gestattet sein, amtswegig den maßgeblichen Sachverhalt<br />

zu ermitteln und auf dessen Grundlage zu entscheiden.<br />

� Mediation wird sowohl von ExpertInnen als auch von Betroffenen bei einer Scheidung<br />

begrüßt. Da Mediation vom Bundesminister <strong>für</strong> soziale Sicherheit und Generationen<br />

einkommensabhängig gefördert wird, ist sie überdies auch <strong>für</strong> geringe Einkommen<br />

leistbar. Durch die Erlassung des bereits seit langem beabsichtigten Mediationsgesetzes<br />

könnte die Inanspruchnahme der Mediation in ehe- und familienrechtlichen Streitfällen<br />

forciert werden.<br />

� Für <strong>Männer</strong> bestehen im Gegensatz zu Frauen nur eine sehr geringe Anzahl von<br />

Beratungsstellen. Da solche Beratungsstellen, einerseits wegen der Vermittlung von<br />

Kenntnissen über ehe- und familienrechtliche Bestimmungen und andererseits wegen<br />

der von ihnen geleisteten psychischen Unterstützung, <strong>Männer</strong>n helfen, ihre Rechte<br />

wahrzunehmen, und die mit Scheidung verbundenen psychischen Belastungen zu<br />

bewältigen, sollten solche Beratungsstellen <strong>für</strong> <strong>Männer</strong> vermehrt eingerichtet und von<br />

den Organen des Bundes und der Länder vermehrt gefördert werden.<br />

139


Arbeitsmarktservice, SAMIS-Datenbank<br />

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Jäckel, Karin: Mein Kind gehört auch zu mir. Handbuch <strong>für</strong> Väter nach der Trennung.<br />

Frankfurt am Main 1999<br />

Kempe, Jo: Die steuerliche Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen bei Familien und<br />

Geschiedenen in Österreich. Wien, Wirtschaftsuniv. Dipl.-Arb. 2001<br />

Kofler, Angelika / Mosberger, Brigitte: Youth homelessness in Austria. National report 1996<br />

to FEANTSA. Vienna 1997<br />

Kurdek, L. A.: "An Integrative Perspective on Children's Divorce Adjustment." In: American<br />

Psychologist. New York 1981, Heft 36, Seite 856ff<br />

Maurer, Ewald/Fritsch, Bernd: Ehe und Scheidung auf österreichisch. Wien 1999<br />

Mikrozensus Juni 1991. In: Österreichisches Statistisches Zentralamt (Hrsg.): Statistische<br />

Nachrichten (Neue Folge). Wien 1993, Heft 5, Seite 330ff<br />

Napp-Peters, Anneke: Familien nach der Scheidung. München 1995<br />

141


Napp-Peters, Anneke: Familien nach der Scheidung – langfristige <strong>Scheidungsfolgen</strong> <strong>für</strong><br />

Kinder und Jugendliche. In: Der österreichische Amtsvormund. Wien 1998, Heft 2, Seite 43ff<br />

Nave-Herz, Rosemarie/Schmitz, A.: Die Beziehung des Kindes zum nichtsorgeberechtigten<br />

Vater. In: Busch, Friedrich W./Nave-Herz, Rosemarie (Hrsg.): Ehe und Familie in<br />

Krisensituationen. Oldenburg 1996, Seite 99ff<br />

Ofuatey-Kodjoe, Ursula: Zum Wohle des Kindes: Je jünger, desto weniger Kontakt? In:<br />

Zentralblatt <strong>für</strong> Jugendrecht. Jugend und Familie – Jugendhilfe – Jugendgerichtshilfe.<br />

Heidelberg 1997, Heft 7/8, Seite 233ff<br />

Sander, E.: Trennung und Scheidung: Die Perspektive betroffener Eltern. In: Sander, E.<br />

(Hrsg.): Trennung und Scheidung: Die Perspektive betroffener Eltern. Weinheim 1999<br />

Schneider, F.: Der Umfang der Schwarzarbeit des Jahres 2002 in Deutschland, Österreich und<br />

der Schweiz – Weiteres Anwachsen der Schwarzarbeit. Linz 2002 (auch:<br />

http://www.economics.uni-linz.ac.at/Members/Schneider/PfuschOeDCH.PDF)<br />

Schweighofer, Josef: Familienrecht <strong>für</strong> Interessierte – Pflegschaftsrecht – Eherecht. Wien 2002<br />

