Touchscreen und Pelikansoufflee - VSETH - ETH Zürich
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SeX<br />
14<br />
der Feind im bett<br />
Zwischen Kinoklischee <strong>und</strong> Rammler-Realität: über die<br />
unliebsame Präsenz von schlechtem Sex. Und was es<br />
wert ist, ihn zu überleben. Wie war ich, Schatz? Ob der Sex gut war, muss jeder selbst entscheiden –<br />
Von Barbara Lussi<br />
«Basic Instinct» haben wir wahrscheinlich<br />
alle gehasst, «Monsters Ball» ebenso; wenigstens<br />
ein kleines bisschen, irgendwo insgeheim.<br />
Und dasselbe kleine bisschen hassen<br />
wir all die anderen minutenlangen Szenen besten<br />
sexuellen Vergnügens, die so beiläufig in<br />
Filme verpackt werden. Oder von der dritten<br />
Etage herunterdröhnen. Oder vom breitbeinigen<br />
Typen im Bus vier weiteren breitbeinigen<br />
Typen geschildert werden.<br />
Es wird ja niemand mehr rot, wenn das<br />
eine Wort aus drei Buchstaben aus- oder angesprochen<br />
wird; von einstigen Tabus dieser<br />
Art ist nicht mehr viel übrig. Sex ist menschlich,<br />
genauso wie Irren.<br />
Aber die Schwemme steinhartbestückter<br />
Schönlinge, hocherotischer Damen, viermal<br />
täglicher Willigkeit <strong>und</strong> simultan-multipler<br />
Orgasmen ist dann doch nicht mehr schön.<br />
Darum, weil sie künstlich ist. Weil sie in ihrer<br />
Einseitigkeit zum Himmel stinkt.<br />
Häschensex<br />
Sharon Stone <strong>und</strong> Halle Barry wirken<br />
mehr als zufrieden mit dem Akt, in den sie<br />
da in ihren Filmen involviert sind. Und wenn<br />
die Bekannte von nebenan vom neuen Stecher<br />
erzählt, dann mit exakt dem kitschig-befriedigten<br />
Leuchten in den Augen. Ob aktiv in<br />
Filmen gezeigt oder passiv unterstützt, wenn<br />
quasi nie vom Gegenteil erzählt wird: Die mediale<br />
– <strong>und</strong> private – Thematisierung von Sex<br />
scheint vorrangig himmelblau zu sein. Als ob<br />
es nur die sexuelle Schokoladenseite gäbe.<br />
Migräne hingegen tritt man breit; oder den<br />
gebrochenen grossen Zeh – alles Gebrechen,<br />
die man dem Umfeld noch so gerne wortreich<br />
schildert. «Aber zugeben, dass man fast<br />
keinen Sex hat, dass man es nicht besonders<br />
findet, oder man möchte, aber ständig abgewiesen<br />
wird. Darüber redet niemand gern»,<br />
meint die Sex-Expertin Eliane Schweitzer, die<br />
im Blick eine Sexkolumne schreibt. Bei der<br />
Flaute im Bett hört der Spass auf.<br />
Dabei ist schlechter Sex eine Tatsache.<br />
Sex ist nicht immer perfekt <strong>und</strong> die Möglichkeiten<br />
für schlechten Sex zahlreich. Immer<br />
beide bereit, immer beide Lust, immer beide<br />
im Einklang? Wahrscheinlich nicht. Darum<br />
nicht, weil sich der altbekannte Feind Alltag<br />
allzu leicht einschleicht: so, «dass ich sogar<br />
beim Sex ein schlechtes Gewissen habe, weil<br />
ich noch an h<strong>und</strong>ert andere Dinge denke, die<br />
ich erledigen sollte, weil drei Tage später Prüfungen<br />
anstehen», wie Helene* zugibt.<br />
Auch darum nicht, weil der Feind Routine<br />
existiert: «Schlecht ist Sex dann», erzählt<br />
Priska*, «wenn Leidenschaft fehlt – wenn da<br />
nur das reine Funktionieren von zwei emotional<br />
abgegrenzten Körpern ist, die sich ohne<br />
Leidenschaft befriedigen, weil man ‹es› vor<br />
dem Schlafen eben macht».<br />
Und auch darum nicht, weil Sexualpartner<br />
nicht in jedem Fall eine Bereicherung<br />
füreinander sind, etwa, wenn man es<br />
mit dem Bett-Egoisten zu tun hat: «Der Brasilianer,<br />
der mich eine geschlagene St<strong>und</strong>e wie<br />
ein Karnickel rammelt, dreimal kommt, aber<br />
sich nichts anmerken lässt <strong>und</strong> am Schluss<br />
fragt, ob’s in Ordnung ist, wenn er jetzt aufhört,<br />
ohne dass er sich um mich gekümmert<br />
hat? Das war schlechter Sex», erzählt Zarah*.<br />
Und Gina* erinnert sich mit einem Zwinkern<br />
an «Rein-raus-rein-raus-fertig!»<br />
Flautenbewältigung<br />
Sie haben’s alle überlebt, haben nun die<br />
Spur von Amüsiertheit, wenn sie nach einigem<br />
Nachhaken vom schlechten Sex erzählen,<br />
der sich da in ihr Bett geschlichen hat<br />
– die Flaute im Bett: weggesteckt.<br />
Man kann nicht darum herum kommen<br />
hervorzuheben, dass es allesamt Frauen sind,<br />
die nun, mit Distanz zum Mann oder dem Zustand,<br />
der dahinterstand, eben doch darüber<br />
sprechen. Kein Zufall per se. Sex hat – bei<br />
aller Normalität seiner ständigen Thematisierung<br />
– nach wie vor männliche Achillesfersentendenz.<br />
Kling klischeehaft, ist es aber nicht,<br />
wie Sex-Experin Eliane Schweitzer erklärt:<br />
«Für Männer ist es sehr frustrierend, wenn sie<br />
es einer Frau nicht ‹schön machen› können.<br />
Frauen sind da robuster, um nicht zu sagen<br />
unsensibler: Wenn er Schwierigkeiten hat, bezieht<br />
das eine Frau nur im Ausnahmefall auf<br />
sich. Sie ärgert sich über den Versager.» Oder<br />
kann nun wenigstens lachen. Und hat am eigenen<br />
Leibe viel über Qualität gelernt, die ihr<br />
von nun an deutlicher denn je auffallen wird.<br />
Gut, geben wir’s zu: Es liegt nicht nur an<br />
Filmen wie «Basic Instinct», dass das eigene<br />
Polykum Nr. 3/09–10 Illustration: Tobias Tschopp