Statistische Nachrichten. Wien 2001, Heft 10, Seite 745ff<br />

Statistisches Jahrbuch 2002. Wien 2002, Seite 80ff<br />

Stein-Hilbers, Marlene: Wem gehört das Kind? Neue Familienstrukturen und veränderte<br />

Eltern-Kindbeziehungen. Frankfurt/New York 1994<br />

Statistik Österreich: Geschlechtsspezifische Disparitäten. Wien 2002<br />

Vaughan, Diane: Wenn Liebe keine Zukunft hat. Stationen und Strategien der Trennung.<br />

Reinbek 1994<br />

Wallerstein, Judith / Kelly, Joan B: Surviving the breakup: How children and partents cope<br />

with divorce. New York 1980<br />

Wilk, Liselotte/Bacher, Johann (Hrsg.): Kindliche Lebenswelten. Opladen 1994<br />

Wilk, Liselotte: Scheidung und Trennung von Partnerschaften. In: Bundesministerium <strong>für</strong><br />

Umwelt, Jugend und Familie: Zur Situation von Familie und Familienpolitik in Österreich.<br />

Wien 1999, Seite 275ff<br />

Wilk, Liselotte: Scheidung und Trennung der Eltern im Kinderleben. In: European Centre of<br />

Social Welfare Policy and Research (Hrsg.): Kindheit in Gesellschaft und Politik. Eine<br />

multidisziplinäre Analyse am Beispiel Österreichs. Frankfurt/Main 1998<br />

Wischounig, Alexander: Die Unterhaltsproblematik nach einer Ehescheidung. Innsbruck,<br />

Univ. Diss. 1997<br />

http:// www.mein-recht.de/scheidung.html, – Scheidung online, Rechtsanwalt Roland Sperling<br />

142


http://www.richtervereinigung.at/justiz-aktuell/pressemitteilungen/presse.htm –<br />

Pressemitteilung vom 16.02.2000<br />

http://europa.eu.int/comm/employment_social/missoc2001/missoc_217_de.htm. Homepage<br />

des Europäischen Büros<br />

http://www.solex.li/lexikon/unterhalt.htm,- Soziallexikon Liechtenstein<br />

http://www.schwed/info/unterhaltsbeihilfe.htm<br />

http://www.virtual.finland.fi/finfo/saska/rechte.html – Die virtuelle Finnland Homepage<br />

143


Name Funktion und<br />

Organisation<br />

Amtsdirektor<br />

Erich ENGL<br />

Dr. Reinhard<br />

JACKWERTH<br />

Dr. Helene<br />

KLAAR<br />

Amtsdirektorin<br />

Christa<br />

LEHNBAUER<br />

Gottfried<br />

KÜHBAUER<br />

DSA DI Stefan<br />

OHMACHT<br />

DSA Elisabeth<br />

PASCHINGER<br />

Dr. Josef<br />

SCHWEIGHOFER<br />

Liste der interviewten ExpertInnen<br />

Leiter der Unterhaltsvorschussabteilung<br />

des<br />

OLG Wien<br />

Richter des LG <strong>für</strong> ZRS<br />

Wien<br />

Kontakt ExpertIn <strong>für</strong><br />

ANHANG<br />

01 52152-0 Unterhaltsvorschussrecht<br />

01 52152-<br />

3583<br />

Ehe- und Familienrecht<br />

Rechtsanwältin 01 505 04 62 Ehe- und Familienrecht<br />

Rechtspflegerin des<br />

BG Leopoldstadt<br />

Lebens- und Sozialberater<br />

der <strong>Männer</strong>beratung Wien<br />

Diplomsozialarbeiter,<br />

BAWO<br />

Diplomsozialarbeiterin,<br />

Amt <strong>für</strong> Jugend und<br />

Familie Wien<br />

01 24527 oder<br />

01 2196376<br />

Unterhaltsrecht<br />

01 6032828 <strong>Männer</strong>angelegenheiten<br />

01 812 72 02;<br />

www.bawo.at<br />

Richter des BG Fünfhaus 01 891430-<br />

1407<br />

Ursachen der<br />

Wohnungslosigkeit<br />

Unterhaltsrecht<br />

Ehe- und Familienrecht<br />

Dr. Günter TEWS Rechtsanwalt 0732-77 22 93 Ehe- und Familienrecht<br />

144

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